Marie NDiaye (* 4. Juni 1967 in Pithiviers, Département Loiret) ist eine französische Schriftstellerin. Sie erhielt 2001 den Prix Femina und 2009 den Prix Goncourt.
Leben
Marie NDiaye ist die Tochter einer französischen Mutter und eines senegalesischen Vaters. Ihre Mutter war Lehrerin. Ihr Vater verließ die Familie und wenig später Frankreich, als Marie noch im Säuglingsalter war. Marie war eine sehr gute Schülerin; ihr Französischlehrer wollte sie für die Teilnahme am Concours général anmelden. Sie schlug jedoch dieses Angebot aus, und entschied sich, im Gegensatz zu ihrem älteren Bruder, auch gegen eine Ausbildung an der École Normale Supérieure. Ihr Berufswunsch, Schriftstellerin zu werden, stand für sie schon zu Schulzeiten fest.
1985 schickte sie ihr erstes Romanmanuskript zu Jérôme Lindon, den Verleger der renommierten Éditions du Minuit. Der Verleger, von ihrem kraftvollen Stil beeindruckt, nahm das Manuskript an. Der Roman erschien unter dem Titel Quant au riche avenir (deutsch: Was die reiche Zukunft betrifft). Ihr zweiter Roman, Comédie classique, erschien 1988 bei POL. 1989 wurde sie mit einem Stipendium an der Villa Medici in Rom ausgezeichnet.
Es folgten weitere Romane, von denen Rosie Carpe 2001 mit dem renommierten Prix Femina ausgezeichnet wurde. Im Auftrag von Radio France schrieb sie 1999 Hilda; was den Beginn ihrer Arbeit als Dramatikerin bedeutete. Seither hat Marie NDiaye noch vier Theaterstücke geschrieben, eines zusammen mit ihrem Ehemann Jean-Yves Cendrey. Das Theaterstück Papa doit manger (deutsch: Papa muss essen) wurde 2003 an der Comédie Française uraufgeführt. Mit der Filmregisseurin Claire Denis schrieb sie das Drehbuch für deren Film White Material (2009), der 2010 erscheinen soll. Die Aufführungsrechte für Marie NDiayes Theaterstücke liegen in Deutschland beim Merlin Verlag.
Am 2. November 2009 erhielt sie für ihren Roman Trois femmes puissantes (Drei mächtige Frauen) den wichtigsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt. Mit NDiaye hat die Académie zum zehnten Mal eine Frau und erstmals eine schwarze Autorin ausgezeichnet.
Mit ihrem Ehemann und ihren Kindern hat Marie NDiaye viele Male den Wohnsitz von Land zu Land gewechselt: Nach Spanien, von dort nach Italien, in die Niederlande und zurück nach Frankreich. „Nur auf sich selbst gestellt sein, seine Zeit frei gestalten können, dort leben, wo man möchte“[1], ist ihr erklärtes Motto. Seit der Wahl von Nicolas Sarkozy zum Staatspräsidenten lebt Marie NDiaye mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern in Berlin. Pap NDiaye, Historiker an der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) und Begründer der französischen Black studies, ist ihr Bruder.
Theaterstücke
Hilda
Handlung
Die herrschsüchtige und einsame Madame Lemarchand findet in der jungen Hilda das ersehnte Dienstmädchen. Sie ist schön, sie ist zurückhaltend, sie ist perfekt. Den Lohn erhält ihr Ehemann Franck, was diesen jedoch nicht über die fortschreitende Vereinnahmung seiner Frau hinwegtäuschen kann. Wortreich nimmt Madame Lemarchand Hilda in Besitz, kleidet und frisiert sie und saugt sie in sich auf. Zur leeren Hülle verkommen erweckt Hilda zuletzt nur noch die Verachtung Madame Lemarchands – und ihr Mann sucht sich einen Ersatz.
Hilda ist ein Theaterstück um die Macht der Worte und die Sprachlosigkeit des Unterworfenen. Hilda hat keine Stimme. Auch wenn der Zuschauer ihren Widerstand erwartet, sie selbst wird die Szene nicht betreten.
Aufführungsdaten
Uraufführung: Théâtre de l’Atelier, Paris 2002 Deutschsprachige Erstaufführung: Theater Drachengasse, Wien 2003 Deutsche Erstaufführung: Bayerisches Staatsschauspiel München 2003
Die Schlangen
Handlung
Es ist der 14. Juli, französischer Nationalfeiertag, und France begrüßt überrascht ihre Schwiegermutter. Doch Madame Diss kommt gar nicht wegen des Feuerwerks. Sie hat Schulden gemacht und will von ihrem Sohn Geld. France kann ihr nicht weiterhelfen, denn ihr Mann ist in Rage und will seine Mutter nicht sehen. Nancy, die Ex-Ehefrau des Mannes, nähert sich dem Haus ebenfalls. Der 14. Juli ist der Todestag ihres gemeinsamen Sohnes und sie hatte endlich den Mut gefasst, das Grab des kleinen Jacky zu besuchen.
„Die Schlangen“ zeigt das heillose Züngeln der drei Frauen vor verschlossener Tür. Wie sich herausstellt, wurde Jacky von seiner Mutter zurückgelassen und seinem gewalttätigen Vater ausgeliefert. Dieser misshandelte ihn und sperrte ihn in einen Schlangenkäfig, wo Jacky schließlich starb. Dass sich hinter der Tür – und vor den Augen der Zuschauer – eine weitere Opferung von Kindern anbahnt, nehmen die auf sich selbst fixierten Frauen nicht wahr. Eine unfassbare Geschichte, die das Versagen von Erwachsenen zum Thema hat.
Aufführungsdaten
Uraufführung am Théâtre de poche de Genéve im Jahr 2005
Weitere Stücke
- Rien d’humain, Uraufführung an der Comédie de Valence im Jahr 2004
- Toute vérité, gemeinsam mit Jean-Yves Cendrey
- Providence, Uraufführung Festival de Genève 2001,
- Papa doit manger, Uraufführung an der Comédie Française 2003
Romane
- Quant au riche avenir, Editions de Minuit, 1985, ISBN 978-2707310187
- Comédie Classique, POL, 1987, ISBN 978-2867440823
- La femme changée en bûche, Editions de Minuit, 1989, ISBN 978-2707312853
- En famille, Editions de Minuit, 1991, ISBN 978-2707313676
- Deutsche Ausgabe: Die lieben Verwandten, Hanser, 1993, ISBN 978-3446164130
- Un temps de saison, Editions de Minuit, 1994, ISBN 978-2707314741
- La Sorcière, Editions de Minuit, 1996, ISBN 978-2707315694
- Deutsche Ausgabe: Die Hexe, Kunstmann, 2000, ISBN 978-3888971846
- Rosie Carpe, Editions de Minuit, 2001, ISBN 978-2707317407
- Deutsche Ausgabe: Rosie Carpe, Suhrkamp, 2005, ISBN 978-3518416853
- Tous mes amis (Erzählungen), Editions de Minuit, 2004, ISBN 978-2707318596
- Deutsche Ausgabe: Alle meine Freunde, Suhrkamp 2006, ISBN 978-3518418291
- Mon cœur à l’étroit, Gallimard, 2007, ISBN 978-2070774579
- Deutsche Ausgabe: Mein Herz in der Enge, Suhrkamp 2008, ISBN 978-3518420164
Literatur
- Raphaëlle Rérolle: Libre d'écrire. Le Monde, 4. November 2009, S. 20.
Einzelnachweise
Weblinks
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | NDiaye, Marie |
| ALTERNATIVNAMEN | N'Diaye, Marie |
| KURZBESCHREIBUNG | französische Schriftstellerin |
| GEBURTSDATUM | 4. Juni 1967 |
| GEBURTSORT | Pithiviers |