Die St. Martinskirche ist die älteste Kirche des Stadtteils Linden in Hannover. Sie ist die Pfarrkirche der ev.-luth. St. Martinsgemeinde. Das heutige Kirchengebäude beruht auf einem ersten Bau im 13. Jahrhundert und einem Nachfolgebau von 1728, der bis auf den Kirchturm im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Das neue Kirchenschiff entstand 1957 nach einem Entwurf des Architekten Dieter Oesterlen.

Lage
Der Kirchenbau liegt in der Straße "An der Martinskirche" im Stadtteil Linden-Mitte des Stadtbezirks Linden-Limmer von Hannover. Das Gemeindebüro befindet sich jedoch im Pfarrhaus in der Kirchstraße 19, das Gemeindehaus in der Niemeyerstraße 16. Durch die erhöhte Lage am Osthang des Lindener Bergs und die Ausrichtung einiger Straßen auf den Turm wirkt die Kirche als Landmarke, lag jedoch nie im Zentrum des Ortes.
Geschichte
Das Dorf Linden, zwischen der Ihme und dem Lindener Berg gelegen, wurde 1115 erstmals erwähnt. Ein erster Kirchenbau am Osthang des Lindener Bergs wird vor 1285 vermutet. Zu dieser Zeit einigten sich die Grafen Gerhard von Hallermund und Johann von Roden vertraglich darauf, das Patronatsrecht gemeinsam auszuüben und die Geistlichen abwechselnd zu ernennen. Die Kirche unterstand zunächst dem Archidiakonat Pattensen der Diözese Minden. Ab 1328 stand die Kirche unter dem Patronat des Klosters Marienwerder. Im Dreißigjährigen Kriegs wurde das Dorf Linden 1641 ausgeplündert, die Dorfkirche wurde beschädigt. 1886 wurde sie dem hannoverschen Konsistorium unterstellt. 1538 wurde im Kirchspiel Linden, zu dem jahrhundertelang Linden, Ricklingen, Bornum, Badenstedt und Davenstedt gehörten, die Reformation eingeführt.
Im 19. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung infolge der Industrialisierung im "Dorf" Linden, das erst 1885 zur Stadt wurde, rasant an. St. Martin wurde dadurch die Mutterkirche für die Tochtergemeinden:
- 1877 Michaelisgemeinde Ricklingen mit den Tochtergemeinden St. Thomas in Oberricklingen (1955), Maria-Magdalenen in Ricklingen (1962-2009) und Bonhoeffer-Kirchengemeinde in Mühlenberg (1971)
- 1880 Zionsgemeinde in Linden-Süd (seit 1943 Erlöserkirche)
- 1892 Bethlehemsgemeinde in Linden-Nord (seit 2009 zusammen mit der Gerhard-Uhlhorn-Gemeinde die Kirchengemeinde Linden-Nord in Hannover)
Erst während des Baus der Zionskirche bekam die alte Kirche in Linden 1879 den Namen Martinskirche nach dem Hl. Martin. In einer Urkunde von 1333 wird die feierliche Begehung u.a. des Martinstages angeordnet. Diese Erwähnung des Heiligen Martin wurde zum Auslöser für die Namensgebung. Das älteste Kirchensiegel zeigt dagegen den Heiligen Petrus, die größte Glocke Petrus und Paulus.
Baugeschichte
Schon vor 1285 gab es einen ersten Kirchenbau am Lindener Berg. Ein Merian-Stich zeigt um 1650 einen Bau mit vierseitigem Turm und einer mit Ziegeln bedeckten, hohen Spitze.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die alte baufällige Kirche abgerissen und 1728 entstand auf dem Vorgängerbau eine neue Kirche als barocker Saalbau. Allerdings reichten die Mittel nicht mehr für die Vollendung des Kirchturms. Der Kirchturm wurde erst 1854 mit einer vom Architekten Conrad Wilhelm Hase im neugotischen Stil entworfenen Turmspitze vollendet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kirchenschiff am 22. September 1943 durch eine Luftmine weitgehend zerstört, während der Turm unbeschädigt blieb.
Der Neubau erfolgte von 1955 bis 1957 nach einem Entwurf von Dieter Oesterlen. Dabei wurden das Kirchenschiff und die Sakristei als Neubau abgesetzt vom Turm errichtet. Der unter Denkmalschutz stehende Turm wurde weitgehend erhalten, er erhielt in der Höhe eine neue Galerie. Der frühere Anschluss des Turms an das Kirchenschiff wurden als unverputzter Bereich in Bruchsteinen belassen. Die Neugestaltung kennzeichnen ein asymmetrischer Grundriss und der nüchterne Baustil unter Verwendung von Stein, Beton und Glas. Dies entspricht der Entwicklung im Kirchenbau in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Ältere Richtlinien wie das Eisenacher Regulativ und das Wiesbadener Programm wurden aufgegeben. Kanzel und Altar sind auch im lutherischen Gottesdienst einander gleichwertig zugeordnet.
Ausstattung
Im Turm hängt neben drei kleineren Glocken von 1959 aus der Glockengießerei F.W. Schilling in Heidelberg die große "Lutherglocke", gegossen im Geburtsjahr Luthers 1483. Inschrift: Anno MCCCCLXXXIII. Defunctos plango, vivos voco, fulgura frango ("Im Jahr 1483. Die Toten betrauere ich, die Lebenden rufe ich, die Blitze breche ich"). Zur Verzierung der Glocke ist auf der einen Seite Petrus mit dem Schlüssel, auf der anderen Paulus mit dem Schwert angebracht.
An der östlichen Außenwand befindet sich ein Relief des Heiligen Martin des Bildhauers Kurt Lehmann. Der Taufstein von 1647 konnte aus dem alten Bau übernommen werden. Die Orgel auf der Empore stammt von 1965 (Werkstatt Paul Ott, Göttingen) und wurde 1992 erneuert und ergänzt. Sehenswert sind im Innenraum außerdem die Altarwand, die Buntglasfenster und die Brüstung der Empore. Die Altarwand zeigt gemauert aus Backstein und plastisch hervortretend die zwölf Tore des himmlischen Jerusalem nach der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. Die Bilder der Empore zeigen in Betonreliefs Motive aus dem Alten Testament wie Schöpfung, Arche Noah, Turmbau zu Babel, die Zehn Gebote und den Tanz um das Goldene Kalb.
Friedhof
Die Dorfkirche umgab ursprünglich ein Friedhof. Nach der Eröffnung eines neuen Friedhofs auf dem Lindener Berg 1862 wurde er geschlossen. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der Umgestaltung in den 1950er Jahren in eine Rasenfläche sind nur noch zwei Grabdenkmäler erhalten. Es handelt sich um Grabsteine für Angehörige der Lindener Industriellenfamilie Egestorff in Form eines beschädigten Grabsteins von Johann Egestorff und eines neueren Grabsteins für Georg Egestorff. Der ehemalige Friedhof ist heute Teil des Von-Alten-Garten, dessen alte Begrenzungsmauer jenseits der Kirchstraße noch zu erkennen ist.
Literatur
- Illustrierte Rundschau Nr. 32 vom 9.8.1913, Verlag Illustrierte Rundschau, Hannover, 1913
- Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Provinzialausschuss und Landesdirektorium der Provinz Hannover (Hrsg.),Regierungsbezirk Hannover, Stadt Hannover, II. Teil, Heft 20 des Gesamtwerkes, Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Theodor Schulzes Buchhandlung, Hannover, 1932
- Architektur: Kirchenbau, Etwas überhöht, SPIEGEL 51/1963, S.77
Weblinks
- Offizielle Webseite der Kirchengemeinde
- Fotogalerie Kirchenbau
- Hases Werkkatalog mit Skizze St. Martin um 1854
- Orgelbeschreibung im hannoverschen Pfeifenorgel-Register
- Video des Geläuts 0:53 min
Koordinaten: 52° 21′ 56″ N, 9° 42′ 36″ O