Die Phenole im Wein umfassen eine Gruppe einiger hundert chemischer Substanzen aus der Stoffgruppe der Polyphenole. Die Phenole beeinflussen im wesentlichen die Farbe, den Geruch, den Geschmack sowie die Textur des Weins. Sie sind verantwortlich für den Unterschied zwischen Weiß- und Rotwein. Neben den visuellenn sowie gustatorischen Eigenschaften besitzt die reaktionsfreudige Gruppe antibakterielle und antioxidative Wirkung, haben Einfluss auf den Vitamingehalt des Weins und scheinen eine positive Wirkung auf den Verlauf von Herz- und Kreislauferkrankungen zu haben. In diesem Zusammenhang werden sie für das Phänomen des Französischen Paradox verantwortlich gemacht. Der überwiegende Teil der Phenole wird zur Familie der Sekundärmetabolite der Rebe gezählt, d.h. sie scheinen für das Überleben der Pflanze entbehrlich zu sein. Die wasserlöslichen Phenole werden meist in den Vakuolen der Beere in Form von Glycosiden eingelagert.

Ein Teil der Phenole (meist nicht-flavonoide Substanzen) ist im Saft und im Fruchtfleisch der Weinbeere enthalten. Auf ihren Anteil im Wein hat der Winzer nur einen geringen Einfluss und stellt im wesentlichen das Charakteristikum der Rebsorte dar. In der Beerenschale, den Kernen und den Stielen bzw. dem Stielgerüst konzentrieren sich die Flavonoide. Durch Techniken der Weinherstellung wie die Standzeit der Maischegärung, der Anteil der Stiele in der Maische,... kann die Menge der extrahierten Komponenten im Wein gesteuert werden. Ein zu hoher Anteil von Flavonoiden im Weißwein oder Schaumwein ist unerwünscht. Während der Weinbereitung sowie der späteren Alterung andert sich die chemische Struktur vieler der im Wein enthaltenen Phenole. Über die Änderungsmechanismen ist zur Zeit noch wenig bekannt.
Durch die Wahl des Gär- und Ausbaubehälters können verschiedene Phenole in den Wein eingebracht werden. Das neue Eichenholz des Barrique bringt einen Vanilleton in Form des Vanillin ein.[1]
Gustatorische Wahrnehmung
Aktuell wird von mindestens fünf Grundqualitäten der Gustatorischen Wahrnehmung ausgegangen:
- süß – ausgelöst durch Zucker, auch durch einige Aminosäuren, Peptide, Alkohole, siehe auch: Süßstoffe
- salzig – ausgelöst durch Speisesalz, auch durch einige andere Mineralsalze
- sauer – ausgelöst durch saure Lösungen und organische Säuren
- bitter – ausgelöst durch eine Vielzahl verschiedener Stoffe, siehe auch: Bitterstoffe
- umami (jap.: fleischig, herzhaft) – ausgelöst durch Glutaminsäure und Asparaginsäure.
Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist bekannt, dass die unterschiedlichen Geschmacksqualitäten von allen geschmacksempfindlichen Teilen der Zunge wahrgenommen werden. Die Unterschiede zwischen den Zungenbereichen bezüglich der Sensitivität für einzelne Qualitäten sind beim Menschen nur gering. Dennoch ist in vielen Lehrbüchern noch eine Einteilung der Zunge in „Geschmackszonen“ zu finden.[2]
Die geschmacksbildenden Phenole sind überwiegend der Gruppe der Bitterstoffe zuzuordnen.
Die Substanzen
Flavonoide
Die Flavonoide sind eine Gruppe von wasserlöslichen Pflanzenfarbstoffen und spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel vieler Pflanzen. Laut DGE gibt es über 6500 unterschiedliche Flavonoide. Die meisten Flavonoide sind an Glukose oder Rhamnose gebunden – daher nennt man sie Glykoside. Nur die Flavanole und die Proanthocyanidine sind nicht an Zuckermoleküle gebunden (= Aglykone).
Flavone
Flavone sind gelbe Pflanzenfarbstoffe. Es sind ca. 300 natürlich vorkommende Flavone bekannt. Wie andere Flavonoide kommen sie als wasserlösliche Glykoside vor, z. B. Hyperosid und Quercitrin, Hesperidin, Luteolin oder Chrysin. Die resultierende Farbe im Weißwein reicht vom blassen Gelbgrün bis hin zum satten Goldgelb. Der erstgenannte Farbton ist meist den Weißweinen aus nördlichen Weinbaugebieten eigen. Typisch ist das blasse Gelbgrün für einen Chablis oder einen Riesling vom Weinbaugebiet Mosel.
Zwischen dem Gelbgrün und dem Goldgelb reiht sich das sehr gängige Strohgelb ein. Das Goldgelb weist in der Regel auf einen qualitativ hochwertigen Süßwein wie eine deutsche Beerenauslese oder Trockenbeerenauslese oder aber die Bordeauxgewächse von Sauternes und Barsac hin. Im Gegensatz zu Rotweinen gewinnen Weißweine mit zunehmender Flaschenreife an Farbintensität.
Anthocyane
Anthocyane (von griech. anthos = Blüte, Blume, kyáneos = dunkelblau) sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe, die in nahezu allen höheren Pflanzen vorkommen und den Blüten, Früchten und manchen Blättern die rote, violette, blaue oder blauschwarze Färbung geben. In den Weinbeeren entwickeln sich die Anthocyane mit dem Beginn der Reife (Stadium 81 der BBCH-Skala für Weinreben). In diesem Stadium wechselt die Farbe der Beerenhaut roter Rebsorten von grün nach rot bis blau-schwarz. In den meisten Fällen finden sich die Pflanzenfarbstoffe ausschliesslich in der Beerenschale, während der Saft und das Fruchtfleisch der Beere farblos ist. Dies erklärt auch, das man aus diesen roten Rebsorten auch Weißweine gewinnen kann (→ Blanc de Noirs). Besonders gängig ist diese Praxis in der Champagne, wo aius dem Spätburgunder (Pinot Noir) und der Müllerrebe (Pinot Meunier) in großer Zahl weiße Schaumweine entstehen. Um einen Rotwein zu gewinnen, muß der Farbstoff aus der Beerenschale ausgelöst werden. Dies geschieht während der Maischestandzeit, wo der gärende oder bereits vergorene Saft mit den Beerenschalen im Kontakt verbleibt.
Der Anteil von Tanninen und Anthocyanen kann jahrgangsabhängig um 100%, der Säureanteil um 50% und das Mostgewicht um bis zu 15 - 20% variieren. Anthocyane haben in den Pflanzen unter anderem die Aufgabe, die Pflanzen vor dem starken UV-Licht der Sonne schützen, indem sie bestimmte Wellenlängen absorbieren. So wird eine Schädigung der Proteine in der Zelle und der DNA in den Zellkernen verhindert. Die Menge der gebildeten Farbstoffe hängt dabei auch von der Intensität der Strahlung ab. Daher findet man in nördlichen Anbaugebieten fast nur noch weiße Rebsorten. Rote Beeren, die nicht zur phenolischen Vollreife gelangten, ergeben Weine mit grasigem Charakter.
In den Weinbeeren finden die Ampelographen eine Fülle von Anthocyanen, die für die ganze bandbreite an Farbvarianten verantwortlich sind. Die wichtigsten sind Cyanidin, Peonidin, Petunidin, Delphinidin und das Malvidin. Dabei ist die Zusammenstellung der Farbstoffe abhängig von der Rebsorte. Diesen Unmstand machen sich die Ampelographen zur Identifikation einzelner Sorten zu Nutze.
Catechine
Die Weinbeeren der Edlen Weinrebe (Vitis vinifera) ist reich an (+)-Catechine, (-)-Epicatechine, (+)-Gallocatechine,(-)-Epigallocatechine, sowie der veresterten Form, dem Epicatechine-3-O-gallat. Diese Flavanole der Flavan-3-ole Gruppe haben einen bitteren und adstringierenden Geschmack und befinden sich ausschliesslich in den Kernen der Beeren. Der Gehalt der Catechine variiert in Funktion de Rebsorte, des Terroir, des Jahrgangs sowie der phenolischen Reife der Beeren. Die Rebsorten Merlot und Cabernet Sauvignon verfügen über ausgesprochen hohe Mengen der Flavanole [3]
Gehalt an Flavanole in Kernen von Rebsorten (geerntet in der Toskana Italien) Gehalt in mg/kg MS | ||
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Rebsorte | (+)-Catechine | (-)-Epicatechine |
Merlot | 1388 | 1318 |
Cabernet Sauvignon | 1418 | 1276 |
Bei der Weinherstellung kann der Winzer über diverse parameter der Maischegärung den Extraktionsgehalt der Phenole aus Beerenschale und Kernen beeinflussen. Im Rotwein schwanken die Mengen der Catechine wie folgt.[4]
Mittlerer Gehalt von Flavonol in Rotweinen Ergebnisse in mg/L | |||
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Flavanols | Maximum | Minimum | Mittelwert |
(+)-Catechine | 300 | 20 | 130 |
(-)-Epicatechine | 120 | 5 | 60 |
(+)-Gallocatechine | 80 | 7 | 35 |
(-)-Epigallocatechine | 35 | 2 | 13 |
Im Mittel liegen somit 238 mg/L Flavonole im Rotwein vor. Die entspricht einer Menge von 28,5 mg in einm Weinglas von 12 cl.
Phenolsäuren
Phenolsäuren (Phenolcarbonsäuren[5]) sind aromatische chemische Verbindungen, die zur Gruppe der Hydroxybenzoesäuren oder Hydroxyzimtsäuren gehören. Die Beeren und der Wein enthält Benzoesäuren sowie Zimtsäure. Im Rotwein liegt die Konzentration bei 100 - 200 mg/l, beim Weißwein bei lediglich 10 - 20 mg/l. Von den sieben bekannten Benzoesäuren kommen lediglich die Salicylsäure sowie die ?? (acide gentisique) in Spuren vor. Im Most liegen die Zimtsäuren mit Weinsäure in veresterter Form vor. In der Wahrnehmung sind beide Säurefamilien farb- und geruchlos, stellen jedoch die Vorstufe flüchtiger Phenole dar.
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ Carole Viriot, Augustin Scalbert, Catherine Lapierre, Michel Moutounet: "Ellagitannins and lignins in aging of spirits in oak barrels", in: Journal of Agricultural and Food Chemistry 1993, 41 (11), S. 1872–1879; doi:10.1021/jf00035a013.
- ↑ B. Lindemann: Receptors and transduction in taste. In: Nature. Nr. 413, 2001, ISSN 0028-0836, S. 219–25 PMID: 11557991
- ↑ [Catechin, epicatechin, quercetin, rutin and resveratrol in red grape: Content,in vitro antioxidant activity and interactions], in Journal of Food Composition and Analysis, Vol 21, Seiten 589 - 598, von P. Iacopini, M. Baldi, P. Storchi, L. Sebastiani doi:10.1016/j.jfca.2008.03.011
- ↑ Les composés phénoliques et l’élaboration des vins rouges, Editions Féret 2007, von Nicolas Vivas
- ↑ Römpp CD 2006, Georg Thieme Verlag, 2006
Weblinks
- Phenolzusammensetzung und antioxidative Kapazität von Trauben und Weinen (PDF) von R. Eder und S. Wendelin, Fachgruppe Wein und Obst, Klosterneuerburg
Literatur
- Jancis Robinson: Das Oxford Weinlexikon. 1. Auflage. Gräfe und Unzer Verlag, München 2003, ISBN 3-7742-0914-6.
- Michael Broadbent: Weine prüfen, kennen, geniessen. 3. Auflage. Raeber Verlag, Luzern und Stuttgart 1986, ISBN 3-7239-0040-2.
- Pascal Ribéreau-Gayon, Denis Dubourdieu, Bernard Donèche, Aline Lonvaud: Traité d'oenologie, Microbiologie du vin. Vinifications. 5. Auflage. Dunod, Éditions La Vigne, 2004, ISBN 2-10-007301-X.
- Pascal Ribéreau-Gayon, Denis Dubourdieu, Yves Glories, Alain Maujean: Traité d'oenologie, Chimie du vin. Stabilisation et traitements. 5. Auflage. Dunod, Éditions La Vigne, 2004, ISBN 2-10-007302-8.
- Claude Flanzy (Herausgeber und Koordinator): Oenologie, Fondements scientifiques et technologiques. 1. Auflage. Lavoisier, Éditions Technique & Documentation, 1998, ISBN 2-7430-0243-3.