Ruth Cohn

deutsche Psychoanalytikerin, Begründerin der Themenzentrierten Interaktion
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Ruth Charlotte Cohn (geb. Hirschfeld) (* 27. August 1912 in Berlin) ist die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion (TZI) und eine der einflussreichsten Vertreterinnen der humanistischen und der psychodynamischen Psychologie.

Biografie

1931/1932 studierte Cohn Nationalökonomie und Psychologie an den Universitäten Heidelberg und Berlin. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 flüchtete die deutsch-jüdische Studentin von Berlin nach Zürich, wo sie Psychologie studierte und sich in Psychoanalyse durch die Internationalen Gesellschaft für Psychoanalyse ausbilden ließ. Zusätzlich absolvierte Cohn ein Studium der Pädagogik, Theologie, Literatur und Philosophie an der Universität Zürich.

Sieben Jahre später wanderte sie 1941 in die USA aus. Hier erfuhr sie zunächst 1941 und 1942 eine Ausbildung in Early Childhood Progressive Education an der Bankstreet School (später College) in New York City und trieb gleichzeitig von 1941 bis 1944 psychotherapeutische Studien, insbesondere zu den Arbeiten von Harry Stack Sullivan am William Alanson White Institute in New York und an der Columbia University, wo sie mit dem Master's Degree (M.A.) und als Diplompsychologin abschloss.

Anschließend betrieb sie eine private psychotherapeutische Praxis in New York City und entfernte sich nicht zuletzt durch die Ausbildung in Gruppentherapie bei Pionieren wie Asya Kadis, Sandy Flowermann und Alexander Wolf zunehmend von der klassischen Psychoanalyse hin zur Erlebnistherapie. Zwischenzeitlich war Cohn auch am Aufbau der NPAP (National Psychological Association for Psychoanalysis) beteiligt und arbeitete Anfang der 1960er erstmalig in Wirtschaftsunternehmen mit TZI. Sie machte noch von 1965 bis 1966 eine Zusatzausbildung in Gestalttherapie bei Fritz Perls und gründete 1972 das Workshop Institute for Living-Learning (WILL), das Institut für Ausbildung, Forschung und Praxis von TZI (Theme Centered Interaction, TCI).

1974 erfolgte ihre Rückkehr nach Europa. Seither hatte sie ihren Wohnsitz in Hasliberg-Goldern (Schweiz), wo sie eine freie Praxis betrieb und als Lehrerin für TZI und bis 1998 als Beraterin für das Kollegium in der Ecole d'Humanité in Hasliberg-Goldern tätig war.[1] Heute lebt sie in Düsseldorf[2].

Konzept

Geprägt von ihren Erfahrungen mit Faschismus und Nationalsozialismus einerseits, und vor dem Hintergrund der Psychoanalyse andererseits, entwickelte sie 1955, angestoßen durch einen Workshop zum Thema "Gegenübertragung", dessen Methodik zum Ausgangspunkt wurde, im amerikanischen Exil das Konzept der Themenzentrierten Interaktion (TZI). Die TZI ist auf aktives, schöpferisches und entdeckendes Lernen - Cohn nennt es nach einem Vorschlag von Norman Libermann Lebendiges Lernen - und Arbeiten ausgerichtet. Sie strebt ein dynamisches Gleichgewicht an zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Personen, der Gruppe, deren Aufgabe und dem Umfeld. Heute wird die TZI in allen Arbeits- und Lebensbereichen, insbesondere in der Erwachsenenbildung eingesetzt.

Die Arbeit von Ruth Cohn wird im Ruth-Cohn-Institut weitergeführt.

Lehrtätigkeiten Ruth Cohns

  • 1957-1973 Lehrtätigkeit am Center for Psychotherapy (später Center for Mental Health) in der Abteilung Gruppentherapie
  • ab 1962 Aktives Mitglied der American Academy of Psychotherapie, Treffpunkt von Vertretern neuer und klassischer psychotherapeutischer Methoden, u. a. George Bach, Fritz Perls, Carl Rogers, Virginia Satir, John Warkentin, Carl Whitaker
  • 1973 Gastprofessorin für TZI an der Clark University, Mass.

Preise und Auszeichnungen

  • 1971 Psychologist of the Year Award, Auszeichnung der New York Society for Clinical Psychology
  • 1979 Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. phil. h. c.) der Psychologischen Fakultät der Universität Hamburg
  • 1992 Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland
  • 1994 Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. phil. h. c.) vom Institut für Psychologie der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern

Bücher

  • Ruth C. Cohn: Es geht ums Anteilnehmen... Freiburg im Breisgau, Herder, 1993
  • Ruth C. Cohn: Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Stuttgart, Klett-Cotta, 1975
  • Ruth C. Cohn (mit Alfred Farau): Gelebte Geschichte der Psychotherapie. Stuttgart, Klett-Cotta, 1984
  • Ruth C. Cohn & Christina Terfurth (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. Stuttgart, Klett-Cotta, 1993
  • Ruth C. Cohn & Irene Klein: Großgruppen gestalten mit Themenzentrierter Interaktion. Ein Weg zur lebendigen Balance zwischen Einzelnen, Aufgaben und Gruppe. Mainz, Grünewald,1993

Aufsätze

  • Ruth C. Cohn: Zu wenig geben ist Diebstahl, zu viel geben ist Mord! (Interview von Otto Herz). In: betrifft: erziehung. 14 (1), S. 22-27, 1981.
  • Ruth C. Cohn: Gucklöcher - Zur Lebensgeschichte von TZI und Ruth Cohn. Gruppendynamik, Heft 4, Dez. 1994, S. 345-370
  • Ruth C. Cohn: Das Konzept des Widerstands in der Themenzentrierten Interaktion. Vom psychoanalytischen Konzept des Widerstands über das TZI-Konzept der Störung zum Ansatz einer Gesellschaftstherapie. In: Hilarion Petzold: Widerstand. Ein strittiges Konzept in der Psychotherapie. Paderborn, Junfermann, 1981
  • Ruth C. Cohn & Friedemann Schulz von Thun: Wir sind Politiker und Politikerinnen ‑ wir alle! Dialog in: Rüdiger Standhardt & Cornelia Lohmer (Hrsg.) Zur Tat befreien. Gesellschaftspolitische Perspektiven von TZI‑Gruppenarbeit. Mainz 1994 S. 30‑62.
  • Paul Matzdorf & Ruth C. Cohn: "Themenzentrierte Interaktion". In: Raymond J. Corsini: Handbuch der Psychotherapie. Weinheim, Basel, 1983

Literatur über Ruth Cohn

  • Festschrift für Ruth Cohn. Zeitschrift für Humanistische Psychologie, 3. Jahrgang, Heft 4, 1980
  • Friedo Schulz von Thun: Laudatio auf Ruth Cohn (Anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch den Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg am 30. November 1979). Zeitschrift für Humanistische Psychologie, 3. Jahrgang, Heft 4, 1980, S. 7-12
  • Erika Arndt. Ruth Cohn und ihre Idee von lebendigen Lernprozessen in der Schule, Zeitschrift Themenzentrierte Interaktion Heft 1/2002, Sonderband für Ruth Cohn

Siehe auch

Quellen

  1. http://www.ecole.ch
  2. Ruth-Cohn-Institut Rheinland/Westfalen