Jan Ullrich

deutscher Radrennfahrer
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Jan Ullrich (* 2. Dezember 1973 in Rostock) ist einer der erfolgreichsten deutschen Radrennfahrer. 1997 gewann er als erster Deutscher die Tour de France und löste damit in Deutschland einen Radsportboom aus. Er wohnt im Ort Scherzingen in der Gemeinde Münsterlingen, nahe Konstanz, in der Schweiz.

Jan Ullrich bei der Deutschlandtour 2004

Leben

Frühe Jahre

Jan Ullrich saß seit früher Kindheit auf dem Fahrrad und gewann bereits als Neunjähriger sein erstes Schulrennen. Frühzeitig wurde er durch das DDR-Leistungssportsystem gefördert und kam nach Spartakiade-Siegen 1986 mit 13 Jahren auf die "Kinder- und Jugendsportschule" (KJS) des SC Dynamo Berlin. 1983 gewann er sein erstes Rennen für SG Dynamo Rostock auf einem geliehenen Rad in Turnschuhen. 1985 siegte er in einem Radrennen in Warnemünde. 1987 wurde er DDR-Schülermeister im Rad-Bahnvierer und 1988 DDR-Jugendmeister im Straßenradfahren, 1990 DDR-Jugendmeister im Punktefahren. Nach der Wende nahm ihn sein Trainer Peter Becker mit nach Hamburg. 1993 gewann der 19-jährige Jan Ullrich überraschend die Straßenweltmeisterschaft der Amateure in Oslo. (Wink des Schicksals: Die WM der Profis entschied im gleichen Jahr Lance Armstrong für sich).

Ein Jahr später überzeugte Ullrich mit einem dritten Platz bei der erstmals ausgetragenen sowohl für Amateure wie Profis offenen Zeitfahrweltmeisterschaft. Nach diesem Erfolg wurde er vom Team Telekom unter Vertrag genommen und zog zu seiner Freundin Gaby ins südbadische Merdingen. In seinen ersten anderthalb Profijahren fuhr Ullrich unauffällig.

1996 - 1999

Bei seiner ersten Tour de France, 1996, erreichte er jedoch sensationell den zweiten Platz hinter seinem dänischen Teamkollegen Bjarne Riis und gewann mit dem letzten Zeitfahren seine erste Tour-Etappe.

1997 startete Jan Ullrich ebenfalls als Helfer seines Kapitäns Bjarne Riis in die Frankreichrundfahrt. Doch als er sich nach einem überlegen herausgefahrenen Etappensieg in den Pyrenäen bei einer Bergankunft in Andorra-Arcalis erstmals das Gelbe Trikot des Führenden überstreifen konnte, begann in Deutschland das "Tourfieber" zu wüten, und die französische Sportzeitung L'Equipe reihte ihn mit der Schlagzeile "Voilà le Patron" in die Größen der Radsportwelt ein, während die italienische Gazzetta dello Sport am nächsten Tag "Ullrich il Kaiser" auf dem Titelblatt schrieb und ihm damit seinen bis heute in Italien verwendeten Spitznamen gab. Ullrich gewann noch eine weitere Etappe und schließlich als erster Deutscher und mit 23 Jahren als einer der jüngsten Fahrer überhaupt, die Gesamtwertung der Tour.

Sein historischer Sieg machte Ullrich in Deutschland innerhalb kürzester Zeit zum populärsten aktiven Sportler überhaupt; er wurde 1997, mit dem größten Vorsprung aller Zeiten, zum "Sportler des Jahres" gewählt. Der Medienrummel wirkte sich allerdings ungünstig auf die Trainingsethik des neuen Radstars aus. Die extrem hohe Erwartungshaltung der Öffentlichkeit (die eine Serie von Toursiegen erwartete) konnte er in den nächsten Jahren nicht einlösen.

Seit 1997 ist Jan Ullrich auch Geschäftsführer der Pedicus GmbH in Soltau (Modellunternehmen im Lernbüro an den Berufsbildenden Schulen in Soltau).

 
Jan Ullrich bei der deutschen Straßenrad-Meisterschaft 2004

Seit 1998 erlebte Ullrich regelmäßig ein schwaches Frühjahr, geprägt von schlechter Fitness, Übergewicht, Krankheiten und Verletzungen. Trotzdem erreichte der Rostocker bei der Tour 1998 den zweiten Rang hinter Marco Pantani und holte drei Etappen. Ein Jahr später verhinderte ein Sturz bei der Deutschlandtour seinen Start bei der "Grande Boucle", Ullrich gewann dafür am Saisonende bei der Vuelta a España und der Zeitfahr-WM.

2000 - 2003

Im Jahre 2000 traf der Telekom-Fahrer erstmals bei der Tour auf Lance Armstrong und wurde von diesem klar auf den zweiten Platz verwiesen. Beim Ruhetag gab er in einer selbstkritischen Stellungnahme Fehler bei der Vorbereitung zu und versprach künftig Besserung. Tatsächlich gewann er wenige Wochen nach Ende der Tour das Straßenrennen der Olympischen Sommerspiele in Sydney und zudem Silber im Zeitfahren - vor seinem Rivalen Armstrong. Nach diesen Prestigeerfolgen übernahm Ullrich sogar kurz als erster Deutscher die Führung der UCI-Radsport-Weltrangliste.

Im Jahre 2001 lief die Vorbereitung für die Tour für Ullrichs Verhältnisse glatt, doch trotz starker Form bei der Tour konnte er Armstrongs dritten Sieg nicht verhindern und landete zum vierten Mal auf dem 2. Platz. Im Herbst hielt er sich mit seinem zweiten Erfolg bei der Zeitfahr-WM schadlos.

Für die Tour 2002 bereitete sich Jan Ullrich ehrgeiziger und früher denn je vor. Ein falscher Trainingsplan verursachte aber eine langwierige Knieverletzung, deren Auskurierung ihn das gesamte Jahr kosten sollte. Die Zeit der erzwungenen Untätigkeit erwies sich für Ullrich als verhängnisvoll: Zunächst verursachte er in Freiburg unter Alkoholeinfluss einen nächtlichen Autounfall. Nur wenige Wochen später wurde er, während eines Aufenthalts in einer Rehabilitationsklinik, positiv auf Doping getestet. Ullrich erklärte, von Unbekannten "Pillen" in einer Disko angenommen zu haben. Er wurde für sechs Monate gesperrt.

Nach diesem Tiefpunkt seiner Karriere beschloss Ullrich, unter neuen Bedingungen noch einmal eine Wiederkehr zu versuchen. Er zog von Merdingen nach Scherzingen an die schweizerische Seite des Bodensees und wechselte gemeinsam mit seinem Mentor Rudy Pevenage vom Team Telekom zur Mannschaft Coast. Das von einem mittelständischen Textilunternehmen gesponserte Team geriet im Frühjahr 2003 allerdings - und nicht ganz unerwartet - in Finanzschwierigkeiten und wurde vom Radsportweltverband UCI zweimal suspendiert. Schließlich konnte Teammanager Pevenage den bisherigen Co-Sponsor Bianchi überzeugen, den Radrennstall komplett zu übernehmen.

Nach einigen guten Platzierungen bei der Deutschland-Tour und der Tour de Suisse ging Jan Ullrich schließlich im celestefarbenen Trikot des Team Bianchi mit einer exzellenten Form in seine sechste Tour de France, bei der er zunächst von einer Magenvergiftung geplagt wurde, seinen Rückstand in den Alpen aber begrenzen konnte.

Am 18. Juli 2003 gewann Ullrich dann die 12. Etappe der Tour, ein Einzelzeitfahren in Cap' Découverte, mit über eineinhalb Minuten Vorsprung vor dem großem Favoriten Lance Armstrong. Es war Ullrichs erster Sieg bei der Tour seit 1998. Obwohl Ullrich den Kampf um das Gelbe Trikot auch danach und bis zum letzten Zeitfahren offen gestalten konnte, setzte sich Lance Armstrong schließlich durch und feierte seinen fünften Toursieg in Folge. Jan Ullrich belegte trotz Sturzes im Zeitfahren mit 1.01 Minuten Rückstand ein fünftes Mal den zweiten Gesamtrang beim wichtigsten Radrennen der Welt.

Nach der Tour wurde Jan Ullrich von der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) mit der "Fair Play-Plakette des deutschen Sports" ausgezeichnet, weil er den Sturz seines Gegners Armstrong nicht ausgenutzt hatte, sondern auf ihn wartete. Im Dezember 2003 wurde Ullrich von den deutschen Sportjournalisten zum zweiten Mal zum Sportler des Jahres gewählt und setzte sich damit unter anderem gegen Michael Schumacher durch, der im gleichen Jahr zum 6. Mal Formel 1-Weltmeister geworden war.

2004

Im Jahr 2004 fuhr Ullrich zunächst ein sehr unauffälliges Frühjahr und stieg bei dem Ardennenklassiker La Flèche Wallonne vorzeitig aus. Erst gut vier Wochen später kehrte Ullrich bei der Deutschlandtour ins Renngeschehen zurück und überraschte mit einer starken Formverbesserung: Im Auftaktzeitfahren wurde er Zweiter, die Bergetappen beendete er in vorderen Rängen. Mitte Juni gewann Ullrich bei seiner achten Teilnahme schließlich erstmals die renommierte Tour de Suisse, bei der er auch die erste Etappe und das abschließende Zeitfahren für sich entscheiden konnte.

Am 3. Juli ging Ullrich im belgischen Lüttich als einer der Anwärter auf den Gesamtsieg an den Start der 91. Tour de France, verlor jedoch schon im Prolog überraschend 15 Sekunden auf den Titelverteidiger Lance Armstrong. Durch eine Erkältung verlor er auf den beiden Pyrenäen-Bergtappen weitere fünf Minuten auf Armstrong und damit jede Chance auf den Gesamtsieg. Trotz seines Einsatzes in der letzten Tourwoche in den Alpen und bei den beiden verbliebenen Zeitfahren, in denen er sich jeweils nur Lance Armstrong geschlagen geben musste, kam er in der Gesamtwertung nicht über einen vierten Platz hinaus. Dies war bisher sein schlechtestes Ergebnis bei der Tour de France.

Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen trat Jan Ullrich als Titelverteidiger beim Straßenrennen mit dem Ziel an, seine zweite Goldmedaille zu gewinnen. Der Kurs in der Innenstadt von Athen war jedoch eher für Eintagesrennenspezialisten konstruiert und endete mit dem Favoritensieg von Paolo Bettini. Beim Einzelzeitfahren wurde der als Favorit gehandelte Ullrich nur Siebenter, Olympiasieger wurde der später des Dopings überführte US-Amerikaner Tyler Hamilton.

Datei:Jan ullrich nuernberg altstadt 2004.jpg
"Rund um die Nürnberger Altstadt", vorletzte große Runde, 2004-09-12

2005 (aktuell)

Dieses Jahr begann Jan Ullrich mit dem Taining auf Mallorca, und nach einer Grippe trainierte er in der Toskana. Die erste Rundfahrt, die er dieses Jahr bestritt, war die Sarthe-Rundfahrt, auf der er für seine Verhältnisse zu dieser Jahreszeit sehr gut abschnitt.

Die Tour de France 2005 wird für Jan Ullrich vermutlich die letzte Gelegenheit sein, gegen Lance Armstrong anzutreten, denn dieser hat seinen Rücktritt vom Radrennsport angekündigt. Team T-Mobile kündigte ferner an, bei der Tour 2005 um den Sieg mitfahren zu wollen.

Jan Ullrich bestätigt am 15. Mai die Trennung von seiner Freundin Gaby. Die 33-Jährige ist mit der gemeinsamen Tochter Sarah Maria aus dem Haus in Scherzingen ausgezogen. Ullrich will aber weiter für das Kind sorgen.

Bei der Tour de Suisse wurde Ullrich Dritter der Gesamtwertung, hinter Aitor González Jiménez und Michael Rogers.

Erfolge

Literatur

  • Jan Ullrich, Hagen Boßdorf: Ganz oder gar nicht. Econ, 2004, ISBN 3-430-19231-5
  • Andreas Burkart: Jan Ullrich - Wieder im Rennen. Goldmann, 2003, ISBN 3-442-15295-X
  • Hagen Boßdorf (Vorwort): Jan Ullrich - Meine Lieblingsradtouren, Schwarzwald. Artbeer Creation, 2001, ISBN 3-00-007288-8