Gustav Manker (* 29. März 1913 in Wien; † 7. Juli 1988 ebenda) war ein österreichischer Regisseur, Bühnenbildner und Theaterdirektor.
Leben
Gustav Manker (eigentlich: Manker von Lerchenstein) war der Sohn des am 22. Januar 1936 in Wien verst. Ingenieurs Josef Manker von Lerchenstein und der am 2. Mai 1954 zu Wien verst. Ludmilla Flesch von Brunningen, einer Cousine des Schriftstellers Hans Flesch-Brunningen. Die Familie Manker wurde 1865 in Gestalt des k.k. Regierungsrats Johann Manker mit dem Prädikat von Lerchenstein in erblichen österr. Adelstand erhoben.
Gustav Manker studierte von 1933 bis 1935 in Wien bei Max Reinhardt Regie und Schauspiel sowie gleichzeitig bei Alfred Roller und Oskar Strnad Bühnenbild. In seiner Studienzeit wirkte er bei den Salzburger Festspielen in Reinhardts Inszenierungen von „Jedermann“ und „Faust“ mit. 1935 bekam er sein erstes Engagement am Kleinen Theater in der Praterstraße in Wien, wo er u.a. die österreichische Erstaufführung von Ödön von Horvaths „Kasimir und Karoline“ ausstattete. von 1936 bis 1938 war er als Schauspieler und Bühnenbildner am Deutschen Stadttheather in Bielsko (Bielitz), dem damals einzigen deutschen Theater in Polen, engagiert.
1938 wurde er als Bühnenbildner ans Deutsche Volkstheater engagiert. Mehr als vierzig Jahre arbeitete er an diesem Theater, ab 1942 auch als Regisseur, danach als Ausstattungsleiter und Oberspielleiter, und von 1968 bis 1979 war er Direktor des Hauses.
Von 1951 bis 1984 erarbeitete Manker auch Gast-Inszenierungen am Theater in der Josefstadt (Schillers „Don Karlos“ und „Die Kusinen“ von Italo Svevo) und am Akademietheater in Wien, bei den Salzburger Festspielen („Der Unbestechliche“) und den Bregenzer Festspielen, am Schauspielhaus Zürich, in Basel, München, Berlin, dem Thalia Theater Hamburg („Das Haus der Temperamente“), dem Staatstheater Stuttgart oder den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel.
Manker inszenierte sowohl klassische als auch moderne Dramen sowie Alt-Wiener Volksstücke, die durch das organische Zusammenwirken seiner Bühnenbilder und seiner Regie besonders nahe gebracht wurden. Mit Schauspielern wie Karl Paryla, Inge Konradi, Karl Skraup, Theodor Grieg und Hans Putz gelang es ihm bereits in den 1950er Jahren für dieses Genre einen neuen Inszenierungsstil zu entwickeln und zum Beispiel Stücke von Nestroy aufzuführen, die seit ihrer Uraufführung nicht wieder gespielt worden waren.
Gustav Manker war der Ehemann von Hilde Sochor und der Vater des Schauspielers und Regisseurs Paulus Manker.
Am 8. Dezember 2006 wurde ein Porträt Gustav Mankers von Johannes Grützke im Volkstheater enthüllt.
NS-Zeit
Bereits 1938 entwarf der 25jährige Manker am Deutschen Volkstheater die Ausstattung zur Eröffnungspremiere von Friedrich Schillers Die Räuber. Es folgten über vierzig weitere bis zur Schliessung des Theaters im Zuge der allgemeinen Theatersperre 1944, darunter Klassiker wie Ein Sommernachtstraum, Die Jungfrau von Orleans, König Ottokars Glück und Ende, Der Richter von Zalamea, Ein treuer Diener seines Herrn, Maria Stuart, Hamlet, Tendenz- und NS-Historiendramen von Hans Rehberg und Otto Emmerich Groh bis zu den Dramen von Ludwig Anzengruber (Der Meineidbauer), Richard Billinger (Der Gigant) und Karl Schönherr (Glaube und Heimat) sowie österreichische Klassiker wie Johann Nestroys Der Zerrissene und Ferdinand Raimunds Der Bauer als Millionär und Der Diamant des Geisterkönigs. In diese Jahre fielen die ersten Arbeiten mit den Regisseuren Leon Epp und Günther Haenel, die zu Mankers wichtigsten künstlerischen Partnern werden sollten. Aufführungen wie G.B. Shaws Die heilige Johanna (1943) und Ferdinand Raimunds Der Diamant des Geisterkönigs (1944), beide in der Regie von Günther Haenel und im Bühnenbild Mankers formulierten für aufmerksame Zuschauer sogar einen erkennbaren theatralischen Widerstand. Die Arbeit an der „heiligen Johanna“ bedeutete für Manker einen entscheidenden Schritt zur Erreichung eines modernen Theaterstils. Er verzichtete auf jegliche Illusion und schuf eine völlig abstrakte Szenerie. Die Darstellung der Johanna durch die erst 19jährige Inge Konradi wurde allgemein gerühmt, das puristische Bühnenbild Mankers aber wurde vom „Völkischen Beobachter“ angegriffen, da es mit dem NS-Anspruch nach totaler Illusion nicht konform ging.
Bei Der Diamant des Geisterkönigs kam es 1944 zu einer deutlichen Demonstration theatralischen Widerstandes: Nikolaus Haenels Inszenierung von Raimunds Zaubermärchen siedelte das „Land der Wahrheit“ stilistisch im Nazi-Deutschland der Gegenwart an, Gustav Mankers Bühnenbild parodierte die monumentale NS-Ästhetik mit Statuen im Stile Arno Brekers, ironisierte auch den deutschen Reichsadler, der dem Publikum sein Hinterteil zuwendete und paraphrasierte sogar das Symbol des Kraft durch Freude-Rades am Eingang zum Palast des Königs. Die Kostüme waren Anlehnungen an die Hitler-Jugend und den Bund deutscher Mädel, die Tochter des Veritatius und ihre Freundinnen traten mit Mittelscheitel und langen blonden Zöpfen als BdM-Mädchen auf. Karl Kalwoda, der Darsteller des Veritatius, sprach sogar in abgehackten Sätzen und lieferte in Gestik und Haltung eine Hitler-Parodie. Für die Ballonfahrt aus dem Land der Wahrheit wurde am Ende der Szene der beziehungsreiche Satz „Die Zukunft liegt in der Luft!“ hinzugefügt.
Neben seiner Arbeit am Deutschen Volkstheater, an dem er ab 1942 aufgrund der Kriegssituation der einzige Bühnenbilder war, entwarf Manker auch Bühnenbilder für die Exl-Bühne, die Komödie in der Johannesgasse unter der Direktion von Leon Epp sowie für die Wiener Kammerspiele, das Bürgertheater und das Renaissancetheater.
Gustav Mankers erste Regiearbeit war im Dezember 1942 das Märchen „Der getreue Johannes“ von Walter Hans Boese nach den Gebrüdern Grimm, eine Aufführung des Deutschen Volkstheaters in der „Komödie“ in der Johannesgasse.
Nachkriegszeit
Im Mai 1945 wurde Manker kurzfristig Mitglied der kommunistischen Partei, erste Arbeiten am Theater waren die Bühnenbilder für die Erstaufführung der vier letzten, apokalyptischen Szenen „Die letzte Nacht“, dem Epilog zur Tragödie „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus. In der Direktionszeit Günther Haenels am Volkstheater stattete Manker u.a. den Theaterskandal „Haben“ von Julius Hay aus, Anatoli Lunatscharskis „Der befreite Don Quijote“, Jean Anouilhs „Antigone“, Eugene O’Neills „Verwirrung der Jugend“ (mit dem jungen Oskar Werner) – meist in der Regie Günther Haenels – und arbeitete zugleich an Leon Epps „Die Insel“, an den Kammerspielen (Erstaufführungen von Franz Werfels „Jacobowsky und der Oberst “, 1946, und von Jean Paul Sartres „Die Fliegen “), 1948, am Bürgertheater, an der Renaissance-Bühne und am Theater in der Josefstadt.
Mit Ben Jonsons „Volpone “ begann im Januar 1946 Mankers eigentliche Regiekarriere. Es folgten J. B. Priestleys „Gefährliche Wahrheit“ und Ferdinand Bruckners „Heroische Komödie“. 1947 inszenierte Manker am Wiener Volkstheater sein ersten Stück von Johann Nestroy, der zum bestimmenden Autor seines Lebens wurde und von dem er insgesamt 43 Stücke inszenierte. Mit seinen Nestroy-Aufführungen gelang es Manker, einen neuen Nestroy-Stil zu entwickeln, der den Stücken – auch in der Ausstattung – jede biedermeierliche Färbung nahm, ihn intellektuell zugespitzt präsentierte, der auf Bearbeitungen und Zusätze verzichtete und der als „Nestroy pur“ bekannt wurde. 1948 inszenierte Manker erstmals auch im eigenen Bühnenbild, Nestroys „Zu ebener Erde und erster Stock“, eine Kombination, der er lange Jahre treu bleiben sollte.
1948 wechselte Günther Haenel an die neu gegründete Scala, Manker konnte deren Angebot nicht folgen und blieb am Volkstheater, wo er mit den Inszenierungen von Ferdinand Raimunds „Der Bauer als Millionär“ (1948) und „Der Verschwender“ (1949) mit Paul Hörbiger Triumphe feierte. Im Dezember 1948 kam es bei der Erstaufführung von Ödön von Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald “ zu einem der größten Theaterskandale der Nachkriegszeit. Die wichtigsten Regie-Arbeiten Mankers in dieser Zeit waren 1951 Georg Kaisers „Napoleon in New Qrleans“, die Erstaufführung von Albert Camus’ „Die Gerechten“, Vicky Baums „Menschen im Hotel“ und Nestroys „Der Talisman“ sowie 1952 Franz Werfels „Juarez und Maximilian“, meist im eigenen Bühnenbild. Neben seiner Arbeit am Volkstheater fand Manker auch Zeit, mit Berthold Viertel am Burg- und Akademietheater zu arbeiten, sowie am Theater in der Josefstadt und an den Kammerspielen zu inszenieren.
Direktion Leon Epp
In der Direktion Leon Epp (1952–1968) war Manker der entscheidende Regisseur am Wiener Volkstheater, Chefbühnenbildner und Oberspielleiter. Besonders Schillers „Die Räuber“ waren auf einer zweigeteilten Simultanbühne in Regie und Bühnenbild von Manker 1959 bahnbrechend. 1963 wagte sich das Volkstheater mit „Mutter Courage und ihre Kinder“ an ein Stück von Bertolt Brecht, nachdem dieser vor dem Hintergrund des Kalten Krieges in Österreich boykottiert worden war. Die Presse sprach von der „Blockadebrecher“-Premiere am 23. Februar 1963 mit Dorothea Neff und unter der Regie von Manker, der in der Folge auch „Der kaukasische Kreidekreis“ inszenierte. Besonders setzte sich Manker für das Werk Frank Wedekinds ein („Lulu“, „Frühlings Erwachen“, „König Nicolo“, „Der Marquis von Keith“, „Musik“), inszenierte aber auch die zeitgenössische Moderne. Auch das österreichische Volksstück von Ludwig Anzengruber, Johann Nestroy und Ferdinand Raimund, für das er mit Karl Skraup, Hans Putz, Hugo Gottschlich, Fritz Muliar, Walter Kohut, Kurt Sowinetz und Hilde Sochor ein erstklassiges Ensemble hatte, und die österreichische Moderne von Schnitzler bis Horváth, Ferdinand Bruckner und Molnár und die Uraufführung von Helmut Qualtingers „Die Hinrichtung“ (1965) lagen in Mankers Händen. Qualtinger trat auch oftmals als Schauspieler bei Manker in Erscheinung, so in Nestroys „Eine Wohnung zu vermieten“, Dostojewskis „Schuld und Sühne“ und als Zauberkönig in Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ (1968).
Direktor des Volkstheaters
Gustav Manker übernahm nach dem Unfalltod von Leon Epp 1968 die Direktion des Volkstheaters. Zu den Marksteinen seiner Direktion gehörte vor allem die Entdeckung junger österreichischer Dramatiker. Im Jahr 1969 hatte „Change“ von Wolfgang Bauer Premiere, 1971 wurde „Rozznjogd“ von Peter Turrini uraufgeführt. Weitere junge Autoren waren Gerhard Roth, Wilhelm Pevny, Herwig Seeböck, Wilhelm Pellert und Helmut Zenker. Manker legte generell großes Augenmerk auf die Pflege österreichischer Literatur, von Raimund bis Anzengruber, von Schnitzler bis Horvath, Csokor, Karl Schönherr, Lernet-Holenia, Wildgans, Herzmanovsky-Orlando, Ferdinand Bruckner und Hermann Bahr, dessen Stücke „Das Konzert“ und „Wienerinnen“ zu Publikumsrennern wurden. 1971 kam es sogar zur Uraufführung eines nachgelassenen Stückes von Arthur Schnitzler, „Zug der Schatten“, nachdem schon ein Zyklus dessen frühen Werke „Freiwild“, „Das Märchen“ und „Anatol“ aufgewührt worden war.
Mankers ambitionierte Klassikerpflege umfasste Grillparzer ebenso wie Shakespeare - 1970 kam es zur umjubelten Erstaufführung von William Shakespeares „Hamlet 163“ mit Michael Heltau - und gipfelte in Richard Beer-Hofmanns Einrichtung von Goethes Faust I und II an einem Abend. Helmut Qualtinger trat unter der Direktion Manker des Öfteren auf, so 1970 in „Der Talisman“ von Johann Nestroy. Legendär waren Mankers jährliche Nestroy-Inszenierungen, die neben den viel gespielten Stücken auch Unbekanntes ausgruben und mit einem eingespielten „Nestroy-Ensemble“ (Heinz Petters, Herbert Propst, Rudolf Strobl, Walter Langer, Hilde Sochor, Dolores Schmidinger, Brigitte Swoboda) in einem speziellen Nestroy-Stil („Nestroy pur“) zu Publikumshits wurden: „Der Talisman“ (1971), „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ (1972), „Das Gewürzkrämerkleeblatt“ (1972), „Gegen Torheit gibt es kein Mittel“ (1973), „Umsonst“ (1974), „Einen Jux will er sich machen“ (1976), „Lumpazivagabundus“ (1977), „Höllenangst“ (1977), „Frühere Verhältnisse“ und „Die schlimmen Buben In der Schule“ (1978).
Manker förderte auch viele junge österreichische Schauspieler wie Silvia Fenz, Karlheinz Hackl, Michael Heltau, Walter Langer, Franz Morak, Fritz Muliar, Otto Schenk, Dolores Schmidinger, Kitty Speiser, Brigitte Swoboda oder Ulrich Wildgruber.
Literatur
- 100 Jahre Volkstheater. Theater. Zeit. Geschichte. Jugend und Volk, Wien-München 1989 ISBN 978-3224107137
- Andrea Huemer (Hg.): Gustav Manker. Begleitheft zur Gedächtnisausstellung 1998. Eigenverlag Volkstheater, Wien 1998
- Helmut Schwarz: Gestaltung und Gestalter des modernen Bühnenbilds: Judtmann, Manker, Meinecke, 1950
- M. Konschill: Gustav Manker und das Wiener Volkstheater, Diplomarbeit, Wien 1999.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Manker, Gustav |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Bühnenbildner, Regisseur und Theaterdirektor |
GEBURTSDATUM | 29. März 1913 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 7. Juli 1988 |
STERBEORT | Wien |