Johann Martin Schleyer

katholischer Priester, Lyriker, Erfinder der Kunstsprache Volapük
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Johann Martin Schleyer (* 18. Juli 1831 in Oberlauda; † 16. August 1912 in Konstanz) war ein katholischer Priester, Lyriker und Philanthrop.

Datei:Lauda-Königshofen Karte.png
Lage von Oberlauda
Lage von Litzelstetten

Er erfand um 1880 die Plansprache Volapük. Schleyer war Pfarrer in Litzelstetten (Gemeinde Konstanz) und später Prälat. Sein Grab befindet sich auf dem Konstanzer Hauptfriedhof. Am Pfarrhaus in Litzelstetten erinnert eine Gedenktafel an den Erfinder von Volapük: "Menade bal - püki bal" ("Einer Menschheit - eine Sprache").

Der von der RAF ermordete Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer war der Enkel seines Bruders.

Biografie

1831 Geburt in Oberlauda als Sohn eines Lehrers
Gymnasium in Tauberbischofsheim
Lyzeum in Karlsruhe
Studium der katholischen Theologie in Freiburg im Breisgau
1856 Priesterweihe
1862 Erste Pfarrstelle in Meßkirch
1863 Beginn der Tagebuchaufzeichnungen (23 Hefte mit insgesamt 3.000 Seiten)
1867 Pfarrer in Krumbach
1875 Festungshaft in Rastatt wegen einer Predigtäußerung über den Sozialismus
1875 Pfarrer in Litzelstetten
1879 Veröffentlichung von Volapük
1885 Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen
1887 Gründung der Volapük-Akademie zur Überwachung der sprachlichen Entwicklung
1894 Ernennung zum päpstlichen Hausprälaten
1894 Weiterarbeit am Volapük-Wörterbuch
1912 Tod in Konstanz

Schleyer als Priester

Johann Martin Schleyer kam während seiner ganzen Berufslaufbahn nie über den Rang eines Dorfpfarrers hinaus. Erst während seiner Zeit als Pensionär wurde er vom Papst zum Prälaten ernannt.

2001 konstituierte sich ein internationales Komitee für die Seligsprechung des Prälaten Schleyer.

Schleyer als Linguist

Johann Martin Schleyer beschäftiget sich - eigenen Angaben zufolge - intensiv mit 80 Sprachen und Dialekten und wurde vom Freiburger Erzbischof dem Papst als deutscher Mezzofanti vorgestellt. Schleyer sprach nach eigenen Bekunden 50 Fremdsprachen. Sicher ist, dass er Denksprüche in 22 Sprachen verfasste und Grammatiken und Wörterbücher in 25 Sprachen herausgab. Seine Sprachstudien erstreckten sich auf 88 Sprachen und Dialekte.

Seine Plansprache Volapük schuf er nach einer schlaflosen Nacht am 31. März des Jahres 1879, die er - wie folgt - beschreibt:

"In einer mir selbst rätselhaften, ja geheimnisvollen Weise, in dunkler Nacht, im Pfarrhaus in Litzelstetten, im Eckzimmer des 2. Stockes, das in den Pfarrgarten hinausschaut, als ich über so viele Missstände, Gebrechen und Jämmerlichkeiten unserer Zeit nachdachte, stand plötzlich das Gebäude meiner Weltsprache vor meinem geistigen Auge. Meinem guten Genius verdanke ich das ganze System der Weltsprache Volapük."

Vorausgegangen waren seine Arbeiten an einem Weltalphabet, das für alle Sprachen einheitlich sein sollte. Anlass für dieses Projekt wiederum war die Klage eines Bauern, der ihm erzählte, dass die Briefe an seinen, in die USA ausgewanderten Sohn, nicht ausgeliefert wurden, da niemand seine Schrift lesen konnte. Dies war für ihn besonders schlimm, weil er auf finanzielle Unterstützung durch seinen Sohn angewiesen war.

Volapük war die erste Plansprache, die international eine große Anhängerschaft hatte, auch wenn sie nicht leicht zu sprechen war. Sein Haus in der Konstanzer Schottenstraße bezeichntete er als "Weltsprache-Zentralbüro" und von dort aus verschickte er sein "Weltspracheblatt" (bis 1908), Lehr- und Wörterbücher, religiöse Lyrik und gesammelte Lebensweisheiten in alle Welt.

Schleyer selbst war nicht in der Lage Volapük fließend zu sprechen. Als der polyglotte Pole Antoni Grabowski Schleyer besucht, ist eine Unterhaltung in Volapük nur schwer möglich, so dass sich beide schließlich auf Deutsch unterhalten.

Schleyer als Musiker

Neben seiner Begabung für Fremdsprachen war Schleyer auch noch ein talentierter Musiker. Er spielte 16 verschiedene Musikinstrumente und verdiente sich während seiner Studienzeit etwas Geld durch Organistendienste und Musikunterricht hinzu.

Schleyer als Literat

Johann Martin Schleyer trat mit eigenen Dichtungen hervor, die ihm eine gewisse Bekanntheit einbrachten und einen Platz in zeitgenössischen Literaturgeschichten und Anthologien sicherten: "Philatetes" (1864), "Die Liebe in hundert Gestalten" (1873). Außerdem veröffentlichte Schleyer biblische Dramen, Psalmen, Epen, Sinngedichte und Gesundheitsratgeber wie zum Beispiel „Universal-Heilmittel, wodurch Arzt, Apotheker, Zeit und viel Schmerzen erspart werden können“ oder „Drei Dutzend Mittel wider den Husten“ und „30 Reiseregeln eines Vielgereisten“.

In seiner Litzelstetter Zeit gab er die Monatsschrift "Sionsharfe - Zeitschrift für katholische Poesie" (1876-1884) heraus. Der Großteil des Inhalts stammte von ihm selbst, denn Schleyer betätigte sich auch als Dichter. Hier ein Beispiel seiner Lyrik:

Die sterbensbereite Martyrliebe
(Bruder Bennat und die Pariser Communisten)

Die Revolver in der Faust
Stürmen in der Andacht Haus
Rasend die Communen ein,
Rings verbreitend Wust und Graus.

Bruder Bennat tritt gefaßt
Zu dem Rudel Tiger vor.-
"Schwöre: Gott ist eine Mär!"
Hallt es höllisch um sein Ohr.

Und gen seine treue Brust
Gähnet Mord das Todesrohr.-
"Schwöre: keinen Gott gibt es!"
Gellt es gräßlich um sein Ohr.-

"Gut, ich schwöre!" ruft Bennat
Ruhigernst und fromm gefaßt
"Schwöre, daß ein Gott ob uns
Gutes liebt und Böses haßt!"

Und die unerschrock´ne Brust
Öffnet er, zum Tod bereit.-
Doch sie zögern, feuern nicht;
Martyrtod mißgönnt ihr Neid.

"He, was schießt Ihr denn nicht zu?
War so nah dem Himmel schon!
Zoll´ Euch wahrlich, für die Huld,
Mein zu schonen, schlechten Lohn!"

Schreckenstage schaurigernst
Schickt der Gott der Herrlichkeit
Menschheit! Dir, auf daß Du lernst:
Glaubenshelden gibt´s noch heut!