Als Sexualisierung bezeichnet man dem Wortsinne nach
- die Fokussierung bzw. Hervorhebung der Sexualität innerhalb eines umfassenderen Kontextes
- die Betrachtung eines Objektes unter sexuellen Gesichtspunkten bzw. unter dem Aspekt der Sexualität, besonders wenn dieses Objekt diese Betrachtung von sich aus nicht evoziert.
In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ist der Begriff zu einem Schlagwort der gesellschaftlichen Entwicklung geworden.
"Sexualisierung der Gesellschaft" im 20. Jahrhundert
Als Sexualisierung der Gesellschaft bezeichnet man die ständige (bzw. ständig wachsende) Präsenz von Sexualität in der Öffentlichkeit, in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und im Bewusstsein der Menschen. Verantwortlich dafür sind eine Vielzahl sozialer Faktoren, unter anderem:
- Einführung von Verhütungsmitteln (insbesondere der Antibabypille und des Kondoms), die Geschlechtsverkehr unabhängig von seinen natürlichen Konsequenzen (Schwangerschaft, Übertragung von Krankheiten) ermöglichen und damit dem Ausleben der Lust Vorschub leisten
- mediale Verbreitung (z. B. durch Fernsehen, Internet) von Schönheitsstandards; Idealisierung von Attraktivität und Lustgewinn begünstigen durch die Breitenwirkung und Akzeptanz in der Bevölkerung diese Entwicklung
- soziale Bewegungen wie
- die Studentenbewegungen der 68er, die sich gegen überkommene Konventionen wehren und eine neue Freiheit und neue Werte propagieren ("Sex & Drugs & Rock'n Roll")
- die Emanzipationsbewegung der Frau, die soziale Rechte einfordert, das herkömmliche Rollenverständnis revolutioniert und das (auch sexuelle) Selbstbewusstsein der Frau in Richtung Unabhängigkeit und Eigenständigkeit neu begründet
Zu den Folgen dieser Entwicklung zählen:
- Das stete Fallen der Schamgrenze bzw. konventioneller Werte innerhalb des 20. Jahrhunderts (siehe auch Sexualmoral)
- die Sexualisierung der Nacktheit: (partielle) Nacktheit wird seltener als natürlicher Zustand, sondern öfter als sexuelle Geste verstanden
- Das Schlagwort "Sex sells" gilt heute in nahezu allen Branchen der Wirtschaft als Werbemotto; die Sexindustrie, die Sexualität zu ihrem primären Wirtschaftsfaktor macht, verzeichnet seit vielen Jahren gewaltige Umsätze
- die Sexualisierung der Geschlechter: sie bezeichnet die Entwicklung des modernen Menschen hin zum Wesen, das entweder mehr und mehr durch seine geschlechtsspezifischen Triebe gesteuert wird bzw. diese bewusst in den Vordergrund stellt ("manische Lustsucher", Ulrich Enderwitz, siehe Literatur)
Die "Konsequenzen" verstärken ihrerseits wieder den Trend der Sexualisierung und treiben ihn voran.
Siehe auch
Literatur
- Task Force on the Sexualization of Girls: Report of the APA Task Force on the Sexualization of Girls, American Psychological Association, 2007
- Enderwitz, Ulrich: Das Triebleben der Moderne, Freiburg (Breisgau), 1999
- Savramis, Demosthenes: Entchristlichung und Sexualisierung - zwei Vorurteile, 1969
- Schriftenreihe Frauenformen: Sexualisierung der Körper, 1983