Kajetan Mühlmann

Kunsthistoriker, NSDAP, Kunsträuber im Nationalsozialismus
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Kajetan Mühlmann (* 26. Juni 1898 in Uttendorf; † 1958 in München) war ein österreichischer Kunsthistoriker und Kunsträuber zur Zeit des Nationalsozialismus[1] und SS-Offizier.

Empfang von Schauspielern durch Goebbels, mit Gertrud Seyß-Inquart, Mühlmann und Paula Wessely, in der Wiener Hofburg am 30. März 1938

Leben

Kajetan Mühlmann stammte aus bäuerlichen Verhältnissen, seine Mutter war früh verwitwet und heiratete den Vetter ihres Ehemannes. Mühlmann ging in Salzburg zur Schule, nahm 1915 am Ersten Weltkrieg teil und wurde schwer verwundet. Ab 1922 studierte Mühlmann zunächst Malerei und dann in Innsbruck und Wien Kunstgeschichte, wo er 1926 mit einer Arbeit über die barocken Brunnen und die Wasserkunst in Salzburg promovierte. Von 1926 an war er bei der Organisation der Salzburger Festspiele beschäftigt und für die Werbung verantwortlich. 1932 heiratete er Poldi Woyteck, von der sich 1941 scheiden ließ, um Hilda Ziegler[2] zu ehelichen.

Nach eigener Aussage bei den Nürnberger Prozessen war Mühlmann kein Mitglied der in Österreich 1933 verbotenen NSDAP, sondern trat ihr erst nach dem „Anschluss Österreichs“ an das Deutsches Reich am 1. April 1938 bei („Ich war nie ein illegaler Nazi“[3]). Nach anderen Angaben[4] war er Parteimitglied ab 1934, seitdem ihn eine persönliche Freundschaft mit Arthur Seyß-Inquart verband.

Am 11. März 1938 war er im Haus der Landesleitung der österreichischen NSDAP in der Gruppe führender Nationalsozialisten, die in Wien den Sturz der Regierung Schuschnigg in vorderer Linie betrieb[5]. Für diese Verdienste wurde er daraufhin in der Landesregierung Seyß-Inquart zum Staatssekretär für Kunst. Als Mitglied der SS erreichte er dort 1942 den Rang eines SS-Oberführers. Mühlmann hatte damit unter den NS-Kunsträubern den höchsten SS-Rang, den er selbst als „Generalsrang“ bezeichnete[6].

Da Mühlmann sich in Wien mit dem Reichskommissar Josef Bürckel überworfen hatte, verwendete sich am 14. Juli 1939 Seyß-Inquart für ihn bei Hermann Göring[7], und Mühlmann ging nach Berlin.

Generalgouvernement

Seyß-Inquart wurde nach Kapitulation Polens Stellvertreter des Generalgouverneurs Hans Frank im Generalgouvernement und Mühlmann wurde von Göring zum "Sonderbeauftragten für den Schutz und die Sicherung von Kunstwerken in den besetzten Ostgebieten" ernannt und befand sich seit dem 6. Oktober 1939 in Polen. Seine Aufgabe bestand anfangs darin, die im Depot des Nationalmuseums in Warschau und im Schloss Wawel in Krakau gesammelten Kunstwerke zu inventarisieren.

Zudem war er im Generalgouvernement ab Oktober 1939 Leiter der Hauptabteilung Unterricht und Wissenschaft, wahrscheinlich bis Ende 1940.[8]

Am 16. Dezember 1939 erliess Frank eine Verordnung, durch die der gesamte öffentliche Kunstbesitz im Generalgouvernement beschlagnahmt werden konnte. Die erste Durchführungsvorschrift wurde am 15. Januar 1940 erlassen. Der Zweck der Verordnung war die systematische Erfassung der Kunstgüter in Polen, deren Inventarisierung und Auswahl "reichswichtigster Kunstgegenstände zugunsten des Reiches". Neben staatlichen Museen und kirchlichen Einrichtungen wurden in weiterer Folge auch private Museen durch die Gesetzgebung erfasst, hier besonders das Czartoryski-Museum in Krakau. Den archäologischen Teil des Raubes organisierten Peter Paulsen und Wolfram Sievers[9]. Es war die erklärte Absicht, dass diese Kunstgüter „tatsächlich konfisziert“ wurden, um sie auf Dauer aus Polen ins Deutsche Reich zu schaffen[10].

Von seinem Posten in Polen wurde Mühlmann durch Frank am 1. Oktober 1943 wegen Unfähigkeit und Untätigkeit enthoben.

Hans Posse besuchte schon Ende November 1939 Warschau und traf dort unter anderem mit Mühlmann zusammen. Bis auf den Veit-Stoss-Altar, die Tafeln des Hans von Kulmbach aus der Marienkirche in Krakau, einen Raffael, einen Leonardo und einen Rembrandt aus der Sammlung Czartoryski, wählte Posse aber nichts für das geplante „Führermuseum“ in Linz aus.

 
Mühlmann betrieb den Ankauf der Sammlung Fritz Mannheimer. Chardins Bild von 1737 hängt heute im Metropolitan Museum of Art

Niederlande

Mühlmann[11] folgte Seyß-Inquart 1940 in die Niederlande und gründete in Den Haag die "Dienststelle Mühlmann". Ihre Aufgabe war:

  • Anfertigung von Listen über Kunstgegenstände
  • Ausstellung von Gutachten über beschlagnahmte Kunstobjekte
  • Zusammenfassung dieser Objekte und Verkauf nach Deutschland an die bevorzugten Nazi-Größen Hitler, Göring, von Schirach, Hoffmann, Todt, Frank, Kaltenbrunner, sowie an Museen, Auktionshäuser.
  • Die Dienststelle beanspruchte 15% Provision, die Dienststelle finanzierte sich allein durch die Verkäufe. Gewinne bei Geschäften mit Göring oder Hitler waren verboten.
  • Ankauf von bedeutenden Kunstwerken auf dem freien Markt
  • Einer der Mitarbeiter in Den Haag war Eduard Plietzsch, der als Experte für holländische Meister galt.

Die Anfertigung von Listen über sogenanntes Feindvermögen erfolgte in der Weise, dass eine eingeschaltete Treuhandgesellschaft jeweils einen Treuhänder für die jüdischen Kunsthändler und Sammler beauftragte. Die Dienststelle erhielt sodann von jedem Treuhänder eine Liste aller Kunstobjekte mit ihrem genauen Standort. Sämtliche Kunstgegenstände wurden zuerst nach Den Haag transportiert, um hier bei Auktionen versteigert oder direkt an Parteigrössen verkauft zu werden. Ein Teil der Kunstgegenstände, die in die Dienststelle gelangten, wurde von holländischen Händlern angeboten, die keineswegs zu diesen Verkäufen gezwungen wurden[12]. Göring bot der Dienststelle auch Tauschgeschäfte an und nahm unter anderem Cranach (aus dem Kröller-Müller Museum) und gab dafür auch Van Gogh.

Die Dienststelle Mühlmann beschlagnahmte Kunstgüter von ins Ausland geflohenen Juden. Auf solche Weise gelangten die Sammlungen Alfons Jaffé[13] und Jacob Polak[14], der Rembrandt aus der Sammlung Rattenau[15] und Teile der Sammlung Frits Lugt in ihren Besitz. Die Sammlung des 1939 verstorbenen Fritz Mannheimer wurde den Gläubigerbanken abgekauft, wobei Mühlmann es verstand, den geforderten Preis mit der Andeutung von Repressalien zu drücken[16].

Nachkriegszeit

Mühlmann wurde am 13. Juni 1945 durch Angehörige der US-Armee festgenommen und interniert. Ein Prozess gegen ihn durch die Alliierten kam jedoch nicht zustande. Zu seiner Tätigkeit beim Kunstraub wurde er August und September 1945 in Altaussee befragt, die Protokolle wurden im Vlug-Report protokolliert[17]. Er machte weiterhin Aussagen, die im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher verlesen wurden, bei dem seine beiden Vorgesetzten, Seyß-Inquart und Hans Frank, zum Tod durch den Strang verurteilt wurden. 1947 war er Zeuge im Prozess gegen den ehemaligen österreichischen Außenminister Guido Schmidt, der vom Vorwurf des Hochverrats wegen der staatsstreichähnlichen Aktivitäten Anfang 1938 freigesprochen wurde. Dieses Urteil entlastete auch Mühlmann. 1948 gelang ihm die Flucht aus der amerikanischen Internierungshaft, er wohnte von da an am Starnberger See und entzog sich den halbherzigen Versuchen der österreichischen Justiz, ihn wegen seiner Aktivitäten 1938 anzuklagen. Auch die deutsche Justiz nahm keine Kenntnis von ihm.

Möglicherweise lebte er von dem Verkauf von Kunstgütern, die er beim Kunstraub an die Seite geschafft hatte[18], wobei ihm dieselben Kunsthändler hilfreich waren.

Mühlmann starb in München an Krebs. Er ist beerdigt auf dem Salzburger Friedhof Maxglan.

Josef Mühlmann

Neben der Den Haager Zentrale wurde ein Büro in Paris eröffnet, das von Mühlmanns Halbbruder Josef (1886-1972) geleitet wurde[19]. Dieser organisierte in Paris Verkaufs-Ausstellungen, und betrieb im Hotel Mayran ein Büro, das Ankäufern aus Deutschland behilflich war, die Ausfuhrbestimmungen für französische Kunstgegenstände zu umgehen, darunter war auch Friedrich Welz[20].

Werke

  • Die Neubauten und Betriebseinrichtungen der Tabakfabrik in Linz, Salzburg : R. Kiesel, 1936
  • Moderner Hotelbau in Badgastein, Franzmair, Franz. - München : Industrie- u. Gewerbe-Verl. Widmann & Janker, 1932
  • Barock Brunnen und Wasserkunst in Salzburg. Wien, 1926;
  • Stadterhaltung und Stadterneuerung in Salzburg an Beispielen der Restaurierungen Franz Wagners. München: Industrie und Gewerbe Verlag, 1932
  • mit Gustav Barthel, Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement, 1940?
  • mit Gustav Barthel Krakau. Hauptstadt der deutschen Generalgouvernements Polen: Gestalt und künstlerische Leistung einer deutschen Stadt im Osten, Krakau : Amt d. Generalgouverneurs Abt. Volksaufklärg u. Propaganda, Breslau: Korn Verlag 1940
  • Sichergestellte Kunstwerke in der besetzten niederländischen Gebieten. Den Haag: Reichskommissariat Niederlande, 1943.

Literatur

Vorlage:PND

Einzelnachweise

  1. „Kajetan Mühlmann (seit 1938 Staatssekretär für Kunst in Wien, für den Reichskommissar für die besetzten niederländischen und polnischen Gebiete tätig, spielte bedeutende Rolle beim Kunstraub in Polen und den Niederlanden; sein Halbbruder Joseph Mühlmann verwaltete das Pariser Büro der Dienststelle)“ Bundesregierung 26. März 2009 Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 vom Februar 2001,überarbeitet im November 2007
  2. Albert Lichtblau, "Arisierungen", beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg, Wien ; München : Oldenbourg 2004, ISBN 3-486-56780-2 Lichtblau
  3. Nürnberger Prozess, Dienstag, 18. Dezember 1945, Band IV, S. 91
  4. dictionary of arthistorians
  5. Bericht des Gauleiters Rainer an den Reichskommissar Bürckel, Nürnberger Prozesse, Band II, S. 455
  6. Nürnberger Prozess, Band II, S. 455
  7. Nürnberger Prozess, Band II, S. 417
  8. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 419.
  9. dictionary of arthistorians
  10. eidesstattliche Erklärung Mühlmann, Nürnberger Prozess, Band VI, S. 92
  11. siehe Dienststelle Mühlmann in den Niederlanden
  12. Namen der Händler siehe Dienststelle Mühlmann in den Niederlanden
  13. Alfons Jaffé bei lostart
  14. Jacob Polak bei lostart
  15. Günther Haase,Kunstraub und Kunstschutz, S. 196
  16. Günther Haase, Kunstraub und Kunstschutz, S. 194
  17. Jean Vlug Report
  18. dictionary of arthistorians
  19. dictionary of arthistorians
  20. Fritz Koller, Inventarbuch der Landesgalerie Salzburg 1942-1944. Salzburg 2000, S. 14-16.