Kloster Konradsdorf

Kloster in Ortenberg, Wetteraukreis, Hessen
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Das 1191 erstmals beurkundete Kloster Konradsdorf war ein in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an der Stelle einer früheren Burganlage und Saalkirche errichtetes und 1581 aufgehobenes Frauenkloster bei Ortenberg im hessischen Wetteraukreis.

Die Anlage

Die Reste der Anlage befinden sich, weithin sichtbar, auf einem leichten Südosthang oberhalb des Flusses Nidder südwestlich von Ortenberg, am östlichen Rand der ummauerten heutigen „Hessischen Staatsdomäne Konradsdorf“, an der Bundesstraße B 275/B 457 zwischen Ranstadt und dem Ortenberger Ortsteil Selters. Es handelt sich dabei um eine schlichte, dreischiffige, querschifflose, flach gedeckte romanische Pfeilerbasilika ohne Turm oder Dachreiter mit einer halbkreisförmigen Apsis und um ein zweigeschossiges romanisches Wohngebäude aus dem 13. Jahrhundert mit reicher Bauzier. Letzteres, lange Zeit "Nonnenhaus" genannt, war die die südlich des Klosters gelegene Propstei, während die Konventgebäude nördlich der Kirche um einen Kreuzgang gruppiert waren. Die beiden Gebäude sind heute ungenutzt und von den Jahrhunderten stark in Mitleidenschaft gezogen, zählen aber dennoch zu den bedeutendsten Bauensembles des 12. Jahrhunderts im Rhein-Main-Gebiet. Das ehemalige Kloster liegt an der Bonifatius-Route, dem seit 2004 bestehenden 175 km langen Pilger- und Wanderweg auf den Spuren des Trauerzuges, der im Jahre 754 den Leichnam des Bonifatius von Mainz zu seiner letzten Ruhestätte in Fulda brachte.

Gründung

Bis in die 1990er Jahre ging man davon aus, dass Gerlach I. von Büdingen um oder bald nach 1147 durch Umwandlung einer spätestens um das Jahr 1000 erbauten kleinen salischen Turmburg ein sogenanntes Doppelkloster der Prämonstratenser in Konradsdorf, als Tochterkloster des Klosters Selbold in Langenselbold, gestiftet habe und dass ab etwa 1270 nur noch der weibliche Zweig geblieben sei. Diese Annahme wurde jedoch nach 1994-1996 vorgenommemen Ausgrabungen und damit verbundenen Analysen der Baugeschichte und schriftlichen Quellen revidiert. Gerlach verschwand zur Zeit des Zweiten Kreuzzugs 1147-1149 aus den Urkunden, und man vermutet, dass er am Kreuzzug teilnahm und nicht zurückkehrte. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbauten dann verschiedene Angehörige des Hauses Büdingen in der Umgebung von Konradsdorf neue Höhen- und Niederungsburgen. Erst damit wurde die alte Burg in Konradsdorf überflüssig. Die Grabungen zeigten, dass das Kloster erst um 1190 entstand: unter den Klosterbauten fand man die Reste der Vorgängerbauten, darunter auch eine zuvor unbekannte Vorgängerkirche aus der Zeit um 1000 sowie deutliche Beweise einer späteren Umbauphase. Die Mauern und Fundamente der Vorgängerbauten wurden als Fundamente für die neuen Klostergebäude benutzt, was zu teilweise recht eigenwilligen Konstruktionen führte und auch den Grundriss der Basilika in ihrem Nordschiff verzerrte. Konstruktion und Baumaterialien sind uneinheitlich, und nur in den weithin sichtbaren Bereichen der Kirche – Fassade, Obergaden Südseite und Chor – wurde sorgfältig gebaut. Daraus ist zu schließen, dass die Arbeiten entweder in großer Eile durchgeführt wurden (und/oder dass es an finanziellen und personellen Mitteln fehlte).

Auf Grund der chronologischen Abfolge der Bauphasen der Kirche und der Analyse der schriftlichen Quellen ergeben sich für die Klosterkirche drei Bauphasen:

  • Errichtung einer Saalkirche vor 1000 n. Chr. mit einer dazugehörigen Siedlung, die zu einer kleinen Burg ausgebaut wurde. Ob es zunächst eine Siedlung mit einer Saalkirche und anschließend eine Erweiterung durch die Burganlage gab, oder ob Kirche und Burg gleichzeitig entstanden, ist nicht eindeutig belegt.
  • Umbau der Kirche um die Mitte des 12. Jahrhunderts mit Verlängerung des Chores nach Auflassung der Burg, und Gründung eines Frauenstiftes.
  • Stopp der Umbauarbeiten und statt dessen völliger und hastiger Neubau einer Basilika in den typischen Formen einer rheinischen Prämonstratenser-Frauenkirche mit Nonnenempore gegen Ende des 12. Jahrhunderts.

Das Kloster wurde demnach erst unter Gerlachs Sohn Hartmann als Hauskloster und Grablege seiner Familie erbaut, an der Stelle der bereits vorher aufgegebenen Burg und der benachbarten Saalkirche. Die Basilika war 1190/91 vollendet und wurde dann mitsamt dem Kloster umgehend an Erzbischof Konrad von Mainz tradiert.

Die Tradierung

Diese Schenkung, und der ihr unmittelbar vorangehende hastige Bau der Basilika, standen wahrscheinlich in direktem Zusammenhang mit reichspolitischen Ereignissen. Erzbischof Konrad war 1165 durch Kaiser Friedrich Barbarossa wegen seiner Parteinahme für Papst Alexander III. abgesetzt und durch Christian I. ersetzt worden. Dieser leistete keinen Widerstand, als Friedrich insbesondere auch in erheblichem Umfang in der Wetterau auf Kosten des Erzbistums seinen und des Reiches Besitz vermehrte. Dazu gehörte ausgedehnter Besitz in und um Gelnhausen, der 1158 durch Kauf in Mainzer Besitz gekommen war. Schon zwei Jahre später hatte sich Friedrich I. unter Michtachtung Mainzer Ansprüche Gelnhausen angeeignet und 1170 mit dem Bau seiner dortigen Pfalz begonnen. Als des Kaisers Bauleiter und Vogt von Gelnhausen stieg Hartmann von Büdingen, ein enger Vertrauter Friedrichs, zu einer der angesehensten und mächtigsten Persönlichkeiten des Reiches auf. Als sich Konrad I. nach dem Tod Christians im Jahr 1183 mit Friedrich I. versöhnte und sein zweites Pontifikat in Mainz antrat, war der Besitz des Erzbistums stark geschmälert. Im Jahre 1189 beklagte sich Konrad in einer Urkunde über die während der Amtszeit Christians erlittenen Verluste. Unter denen, über die er Klage führte, war Hartmann von Büdingen, der sich Wälder aus Mainzer Besitz in Dreieich angeeignet hatte und vor allem Nutznießer der Entwicklung in Gelnhausen war. Wohl auf Grund dieser Klage, und möglicherweise auch auf Druck des Kaisers, der im März 1188 seine Teilnahme am geplanten Kreuzzug bekannt gegeben hatte und im Reiche Frieden brauchte, entschloss sich Hartmann, sein Kloster Konradsdorf dem Erzbischof als Versöhnungsgabe zu übereignen und dazu noch schnell eine größere Kirche dort zu errichten.

Status

Für das Erzbistum hatte das kleine Kloster durchaus Wert. Unter anderem konnte Konrad dort ein kleines Archidiakonat einrichten und damit die Macht des Archidiakonats Mariengreden beschneiden. Konrad favorisierte die Prämonstratenser, da sie im Gegensatz zu den Zisterziensern kein monastischer Orden und auch nicht exempt waren, und das Stift wurde bei der Tradition in den Orden inkorporiert. Der Probst des Klosters unterstand dem Erzbischof und konnte gleichzeitig die Aufgabe als Archidiakon übernehmen. Dazu bedurfte res aber einer repräsentativen Kirche, denn selbst mit dem begonnenen Stiftschor war die alte Saalkirche dafür ungeeignet.

Das Kloster unterstand nunmehr unmittelbar der Abtei Prémontré und war keine Filiation eines Männerklosters, wie sonst bei den Prämonstratenser üblich. Direkt Prémontré unterstanden Frauenklöster entweder als Restbestand eines ehemaligen Doppelklosters oder als inkorporierte, bereits bestehende Rechtsorganisation. Da Konradsdorf (entgegen aller älteren Vermutungen in der Literatur) kein Rest eines Doppelklosters gewesen sein kann, muss es als bereits bestehende Organisation in den Orden inkorporiert worden sein. Es dürfte, wie andere Klöster der Umgebung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, ein Augustinerchorfrauenstift gewesen sein, denn diese gingen später in der Regel im Prämonstratenserorden auf. Die Herren von Büdingen hatten bereits um 950 das Kollegiatstift zu den Heiligen Martinus, Nazarius und Georgius im nahen Mockstadt gegründet; Konradsdorf wäre dann als weibliches Pendant dazu gegründet worden.

Konradsdorf war ein eher bescheidenes Kloster, das zur Versorgung unverheirateter Töchter des örtlichen Adels diente. Es war aber auch letzte Ruhestätte der Herren von Breuberg, von denen vier in der Zeit zwischen 1239 und 1323 Landvögte der Wetterau waren. Der Klostergründung folgten Jahrhunderte des Wohlstandes im Mittelalter. 1333 lebten in Konradsdorf 64 Schwestern und 4 Geistliche. Zum Beginn der Neuzeit begann ein allmählicher Niedergang, der mit der Aufhebung des Klosters im Jahre 1581 sein Ende fand.

Aufhebung und seitherige Nutzung

1581 wurde das Kloster säkularisiert. Es fiel es zunächst an mehrere Adelsfamilien. Im Jahre 1601 erwarben die Grafen von Hanau-Münzenberg das Anwesen, das im Dreissigjährigen Krieg Zerstörung und weitgehenden Verfall erlitt. Nach dem Aussterben der Grafen von Hanau-Münzenberg im Jahre 1736 erbten die Landgrafen von Hessen-Kassel das Anwesen und tauschten es gegen ein anderes Gut mit den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, die es landwirtschaftlich nutzen ließen. Selbst die Kirche wurde von 1781 bis etwa 1910 als Viehstall genutzt. Erst dann begannen erste denkmalpflegerische Bemühungen, die zumindest diese Zweckentfremdung der Kirche wieder beendeten. Nach dem Ende der Monarchien in Deutschland in der Folge des Ersten Weltkriegs wurde das Gut Staatsdomäne. Das 118 Hektar große Gut ist heute im Besitz des Landes Hessen.[1] Die Reste des Klosters werden seit 1959 von der Verwaltung staatlicher Schlösser und Gärten Hessen betreut, die sich bemüht, Kirche und Haus vor dem weiteren Verfall zu schützen. Die kunst- und kulturhistorisch wichtige Anlage hat überregionale Bedeutung, und so unterstützte auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die dortigen Grabungen im Jahr 1995.

Besichtigung

Die Reste des Klosters liegen auf dem Gelände der von einem private Pächter betriebenen "Hessischen Staatsdomäne Konradsdorf", deren Betreten ohne vorherige Erlaubnis nicht erwünscht ist. Daher ist nur eine Außenbesichtigung von öffentlichen Wegen rund um das Gut möglich. Man kann die Straße "Am Kloster" zu Fuß bergab gehen; von dort sieht man durch das obere Tor des Gutes im Hintergrund die alte Kirche und durch die untere Einfahrt ganz hinten das alte Gebäude der Propstei mit seinen romanischen Fenstern. Oder man geht von der B 275 auf dem Fußweg, der am Hügel vorbei in das Tal der Nidder führt, und sieht von dort Kirche und Propstei über sich auf der Anhöhe.

Einzelnachweise

  1. Initiative Agrarkulturerbe: Hessische Staatsdomäne Konradsdorf

Literatur

  • Waltraud Friedrich, Das ehemalige Prämonstratenserinnenkloster Konradsdorf: 1000 Jahre Geschichte und Baugeschichte (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte; Bd. 118), Hessische Historische Kommission und Historische Kommission für Hessen, Darmstadt/Marburg, 1999, ISBN 3-88443-070-X, ISBN 978-3884430705
  • C. L. Hugo, Sacri et canonici Ordinis Praem. Annales, Band 1, Nancy, 1734 (S. 545-550)

Koordinaten: 50° 20′ 42″ N, 9° 1′ 23″ O