Lorentzkontraktion

Phänomen der speziellen Relativitätstheorie. Dabei ist gemessene Abstand zwischen zwei Punkten im Raum ist abhängig von der relativen Bewegung von messendem und gemessenem System.
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Die Lorentzkontraktion oder relativistische Längenkontraktion ist ein Phänomen der speziellen Relativitätstheorie. Für einen Beobachter sind Objekte umso kürzer, je schneller sie sich relativ zu ihm bewegen.

Erläuterung

Die Lorentzkontraktion besagt, dass die Länge jeweils abhängig von der Relativgeschwindigkeit zwischen Beobachter (bzw. den benutzten Messinstrumenten) und beobachtetem Objekt ist. Dabei ist die sorgfältige Berücksichtigung der Methoden zur Längenmessung von ruhenden und bewegten Objekten von grundlegender Bedeutung: Ist die Relativgeschwindigkeit zwischen Beobachter und beobachtetem Objekt gleich Null (d. h. Beobachter und Objekt ruhen im selben Inertialsystem), dann kann die „Ruhe- bzw. Eigenlänge“   des Objekts einfach durch direktes Anlegen eines Maßstabs ermittelt werden. Liegt jedoch eine Relativgeschwindigkeit > 0 vor, kann folgendermaßen vorgegangen werden: Der Beobachter stellt eine Reihe von Uhren auf, welche alle mit Lichtsignalen synchronisiert sind. Das Objekt soll sich nun an dieser Uhrenreihe entlang bewegen, wobei jede Uhr den Zeitpunkt verzeichnet, an dem das rechte und das linke Ende des Objekts die jeweilige Uhr passiert. Man notiert sich nun anhand der in den Uhren gespeicherten Werte einfach den Zeitpunkt und den Ort einer Uhr A, wo sich das linke Ende befunden hat, und den Ort einer Uhr B, wo sich gleichzeitig das rechte Ende befunden hat. Es ist klar, dass der Uhrenabstand A-B identisch ist mit der Länge   des bewegten Objekts.

Die Definition der Gleichzeitigkeit von Ereignissen ist also von entscheidender Bedeutung für die Längenmessung bewegter Objekte. In der klassischen Physik ist die Gleichzeitigkeit absolut, und folglich werden   und   immer übereinstimmen, jedoch in der Relativitätstheorie macht die Relativität der Gleichzeitigkeit diese Übereinstimmung zunichte (siehe dazu den Abschnitt „Herleitung“). Während die Ruhelänge immer die größte gemessene Länge des Körpers darstellt, wird bei einer relativen Bewegung zwischen Objekt und Messinstrument eine - bezüglich der Ruhelänge - kontrahierte Länge gemessen. Diese nur in Bewegungsrichtung auftretende Kontraktion wird durch folgende Beziehung dargestellt (wo   ist die Relativgeschwindigkeit, und   ist die Lichtgeschwindigkeit):

 

Man betrachte zum Beispiel einen Zug und einen Bahnhof, die sich relativ zueinander mit einer konstanten Geschwindigkeit   bewegen. Der Bahnhof ruht im Inertialsystem S, der Zug ruht in S'. Im Zugsystem S' soll sich nun ein Ball befinden, der dort eine Ruhelänge von   besitzt. Aus Sicht des Bahnhofsystems S hingegen ist der Ball bewegt, und es wird gemäß folgender Formel die kontrahierte Länge   gemessen:

 

Der Ball wird nun aus dem Zug geworfen und kommt auf dem Bahnhof zum Stillstand, sodass die Beobachter unter Berücksichtigung obiger Messvorschriften von neuem die Länge des Balles bestimmen müssen. Jetzt ist es das Bahnhofsystem S, in dem die Ruhelänge des Balles von   cm gemessen wird, wohingegen der Ball aus Sicht des Zugsystems S' bewegt ist und gemäß folgender Formel kontrahiert gemessen wird:

Fehler beim Parsen (SVG (MathML kann über ein Browser-Plugin aktiviert werden): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „http://localhost:6011/de.wikipedia.org/v1/“:): {\displaystyle L'=L_0 \cdot \sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}}=18\ cm.}

Die Längenkontraktion fällt also wie vom Relativitätsprinzip gefordert in allen Inertialsystemen symmetrisch aus: Ruht der Ball im Zug, hat er im Zugsystem S' seine Ruhelänge und wird im Bahnhofsystem S kontrahiert gemessen. Wird er hingegen auf den Bahnhof transportiert, dann wird im Bahnhofsystem S seine Ruhelänge, und im Zugsystem S' seine kontrahierte Länge gemessen.

Herleitung

Die Lorentzkontraktion lässt sich auf einfache Weise aus der Lorentz-Transformation ableiten, wie dies z.B. von Born[1] und Einstein[2] demonstriert wurde.

Im Inertialsystem S' bezeichnen   und   die Endpunkte für ein dort ruhendes Objekt der Länge  . Die Koordinaten in S' sind mit jenen in S durch die Lorentz-Transformation auf folgende Weise verknüpft:

     und     

Da das Objekt aus Sicht von S bewegt ist, muss gemäß obiger Messvorschrift dessen Länge   durch gleichzeitige Bestimmung der Endpunkte ermittelt werden, d. h. man muss   setzen. Und da   bzw.   ist, erhält man:

 

Also ergibt sich die in S gemessene kontrahierte Länge mit:

 

Gemäß Relativitätsprinzip müssen umgekehrt auch in S ruhende Objekte aus Sicht von S' einer Kontraktion unterworfen sein. Die Lorentz-Transformation lautet in diesem Fall nun:

      und     

Mit der Gleichzeitigkeitsbedingung   und durch Setzen von   bzw.   erhält man tatsächlich:

 

Also ergibt sich die in S' gemessene kontrahierte Länge mit:

 

Experimentelle Bestätigungen

Eine direkte experimentelle Bestätigung der Lorentzkontraktion ist naturgemäß schwierig, da der Effekt nur bei annähernd lichtschnellen Teilchen nachweisbar wäre, deren räumliche Dimension von vornherein verschwindend gering ist. Zusätzlich kann die Kontraktion nur von einem Beobachter, der sich nicht im selben Inertialsystem wie das beobachtete Objekt befindet, nachgewiesen werden. Hingegen für den mitbewegten Beobachter ist die Längenkontraktion nicht messbar, denn er kann sich und die gesamte Anordnung aufgrund des Relativitätsprinzips als ruhend betrachten (z. B. beim Trouton–Rankine-Experiment).

Es gibt jedoch indirekte Bestätigungen. So ist es erforderlich, dass aus Sicht eines nicht mitbewegten Beobachter das Interferometer beim Michelson-Morley-Experiment in Bewegungsrichtung kontrahiert ist, um das negative Ergebnis des Experiments mit den Maxwellschen Gleichungen bzw. dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in Übereinstimmung zu bringen. Eine weitere indirekte Bestätigung ist die Zunahme des Ionisierungsvermögens elektrisch geladener Teilchen bei steigender Geschwindigkeit. Gemäß der klassischen Physik müsste dieses Vermögen abnehmen, jedoch die Lorentzkontraktion des Coulomb-Feldes führt bei steigender Geschwindigkeit zu einer Verstärkung der elektrischen Feldstärke senkrecht zur Bewegungsrichtung. Ein anderes Beispiel sind die Myonen in der Erdatmosphäre, welche in einer Entfernung von ca. 10 km von der Erdoberfläche entstehen. Würde die Halbwertszeit von ruhenden und bewegten Myonen übereinstimmen, könnten sie selbst bei fast Lichtgeschwindigkeit nur ca. 600 m zurücklegen - trotzdem erreichen sie die Erdoberfläche. Im Ruhesystem der Atmosphäre erklärt sich dieses Phänomen mit der Zeitdilatation, wodurch sich die Lebensdauer und somit die Reichweite der Myonen entsprechend verlängert. Hingegen im Ruhesystems der Myonen ist zwar die Reichweite unverändert bei 600 m, jedoch die Atmosphäre ist hier bewegt und folglich kontrahiert, sodass selbst die geringe Reichweite ausreicht, um die Oberfläche zur erreichen.[3]

Scheinbare Paradoxien

Bei oberflächliche Anwendung der Kontraktionsformel kann es zu scheinbaren Paradoxien der Lorentzkontraktion führen. Beispiele sind das Garagenparadoxon und das Maßstabsparadoxon, welche sich bei genauer Berücksichtigung der Messvorschriften und damit zusammenhängend der Relativität der Gleichzeitigkeit leicht auflösen lassen.

Etwas komplizierter sind die Zusammenhänge, wenn Beschleunigungen wie beim Bellschen Raumschiffparadoxon im Spiel sind. Der dabei erfolgte Wechsel des Inertialsystems führt zu einer Veränderung der Beurteilung der Gleichzeitigkeit von Ereignissen, und ebenso müssen die entstehenden Spannungen in den verwendeten Materialien berücksichtigt werden. Ähnliches gilt bei der Rotation von Körpern, wo anhand des Ehrenfestschen Paradoxons demonstriert werden kann, dass in der SRT keine starren Körper existieren können. Für Einstein war dieser Zusammenhang auch ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie, da für einen mitrotierenden Beobachter der Raum u. a. wegen der Lorentzkontraktion eine nichteuklidische Geometrie annimmt.

Optische Wahrnehmung

Wie oben erklärt, ist es für die Messung der Längenkontraktion bewegter Objekte erforderlich, dass sich Uhren oder Messinstrumente jeweils vor Ort des zu messenden Objekts bzw. dessen Endpunkte befinden. Eine völlig andere Situation entsteht, wenn man sich die Frage stellt, wie ein solches Objekt aus einer größeren Entfernung betrachtet aussieht - z. B. auf einer Photographie oder dem Film einer Kamera. Hier ergibt sich, dass auf einem Photo die Lorentzkontraktion als solche nicht erkennbar ist, da zum relativistischen Kontraktionseffekt noch rein optische Effekte hinzutreten, die zu einer Verzerrung des Bildinhaltes führen. Statt eines gestauchten Objektes sieht der Beobachter das ursprüngliche Objekt gedreht, wobei der scheinbare Drehwinkel von der Geschwindigkeit des Körpers abhängig ist.[4] [5]

 
Lorentzkontraktion: optische Wahrnehmung als Drehung

Der Grund für diesen Effekt lässt sich leicht an der nebenstehenden Grafik erläutern: Der betrachtete Körper ist hier vereinfacht als Würfel in der Draufsicht dargestellt, der ruhende Beobachter ist durch ein Auge symbolisiert. Die blaue Seite des Würfels befindet sich der Einfachheit wegen genau senkrecht zu Sichtlinie des Beobachters. Befindet sich nun der Körper in Ruhe, so sieht der Beobachter nur die Seite, die zu ihm zeigt (im Bild blau dargestellt). Befindet sich der Körper allerdings in Bewegung (der Einfachheit wegen genau senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters), so können auch die Lichtstrahlen, die von der roten Seite ausgehen, das Auge des Beobachters erreichen. Während die rote Seite bei einem ruhenden Körper unsichtbar ist, wird bei einem bewegten Körper mit zunehmender Geschwindigkeit immer mehr davon sichtbar. Das sichtbare Bild eines Körpers wird durch die Lichtstrahlen bestimmt, die das Auge gleichzeitig erreichen. Während der Lichtstrahl vom hintersten Punkt der roten Seite auf dem Weg zum Beobachter an den weiter vorne liegenden Punkten vorbeikommt, hat sich der Körper schon ein Stück weiterbewegt. Somit kommen alle Lichtstrahlen von weiter vorne liegenden Punkten, die zur gleichen Zeit beim Auge eintreffen, in Bewegungsrichtung des Körpers versetzt beim Beobachter an – der Beobachter sieht also auch die rote Seite, allerdings gestaucht. Zugleich erscheint auch die blaue Seite gestaucht, da sie ja eine Lorentzkontraktion erfährt. Insgesamt ergibt sich für den Beobachter der gleiche optische Eindruck, den auch ein gedrehter Körper hervorruft. Der scheinbare Drehwinkel   ist hierbei nur von der relativen Geschwindigkeit   des Körpers senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters abhängig:  

Geschichte

Die Längenkontraktion wurde ursprünglich als Ad-hoc-Hypothese in qualitativer Form von George Francis FitzGerald (1889) und in quantitativer Form von Hendrik Antoon Lorentz (1892) postuliert, um den negativen Ausgang des Michelson-Morley-Experiments zu erklären und dabei die Idee eines ruhenden Äther zu retten (Fitzgerald-Lorentzsche Kontraktionshypothese). Albert Einstein hingegen gelang 1905 durch Reformulierung der Begriffe von Raum und Zeit und ohne einen Äther annehmen zu müssen, eine einfache Herleitung, welche dem Effekt den Ad-hoc-Charakter nahm und die Grundlage der modernen Erklärung bildet.

Einzelnachweise

  1. Born, Max: Die Relativitätstheorie Einsteins. Springer, Berlin-Heidelberg-New York 2003, ISBN 3-540-00470-X, Bewegte Maßstäbe und Uhren, S. 212–214.
  2. Einstein, Albert: Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie. Springer, Berlin-Heidelberg-New York 2001, ISBN 3-540-42542-0(?!), Das Verhalten von Maßstäben und Uhren, S. 23–24.
  3. Sexl, Roman & Schmidt, Herbert K.: Raum-Zeit-Relativität. Vieweg, Braunschweig 1979, ISBN 3-528-17236-3, S. 82–85.
  4. Beiträge zur Visualisierung der Längenkontraktion von der Universität Tübingen
  5. Norbert Dragon und Nicolai Mokros: Relativistischer Flug durch Stonehenge

Literatur

  • Albert Einstein: Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik. 322. Jahrgang, Nr. 10, 1905, S. 891–921 (pro-physik.de [PDF]).