Hinken (umgangssprachlich: Humpeln; veraltet: Lahmen; lateinisch: Claudicatio/Hinken; lat.: claudicare/hinken) ist eine Form der ein- oder beidseitigen Gangstörung, eine Asymmetrie des Ganges in seinen Distanz- und Zeitfaktoren. Das Gangbild wirkt anormal verändert, asymmetrisch und gebrechlich. Beim Gehen ist der Wechsel zwischen Stand- und Schwungphase gestört.
Bei einseitigem Hinken ist die Symmetrie des Schrittbildes gestört und es ergibt sich ein umgleichmäßiges Schrittmaß und/oder ein abnormer Schrittrhythmus. Bei dieser Form des Gehens, erfolgt die Abfolge der Schritte nicht gleichförmig und regelmäßig, es ergibt sich ein unharmonisches asymmetrischer Gangbild, Bewegungsablauf und Schrittlänge sind nicht mehr symmetrisch. Ein Bein ist beim Gehen schneller, als das andere Bein.
Das beidseitige Hinken führt zum Watscheln, wobei das Becken bei jedem Schritt zur Seite abkippt.
Das Hinken kann zeitweilig oder andauernd bestehen. Je nach den verschiedenen Ursachen wird das Hinken in verschiedenen Formen unterteilt, wobei die vewrschiedenen Formen des Hinkens oft als Mischform auftreten[1]:
- Verkürzungehinken
- Schmerzhinken
- Versteifungshinken
- Lähmunghinken
- das Hinken bei statischer und dynamischer Instabilitä
- Hinken bei neuromuskulären Koordinationsstörungen
- Trendelenburg-Hinken (Hüfthinken)
- intermittierendes Hinken
- psychogenes Hinken
Verkürzungshinken
Beinlängendifferenzen, einseitige Verkürzung der für die Knie- und Hüftbeugung zuständigen Muskeln oder verkürzte Adduktoren lösen das sogenannte Verkürzungshinken aus. Die Verkürzungen können im gelenknahen oder peripheren Anteil eines Beines bestehen.
Solche einseitigen Beinverkürzungen treten beispielsweise bei der Hüftgelenksarthrose, Hüftdysplasie oder als Folge der Poliomyelitis auf. Auch nach nicht regelrecht verheilten Schenkelhalsfrakturen können als folge einer Varusfehlstellung des Schenkelhalses Beinverkürzungen vorkommen.
Das Verkürzungshinken ist nur beim Gehen auffällig, nicht jedoch im Einbeinstand (Beckenstellung).
Schmerzhinken
Das sogenannte Schmerz- oder Schonhinken ist Folge schmerzhafter Erkrankungen oder Taumata an Bein (z. B. Kniegelenk), Fuß (z. B. Sprunggelenk oder Achillessehne), Hüftgelenk oder Iliosakralgelenken, beispielsweise durch Prellung oder Coxitis (Hüftgelenksentzündung). Durch die nur kurzzeitige vorsichtige Belastung des schmerzenden Standbeines wegen der Belastungsschmerzen zeigt sich ein unsymmetrisches (unrhythmisches), fast schon „abgehacktes“ Gangbild. Um ein Bein zu schonen (Schonhaltung), mit diesem wird dann der Schritt schneller ausgeführt.
Um das Drehmoment der Hüftabduktoren mittels Verkürzung des Lastarms zu verringern, wird beim Schmerzhinken der Oberkörper und damit der Körperschwerpunkt wird über das Standbein verlagert. Die Becken- und Oberschenkelbewegung erfolgt beim Schmerzhinken durch die Kippung der Lendenwirbelsäule.
Solch Schmerzursachen können Sehnenzerrung, zugezogenen Verletzung oder altersbedingte Gelenkabnutzung sein, aber auch ganz banale Ursachen, wie beispielsweise unpassendes Schuhwerk.
Versteifungshinken
Beim Versteifungshinken ist eine Hüftversteifung, also Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk, dafür verantwortlich, das während der Schwungphase des Ganges zu einer Mitbewegung des Beckens kommt. Im Gegensatz zu anderen Arten des Hinkens kommt es dabei nicht zu einem Absinken des Becken.
Auch bei Gelenkversteifungen im Knie- oder Sprunggelenk ergibt sich ein hinkendes Gangbild
Lähmungshinken
Zum Lähmungshinken gehören spastische Gangstörungen, für die die Folgen der Kinderlähmung oder auch bei bestimmte Rückenmarksläsionen ursächlich sein können, sowie paretische Gangstörungen infolge unvollständiger Lähmungen peripherer Nerven. Eine weitere Form des Lähmungshinkens ist der Steppergang, der meist durch eine Peroneuslähmung verursacht wird.
Hüfthinken
Das sogenannte Hüfthinken, auch als Trendelenburg-Duchenne-Hinken, Trendelenburg-Hinken, Trendelenburg-Zeichen oder Trendelenburg-Gang bezeichnet, wird durch eine Schwäche oder Lähmung der Oberschenkelabduktoren ausgelöst. Guillaume-Benjamin Duchenne beschrieb 1865 erstmals das Hüfthinken bei einer vergleichenden Untersuchung zwischen den Formen des Hinkens bei einer Schwäche der Abduktoren und dem Hinken bei Lähmungen[2]. Friedrich Trendelenburg fand dann, das der Musculus gluteus medius der wichtigste Muskel ist, dessen Schwäche das Hüfthinken auslöst.
Das Hüfthinken tritt bei einer Insuffizienz der kleinen Gesäßmuskeln (Musculus gluteus minimus) auf. Dadurch sinkt das Becken in der Standbeinphase zur Gegenseite ab, bei gelcihzeitiger Seitneigung des Rumpfes zum (betroffenen) Standbein. Ursächlich für die Musekelinsuffizien sind Hüftgelenkserkrankungen, wie kindliche Hüftgelenksdysplasie (Abflachung der Hüftgelenkspfanne), Hüft-Luxation oder Coxa vara (verkürzter Schenkelhalswinkel). Da diese Musekelinsuffizienz oft beidseits auftritt, kommt es zu einem beidseitigem Hinken - dem Watscheln. Das Trendelenburg-Hinken ist durch sein watschelndes Gangbild typisch.
Eine mögliche Therapie der Wahl beim Hüfthinken ist die Trochanterversetzung.
Oberschenkelabduktoren
Die Oberschenkelabduktoren (Beinabspreizer) bewirken das Abschspreizen (Abduktion) des Beines nach außen. Folgende Muskeln gehören zu dieser Muskelgruppe:
- Musculus gluteus maximus (kranialer Teil)
- Musculus gluteus medius
- Musculus gluteus minimus
- Musculus tensor fasciae latae
- Musculus piriformis
- Musculus sartorius
Von diesen Muskeln gehör lediglich löetztere, der Musculus sartorius, zur Oberschenkelmuskulatur). Die ersten fünf Muskeln gehören zur hinteren bzw. tiefen Schicht der Hüftmuskulatur. Beim Gehen und Laufen sorgen die Beinabduktoren dafür, dass bei jedem Schritt das Becken ausbalanciert wird.
Coxarthrose
Bei der Hüftgelenksarthrose (Coxarthrose) können die Oberschenkelabduktoren aus zwei Gründen geschwächt sein:
- Annäherung von Ursprung und Ansatz des jeweiligen Muskels (anatomisehe Usache)
- reflektorische Hemmung wegen Schmerzen (funktionelle Ursache)
Physiotherapie
Als Therapie gegen die Muskelschwäche empfehlen sich intensive Dehnübungen der hinteren Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur, sowie und Kräftigungsübungen der Abduktoren. Diese Muskeln sind schon allein wegen unserer überwiegend vom Sitzen geprägte Lebensweise nicht ausreichend trainiert und weisen ein Kraftdefizit auf, so dass die Statik der Körperachsen beim Gehen nicht optimal ausbalanciert wird.
Eine schwache, unzureichend entwickelte und verkürzte Gesäß- und Hüftmuskulatur führt zur Einschränkung der Streckbewegung in der Hüfte. Damit verbunden ist die Einschränkung des Bewegungsradius Gehen und besodners beim Laufen. Die Schritte werden kleiner, der Körperschwerpunkt liegt zu weit vorne, weshalb auch die Knie zu stark belastet werden.
Zum physiotherapeutischen Kraftaufbau der Muskelabduktoren ist es erforderlich ihrer Verkürzung, die mit der Muskelschwäche einhergeht, mit Dehngymnastik und Beweglichkeitstraining entgegenzuwirken, insbesondere durch Dehnungder hinteren Muskelpartien (im Stehen und/oder Sitzen mit fast durchgedrückten Knien die Hände zur Fußspitze und den Kopf Richtung Knie bewegen).
-
Dehnung der Abduktoren (hintere Muskelpartien)
-
Dehnung der Abduktoren (hintere Muskelpartien)
-
einseitige Dehnung der Abduktoren (Gesäßmuskeln)
-
beidseitige Dehnung der Abduktoren (Gesäßmuskeln)
-
beidseitige Dehnung der Abduktoren (Gesäßmuskeln)
-
beidseitige Dehnung der Abduktoren (Gesäßmuskeln)
Krafübungen zum Muskelaufbau der insuffizienten Abduktoren sind beispielsweise:
- Seitliches Beinheben: auf der Seite liegen und ein Bein nach oben heben (bis max. 70°) und abspreizen, bei leicht angewinkeltem Knie
- Potraining: Vierbeinstand (auf allen Vieren) und ein Bein gestreckt nach hinten oben in die Horizontela heben - zur Kräftigung der Gesäßmuskulatur
- Beinabduktorenmaschine im Fitnessstudio (Beinspreizen in der Maschine)
- Kabelzugmaschinen mit Beinmanschette im Fitnessstudio
- einseitige Beinpresse (Fitnessgerät)
Intermittierendes Hinken
Hauptartikel: Claudicatio intermittens
Intermittierendes Hinken (lateinisch: intermittens/zeitweilig)) kann infolge arterieller Durchblutungsstörungen (periphere Arterielle Verschlusskrankheit]) auftreten, die dann zu krampfartigem Wadenschmerzen führen und das Hinken auslösen.
Von der Claudicatio intermittens ist die wesentlich seltenere Claudicatio intermittens spinalis zu unterscheiden. Hierbei treten die Schmerzen und das begleitende Hinken typischerweise beim Gehen nach oben und unten auf und lassen bei Gehpausen nach.
Auch eine Durchblutungsstörung der Darmwand - bei Angina abdominalis kann ein intermittierendes Hinken auslösen - Claudicatio intermittens abdominalis.
Psychogenes oder hysterisches Hinken
Auslöser für das psychogenen Hinken sind in erster Linie psychische Faktoren. Es handelt sich um ein schmerzloses, "freiwilliges" Hinken.
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Ulrich Debrunner und Wolfgang Rüdiger Hepp: Orthopädisches Diagnostikum. Thieme Stuttgart 2004, 7. Aufl., ISBN 3-13324-007-2
- ↑ G. B. Duchenne: Physiologie der Bewegungen nach elektrischen Versuchen und klinischen Beobachtungen mit Anwendungen auf das Studium der Lähmungen und Entstellungen. übersetzt von Dr. C. Wernicke Fischer, Cassel und Berlin, 1885 S.322-332