Numa Pompilius (angeblich * 750 v. Chr.; † 672 v. Chr.) war der sagenhafte zweite König von Rom. Er soll von 715 v. Chr. bis zu seinem Tod regiert haben; die scheinbar exakten biographischen Daten in späten Quellen werden jedoch von der modernen Forschung skeptisch betrachtet.

Zeitgenössische Quellen liegen nicht vor; die Behandlung Numas in der Literatur zur römischen Geschichte setzt erst in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. ein und weist legendenhafte Züge auf. Daher lässt sich nicht erkennen, ob es sich überhaupt um eine historische Gestalt handelt. Die folgende Darstellung beschreibt nur die nicht nachprüfbare legendenhafte Schilderung in literarischen Darstellungen wie denen des Livius oder Plutarchs. Viele Einzelheiten sollten ätiologisch spätere Verhältnisse erklären.
Legendenhafte Lebensgeschichte
Numa lebte zunächst abgeschieden mit seiner Frau in Cures, im Land der Sabiner. Nach dem Tod von König Romulus folgte er nur auf Drängen seines Schwiegervaters Titus Tatius und von Freunden seiner Berufung auf den römischen Thron. Seine Regentschaft war geprägt von einer weisen Gesetzgebung und der Förderung von Gewerbe und Landwirtschaft.
Um zu zeigen, dass der beste Schutz des Regenten die Liebe des Volkes ist, schaffte er seine Leibwache ab. Durch eine stärkere Verbreitung der Religion wollte er den vorhandenen Gewalttendenzen in der Bevölkerung entgegenwirken.
Der König trat sein Amt gegen 715 v. Chr. an und organisierte die Bevölkerung Roms neu. Rom, das zu dieser Epoche noch eine kleine zusammenhanglose Siedlung war, hatte eine Bevölkerung, die sich aus verschiedenen Stammesangehörigen zusammensetzte. Zwischen den Einwanderern kam es daher immer wieder zu Spannungen. Der König fasste die Bauern der Umgebung in Bezirke (pagi) zusammen. Die Einwohner Roms wurden in Berufsgilden organisiert.
Er erweiterte den Gottesdienst der Vesta und erbaute dem Ianus einen Tempel. War dieser Tempel offen, war dies ein Zeichen für Krieg. Im Frieden war der Janustempel geschlossen.
Von den Priesterinnen der Vesta (Vestalinnen) forderte Numa das Gelübde der Keuschheit und das Tragen von weißen Gewändern mit Purpurstreifen. Außerdem verlangte er von ihnen, auf dem Altar der Göttin Vesta ständig das „Ewige Feuer“ zum Schutz des Reiches zu unterhalten. Auch die Priester anderer Tempel reglementierte er neu. Er begründete die Priesterklasse der Fetialen, die als einzige das Recht erhielten, anderen Völkern den Krieg zu erklären. So hatten die Priester des Mars an jedem 1. Mai singend und tanzend mit ihren heiligen Schilden und Lanzen durch Rom zu ziehen.
Numa ordnete die Aufstellung des Palladium an, einer Bildsäule, die aus Troja stammen und Pallas Athene bzw. Minerva zeigen sollte. Weiterhin veranlasste er die Aufstellung der heiligen, vom Himmel gefallenen Schilde (Ancilien), die die ewige Dauer der römischen Herrschaft symbolisieren sollten. An den Grenzen des Reiches ließ er Grenzsteine aufstellen und er weihte Terminus, dem Gott der Grenzen, einen Tempel. Numa verbot bei Gottesdiensten das Blutopfer auf dem Altar. Stattdessen wurden den Göttern Früchte geopfert.
Numa verbesserte auch den bisherigen römischen Kalender, den er in 12 Monate einteilte, statt wie Romulus in 10 Monate, und er legte die Gerichtstage fest. Um seinen Anordnungen mehr Gewicht zu verschaffen, ließ er verlauten, dass er sich an einer Quelle in einem heiligen Hain mit einer Göttin oder mit der Nymphe Egeria über das Schicksal des Reiches im Geheimen beraten habe.
Nicht nur in Rom genoss Numa hohe Anerkennung. Nachbarvölker und Nachbarreiche riefen ihn häufig als Schiedsrichter bei Streitigkeiten an. Numa verstarb im 46. Regierungsjahr. Da er verboten hatte, seinen Leichnam zu verbrennen, wurde er in einem steinernen Sarkophag unter dem Janiculus beigesetzt. Er gilt als Stammvater der Marcier.
Verhältnis zu Pythagoras
In der Zeit der späten Republik und in der frühen Kaiserzeit war in Rom eine Legende verbreitet, der zufolge Numa ein Schüler des griechischen Philosophen Pythagoras war, der in Unteritalien gelebt und gelehrt hatte.[1] Der Pythagoreismus galt als eine alte italische Weisheitstradition; schon im 4. Jahrhundert v. Chr. hatte Aristoxenos von Tarent berichtet, unter den Angehörigen italischer Völker, die sich von Pythagoras belehren ließen, seien auch Römer gewesen. Die Numa zugeschriebene Umgestaltung des römischen Kultwesens wurde durch das angebliche Schülerverhältnis des Königs zu Pythagoras erklärt und als Ergebnis des Einflusses der pythagoreischen Lehre gedeutet. Dies führte zu hoher Wertschätzung der Römer für Pythagoras. Die Legende scheint schon im 4. Jahrhundert v. Chr. existiert zu haben. Später wiesen allerdings Geschichtskundige wie Cicero und Livius darauf hin, dass Numa aus chronologischem Grund nicht, wie die Legende behauptete, ein Schüler des Pythagoras gewesen sein könne, da Pythagoras erst mehrere Generationen nach der angenommenen Lebenszeit Numas lebte. Auch Varro setzte Numa chronologisch korrekt vor Pythagoras.[2] Aber noch Ovid schilderte Numa als einen Weisheitsschüler, der pythagoreische Belehrung empfing. Plutarch setzte sich in seiner Lebensbeschreibung Numas mit der nach seinen Angaben umstrittenen Frage des Verhältnisses von Pythagoras und Numa auseinander.
Der Ursprung der Numa-Pythagoras-Legende und der Zweck ihrer Erfindung ist unbekannt und in der Forschung umstritten. Eine Forschungsmeinung geht von einer römischen Herkunft der Verbindung zwischen Numa und Pythagoras aus, eine andere hält den Stoff für ursprünglich griechisch. Die Befürworter einer griechischen Herkunft der Behauptung, die römischen Kulteinrichtungen seien griechisch-unteritalischen Ursprungs, haben Aristoxenos oder Timaios von Tauromenion als den Autor, der diesen Gedanken erstmals schriftlich fixierte, in Betracht gezogen. Dagegen bestehen jedoch sehr gewichtige Einwände. Nicht plausibel ist aber auch die Alternativlösung, die Legende auf eine römische annalistische Quelle oder einen römischen Geschichtsschreiber, dem die Geschichtsdarstellung der Annalisten vertraut war, zurückzuführen. Die Annalisten und die von der Annalistik ausgehenden Geschichtsschreiber müssen sich über die chronologische Unmöglichkeit im Klaren gewesen sein. In Betracht kommt eine römische antiquarische Quelle, ein Gelehrter, der eher systematisch als chronologisch dachte und dem Parallelen zwischen römischen Gebräuchen und Prinzipien der pythagoreischen Lebensführung aufgefallen waren. Sein Motiv könnte das Bedürfnis gewesen sein, Numa gegen Anwürfe antirömischer Griechen zu verteidigen, die ihn wegen seiner sabinischen Herkunft als Barbaren darstellten.[3] Eine andere Erklärung lautet, dass die Legende im Kontext einer zunächst nur mündlichen Überlieferung entstand, wahrscheinlich im späten 4. Jahrhundert v. Chr., und dass das Milieu, das für die Idee einer Schülerschaft Numas bei Pythagoras einen Nährboden bot, wohl ein römisches Priesterkollegium war.[4]
Mit dieser Pythagoraslegende hängt die Auffindung angeblicher Schriften Numas, die pythagoreische Lehren enthalten haben sollen, im Jahre 181 v. Chr. in Rom zusammen. Darüber berichten eine Reihe von Autoren; der ausführlichste und als Quelle wertvollste Bericht ist der des Livius, der unter anderem die (nicht erhalten gebliebene) Darstellung des Annalisten Valerius Antias auswertete. Am Fuß des Hügels Ianiculum wurde ein leerer Steinsarg gefunden, der seiner Aufschrift zufolge die Gebeine Numas enthalten hatte, und daneben eine steinerne Truhe, in der sich Schriften befanden, bei denen es sich laut der Beschriftung der Truhe um Bücher Numas handelte. Es waren sieben oder nach einer anderen Version zwölf Bücher in lateinischer Sprache über römisches Sakralrecht und sieben oder zwölf griechische über Philosophie, und zwar, wie Valerius Antias behauptete, über pythagoreische Weisheitslehren. Nachdem eine Anzahl von Bürgern Einsicht genommen hatten, wurden beide Schriftenbündel dem Stadtprätor Quintus Petillius Spurinus ausgehändigt, der sie las und dabei den Eindruck gewann, sie könnten zur Auflösung der römischen Staatsreligion führen. Auf Vorschlag des Stadtprätors beschloss der Senat ohne eigene Einsichtnahme die öffentliche Verbrennung der Bücher auf dem Comitium.[5] Bei den verbrannten Büchern handelte es sich zweifellos um Fälschungen, doch scheinen die Senatoren geglaubt zu haben, dass sie tatsächlich von Numa stammten.[6] Die staatlich angeordnete Vernichtung von Werken, die man einem außerordentlich angesehenen Herrscher zuschrieb, erregte großes Aufsehen; noch in der Spätantike wurde die Bedeutung dieses Vorgangs von christlichen Schriftstellern erörtert. Der Kirchenvater Augustinus nutzte die Legende in seinem Werk De civitate Dei zur Polemik gegen die alte römische Religion; er meinte, Numa, in dem er einen Betrüger sah, habe in den Büchern Geheimnisse aufgezeichnet, die ihm von Dämonen offenbart worden seien; diese Aufzeichnungen habe er weder zu veröffentlichen noch zu vernichten gewagt und sie daher mit sich ins Grab genommen. Ähnlich urteilte Laktanz; er betrachtete Numa ebenfalls als einen Schwindler, der in den verbrannten Büchern die Wahrheit über seinen Betrug enthüllt habe; die öffentliche Verbrennung und ihre Begründung hielt Laktanz für außerordentlich töricht, denn sie habe dem Ansehen der auf Numa zurückgeführten römischen Religion geschadet und so das Gegenteil des Beabsichtigten bewirkt.
Literatur
- Tim J. Cornell: The Beginnings of Rome: Italy and Rome from the Bronze Age to the Punic Wars. London/New York 1995, S. 119ff. (kritische Darstellung der römischen Frühzeit)
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Siehe dazu Leonardo Ferrero: Storia del pitagorismo nel mondo romano, 2. Auflage, Forlì 2008, S. 140–148.
- ↑ Markus Peglau: Varro und die angeblichen Schriften des Numa Pompilius. In: Andreas Haltenhoff/Fritz-Heiner Mutschler (Hrsg.): Hortus litterarum antiquarum, Heidelberg 2000, S. 441–450.
- ↑ Zu diesem Ergebnis gelangt Peter Panitschek: Numa Pompilius als Schüler des Pythagoras. In: Grazer Beiträge 17, 1990, S. 49−65.
- ↑ Dieser Ansicht ist Michel Humm: Numa et Pythagore: vie et mort d'un mythe. In: Paul-Augustin Deproost/Alain Meurant (Hrsg.): Images d'origines. Origines d'une image, Louvain-la-Neuve 2004, S. 125–137.
- ↑ Quellen: Livius 40,29,3–14; Lucius Cassius Hemina bei Plinius, Naturalis historia 13,84–86; Varro und Calpurnius Piso bei Plinius, Naturalis historia 13,87 und bei Augustinus, De civitate Dei 7,34; Valerius Maximus 1,1,12 (abweichende Variante: nur die philosophischen Bücher werden vernichtet); Plutarch, Numa 22,2–6 und andere. Eine Zusammenstellung der lateinischen und griechischen Quellen mit englischer Übersetzung und eingehender Erörterung bietet Andreas Willi: Numa's Dangerous Books. The Exegetic History of a Roman Forgery. In: Museum Helveticum 55, 1998, S. 139–172.
- ↑ Willi (1998) S. 146; anderer Ansicht ist Humm (2004) S. 128f., der Zweifel der Senatoren an der Echtheit nicht ausschließt.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Romulus | König von Rom 715–672 v. Chr. | Tullus Hostilius |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Numa Pompilius |
KURZBESCHREIBUNG | zweite König von Rom |
GEBURTSDATUM | unsicher: 750 v. Chr. |
STERBEDATUM | um 672 v. Chr. |