Nationalrat (Österreich)

Abgeordnetenkammer des österreichischen Parlaments
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Der Nationalrat ist die Abgeordnetenkammer des österreichischen Parlaments. Er ist mit dem Bundesrat, der die Vertretung der Länder darstellt, zur Gesetzgebung des Bundes berufen. Beide Kammern sind als selbstständige Organe eingerichtet. Generell werden Initiativen zunächst vom Nationalrat beraten, der Bundesrat bildet dabei im Gesetzgebungsprozess das bestätigende oder verwerfende Organ. In besonderen Fällen treten Nationalrat und Bundesrat gemeinsam als Bundesversammlung zusammen. Der Sitz des Nationalrats ist das Parlamentsgebäude in der Bundeshauptstadt Wien.

Nationalrat
Stellung Gesetzgebungsorgan des Bundes
Staatsgewalt Legislative
Gründung 10. November 1920
Sitz Wien
Vorsitz Barbara Prammer (SPÖ)
Bestandsgarantie Art. 1 (demokratisches Prinzip) und Art. 24–33 (Gesetzgebung des Bundes; Nationalrat) Bundes-Verfassungsgesetz 1920/1929 (B-VG)
Website [1]
Sitzungssaal des Nationalrates

Geschichte

Vorläufer

 
Der Nationalrat hat seinen Sitz im Parlamentsgebäude in Wien (2005)
 
Der Nationalrat tagte nach dem Ersten Weltkrieg im ehemaligen Sitzungssaal des Herrenhauses (1930)

Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges, als die Österreichisch-Ungarische Monarchie im Zerfallen begriffen war, traten am 21. Oktober 1918 die, so bezeichneten sie sich selbst, deutschen Abgeordneten des Abgeordnetenhauses des alten Reichsrates unter dem Vorsitz von Karl Seitz als Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich zusammen.

Sie wählten am 30. Oktober aus ihrer Mitte einen Vollzugsausschuss, der sich Deutschösterreichischer Staatsrat nannte. Vorsitzender war wiederum Karl Seitz, zum Staatskanzler wurde Karl Renner gewählt. Mit der Staatsregierung wurde die oberste Verwaltung des neuen Staates eingesetzt. Am 12. November, nachdem der letzte Habsburger Kaiser Karl I. am Vortag „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ verzichtet hatte, beschloss die Nationalversammlung das „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich“. Sein Art. 1 lautete: „Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volke eingesetzt“. Art. 2 begann mit dem Satz: „Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.“ Am selben Tag wurde vor dem Parlament in Wien die Republik ausgerufen.

Unter Berufung auf das von US-Präsident Woodrow Wilson verkündete „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ nahmen auch deutschsprachige Abgeordnete aus Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien und Südtirol an den Sitzungen teil. Deutschösterreich beanspruchte jedoch erfolglos die dortigen deutschsprachigen Siedlungsgebiete.

Die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919 konnte nur im tatsächlichen, im Herbst 1919 vertraglich festgelegten Hoheitsgebiet des Staates Deutschösterreich stattfinden. An dieser Wahl konnten sich erstmals in der Geschichte Österreichs alle volljährigen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sich im damaligen Staatsgebiet aufhielten, teilnehmen. Wahlberechtigt waren auch Bürger des Deutschen Reiches, wenn sie sich zur Zeit der Wahl in Österreich aufhielten. Durch das Volk legitimiert, ging die Konstituierende Nationalversammlung daran, das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) von 1920 zu beraten.

Mit der Ratifizierung des Vertrages von St. Germain – auf dessen Inhalt die Delegation des Staatsrates unter Karl Renner fast keinen Einfluss nehmen konnte – am 21. Oktober 1919 durch die Nationalversammlung erstreckte sich die Zuständigkeit des Parlaments nunmehr definitiv nicht mehr auf die nur beanspruchten, aber nicht beherrschten deutschen Siedlungsgebiete Altösterreichs. Der bisherige Name „Staat Deutschösterreich“ musste gemäß Vertrag durch „Republik Österreich“ ersetzt werden. Außerdem war der Anschluss an Deutschland ausgeschlossen. Österreich wurde jedoch entsprechend den Verträgen von St. Germain und Trianon im Herbst 1921 das von Ungarn abgetretene Deutsch-Westungarn, in Österreich Burgenland genannt, zugeschlagen.

Der Nationalrat seit dem Inkrafttreten des B-VG

 
Bundesgesetzblatt vom 10. November 1920: Gesetz vom 1. Oktober 1920, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird (Bundes-Verfassungsgesetz).

Der Nationalrat, der 1920 die Nationalversammlung ablöste, hatte bereits in der Ersten Republik – wie heute – 183 Abgeordnete. 1925 wurde die Anzahl aber auf 165 reduziert. In der Ersten Republik war der Nationalrat die Bühne heftiger Auseinandersetzungen zwischen den konservativen Regierungen und den seit 1920 in Opposition befindlichen Sozialdemokraten.

Dennoch konnte 1929 eine Verfassungsnovelle beschlossen werden, die auf Wunsch der Konservativen die Rechte des Bundespräsidenten stärkte. Als Kompromiss mit den Sozialdemokraten wurden jedoch die meisten Rechte des Bundespräsidenten an den Vorschlag der Bundesregierung gebunden. Die Aufwertung des Amtes des Staatsoberhauptes führte gleichzeitig zu einer Schmälerung der Rechte des Parlaments. So verlor der Nationalrat sowohl die Möglichkeit, die Bundesregierung selbst zu wählen, als auch den Oberbefehl über das Bundesheer.

Als im Zuge einer Abstimmung, bei der es auf jede Stimme ankam (der vorsitzführende Präsident stimmte nicht mit!), am 5. März 1933 alle drei Nationalratspräsidenten (Karl Renner, Rudolf Ramek und Sepp Straffner) nacheinander von ihrem Amt zurücktraten, – die Nationalratsgeschäftsordnung enthielt für diesen Fall keine Bestimmung – konnte die Sitzung nicht mehr rechtskonform beendet werden. Der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß nutzte diese Gelegenheit, um den Parlamentarismus in Österreich auszuschalten (siehe Selbstausschaltung des Parlaments). Ein Wiederzusammentreten der Abgeordneten wurde von Dollfuß mit Polizeigewalt verhindert.

Der Bundeskanzler griff das nach dem Ersten Weltkrieg gemäß Verfassungsrecht fortgeltende Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz von 1917 missbräuchlich auf und wandelte so die Republik am 1. Mai 1934 in einen autoritären Ständestaat um, nachdem er auch den Verfassungsgerichtshof entmachtet hatte. Vier Jahre lang regierte die aus der Christlichsozialen Partei hervorgegangene Vaterländische Front ohne Parlament (vgl. Austrofaschismus), bis Österreich mit dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich in der Zeit des Nationalsozialismus am 12. März 1938 als eigenständiger Staat zu existieren aufhörte. In der NS-Zeit wurde das Parlamentsgebäude als Sitz der Gauverwaltung Wiens genutzt und als Gauhaus bezeichnet.

Erst am 25. November 1945 fanden wieder Nationalratswahlen, die ersten seit 1930, statt. Die Geschäftsordnung des Nationalrats wurde nunmehr so ergänzt, dass eine Wiederholung der Krise von 1933 ausgeschlossen werden konnte. 1971 wurde die Anzahl der Abgeordneten wieder auf 183 erhöht.

Beschlusserfordernisse

Der Nationalrat beschließt einfache Bundesgesetze bei Anwesenheit von mindestens einem Drittel aller Abgeordneten (Juristen bezeichnen diese Mindestanwesenheit als Präsenzquorum) mit einfacher Mehrheit. Auf gleiche Weise kann er sich auflösen oder der Bundesregierung bzw. einzelnen Mitgliedern derselben das Misstrauen aussprechen.

Bei Beharrungsbeschlüssen nach einem Veto des Bundesrates muss mindestens die Hälfte aller Abgeordneten anwesend sein. Es genügt die einfache Mehrheit der Stimmen.

Zum Beschluss von Bundesverfassungsgesetzen sind die Anwesenheit von mindestens der Hälfte aller Abgeordneten und eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen notwendig.

Außerdem kann der Nationalrat Volksabstimmungen und Volksbefragungen ansetzen. Eine Volksabstimmung findet auf Anordnung des Bundespräsidenten statt,

  • wenn der Nationalrat beschließt, eine Volksabstimmung über einen seiner Gesetzesbeschlüsse durchzuführen (für diesen Beschluss gelten die gleichen Anwesenheits- und Mehrheitsregeln wie für den Gesetzesbeschluss), oder wenn dies die Mehrheit der Mitglieder des Nationalrats verlangt (Art. 43 B-VG);
  • über jede Gesamtänderung der Bundesverfassung (Art. 44 Abs. 3 B-VG);
  • über eine Teiländerung der Bundesverfassung (also über jedes Bundesverfassungsgesetz), wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrats verlangt wird (Art. 44 Abs. 3 B-VG).

Eine Volksbefragung, deren Ergebnis den Nationalrat nicht bindet, kann von ihm mit den für ein einfaches Bundesgesetz erforderlichen Anwesenheits- und Mehrheitsregeln zu Angelegenheiten von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung beschlossen werden, zu denen die Haltung der österreichischen Bevölkerung erforscht werden soll.

Kompetenzen

Gesetzgebung

Hauptartikel: Gesetzgebungsverfahren (Österreich)

Gesetzesinitiativen können von Abgeordneten und Ausschüssen des Nationalrats, der Bundesregierung (so genannte Regierungsvorlagen), dem Bundesrat und den Staatsbürgern (mittels Volksbegehren) eingebracht werden. Die tatsächlich umgesetzten Initiativen gehen aber fast immer von der Regierung aus. Nachdem ein Gesetzesantrag gestellt wurde, wird dieser meist dem zuständigen Ausschuss oder Unterausschuss zugewiesen. Im Plenum sind drei sogenannte Lesungen vorgesehen, wobei auf die dritte Lesung meist verzichtet wird. Nach dem Beschluss des Nationalrates geht die Initiative an den Bundesrat, Ausnahmen bilden hier zum Beispiel Finanzgesetze oder die Geschäftsordnung des Nationalrates, die dieser ohne den Bundesrat beschließen kann. Der Bundesrat hat wiederum in den meisten Fällen nur die Möglichkeit eines suspensiven Vetos gegenüber den Beschlüssen des Nationalrates. Ein absolutes Veto kommt ihm nur bei Beschlüssen zu, die seine eigenen Kompetenzen, oder jene der Länder, betreffen. Bei suspensiven Vetos des Bundesrates kann der Nationalrat einen Beharrungsbeschluss fällen mit dem er, nach einer gewissen Frist, den Einspruch des Bundesrates überwindet. Schließlich wird das verfassungskonforme Zustandekommen des Gesetztesbeschlusses vom Bundespräsidenten beglaubigt und dessen Unterschrift vom Bundeskanzler gegengezeichnet. Nachdem dieser den Beschluss im Bundesgesetzblatt ordentlich kundgemacht hat, erwächst er am Tag nach der Kundmachung – außer er selbst bestimmt es anders – in Gesetzeskraft.

Beteiligung an der Vollziehung

Der Nationalrat besitzt gegenüber der Bundesregierung und dem Bundespräsidenten gewisse Zustimmungs- und Genehmigungsrechte, etwa was den Abschluss von Staatsverträgen betrifft. Er schlägt weiters dem Bundespräsidenten die Bestellung von drei Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern des Verfassungsgerichtshofs vor. Da der Rechnungshof ein Organ des Parlaments darstellt, wählt der Nationalrat dessen Präsidenten. Außerdem kann der Nationalrat den Rechnungshof mit Einzelprüfungen beauftragen.[1] Ebenso verhält es sich mit der Wahl der drei Volksanwälte; den drei größten Fraktionen steht dabei das Vorschlagsrecht zu. Gemeinsam mit dem Bundesrat tritt der Nationalrat gegebenenfalls zur Bundesversammlung zusammen. Obwohl sie sich aus Legislativorganen zusammensetzt, stellt sie ein reines Exekutivorgan dar. Einen Sonderfall stellt die dauerhafte Verhinderung oder Erledigung – durch Tod, Rücktritt oder Amtsenthebung – des Amtes des Bundespräsidenten dar. In diesem Falle ist das Präsidium des Nationalrates zu dessen Vertretung berufen.

Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung

Der Nationalrat kann die Mitglieder der Bundesregierung wegen Gesetzesüberschreitungen und strafrechtlich verfolgbarer Handlungen mit einer Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof rechtlich haftbar machen. Außerdem steht dem Nationalrat das Interpellationsrecht (= Fragerecht) gegenüber der Bundesregierung – in Form von schriftlichen, mündlichen und dringlichen Anfragen[1] – zu. Auch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ist eine Möglichkeit der politischen Kontrolle gegenüber der Exekutive. In letzter Konsequenz hat der Nationalrat auch die Kompetenz einem einzelnen Mitglied oder der gesamten Bundesregierung das Misstrauen auszusprechen. Der Bundespräsident hat das betreffende Mitglied oder die Gesamtregierung daraufhin sofort ihres Amtes zu entheben. Im Übrigen obliegt dem Nationalrat der Beschluss des Bundesfinanzgesetzes und des von der Regierung vorgelegten Bundesrechnungsabschlusses.

Verhältnis zum Bundespräsidenten

Der Bundespräsident beruft den Nationalrat – gemäß Art. 28 Abs. 1 B-VG – jedes Jahr zu einer ordentlichen Tagung ein. Die Einberufung außerordentlicher Tagungen und Schließungen der Tagungen erfolgen durch den Bundespräsidenten auf Beschluss des Nationalrates selbst. In diesen Punkten hat der Bundespräsident keinerlei politischen Spielraum, sondern ist strikt an den Text der Verfassung beziehungsweise an die Entscheidungen des Nationalrates selbst gebunden.

Das Staatsoberhaupt kann jedoch den Nationalrat auf Vorschlag der Bundesregierung auflösen, aber nur einmal aus demselben Grund. Dies geschah bisher nur 1930 durch Wilhelm Miklas. Doch kann eine vom Bundespräsidenten ernannte Regierung gegen eine Mehrheit im Nationalrat nicht bestehen. Auch geht die Initiative für die Einberufung der Bundesversammlung, zur Anklage oder zur Ansetzung einer Volksabstimmung zur Absetzung des Bundespräsidenten, vom Nationalrat aus. Bisher hat der Nationalrat jedoch noch nie einen solchen Schritt gesetzt.

Das Verhältnis des Bundespräsidenten zu den anderen Staatsorganen ist generell geprägt vom sogenannten Rollenverzicht.

Dem Nationalrat und dem Bundespräsidenten gemein ist, dass beide über eine hohe demokratische Legitimität verfügen. Sie werden direkt vom Bundesvolk gewählt.[2]

Abgeordnete

Der Nationalrat besteht aus 183 Abgeordneten. Diese wählen in der ersten Sitzung nach der Nationalratswahl den Nationalratspräsidenten und zwei Stellvertreter (2. und 3. Präsident), die sich bei den Sitzungen im Vorsitz abwechseln. Der Nationalrat ist bei seiner Präsidentenwahl an Fraktionsstärken nicht gebunden; es ist aber seit 1920 Usus, dass der Präsident von der größten Fraktion nominiert wird. Als Nationalratspräsidentin fungiert in der derzeitigen Gesetzgebungsperiode Barbara Prammer (SPÖ), als Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (ÖVP), als Dritter Präsident Martin Graf (FPÖ).

Wie in den meisten Demokratien verfügen auch in Österreich die Abgeordneten über die Politische Immunität. Diese teilt sich auf in:

  • Berufliche Immunität: Die Abgeordneten können für ihre Äußerungen im Plenum nur vom Nationalrat selbst verantwortlich gemacht werden (persönlicher Strafausschließungsgrund).
  • Außerberufliche Immunität: Ein Abgeordneter darf typischerweise nur mit Zustimmung des Immunitätsausschusses für sein außerparlamentarisches strafbares Verhalten behördlich verfolgt werden, es sei denn die Tat steht offensichtlich nicht im Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit (z.B. Falschaussage vor Gericht in einem Strafprozess[3]) oder er wurde bei Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat ertappt. Diesfalls kann der Immunitätsausschuss die Beendigung der Verfolgung (und die Aufhebung einer schon vollzogenen Verhaftung) verlangen. Die Verfolgung ist wieder möglich sobald das Mandat endet.

Der einzelne Abgeordnete ist verfassungsmäßig in der Ausübung seines Mandates frei und an keine Weisungen gebunden. Er darf auch keinerlei Aufträge entgegennehmen, in diesem oder jenem Sinn zu stimmen oder zu sprechen. Im Spannungsverhältnis dazu steht das Bestreben jeder im Parlament vertretenen Partei, ein "geschlossenes Abstimmungsverhalten" ihrer Fraktion zu erreichen. Als Druckmittel verlangten die Parteien viele Jahre lang von ihren Abgeordneten Blanko-Rücktrittserklärungen, bis dies als gesetzwidrig erkannt wurde. Heute müssen psychologischer Gruppendruck und die Aussicht, bei der nächsten Wahl nicht mehr auf der Kandidatenliste aufzuscheinen, ausreichen. Es muss von den Fraktionen aber auch toleriert werden, dass Abgeordnete, die eine bestimmte Entscheidung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, der betreffenden Abstimmung fernbleiben.

Klubförderung

Die im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien, konkret deren Parteiklubs, erhalten jährlich eine sogenannte „Klubförderung“. Diese betrug bis 2008 insgesamt 15,3 Millionen Euro und wurde nach Anzahl der Sitze abgestuft aufgeteilt. In der ersten, konstituierenden Sitzung des Nationalrats nach der Nationalratswahl 2008, wurde am 28. Oktober einstimmig beschlossen, die abgestufte Klubförderung abzuschaffen und diese nun auf jedes Mitglied genau zu berechnen, sowie um 15 % bzw. 2,3 Millionen Euro zu erhöhen.[4] Im Zuge der Finanzkrise 2008 und der dadurch drohenden wirtschaftlichen Turbulenzen und vor dem Hintergrund der steigenden Politikverdrossenheit nach dem Scheitern einer „dauerstreitenden“ Regierungskoalition sorgte diese deutliche Erhöhung für Aufregung in den Medien und teils empörte Kommentare. So habe der Nationalrat die Erhöhung „still und heimlich“[5] bzw. „heimlich und ganz ohne Diskussion“[6] abgewickelt. Die Erhöhung der Klubförderung sei „dreist“,[6] das „Vertrauen verkauft“[6] und ein Kommentar fragt, ob die Parlamentarier eine „Kaste der Unantastbaren“[7] sei.

Ausschüsse

Im Nationalrat nominieren in jeder Gesetzgebungsperiode die Fraktionen nach ihrer Mandatsstärke Mitglieder für die Ausschüsse, die Anträge diskutieren und Beschlüsse des Plenums vorbereiten.

Es gibt verfassungsrechtlich zwingend vorgesehene sowie freiwillige Ausschüsse, die bei Bedarf gebildet werden können. In der 2006 beendeten XXII. Gesetzgebungsperiode gab es 36 Ausschüsse. Zu den fixen Ausschüssen zählen der Hauptausschuss, der Rechnungshofausschuss, der Immunitätsausschuss und der Haushaltsausschuss. Zu den freiwilligen Ausschüssen zählen hingegen der Justizausschuss, der Sozialausschuss, Landesverteidigungsausschuss oder die verschiedenen Untersuchungsausschüsse.

Derzeitige Sitzverteilung

Datei:Mandatsverteilung nach der Nationalratswahl in Österreich 2008.PNG
Mandatsverteilung im neugewählten Nationalrat

Nach der Nationalratswahl am 28. September 2008 lautet die Sitzverteilung in der XXIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates wie folgt:

Partei 2006 2008
SPÖ 68 1 57
ÖVP 66 51
FPÖ 19 2 34
BZÖ 7 203,4
Grüne 21 20
Fraktionslos 2 13
Quelle: Österreichischer Nationalrat – Sitzplan im Plenarsitzungssaal
1 Ein SPÖ-Mandat ging nach der Wahl aufgrund eines Wahlbündnisses an Alexander Zach, den damaligen Vorsitzenden des Liberalen Forums. Zach wurde aber Mitglied der SPÖ-Fraktion, womit diese 69 Abgeordnete hatte. Nach dem Rücktritt des liberalen Abgeordneten am 23. September 2008 rückte für die letzten vier Nationalratssitzungen ein Sozialdemokrat nach.
2 Zwei der Abgeordneten der FPÖ haben sich im Laufe der Legislaturperiode von der FPÖ abgewandt, sind aus der Partei ausgetreten und waren danach fraktionslos.
3 Der Obmann des BZÖs Tirol, ist nach Mordvorwürfen aus dem BZÖ und dem BZÖ-Klub ausgetreten/ausgeschlossen worden.
4 Am 16. Dezember 2009 kündigten die Kärntner im BZÖ an, aus dem BZÖ auszutreten und einen eigenen Klub zu gründen, der im CDU/CSU Modell mit der stärker mit der FPÖ kooperiert. Es ist noch unklar, wieviele Abgeordnete das sein werden, es braucht fünf laut österreichischer Parlamentsordnung fünf um den Klubstatus zu erhalten. Derzeit gibt es vier Zusagen zur Abspaltung. .

Nationalratswahlergebnisse in der Zweiten Republik

 
Wahl-Ergebnisse in Österreich

Im folgenden die Nationalratswahlergebnisse seit 1945 in Prozent der gültigen Stimmen und Anzahl der Mandate

Jahr SPÖ ÖVP Grüne1 FPÖ2 BZÖ3 LiF4 KPÖ5 Sonstige
Wahl 1945 44,6 76 49,8 85 5,4 4 0,2 0
Wahl 1949 38,7 67 44,0 77 11,7 16 5,1 5 0,5 0
Wahl 1953 42,1 73 41,3 74 10,9 14 5,3 4 0,4 0
Wahl 1956 43,0 74 46,0 82 6,5 6 4,4 3 0,1 0
Wahl 1959 44,8 78 44,2 79 7,7 8 3,3 0 0,1 0
Wahl 1962 44,0 76 45,4 81 7,0 8 3,0 0 0,5 0
Wahl 1966 42,6 74 48,4 85 5,4 6 0,4 0 3,3 0
Wahl 1970 48,4 81 44,7 78 5,5 6 1,0 0 0,4 0
Umstellung auf 183 Mandate
Wahl 1971 50,0 93 43,1 80 5,5 10 1,4 0 0,0 0
Wahl 1975 50,4 93 42,9 80 5,4 10 1,2 0 0,0 0
Wahl 1979 51,0 95 41,9 77 6,1 11 1,0 0 0,0 0
Wahl 1983 47,6 90 43,2 81 3,4 0 5,0 12 0,7 0 0,1 0
Wahl 1986 43,1 80 41,3 77 4,8 8 9,7 18 0,7 0 0,3 0
Wahl 1990 42,8 80 32,1 60 4,8 10 16,6 33 0,6 0 3,3 0
Wahl 1994 34,9 65 27,7 52 7,3 13 22,5 42 6,0 11 0,3 0 1,4 0
Wahl 1995 38,1 71 28,3 52 4,8 9 22,0 41 5,5 10 0,3 0 1,1 0
Wahl 1999 33,2 65 26,9 52 7,4 14 26,9 52 3,7 0 0,5 0 1,5 0
Wahl 2002 36,5 69 42,3 79 9,5 17 10,0 18 1,0 0 0,6 0 0,2 0
Wahl 2006 35,3 68 34,3 66 11,0 21 11,0 21 4,1 7 0 (1)6 1,0 0 3,3 0
Mindestwahlalter auf 16 herabgesetzt – Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert
Wahl 20087 29,3 57 26,0 51 10,4 20 17,5 34 10,7 21 2,1 0 0,8 0 3,2 0
1 1983 ALÖ (Alternative Liste Österreichs, 1,4%) und VGÖ (Vereinte Grüne Österreichs, 1,9%)
2 1949 und 1953 als VdU (Wahlpartei der Unabhängigen (WdU))
3 Das BZÖ ging 2005 als Abspaltung der ehemaligen FPÖ-Minister hervor und trat 2006 erstmals zu einer Nationalratswahl an
4 Das Liberale Forum kandidierte 2006 nicht mit einer eigenen Liste, konnte aber durch ein Wahlbündnis mit der SPÖ Alexander Zach entsenden, der kurz vor der Neuwahl im September 2008 zurücktrat
5 1953 VO (Wahlgemeinschaft Österreichische Volksopposition) 1956–1966 KuL/KLS (Kommunisten und Linkssozialisten)
6 Trat nicht zur Wahl an, jedoch Mandat von der SPÖ an das LIF bis zum Rücktritt des LIF-Mandatars im September 2008.
7 Nach Bruch der großen Koalition wurden vorzeitige Neuwahlen ausgerufen.

Sitzungssaal

 
Präsidium, Regierungsbank und Rednerpult vom Mittelgang aus gesehen. Darüber der Bundesadler aus Metall.

Der Nationalrat tagt seit seiner Entstehung im ehemaligen Sitzungssaal des Herrenhauses des Reichsrates. Nachdem im Zweiten Weltkrieg die Inneneinrichtung durch einen Bombentreffer vernichtet worden war, wurde der Saal bis 1956 im damaligen Stil neu gestaltet. Zentrales Element ist ein von Rudolf Hoflehner gestalteter Bundesadler. Zurzeit (2008) steht die Renovierung des abgenutzten Interieurs an. Hierbei soll der Sitzungssaal vor allem behindertenfreundlicher gestaltet, die Höhe der Regierungsbank gesenkt, die Zuschauergalerie vergrößert und die Sitzreihen erneuert werden. Daneben steht auch eine Rundumerneuerung der Saalelektronik an. Während des Umbaus soll der Nationalrat im Sitzungssaal der Bundesversammlung – dem ehemaligen Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses des Reichsrates – tagen. Der architektonischen Erneuerung sind jedoch durch den Denkmalschutz Grenzen gesetzt. Der Umbau stieß vor allem bei der ÖVP auf Kritik, die die geplanten Maßnahmen als zu kostspielig kritisierte.

Eine originalgetreue Wiederherstellung des Saales vor der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges ist nicht geplant.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b http://www.parlament.gv.at/NR/NR_BREG/AINFO/Nationalrat%20und%20Bundesregierung_Portal.shtml
  2. http://www.parlament.gv.at/NR/NR_BRPRAES/AINFO/Nationalrat%20und%20Bundespr%C3%A4sident_Portal.shtml
  3. http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/364304/index.do?from=simarchiv
  4. Die Presse: Parteien erhöhen ihre Klubförderung um 15 Prozent. 29. Oktober 2008 (abgerufen am 3. November 2008)
  5. Kleine Zeitung: Klubförderung erhöht: Parteien gönnen sich mehr Geld 29. Oktober 2008 (abgerufen am 3. November 2008)
  6. a b c Der Standard: Klubförderung: Vertrauen verkauft. Andrea Heigl, 29. Oktober 2008 (abgerufen am 3. November 2008)
  7. Der Standard: Klubförderung: Eine ‚Kaste der Unantastbaren‘? Kommentar der Anderen, Patrick Hartweg, 31. Oktober 2008, S. 46
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