Das Konzert für Berlin fand am Sonntag, dem 12. November 1989 – drei Tage nach dem Fall der Mauer – mit insgesamt über den Tag verteilt circa 50.000 Besuchern in der West-Berliner Deutschlandhalle statt. Mit Hilfe dieses ersten großen deutsch-deutschen Rockkonzerts, das elf Stunden dauerte, sollten insbesondere Jugendliche aus Ost-Berlin und der DDR im Westen willkommen geheißen werden.

Organisation und Ablauf
Nach der Grenzöffnung in Berlin am 9. November 1989 wurde den in den Westteil der Stadt strömenden Bürgern der DDR ein herzlicher und freundlicher Empfang bereitet. Neben der Auszahlung des offiziellen Begrüßungsgeldes gab es weitere Gesten des Willkommens: Südfrüchte wurden gratis offeriert, Freibier wurde in manchen Kneipen ausgeschenkt und der West-Berliner ÖPNV durfte mit einem Personalausweis der DDR kostenlos benutzt werden.
Um der Freude über diese weltbewegenden Ereignisse Ausdruck zu verleihen und mit Musik ein Zeichen zu setzen, entschloss sich der Sender Freies Berlin (SFB) bereits am 10. November, ein Rockkonzert mit freiem Eintritt zu veranstalten. Das Konzert wurde innerhalb von nur zwei Tagen von Redakteuren der populären Radiosendung SFBeat – einer der ersten Jugendsendungen – organisiert.
Das Konzert für Berlin wurde sowohl im Fernsehen (der SFB übertrug und die dritten Programme der ARD übernahmen die Sendung) als auch im Radio über mehrere Stunden live übertragen. Das Konzert begann gegen 13:00 Uhr und endete erst kurz vor Mitternacht. Zwischen den einzelnen Auftritten und während der Umbaupausen wurden jeweils Redebeiträge ermöglicht. So ergriffen manche Musiker das Wort und schilderten ihre momentane Gefühlswelt.
Der Leadsänger der Kölner Rockgruppe BAP, Wolfgang Niedecken, versuchte zu erfassen, wie hoch der Publikumsanteil der Gäste aus der DDR war. Auf seine Frage, wer alles aus der DDR sei, erhob ungefähr die Hälfte der Zuhörer ihre Hand.
Die Moderation des Konzertes, das einige Improvisation in den Ansagen erforderte, erfolgte durch Steffen Simon:
„… Als die Künstler davon hörten – am Freitag Morgen/Freitag vormittag – ist eine Flut von Angeboten auf uns zugekommen. Alle wollten sie hier spielen. Es können nicht alle spielen. Es haben auch nicht alle eine Band auf die Beine gestellt …“
Da sich in diesen Tagen die politischen Ereignisse überschlugen, informierte Simon in seinem Ansagen auch über solche tiefgreifende Veränderungen:
„… Der Verteidigungsminister der DDR hat soeben in der Aktuellen Kamera bekanntgegeben, dass an den innerdeutschen Grenzen der Schießbefehl aufgehoben ist! …“
Teilnehmende Künstler
Line-Up (noch unvollständig)
… Mad Romeo, Pankow, BAP (Titel: Zehnter Juni, Alexandra, nit nur do, Ahl Männer, aalglatt, Do kanns zaubre, Fortsetzung folgt, Stadt im Niemandsland, Dä Deckel vum Clown, Drei Wünsch frei, Verdamp lang her, Pänz, Pänz, Pänz), Ulla Meinecke im Duett mit Konstantin Wecker (Schlendern ist Luxus/Wecker solo: Genug ist nicht genug, Wenn der Sommer nicht mehr weit ist, Die weiße Rose), Melissa Etheridge (My Back Door, No Souvenirs, Testify, Bring me some water, …), Udo Lindenberg (Mädchen aus Ost-Berlin, Sonderzug nach Pankow …), Die Zöllner, Die 3 Tornados mit ihrem letzten Auftritt, Joe Cocker (… With a little help from my friends …), Silly, Marius Müller-Westernhagen (… Freiheit …), Angelika Weiz, Die Toten Hosen (… 1000 gute Gründe …), Heinz Rudolf Kunze, Nina Hagen (u. a. … Ave Maria …), die Puhdys und Nena (… Wunder geschehen).[1][2][3]
Details
- Udo Lindenberg wandelte den Text eines seiner bekanntesten Lieder leicht ab und sang unter lautem Jubel vom Sonderzug aus Pankow.
- Joe Cocker und seine Band unterbrachen für das Konzert ihre laufende Tournee und wurden am Nachmittag eingeflogen. Nach seinem Auftritt wollte Cocker unbedingt noch an die Mauer; sein Fahrer blieb jedoch im Verkehrschaos dieser Tage stecken. Mit Hilfe einer Polizeieskorte kam er dann doch noch an die Mauer und anschließend zum Flughafen Tempelhof, um zur Fortsetzung der Tournee weiter nach Århus in Dänemark zu fliegen.
- Auch die Toten Hosen unterbrachen für das Konzert ihre laufende Tour; sie waren auf einer Rundreise durch Frankreich. Gitarrist Breiti erinnert sich nach 20 Jahren: "Es war ein Gefühl von Freude und Erleichterung, wie man es in einem Land wohl selten in dieser Form erlebt."[4]
- Den letzten Auftritt des Abend hatte Nena. Sie sang um kurz vor Mitternacht ihr neu erschienenes Lied Wunder gescheh'n.[5]
- Es war geplant, vom Mitschnitt des Konzerts für Berlin eine Doppel-LP zu veröffentlichen. Ein Muster der Platte und des Covers wurde erstellt. Die Schallplatte kam aber nie in den Handel, weil man sich nicht über die Lizenzbedingungen verständigen konnte.
- Mit dem Titel "Set me free. Konzert für Berlin 12. November 1989" drehte Holger Senft eine 80-minütige Filmdokumentation des Konzerts. Die Uraufführung fand am 16. Februar 1990 in Berlin statt.[6] Eine Kurzversion von 45 Minuten (Titel "Konzert für Berlin. Rockkonzert in der Deutschlandhalle") sendete der SFB am 12.November 1989.[7]
Politische und gesellschaftliche Bedeutung
- Die Bürger Berlins wurden aufgefordert, Radios in ihre Fenster zu stellen, um das Ereignis in allen Straßen der Stadt für jedermann hörbar zu machen. Tausende folgten dieser Bitte.
- Der damalige Regierende Bürgermeister von West-Berlin, Walter Momper konnte von der Bühne herab erzählen, dass er am Morgen mit seinem Kollegen, dem Ost-Berliner Oberbürgermeister Erhard Krack am Potsdamer Platz einen neuen Grenzübergang "aufgemacht" habe und mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker an der Öffnung des Grenzübergangs auf der Glienicker Brücke teilgenommen habe. An die Besucher aus der DDR gewandt, sagte er:
„… Und am Sonnabend vor dem Schöneberger Rathaus – und das wollten einige gar nicht gerne hören – da habe ich einigen hier bei uns gesagt: passt mal auf – wenn das mit der Demokratiebewegung in der DDR so weitergeht, wenn dort erstmals – wie der Stefan Heym gesagt hat ein Volk sich friedlich die Demokratie und die Freiheit in großer Disziplin auf der Straße erobert – dann werden wir, die wir die Demokratie von den Befreiern geschenkt bekommen haben, von euch in der DDR noch einiges lernen können! …[8]“
- Dieses einmalige Konzert fand in einer emotional äußerst aufgeladenen Atmosphäre in sehr friedlicher Stimmung statt. Teilweise war die Halle mit über 15.000 Menschen überfüllt.[9] Steffen Simon verlas Grußadressen von Künstlern, die nicht dabei sein konnten. Neben den Besuchern aus Ost und West spürten auch die Interpreten, dass dieses Konzert ein besonders bewegendes werden würde. Viele Künstler machten ihre Stimmung in den Ansagen zwischen den Beiträgen deutlich, so beispielsweise Melissa Etheridge:
„As an American, I am very proud to be here at this time in history. But as a human being I wish you both – east and west – freedom und Freiheit – jetzt und für immer!“
Galerie der Teilnehmer
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Die 3 Tornados
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Joe Cocker
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Udo Lindenberg
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Campino (Die toten Hosen)
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Nina Hagen
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Puhdys
Einzelnachweise
- ↑ Melancholie und Schmerz zum Abschied – Die "alte Dame" Deutschlandhalle hatte ihre große Zeit – heute geht sie endgültig zu Ende, Berliner Zeitung, 30.April 2009
- ↑ Vom Karl-Marx-Platz zur Deutschlandhalle aus DT64 – das Buch Jugendradio, Thom Verlag 1993
- ↑ BAP-Setlist des Konzertes auf bap-fan.de
- ↑ Matthias Knecht: Eins, Zwei, Ultragewalt; FTD, 8. November 2009
- ↑ Sven Felix Kellerhof: Der Tag; 9. November bis 12. November 1989; Die Welt, 9. November 2009
- ↑ Set me free. Konzert für Berlin 12. November 1989 Kurzinfo auf filmportal.de
- ↑ Deutsche Kinemathek
- ↑ zitiert aus eigener Audioaufnahme der Rundfunkübertragung des Konzerts, SFB, 12. November 1989
- ↑ Walter Momper: Grenzfall – Berlin im Brennpunkt deutscher Geschichte: Bertelsmann, 1991, Seite 185