Ich-AG

Art von Einzelunternehmen
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Rechtsstand: 1.1.2005

Als Ich-AG wird ein Einzelunternehmen bezeichnet, das von einer oder mehreren natürlichen Personen gegründet worden ist und die für diese Existenzgründung einen Existenzgründungszuschuss (im Folgenden: EZ) erhalten. Die Ich-AG ist ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik; mit ihr soll Arbeitslosen der Einstieg in die Selbständigkeit erleichtert werden. Vom 1. Januar 2006 an gibt es diese Subvention nur noch, wenn der Anspruch auf Förderung vor diesem Tag bestanden hat.

Existenzgründungszuschuss

Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, haben Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Der EZ wird geleistet, wenn der Existenzgründer  in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III [1] bezogen hat oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach SGB III gefördert worden ist,  nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des SGB IV [2] erzielen wird, das voraussichtlich 25.000 Euro im Jahr nicht überschreiten wird, und  eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

Höhe der Förderung

Der EZ wird bis zu drei Jahre erbracht und wird jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600 Euro, im zweiten Jahr monatlich 360 Euro und im dritten Jahr monatlich 240 Euro. Vor einer erneuten Bewilligung des EZ hat der Existenzgründer das Vorliegen der Voraussetzungen darzulegen. Liegen die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs bei Sperrzeit nach § 144 vor, verkürzt sich die Dauer der Förderung entsprechend der Dauer der Sperrzeit unter Berücksichtigung der bereits verstrichenen Dauer der Sperrzeiten. Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn

  • die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III [3] gefördert wird,
  • nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach SGB III [4] noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden. Die Frist gilt nicht für Bewilligungen für das zweite und das dritte Jahr.

Wegfall der Förderung

  • Geförderte Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, haben vom Beginn des folgenden Monats an keinen Anspruch auf EZ.
  • Überschreitet das Arbeitseinkommen im Jahr 25.000 Euro, entfällt nach Ablauf des bewilligten Zeitraums der EZ. Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV [5], das im gleichen Zeitraum erzielt wird, wird bei der Ermittlung der für die Förderung maßgeblichen Obergrenze einbezogen.

Sozialversicherungspflicht der Ich-AG

Rentenversicherung

Wer einen EZ erhält, unterliegt solange der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wie er den EZ bezieht. Fällt der EZ weg, weil z. B. die selbständige Tätigkeit aufgegeben wird oder wird kein Weiterbewilligungsantrag bei der Agentur für Arbeit gestellt, endet die Rentenversicherungspflicht. Für Existenzgründer gibt es folgende Möglichkeiten der Beitragsbemessung:

  • Beitrag auf der Grundlage der Bezugsgröße: Im Jahre 2005 monatlich 470,93 EUR.
  • Beitrag auf der Grundlage der halben Bezugsgröße: Im Jahre 2005 monatlich 235,46 EUR.
  • Einkommensabhängiger Beitrag: 19,5 % des monatlichen Gewinns, mindestens jedoch 78,00 EUR.

Krankenversicherung

Keine Versicherungspflicht. Besteht bereits Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung berechnet sich der Beitrag aus der Hälfte des Einkommens, multipliziert mit dem Beitragssatz. Gleiches gilt für die Pflegeversicherung.

Pflege(pflicht-)versicherung

Grundsätzlich keine Versicherungspflicht. Freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung sind aber versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung. Sie können sich aber davon befreien lassen, wenn sie privat gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind (§ 20 Abs. 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 SGB XI [6]). § 240 SGB V [7] findet entsprechend Anwendung; der monatliche Mindestbeitrag zur Pflegeversicherung liegt bei ca. 20 €.

Arbeitslosenversicherung

Keine Pflichtversicherung erforderlich.

Unfallversicherung

Die Versicherungspflicht hängt von der Satzung der jeweiligen Versicherungsträger ab.

Besteuerung der Ich-AG

Der EZ selbst ist steuerfrei; er unterliegt auch nicht dem Progressionsvorbehalt. Der Gewinn einer Ich-AG wird wie bei jedem anderen Einzelunternehmen dem Unternehmer (= Inhaber des Unternehmens Ich-AG) zugerechnet. Abhängig von der Art der selbständigen Tätigkeit kann der Gewinn einer Ich-AG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen sein.

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Der Gewinn wird entweder durch Betriebsvermögensvergleich/Bilanzierung (bei einem Vollkaufmann) oder durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt.

Einkünfte aus selbständiger Arbeit

Der Gewinn wird in der Regel durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt. Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören auch die Einkünfte als Freiberufler.

Umsatzsteuer

Der Inhaber der Ich-AG ist Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes.

Gewerbesteuer

Das Unternehmen Ich-AG unterliegt der Gewerbesteuer, wenn es einen Gewerbebetrieb unterhält. Allerdings liegt der Freibetrag bei 24.500 EUR Gewerbeertrag.

Sonstige Beiträge

IHK-Beiträge

Nach § 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern sind natürliche Personen vom Kammerbeitrag befreit, wenn sie nicht im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister eingetragen sind und in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Haushaltsjahr der Betriebseröffnung und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25 000 Euro nicht übersteigt.

Handwerkskammer-Beiträge

Nach § 113 der Handwerksordnung sind natürliche Personen, die erstmalig ein Gewerbe angemeldet haben, sind für das Jahr der Anmeldung von der Entrichtung des Grundbeitrages zur Handwerkskammer und des Zusatzbeitrages, für das zweite und dritte Jahr von der Entrichtung der Hälfte des Grundbeitrages und vom Zusatzbeitrag und für das vierte Jahr von der Entrichtung des Zusatzbeitrages befreit, soweit deren Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder, soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, deren nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 25 000 Euro nicht übersteigt.

Historische Entwicklung

Nach den Vorstellungen der Hartz-Kommission drückt der Begriff „Ich-AG“ aus, dass Arbeitslose ihre eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht nur als Arbeitnehmer einbringen, sondern vor allem auch als Selbständige umsetzen können. Der Idee der Ich-AG liegt die These zu Grunde, in Deutschland existiere ein "großer Bedarf an kostengünstigen Dienstleistungen". Dieser Bedarf könne von Arbeitslosen "mit ihren alltagspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten" befriedigt werden - was teilweise auch heute schon geschehe, allerdings zumeist in Form von Schwarzarbeit.

Das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz II), das am 1.1.2003 in Kraft getreten ist und einen wichtigen Schritt der Agenda 2010 realisiert, setzte das Konzept der Ich-AG in die Praxis um, indem es in § 421l SGB III [8] eine als Existenzgründungszuschuss bezeichnete Förderung schuf.

Der Begriff Ich-AG wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. zum Unwort des Jahres 2002 erklärt.

Bis Ende 2004 wurden rund 268.000 Ich-AGs von der Bundeagentur mit dem EZ gefördert. 48.000 Ich-AGs sind bereits wieder aus der Förderung ausgeschieden.

Aktuelle Entwicklung

Die Welt.de - 5.6.2005: In der Union wird erwogen, nach einem Wahlsieg im September die umstrittenen Ich-AG's und Personalserviceagenturen (PSA) abzuschaffen. Beide Arbeitsmarkt-Instrumente hätten sich als „völlig ineffektiv“ erwiesen, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Dagmar Wöhrl (CSU).

Alternative Existenzgründungsförderung

Überbrückungsgeld Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, haben zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld.

Zusätzliche Existenzgründungsförderung

Einstiegsgeld Erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind, kann bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld gezahlt werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld wird als Zuschuss zum Arbeitslosengeld II erbracht. Das Einstiegsgeld wird, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Bei der Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes soll die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden, in der der erwerbsfähige Hilfebedürftige lebt.

Gesetzliche Grundlagen

  • Artikel 1 Nr. 5 des 2. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
  • § 147, 196 SGB III (Restdauer auf Entgeltersatzleistungen)
  • § 421 l SGB III (Definition der Anspruchsgrundlagen und der Förderhöhe)
  • § 8 SGB IV (Abgrenzung geringfügige selbständige Beschäftigung)
  • § 14 SGB IV (Definition Arbeitsentgelte)
  • § 15 SGB IV (Definition Gewinn)
  • § 249 SGB V (Bemessung der gesetzlichen Krankenversicherung für freiwillig Versicherte)
  • § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (Definition arbeitnehmerähnlicher Selbständiger)
  • § 165 Abs. 1 SGB VI (Nachweis geringeren Einkommens für die gesetzliche Rentenversicherung)
  • § 3 SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung)
  • § 55 SGB XI (Bemessung der gesetzlichen Pflegeversicherung)
  • § 18 Abs. 1 EStG (Katalogberufe im Rahmen der Freiberuflichkeit)
  • § 3 EStG (Steuerfreiheit des ExGZ)
  • § 4 Abs. 3 EStG (Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung)
  • § 19 UStG (Kleinunternehmerregelung)

Siehe auch: Existenzgründung, Überbrückungsgeld