Sebastian Westernacher

deutscher Beamter und Diplomat (Habsburgermonarchie)
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Dezember 2009 um 17:14 Uhr durch Ziko (Diskussion | Beiträge) (präteritum, formales). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Sebastian Westernacher von Gro(s)sa, Neudeggerhof und Lichtenwörth[1] (* um 1550 in Augsburg; † 1600) war Sekretär der kaiserlichen Reichshofkanzlei in Diensten Erzherzogs Ernst von Österreich, später auch Herzogs Albrecht VII. von Österreich; kaiserlicher geheimer Rat, deutscher Staatssekretär in Brüssel [2] und Diplomat.[3][4]

Westernacher von Grosa in Siebmachers Wappenbuch

Leben

Geboren wurde er als ehelicher Sohn des gleichnamigen Kastners von Kirchberg an der Iller und Katharina Fugger vom Reh.[5] Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1553 werden Sebastian und seine drei Schwestern unter die Vormundschaft von Ulrich Fugger vom Reh, Kürschner in Augsburg, und Christoph Stern, Goldschmied in Augsburg, gestellt.[6]. Sebastian erhielt ein Stipendium und besuchte 1563 das renommierte, lutherische Gymnasium bei St. Anna in Augsburg. Im Hause des obersten Schulmeister Matthias Schenk teilte er sich ein Zimmer mit Lukas Geizkofler, dem späteren Juristen und Humanisten. In dessen Biographie fand Sebastian Westernacher mehrfach Erwähnung. Demnach verband die beiden, vom Wesen sehr unterschiedlichen Jungen, die jedoch gemeinsame Interessen teilten, eine enge Freundschaft, die sie noch im Erwachsenenalter pflegten.[7][8]

Westernacher verließ die Schule frühzeitig und begab “sich in herrendienst zu schreiberei in die Pfalz”,[9] bevor er schließlich am österreichischen Hof eine Karriere begann. Im Jahr 1573 lebte er in Wien, zunächst als Kanzleischreiber, dann als kaiserlicher Hofsektretär[10]. Jetzt zeigte sich, dass die verwandtschaftliche Beziehung zum Hause Fugger auch in seiner beruflichen Laufbahn bedeutend waren. So ließ er den Fuggern regelmäßig über mehrere Jahre hinweg vertrauliche Nachrichten zukommen, die er über Verwandte, wie seinen Schwager Michael Leonhard Mayer oder Hermann Reutz an Philipp Eduard Fugger und dessen Bruder Octavian, die Freiherren von Kirchberg und Weißenhorn, zustellen ließ.[11][12]

Westernacher trat in die Dienste Erzherzogs Ernst von Österreich. Diesem oblag in den Jahren 1583 bis 1594 als Statthalter die Verwaltung des Landes, und somit auch die Durchführung der 1576 von Kaiser Rudolf II. (HRR) im Zuge der Gegenreformation veranlaßten Maßnahmen. Als Hofsekretär und "geheimer Rath" des Erzherzogs war Westernacher eng in die Maßnahmen eingebunden[13][14] und wohl aufgrund dessen selbst vom lutherischen Glauben zum Katholizismus konvertiert. Nicht zuletzt deshalb missbilligte er Kardinal Melchior Khlesls Eifer im Vorgehen gegen die Protestanten.[15][16][17]

Im Jahr 1589 war Westernacher als geheimer Rat und Kanzleramtsverwalter des Erzherzogs Ernst tätig, der auch die niederländischen Provinzen der Habsburger verwaltet. Er weilte zeitweise in den Niederlanden und ab 1595 als deutscher Staatssekretär in Brüssel.[18][19][20] Nach dem Tod des Erzherzogs wurde Westernacher Sekretär von dessen Bruder, Herzog Albrecht VII. von Österreich, wurde aber auch von Kaiser Rudolf II. mit diplomatischen Aufgaben betraut. Es sind viele Briefe aus seiner Korrespondenz mit Erzherzogin Maria Anna von Bayern (1551–1608) erhalten, denen zufolge er ein "ihr hochvertrauter Geschäftsmann" war.[21][22]

Als Diplomat besaß Westernacher nicht nur das Vertrauen des Kaisers, sondern genoss auch im Ausland hohes Ansehen.[23][24][25] Er starb im Jahre 1600, als er auf der Heimreise von den Niederlanden nach Wien an der Pest erkrankte.[26] Sein Nachfolger im Amt des Staatsektretärs wurde Blasius Hütter.[27]

Familie

Sebastian Westernacher war verheiratet mit Maria Saurer von Sauerburg, die später eine zweite Ehe mit dem Freiherrn von Salburg eingeht. Neben seiner Witwe hinterläßt Westernacher eine Tochter Rosina (verheiratet mit Peter Gregorotzky) und einen minderjähringen Sohn Hieronymus, die beide aus einer ersten Ehe des Sebastian stammen.[28] Hieronymus Westernacher von Grossa war im Jahre 1610 Truchseß unter König Matthias[29] und wird 1618 zum Regierungsrat im Ritterstand ernannt.[30] Ein weiterer Sohn starb in jungen Jahren “durch einen unglücklichen Gewehrschuß”.[31]

Titel, Wappen und Lehen

Westernacher war mit dem Neudegger Hof in Wien belehnt,[32] 1588 erwarb er Grossau,[33] und erscheint in den meisten Quellen als "Sebastian Westernacher von Grossa" (auch "von Grossau" oder "von Grosa") - ein Titel, den später auch sein Sohn Hieronymus trug. Das Familienwappen Wappen ist in Siebmachers Wappenbuch 1605 unter Rheinische Wappen als "Westernacher von Grosa" eingtragen. Es zeigt einen silbernen, springenden Hund auf blauem Grund in einem diagonal gelb-blau geteilten Schild. 1591 erhält Westernacher auch die Herrschaft und Feste Merkenstein als Pfand[34] und war zeitweise auch mit Lichtenwörth belehnt. Im "Verzeichnis seiner fürstl. Durchlaucht Erzherzog Ernst v. Österreich" findet man ihn gelistet als "Herr Sebastian Westernacher zu Grossa, Lichtenwörth und Neudeggerhof, Röm. Kay. Maj Rath und Hofsekretär auch des Erzherzog Ernst geheimer Rath und Kanzler Amts Verwalter im Niederlande".

Literatur

  • Alois Schweizer: Lucas Geizkofler (1550-1620): Bildungsweg, Berufstätigkeit und soziale Umwelt eines Augsburger Juristen und Späthumanisten, Tübingen 1979
  • Adam Wolf: Lucas Geizkofler und seine Selbstbiographie, 1550-1620
  • Johannes Kleinpaul: Die Fuggerzeitungen 1568-1605, Bd.1, Hft. 4 von ‘Abhandlungen aus dem Institut für Zeitungskunde an der Universität Leipzig’; Bd. 49 von ‘Preisschriften’; Fürstlich Jablonowskische Gesellschaft zu Leipzig, E. Reinecke, 1921

Einzelnachweise

  1. La Belgique: revue des revues, Bd. 2, Verlag De Mortier, 1856, S. 326-328.
  2. Ludwig Bittner, Lothar Gross, Fritz Reinöhl: Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 4 aus 'Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Austria)', 1940, S. 133
  3. Wolfgang Behringer: Im Zeichen des merkur, Bd. 189 von 'Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte', Vandenhoeck & Ruprecht, 2003, S. 342.
  4. Peter Fleischmann: Kurze und eigentliche Beschreibung des zu Regensburg in diesem 94. Jar gehaltenen Reichstag, Verzeichnis seiner fürstl. Durchlaucht Erzherzog Ernst v. Österreich, 1594.
  5. Fugger.heinz.wember.de, zuletzt gesehen am 22. November 2009.
  6. Norbert Lieb: Die Fugger und die Kunst im Zeitalter der hohen Renaissance, Bd. 14, S. 476.
  7. Adam Wolf, Lukas Geizkofler: Lucas Geizkofler und seine Selbstbiographie, 1550-1620, Herausgeber Adam Wolf, Verlag W. Braumüller, 1873, S. 28, 29.
  8. Alois Schweizer: Lucas Geizkofler (1550-1620): Bildungsweg, Berufstätigkeit und soziale Umwelt eines Augsburger Juristen und SpäthumanistenS. 28, 41, 95, 145, 162, 172.
  9. Alois Schweizer: Lucas Geizkofler (1550-1620): Bildungsweg, Berufstätigkeit und soziale Umwelt eines Augsburger Juristen und Späthumanisten, S. 28.
  10. Wolfgang Behringer: Im Zeichen des Merkur, Bd. 189 von 'Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte', 2003, S.342
  11. Johannes Kleinpaul: Die Fuggerzeitungen 1568-1605, Bd. 1, Hft. 4 der 'Abhandlungen aus dem Institut für Zeitungskunde an der Universität Leipzig', Bd. 49 von 'Preisschriften', Fürstlich Jablonowskische Gesellschaft zu Leipzig, Verlag E. Reinecke, 1921, S. 23, 24, 65, 84.
  12. Quellenkunde der Habsburgmonarchie: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, S. 428.
  13. Joseph Hammer-Purgstall, Melchior Klesl: Aus Khlesl's, des Cardinals, Dirctors des Geheimen Cabinetes Kaisers Mathias, Leben, Verlag Gerold, 1847, S. 66, 67, 70
  14. Viktor Bibl: Die Einführung der katholischen Gegenreformation in Niederösterreich durch Kaiser Rudolf II. (1576-1580), Verlag Wagner, Universität-Buchhandlung, 1900, S. 103
  15. Theodor Wiedemann: Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns, Bd. 4-5, 1884, S. 315.
  16. Franz Schönfellner: Krems zwischen Reformation und Gegenreformation, Bd. 24 von 'Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich', Verein für Landeskunde von Niederösterreich, 1985, S. 151, 163, 189, 263.
  17. Anton Kerschbaumer: Geschichte der Stadt Krems, Verlag Oesterreicher, 1885, S. 222.
  18. Ludwig Bittner, Lothar Gross, Fritz Reinöhl: Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 4 aus 'Haus-, Hof- und Staatsarchiv' (Austria), 1940, S. 131, 135.
  19. Justus Lipsius, Aloïs Gerlo, Marcel Augustijn, Maria Nauwelaerts, Hendrik D. L. Vervliet: Iusti Lipsi Epistolae, Bd. 8, Verlag Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van België, 1978, S. 261.
  20. Wolfgang Behringer: Im Zeichen des merkur, Bd. 189 aus 'Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte', 2003, S. 342.
  21. Friedrich Emanuel von Hurter: Geschichte Kaiser Ferdinands II. und seiner Eltern bis zu dessen Krönung in Frankfurt: Personen - Haus - und Landesgeschichte, Bd. 4, 1850, S. 41, 93, 161, 393 und 1851 S. 41, 56, 500.
  22. Jan Paul Niederkorn: Die europäischen Mächte und der Lange Türkenkrieg Kaiser Rudolfs II. (1593-1606), Bd. 135, Archiv für österreichische Geschichte, S. 196
  23. Commission royale d'histoire: Compte rendu des séances de la Commission royale d'histoire ou Recueil de ses bulletins, Bd. 5 von 'Académie royale de Belgique', Hayez, 1842, S. 183, 185.
  24. Commission royale d'histoire: Bulletin, Bd. 5-6 von 'Académie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique', S. 183 u. S.185
  25. Archives générales du Royaume (Belgium), Édouard Laloire, Netherlands. Secrétairerie d'état allemande, Netherlands (Southern provinces, 1581-1793). Secrétairerie d'etat allemande: Inventaire des archives de la Secrétairérie d'état allemande, Inventaires des archives de la Belgique publiés par ordre du gouvernement sous la direction de Joseph Cuvelier, archiviste général du royaume, Verlag Imprimerie Stevens frères, 1929, S. 20.
  26. Adam Wolf, Lucas Geizkofler: Lucas Geizkofler und seine Selbstbiographie, 1550-1620, Verlag W. Braumüller, 1873, S. 28
  27. Lothar Gross, Robert von Lacroix: Urkunden und Aktenstücke des Reichsarchivs Wien zur reichsrechtlichen Stellung des burgundischen Kreises, Bd. 2, A. Holzhausens Nachfolger, 1944, S. 389.
  28. Heraldisch-Genealogische Gesellschaft "Adler": Neues Jahrbuch, 1900, S. 306.
  29. Moriz Ritter, Felix Stieve, Anton Chroust, Karl Mayr: Briefe und Acten zur Geschichte des Dreissigjährigen Krieges, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Historische Kommission, 1978, S. 56.
  30. Archiv für österreichische Geschichte: Notizenblatt, Bd. 1 von 'Akademie der Wissenschaften in Wien', Historische Kommission, 1851, S. 246.
  31. Alois Schweizer: Lucas Geizkofler (1550-1620)- Bildungsweg, Berufstätigkeit und soziale Umwelt eines Augsburger Juristen und Späthumanisten, Tübingen 1979, S. 127, 128.
  32. Gymnasium zu den Schotten: Festgabe zum 100-jährigen Jubiläum des Schottengymnasiums von Vienna, 1907, S. 311.
  33. Johann Evang Kirnbauer von Erzstätt: Die Wappen des Adels in Niederösterreich, Bd. 26, Teil 1, Verlag Bauer & Raspe, 1983, S. 323
  34. Michael Braig: Kurze Geschichte der ehem. vorderösterr. Benedektiner-Abtey Wiblingen in Schwaben, Verlag Joseph Rauch, 1834, S. 147.