Georgi Dimitroff
Georgi Michajlow Dimitrow (bulgarisch Георги Михайлов Димитров; * 18. Juni 1882 bei Radomir; † 2. Juli 1949 in Sofia) war ein bulgarischer Politiker, der durch seine Funktion in der Kommunistischen Internationale und als Antifaschist Bedeutung besaß.
Dimitrow wurde 1933 im Reichstagsbrandprozeß in Leipzig angeklagt, jedoch freigesprochen. 1933 bis 1943 war er Generalsekretär der Komintern in Moskau. 1946 wurde er zum bulgarischen Ministerpräsident gewählt und blieb dies bis zu seinem Tode.
Jugend, Elternhaus
Georgi Dimitrow wurde am 18. Juni 1882 in Kovatschevzi, Bezirk Pernik, in Bulgarien geboren.
Lehre und politische Biographie bis 1923
1894 begann er in Sofia eine Lehre in einer Setzerei, kurz darauf wurde er Mitglied der ersten Gewerkschaft Bulgariens, der Gewerkschaft der Buchdrucker. 1902 trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Bulgariens bei. Auf deren Parteitag im Juli 1903 spaltete sich der revolutionär-marxistische Flügel ab und gab sich den Namen "Bulgarische Sozialdemokratische Arbeiterpartei – Engere Sozialisten" (Bylgarska Rabotnitscheska Sozialdemokratitscheska Partija – Tesnite Sozialisti). Dimitrow schloß sich 1904 den Engsozialisten an.
1909 wurde er auf Empfehlung des "Parteiführers" Dimiter Blagojeff zum Mitglied des Zentralkomitees gewählt. Er organisierte unter anderem 1906 den ersten Massenstreik in Bulgarien. Bei diesem Arbeitskampf im Gebiet der staatlichen Kohlegruben von Pernik streikten mehrere tausend Bergarbeiter, Eisenbahner und Arbeiter aus anderen Industriebreichen 35 Tage lang. Im gleichen Jahr wurde Dimitrow Sekretär des Zentralrates der revolutionären Gewerkschaften in Bulgarien. Dimitrow organisierte trotz wiederholter Verfolgung zahlreiche Arbeitskämpfe.
Von 1913 bis 1923 gehörte er dem bulgarischen Parlament an. Die Engsozialisten änderten 1919 vor dem Hintergrund der Oktoberrevolution ihren Namen in Bulgarische Kommunistische Partei (BKP) und unterstützten die Gründung der Kommunistischen III. Internationale.
Der bulgarische Septemberaufstand 1923 und Dimitrows Flucht
Aus den Wahlen vom März 1920 war der Bauernvolksbund unter Führung von Alexander Stambolijski mit knapp 350.000 Stimmen (39%) als stärkste, die Bulgarische Kommunistische Partei mit fast 185.000 Stimmen (20%) als zweitstärkste Partei hervorgegangen. Eine stabile Zusammenarbeit zwischen BKP und Bauernvolksbund kam jedoch nicht zustande. Die Regierung Stambolijski führte eine Reihe demokratischer Reformen durch, die großkapitalistischen Interessen zuwiderliefen.
Am 9. Juni 1923 wurde in Bulgarien die Regierung gestürzt und ein Regime errichtet, an dessen Spitze Alexander Zankow stand. Der Umsturz wird zu den frühesten Versuchen gezählt, ein faschistisches Regime zu errichten.
Im Auftrag der BKP organisierte Dimitrow im Herbst 1923 gemeinsam mit Vassil Kolarov einen letztlich erfolglosen, blutig niedergeschlagenen Aufstand. Dimitrow mußte mit seinen Anhängern ins Ausland fliehen. In Bulgarien wurde er zweimal zum Tode verurteilt.
Im Exil
Nach der Niederschlagung des Aufstands suchte er nach den Gründen der Niederlage. Der sich gerade in den kommunistischen Parteien entwickelnden Sichtweise folgend, identifizierte er als Gegner des Aufstands den Faschismus, einen Begriff, der aus der Auseinandersetzung der italienischen Kommunisten mit dem italienischen Faschismus entsprang. Nach dem Staatsstreich in Jugoslawien (1929) bezog er auch den dortigen Faschismus ein.
Die Erfahrungen Dimitrows in diesem antifaschistischen Kampf bildeten die Grundlage seines Referats über den Faschismus, das er 1928 auf dem 4. Weltkongreß der Roten Gewerkschaftsinternationale hielt. Dort sagte er: "Wir müssen uns völlig klar darüber sein, daß der Faschismus keine orts- oder zeitgebundene, vorübergehende Erscheinung ist. Er ist ein ganzes System der Klassenherrschaft der Bourgeoisie und ihrer Diktatur im Zeitalter des Imperialismus ... Der Faschismus ist für die Freiheit des Proletariats und für die klassengebundene Gewerkschaftsbewegung eine fortwährende und stetig wachsende Gefahr ..."
Arbeit als kommunistischer Funktionär in Österreich
Georgi Dimitrow wurde ab Ende 1923 als politischer Instrukteur der Kommunistischen Internationale für den Bereich der Balkanstaaten eingesetzt. Dafür hielt er sich in den 1920er Jahren wiederholt viele Monate auch in Wien auf. Da in der kleinen Kommunistischen Partei Österreichs zu Beginn 1924 die Fraktionsauseinandersetzungen eskalierten, wurde er nach dem 7. Parteitag (März 1924) vom Exekutivkomitee der Komintern kurzerhand zu ihrem Vertreter in der KPÖ ernannt. Dimitrow fungierte damit unter seinem Decknamen "Oswald" vorübergehend als De-fakto-Vorsitzender der KPÖ.
Der Reichtagsbrandprozess
Am Abend des 27. Februar 1933 brannte das Reichstagsgebäude in Berlin. Daß eine politische Brandstiftung vorlag, stand außer Zweifel. Der Brandanschlag lieferte der NSDAP den Vorwand, den Terror gegen die politischen Gegner, vor allem gegen die Arbeiterbewegung und insbesondere die Kommunisten, zu verschärfen.
Georgi Dimitrow wurde am 9. März 1933 in Berlin verhaftet. Ihm war eine Schlüsselrolle im Schauprozeß vor dem Reichsgerichtshof in Leipzig zugedacht. Im Prozeß ließ sich jedoch kein Zusammenhang zwischen dem als Brandstifter angeklagten Marinus van der Lubbe und der KPD bzw. Dimitrow konstruieren.
Die Untersuchungsbehörde hatte Georgi Dimitrow fünf Monate lang Tag und Nacht in Ketten gelegt. Während die Ankläger 65 Belastungszeugen namhaft machten, lehnten sie die von Dimitrow genannten Zeugen ab und verweigerten ihm die Zulassung eines Wahlverteidigers. Er sah den Prozeß als eine Klassenschlacht gegen den Faschismus.
Vor den Richtern standen neben Dimitrow die beiden bulgarischen Kommunisten Blagoi Popow und Wassil Tanew, der Vorsitzende der KPD-Reichstagsfraktion Ernst Torgler und eben der Niederländer Marinus van der Lubbe unter Anklage.
Die Anschuldigungen gegen Dimitrow und seine Mitangeklagten stützten sich auf die These, daß die Reichstagsbrandstiftung als Signal für den bewaffneten Aufstand im ganzen Land dienen sollte, den angeblich die KPD zum Sturz der bestehenden Staatsordnung vorbereitet habe. Dimitrow führte durch seine Fragen an Zeugen wie Hermann Göring und Joseph Goebbels den Nachweis, daß niemand in den regierenden Kreisen Deutschlands wirklich einen Aufstand erwartet hatte und daß daher auch keine Maßnahmen zu seiner Vereitelung getroffen worden waren. In Rededuellen mit Göring und Goebbels blieb Dimitrow Sieger. Der Gerichtsvorsitzende gestand seine Ohnmacht, als er eines Tages Dimitrow zurief: "Im Ausland ist man schon der Meinung, daß nicht ich, sondern Sie die Verhandlung leiten!"
Der Prozeß endete mit einer schweren politischen Niederlage des Naziregimes. In seinem Schlußwort erklärte Dimitrow: "Ich gebe zu, meine Sprache ist scharf und hart. Mein Kampf und mein Leben waren auch immer scharf und hart. Diese Sprache ist aber eine offene und aufrichtige Sprache. Ich pflege die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Ich bin kein Rechtsanwalt, der hier seinen Mandanten pflichtgemäß verteidigt. Ich verteidige meine eigene Person als angeklagter Kommunist. Ich verteidige meine eigene kommunistische, revolutionäre Ehre. Ich verteidige meine Ideen, meine kommunistische Gesinnung. Ich verteidige den Sinn und den Inhalt meines Lebens ..."
Durch Beschluß der Sowjetregierung wurde Dimitrow 1934 die sowjetische Staatsbürgerschaft verliehen. Am 27. Februar 1934, nahezu ein Jahr nach seiner Verhaftung, wurde er aus dem Gefängnis entlassen, zum Flughafen gebracht und in die Sowjetunion abgeschoben. In Moskau wurde Georgi Dimitrow als „Held von Leipzig“ ein triumphaler Empfang bereitet.
Der VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale
Am 2. August 1935 auf dem VII. Weltkongreß der Komintern hielt Dimitrow seine bekannteste Rede: „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus“. Diese Rede legte den offiziellen Standpunkt der Komintern fest: Faschismus ist danach „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ Abweichungen von der stalinistischen Parteilinie waren danach noch weniger möglich als vor dieser Festlegung.
Dimitrow wurde auf dem VII. Weltkongress einstimmig zum neuen Generalsekretär der Komintern gewählt.
1943 bis zum Tod
Georgi Dimitrow blieb bis zur Auflösung der Kommunistischen Internationale 1943 deren Generalsekretär. Anschließend wurde er, im Dezember 1943, Leiter der 'Abteilung für internationale Information des ZK der Allunions-Kommunistischen Partei der Bolschewiki'. Diesen Posten bekleidete er bis zu seiner Abreise nach Bulgarien im November 1945.
Unter seiner Führung nahm die Bulgarische Kommunistische Partei 1941, also schon während des Zweiten Weltkrieges, Kurs auf einen bewaffneten Aufstand und organisierte den Partisanenkampf. 1946 wurde Dimitrow bulgarischer Ministerpräsident, als Nachfolger von Kimon Georgiev.
Georgi Dimitrow starb am 2. Juli 1949.
Literatur
Werke/Reden
- Georgi Dimitroff – Ausgewählte Werke, Fremdsprachenverlag Sofia, 1960
- Georgi Dimitroff – Ausgewählte Werke in 2 Bänden, Verlag Marxistische Blätter Frankfurt/Main, 1972
- Georgi Dimitroff: Reichstagsbrandprozess, Dietz Verlag Berlin, 6. Auflage, 1978
Biographie
- Stella Blagojewa: Georgi Dimitrow – Kurze Lebensbeschreibung, Dietz Verlag Berlin, 1954
- Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung in Daten, Globus Verlag Wien, 1986
- Rolf Richter: Biographisches Nachwort in: Georgi Dimitroff – Ausgewählte Reden und Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1982
- Horst Schumacher: Die Kommunistische Internationale (1919-1943), Dietz Verlag Berlin, 1989
Sonstiges
- Historische Kommission beim ZK der KPÖ: Die Kommunistische Partei Österreichs – Beiträge zu ihrer Geschichte und Politik, Globus Verlag Wien, 2. Auflage 1989
- Barbara Timmermann: Die Faschismus-Diskussion in der Kommunistischen Internationale (1920-1935). Köln 1977 (Maschinenschriftliche Dissertation)
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Dimitrow, Georgi Michajlow |
| ALTERNATIVNAMEN | in bulgarischer Sprache Георги Михайлов Димитров |
| KURZBESCHREIBUNG | Bulgarischer Politiker, Kommunist |
| GEBURTSDATUM | 18. Juni 1882 |
| GEBURTSORT | bei Radomir |
| STERBEDATUM | 2. Juli 1949 |
| STERBEORT | Sofia |