Perkolationstheorie
Technik / Hydrologie / Pharmazie
Perkolation beschreibt das Durchfließen von Wasser durch eine festes Substrat. Dabei kann es zu Herauslösung oder Fällung von Mineralien kommen. Perkolation wird auch als Sickerlaugung bezeichnet.
Gebräuchlich ist dieser Begriff vor allem in der Hydrologie, wo er die Wassermenge umfasst, die den Boden durchsickert. Es kommt erst zur Perkolation wenn die Feldkapazität, also die maximale Wasseraufnahmekapazität des Bodens, überschritten wird. Hierdurch kommt es zur Bildung von Grundwasser.
In der Pharmazie wird die Perkolation zur Gewinnung pflanzlicher Wirkstoffe benutzt. Hierbei wird ein, zumeist kaltes, Lösungsmittel, wie beispielsweise Wasser oder Alkohol durch die Pflanzen oder Pflanzenteile hindurch geleitet.
Statistische Physik/Mathematik
Allgemeines
Die Perkolationstheorie beschreibt das Ausbilden von zusammenhängenden Gebieten (Clustern) bei zufallsbedingtem Besetzen von Strukturen (Gittern). Beispiele sind die Punktperkolation oder die Kantenperkolation.
Bei der Punktperkolation werden Gitterpunkte mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit besetzt, bei der Kantenperkolation werden besetzte Punkte untereinander Verbunden. Man kann sich aber beliebige zufällig erzeugte Objekte (wie z.B. Tröpfchen) vorstellen, die dann untersucht werden.
Mit der Perkolationstheorie können Phänomene wie elektrische Leitfähigkeit von Legierungen, Ausbreitungen von Epidemien und Waldbränden oder Wachstumsmodelle beschrieben werden.
Historisch geht die Perkolationstheorie (engl.: percolation theory) auf Flory und Stockmayer zurück, die sie während des Zweiten Weltkriegs entwickelten, um Polymerisationsprozesse zu beschreiben. Der Polymerisationsprozess kommt durch das Aneinanderreihen von Molekülen zustande, die dadurch Makromoleküle bilden. Der Verbund von solchen Makromolekülen führt zu einem Netzwerk von Verbindungen, die sich durch das ganze System ziehen können.
In der Geologie/Hydrologie beschreibt die Perkolation einfache Modelle zur Ausbreitung von Flüssigkeiten in porösem Gestein (siehe oben), die als anschauliche Beispiele der unten beschrieben Clusterbildung dienen.
Modellbildung
Perkolationen werden auf Gittern modelliert, wobei Kristallgitter (siehe auch Kristallstruktur) als Interpretationen von Gitter (Mathematik) sind.
Knotenperkolation (site percolation)
Allgemein lässt sich ein einfaches Modell für die "Knoten-" oder "Platzperkolation" konstruieren: Quadrate eines zweidimensionalen Quadratgitters werden durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung besetzt. Ob ein Feld besetzt wird oder leer bleibt ist unabhängig der Besetzung der Nachbarfelder; besetzte Felder "ignorieren" sozusagen die Nachbarfelder. Des Weiteren wird das Gitter als so groß angenommen, dass Randeffekte vernachlässigt werden können (im Idealfall unendlich groß). Abhängig von der gegebenen Verteilung werden sich Gruppen auf dem Gitter bilden, das heißt besetzte Felder in unmittelbarer Nachbarschaft. Diese Gruppen - als Cluster bezeichnet - werden umso größer sein, je größer die Wahrscheinlichkeit zur Besetzung eines Feldes ist. Die Perkolationstheorie beschäftigt sich nun mit Eigenschaften wie Größe oder Länge dieser Cluster.
Wenn die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Feld besetzt ist, bilden sich mit dem Ansteigen von größere Cluster aus. Die Besetzungswahrscheinlichkeit ist als der Wert definiert, bei dem mindestens ein Cluster eine Größe erreicht, dass er sich durch das gesamte System erstreckt, also eine Ausdehnung auf dem Gitter von der rechten zur linken und von der oberen zur unteren Seite hat. Man sagt: Der Cluster perkoliert durch das System. Die Größe ist die so genannte Perkolationsschwelle.
Kantenperkolation (bond percolation)
Das Gegenstück dazu wird "Kantenperkolation" (engl.: bond percolation) genannt.
Ein Gitter, z.B. oben genanntes Quadratgitter, ist vollständig besetzt und es bestehen von jedem Feld des Gitters vier Verbindungen zu den jeweils vier Nachbarfelder. Nun ist mit einer Wahrscheinlichkeit eine Verbindung zu einem Nachbarfeld geöffnet und mit einer wahrscheinlichkeit die Verbindung geschlossen. Diese Art der Perkolation lässt sich gut mit dem oben genannten Modell in der Geologie vergleichen. Die Hohlräume in einem porösen Gestein sind mit Wasser gefüllt und durch ein Netzwerk von Kanälen verbunden. Mit einer Wahrscheinlichkeit besteht ein Kanal zwischen zwei nächsten Nachbarn, und mit einer Wahrscheinlichkeit von besteht keiner.
Ein Cluster ist dann als Gruppe von Gitterplätzen definiert, die durch offene Kanäle verbunden sind. Auch hier ist wieder die Perkolationsschwelle und es gibt für einen Cluster, der durch das gesamte System perkoliert, während ein solcher Cluster bei nicht existiert. Die Perkolationsschwelle ist bei der Kantenperkolation niedriger als bei Systemen, welche entsprechend der Knotenperkolation verhalten. Das gilt für alle Gittertypen.
Gittertyp | Knotenperkolation | Kantenperkolation |
Wabengitter | 0,696 | 0,652 |
Quadratgitter | 0,593 | 0,5 |
Dreiecksgitter | 0,5 | 0,347 |
Diamantgitter | 0,43 | 0,388 |
einfach kubisches Gitter | 0,312 | 0,249 |
BCC 1. | 0,246 | 0,180 |
FCC | 0,198 | 0,119 |
(Werte entnommen aus http://www.ica1.uni-stuttgart.de/Courses_and_Lectures/Simulationsmethoden/skript.pdf)
Gerichtete Perkolation
Die gerichtete Perkolation (directed percolation DP) lässt sich sehr anschaulich mit einer Kaffeemaschine (engl. coffee percolator) oder mit dem bereits erwähnten porösen Gestein erklären.
Anhand der bond-Perkolation wird der Unterschied zwischen "normaler", oder isotroper Perkolation (IP) und der gerichteten Perkolation klar.
Wenn Wasser auf ein poröses Medium gegossen wird, stellt sich die Frage, ob das Medium durchdrungen werden kann, d.h. ob es einen Kanal von der Oberseite zur Unterseite des Mediums gibt, oder ob das Wasser vom Mediuim absorbiert wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wasser auf einen offenen Kanal trifft ist wie bei einer isotropen Perkolation durch gegeben. Im Gegensatz zu der isotropen Perkolation existiert eine gegebenen Vorzugsrichtung. Wasser in porösem Gestein wie auch in der Kaffemaschine bewegt sich in die Richtung, die durch die Gravitation bestimmt wird. Die Perkolationsschwelle ist bei der gerichteten Perkolation größer als bei der isotropen Perkolation.
Compact Directed Percolation
Dies ist eine weitere Abwandlung der gerichteten Perkolation. Der Verdrängungsprozeß findet nur am Rand des Perkolationsclusters statt. Im innern des Clusters sind alle Gitterplätze besetzt. Deshalb ist der kritische Exponent des Phasenübergangs zwischen aktiver und passiver Phase hier .