Materialermüdung

langsam voranschreitender Schädigungsprozess in einem Werkstoff
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Die Materialermüdung (engl. fatigue) beschreibt den Alterungsprozess in einem Werkstoff unter Umgebungseinflüssen wie mechanische Belastung, Temperatur oder einem korrosiven Medium (->Korrosion). Im Laufe der Lebensdauer des entsprechenden Bauteiles kann die Ermüdung zu einer Funktionsuntüchtigkeit oder auch zum Totalausfall führen. Daher erfolgt an kritischen Bauteilen vor dem Einsatz eine Lebensdauerbewertung, -berechnung oder gar Versuche, die eine Abschätzung der Haltbarkeit des Bauteils zulässt.

Einfaches Beispiel: Eine Büroklammer kann man einige Male hin und her biegen. Dann wird sie brechen, da das Material an der Bewegungsstelle ermüdet ist.

Unterarten

Man unterscheidet

  • statische Ermüdung (z.B. unterkritisches Riswachstum unter korrosiven Medien -> Spannungsrisskorrosion)
  • dynamische Ermüdung (z.B. Wechselermüdung unter zyklisch wechselnder Belastung -> Wöhlerversuch)
  • Hochtemperaturermüdung (z.B. Kriechvorgänge)
  • tribologische Ermüdung (->Verschleiß)

Mechanismen

Ausgelöst wird die Materialermüdung durch plastische Verformung, die in ihrer kleinsten Form als mikroplastische Verformung bezeichnet wird. Die als Träger der plastischen Verformung bezeichneten Versetzungen können sich z.B. zu Gleitbändern zusammenschließen und führen schließlich zum sog. technischen Anriss. Dieser Anriss kann durch weitere Belastung wachsen (-> Risswachstum) bis er schließlich eine kritische Länge erreicht und zum endgültigen Versagen des Bauteils führt.

Geschichtliche Ereignisse

  • 1829: Wilhelm Albert beobachtet Ausfälle an eisernen Kettengliedern von Minen-Fahrstühlen in den Minen von Clausthal
  • 1839: In seinen Vorlesungen an der Militärschule in Metz führt Jean Victor Poncelet den Begriff der Ermüdung an Metallen ein und vergleicht es mit dem Erschlaffen eines Menschen
  • 1843: William John Macquorn Rankine erkennt die Wichtigkeit der Spannungskonzentration in seinen Untersuchungen an Ausfällen von Eisenbahn-Achsen im Versailles Unfall
  • 1849: Eaton Hodgkinson untersucht, bis zu welcher Grenze man Stahlstrukturen belasten kann ohne die Sicherheit zu gefährden
  • 1860: August Wöhler untersucht Eisenbahnachsen und schlägt daraufhin vor, die Belastungsgrenzen von Bauteilen in einem Diagramm aufzutragen um zukünftig Festigkeits-Auslegungen zu ermöglichen
  • 1903: Sir James Alfred Ewing entdeckt mikroskopisch kleine Risse als den Ursprung des Ermüdungsversagens
  • 1910: O.H. Basquin definiert die Form eine typischen Wöhlerkurve
  • 1939: Baldwin-Lima-Hamilton erfindet den Dehnungsmeßstreifen und beschleunigt damit sämtliche Forschung auf dem Gebiet der Ermüdung
  • 1945: A.M. Miner favorisiert A. Palmgren's (1924) lineare Schadensakkumulations Theorie als praktikables Auslegungswerkzeug
  • 1954: L.F. Coffin und S.S. Manson erklären das Rißwachstum anhand plastischer Dehnungen an der Rißspitze
  • 1961: P.C. Paris stellt den phenomenologischen Betrachtungen Miner's seine theoretische Betrachtungen auf Basis des Rißwachstums einzelner Risse gegenüber
  • 1968: Tasuo Endo und M. Matsuiski leiten den Rainflow-Algorithmus zur Zählung von zufälligen Schwingspielen ab und ermöglichen damit die zuverlässige Anwendung der Miner'schen Gesetzmäßigkeiten
  • 1970: W. Elber entdeckt die Mechanismen des Riß-Schließens
  • 1975: S. Pearson beobachtet bei kurzen Rissen gelegentliches Stoppen des Rißwachstums in frühen Wachstumsphasen


Literatur

  • "Fatigue of Materials", S. Suresh, Cambridge University Press 1998
  • "Hochtemperatur-Plastizität", B. Ilschner, Springer-Verlag, 1973

Siehe auch