Folter
Folter ist laut der UN-Anti-Folter-Konvention jede Handlung, bei der Träger staatlicher Gewalt einer Person „vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden“ zufügen oder androhen, um eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder zu bestrafen.

Menschenrechte
Völkerrechtlich enthalten Artikel 5 der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen:
- „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“
und Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Folterverbot:
- „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist rechtlich von größerer Bedeutung, da es – anders als die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen – klagbare Rechte begründet, die von jedermann vor dem Gerichtshof der Menschenrechtskonvention geltend gemacht werden können. Weitere völkerrechtliche Folterverbote finden sich in Art. 6 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und in der Anti-Folter Konvention der Vereinten Nationen.
Im innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland ist ein Verbot der Folter verfassungsrechtlich in Artikel 1 Absatz (1) GG:
- „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
und in Artikel 104 Absatz (1) Satz 2 GG verankert:
- „Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.“
Außerdem wird das Folterverbot durch verschiedene Bestimmungen des deutschen Straf- und Strafprozessrechts im einfachen Recht abgesichert. So wird es Vorgesetzten durch § 357 StGB verboten, ihre Mitarbeiter zu rechtswidrigen Taten zu verleiten oder auch nur solche zu dulden. Ferner sind Aussagen, die unter der Androhung von Folter erpresst werden, in einem Gerichtsverfahren nicht verwertbar (§ 136a StPO). Aussageerpressung ist auch selbst eine Straftat (Amtsdelikt).
Die Geschichte der Folter in Deutschland
In der weltlichen Gerichtsbarkeit wurde die Folter in Deutschland seit Anfang des 14. Jahrhunderts praktiziert. Sie entwickelte sich bis zum Ende des Mittelalters als Mittel des Strafverfahrensrechts und wurde meist so definiert: ein von einem Richter rechtmäßig in Gang gebrachtes Verhör mit Hilfe körperlicher Zwangsmittel zum Zwecke der Erforschung der Wahrheit über ein Verbrechen. Nach mittelalterlicher Auffassung konnte eine Verurteilung entweder auf Grund der Aussage zweier glaubwürdiger Augenzeugen oder auf Grund eines Geständnisses (das also entgegen einer verbreiteten Meinung nicht die einzig mögliche Urteilsgrundlage war) erfolgen. Hingegen konnten bloße Indizien, selbst wenn sie noch so zwingend auf die Schuld des Angeklagten hinwiesen, oder die Aussage eines einzigen – sei es auch noch so glaubwürdigen – Zeugen keine Verurteilung rechtfertigen (gegen Letzteres sprachen nach Auffassung des Mittelalters und der frühen Neuzeit einige in der Tat eindeutige Bibelstellen wie Deuteronomium 17, 6; 19,5 und Matthäus 18, 16). Bezeichnet wurde die Folter meist als Marter, Tortur, Frage in der Strenge bzw. Frage in der Schärfe oder als peinliche Frage (letzteres hieß eigentlich strafrechtliches Verhör, das Wort „Pein“ hatte damals entsprechend seine Herkunft aus dem lateinischen poena die Bedeutung von Strafe). Die Folter selbst war keine Strafe, sondern eine Maßnahme des Strafverfahrensrechts und sollte eine Entscheidungsgrundlage liefern.
Die geschichtlichen Wurzeln der Folter des deutschen Spätmittelalters liegen im römischen Recht, das die Folter ursprünglich nur gegenüber Sklaven, seit dem 1. nachchristlichen Jahrhundert aber bei Majestätsverbrechen (crimen laesae maiestatis), also bei Hochverrat, auch gegenüber Bürgern kannte. Das deutsche Lehnwort „Folter“ leitet sich denn auch aus dem lateinischen Wort poledrus (Fohlen) her, der Bezeichnung für ein pferdeähnliches Foltergerät. Es gab zwei Wege, auf denen römisches Recht in das deutsche Recht des Mittelalters importiert wurde. Zum einen war es das Kirchenrecht, das sich, entsprechend dem Zentrum der Papstkirche in Rom, seit jeher am römischen Recht orientiert hatte (Merksatz: Ecclesia vivit lege romana – die Kirche lebt nach römischem Recht). Hatten Kirchenväter und Päpste vor der Jahrtausendwende die Anwendung von Folter noch ausdrücklich abgelehnt, so änderte sich das im hochmittelalterlichen Kampf der Kirche gegen die häretischen Bewegungen der Katharer (Hauptgruppe: Albigenser) und der Waldenser. 1252 erließ Papst Innozenz IV. seine berühmt-berüchtigte Bulle Ad extirpanda, in der er die Kommunen Norditaliens anhielt, die der Ketzerei verdächtigen Personen mit Hilfe der Folter zum Eingeständnis ihrer Irrtümer zu zwingen, „ohne ihnen die Glieder zu zerschlagen und ohne sie in Lebensgefahr zu bringen“. Diese später auf ganz Italien ausgedehnte und von späteren Päpsten bestätigte Anordnung wurde im 13. Jahrhundert auch in Deutschland im kirchlichen Strafverfahren von den dazu verpflichteten weltlichen Behörden angewandt, wie wir aus Abhandlungen gelehrter Franziskanermönche wissen. Der zweite Weg, der zur Übernahme des römischen Rechts in das deutsche mittelalterliche Recht führte, war die so genannte Rezeption. Das Recht des deutschen Mittelalters war überwiegend durch – nur teilweise schriftlich niedergelegtes – Gewohnheitsrecht geprägt, das sich örtlich und zeitlich recht unterschiedlich entwickelte und nicht wissenschaftlich-systematisch begründet und rational durchdrungen war. In Italien dagegen griff man seit dem beginnenden 12. Jahrhundert, vor allem an der Universität von Bologna, auf Grund einer im 11. Jahrhundert wiederentdeckten Handschrift einer großen römischen Rechtssammlung aus dem 6. Jahrhundert (Corpus iuris civilis, Gesamtwerk des weltlichen Rechts) auf das altrömische Recht zurück, das am Ausgang der Antike auf eine tausendjährige Entwicklung zurückblicken konnte. Auch in Deutschland, wo weltliche Herrschaftsträger sich immer wieder mit kirchlichen Einrichtungen und deren rechtlich geschulten Klerikern auseinanderzusetzen hatten, schickte man nun Studenten zum Studium der – in Deutschland nicht existierenden – Rechtswissenschaft vermehrt an italienische Hochschulen. Sie traten nach Abschluss ihrer Studien als Träger römisch-rechtlicher Vorstellungen in die deutsche Rechtspraxis ein.
Ursachen
Erste belegte Folterfälle
| |
Gebiet/Stadt | Jahr |
Augsburg | 1321 |
Straßburg | 1322 |
Speyer | 1322 |
Köln | 1322 (?) |
Regensburg | 1338 |
Nürnberg | 1350 – 1371 |
Freiburg i. Br. | 1361 |
Bamberg | 1381 – 1397 |
Frankfurt a. M. | 2. Hälfte 14. Jhd. |
Brünn (Mähren) | 1384 – 1390 |
Büdingen (Wetterau) | 1391 |
Friedberg (Wetterau) | 1395 |
Memmingen | 1403 |
Mergentheim | 1416 |
Görlitz | 1416 |
Leipziger Schöffenstuhl | 1350 – 1500 |
Breslau | 1448 – 1509 |
Ofen (Buda) | 1421 |
Hamburg | 1427 |
München | 1428 |
Cham (Oberpfalz) | 1438 |
Wien | 1441 |
Konstanz | 1450 |
Osnabrück | 1459 |
Hildesheim | 1463 |
Schweidnitz | 1465 |
Würzburg | 1468 |
Quedlinburg | 1477 |
Basel | 1480 |
Ellwangen | 1488 |
Zu diesen theoretischen Fundamenten der Folteranwendung in Deutschland kamen etwa seit dem 14. Jahrhundert auch praktische Bedürfnisse der Verbrechensbekämpfung hinzu. Die Auflösung alter Stammes- und Sippenstrukturen hatte zu sozialer und auch örtlicher Mobilität geführt, mit der auch eine verstärkte Kriminalitätsentwicklung einherging. Verarmende Ritter, umherziehende Landsknechte, fahrende Scholaren, wandernde Handwerksburschen, Gaukler, Bettler und sonstiges fahrendes Volk machten die Landstraßen unsicher, Raubüberfälle und Morde waren an der Tagesordnung. Die so genannten „landschädlichen Leute“ bildeten ein teilweise organisiertes Gewerbs- und Gewohnheitsverbrechertum, das sich mehr und mehr zu einer allgemeinen Landplage entwickelte. Es bedrohte Handel und Wandel und damit die Grundlagen des Wohlstandes vor allem in den Städten, für die die Bekämpfung der Kriminalität daher zu einer Lebensnotwendigkeit wurde. Das überkommene deutsche Strafverfahrensrecht war für eine wirksame Verbrechensbekämpfung weitgehend untauglich. Es hatte auf der Vorstellung beruht, dass die Reaktion auf begangenes Unrecht allein Sache des Betroffenen und seiner Sippe war. Verbrechensbekämpfung war überhaupt keine öffentliche Aufgabe gewesen. Die Rechtsordnung hatte den Beteiligten zwar geregelte Formen für ihre Auseinandersetzung (Eid, Gottesurteil, Zweikampf) zur Verfügung gestellt, aber zu einem Verfahren war es lange Zeit nur auf Klage des Betroffenen oder seiner Sippe hin gekommen. Es hatte sich immer um Verfahren gehandelt, die erst auf eine private Klage hin zu Stande kamen: Es galt das Akkusationsprinzip (Grundsatz der Anklage durch einen Privaten). Wo kein Kläger, da kein Richter – dieser heute noch für den deutschen Zivilprozess geltende Grundsatz lag lange Zeit auch dem Strafverfahrensrecht zu Grunde. Für den Kampf gegen die „landschädlichen Leute“ war dieser Verfahrenstyp weitgehend ungeeignet. Die Ingangsetzung eines Verfahrens hing danach nämlich davon ab, ob sich jemand bereit fand, eine Klage mit allen damit auch für den Kläger verbundenen Risiken (Rache, Schadensersatz) zu erheben. So griff man auf einen anderen Verfahrenstypus zurück, der sich ebenfalls in der Kirche entwickelt hatte, nämlich das so genannte Inquisitionsverfahren (von lateinisch inquirere = erforschen), bei dem die Obrigkeit von sich aus das Verfahren in Gang setzen und bei dem es nicht mehr um eine formale Beweisführung (durch Eid, Gottesurteil, Zweikampf – die letzteren beiden Beweismittel hatte die Kirche im vierten Laterankonzil von 1215 ohnedies verboten), sondern um die materielle Wahrheit ging. Der Beweis durch zwei Augenzeugen spielte dabei in der Praxis keine bedeutende Rolle. Er konnte nur zum Zuge kommen, wenn der Verbrecher sich bei seiner Tat von zwei Zeugen hatte beobachten lassen und wenn er ungeschickt genug gewesen war, diese Zeugen überleben zu lassen. So wurde gerade auch im Inquisitionsverfahren das Geständnis des Beschuldigten zur „Königin aller Beweismittel“, und das Geständnis besorgte man sich im Zweifel eben mit Hilfe der dem importierten römischen Recht bestens bekannten Folter.
Aus all diesen Gründen breitete sich die Folter im Laufe des Spätmittelalters nahezu im gesamten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus, teilweise auf Grund vom Kaiser gewährter Privilegien. Die Übersicht rechts oben gibt für eine Reihe von Orten bzw. Gebieten das Jahr oder die Zeit des ersten belegten Folterfalles an. Bei diesen Orten oder Gebieten kann es sich nicht um Inseln der Folteranwendung in einer ansonsten folterfreien Landschaft gehandelt haben. Nicht alle Fälle des Foltergebrauchs sind schriftlich aufgezeichnet worden, bei Weitem nicht alle Aufzeichnungen sind erhalten geblieben und die erhalten gebliebenen sind noch nicht alle erforscht.
Gesetzliche Regelungen
Was fehlte, war eine gesetzliche Regelung des Gebrauchs der Folter. Dies führte zu einer weitgehend willkürlichen Folterpraxis. Vielfach waren es juristisch nicht gebildete Laienrichter, die über die Folterung zu entscheiden hatten. Die willkürlichen Folterungen führten zu Klagen. Das 1495 errichtete Reichskammergericht berichtete dem Reichstag zu Lindau 1496/97, dass bei ihm Beschwerden eingegangen seien, wonach Obrigkeiten „Leute unverschuldet und ohne Recht und redliche Ursache zum Tode verurteilt und richten lassen haben sollen“. 1498 beschloss der Reichstag von Freiburg i. Br. „eine gemeine Reformation und Ordnung in dem Reich führzunehmen, wie man in Criminalibus procedieren solle“. Ein auf Deutsch geschriebenes Rechtsbuch, der um 1436 in Schwäbisch Hall verfasste Klagspiegel, über lange Zeit handschriftlich verbreitet und später vielfach gedruckt, geißelte die Missstände der Strafjustiz und versuchte, den Beschuldigten Anleitungen zu geben, wie sie sich gegen unfähige und willkürliche Richter, „närrische Heckenrichter in den Dörfern“, mit juristischen Mitteln zur Wehr setzen könnten. Die Folter, so forderte der Autor, dürfe nur „messiglich auß vernunft“ angewendet werden. Fünf Reichstage befassten sich mit der in Freiburg geforderten Regelung des Strafverfahrens. Endlich war es 1532 so weit: Der in diesem Jahr in Regensburg abgehaltene Reichstag stimmte der „Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V.“ zu. In der Vorrede des – auf Deutsch abgefassten – Gesetzes wurde beklagt, dass die meisten Strafgerichte mit Personen besetzt seien, die das römische Recht (“vnsere Keyserliche Rechte“) nicht beherrschten und dass daher an vielen Orten Unschuldige gepeinigt und getötet würden. Besonders eingehend regelte das Gesetz die Folter. Sie durfte danach nur angewandt werden, wenn gegen den Beschuldigten schwerwiegende Verdachtsgründe vorlagen und wenn diese Verdachtsgründe durch zwei gute Zeugen oder wenn die Tat selbst durch einen guten Zeugen bewiesen waren. Vor der Entscheidung über die Anwendung der Folter müsse dem Angeklagten Gelegenheit zur Entlastung gegeben werden. Selbst bei feststehenden Verdachtsgründen dürfe nur gefoltert werden, wenn die gegen den Angeklagten vorliegenden Gründe schwerwiegender als die für seine Unschuld sprechenden Gründe seien. Das Maß der Folterung habe sich nach der Schwere der Verdachtsgründe zu richten. Ein unter der Folter abgelegtes Geständnis dürfe nur verwertet werden, wenn der Angeklagte es mindestens einen Tag später bestätige. Auch dann müsse der Richter es noch auf seine Glaubwürdigkeit überprüfen. Der Gebrauch der Folter entgegen den Vorschriften des Gesetzes müsse zur Bestrafung der Richter durch ihr Obergericht führen.
Man kann der Peinlichen Gerichtsordnung vorwerfen, dass sie die Folter nicht abgeschafft hat. Aber die oft aufgestellte Behauptung, dieses Gesetz – nach Meinung des bedeutenden Rechtswissenschaftlers Gustav Radbruch die einzige bedeutende gesetzgeberische Leistung des alten Reiches – habe die Folter in Deutschland erst ermöglicht, ist falsch. Das Gesetz hat im Gegenteil eine Reihe von Kautelen zu Gunsten des Beschuldigten eingeführt. Gemessen an den Maßstäben der Zeit, war es ein fortschrittliches Gesetz. Aber auch nach diesen Maßstäben wies es Lücken auf. Vor allem regelte es nicht Art und Maß der Folter und die Voraussetzungen ihrer wiederholten Anwendung, sondern überließ all dies der „ermessung eyns guten vernünfftigen Richters“. Insofern brachten manchmal erst spätere Territorialgesetze nähere Regelungen, z. B. die bayerische MalefitzProzeßOrdnung von 1608.
Im Großen und Ganzen hat die Peinliche Gerichtsordnung, die als Reichsrecht erst mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806 das Ende ihrer Geltung fand (als Landesrecht konnte sie auch später noch angewendet werden), ihr Ziel zurückhaltenderen und maßvollen Foltergebrauches wohl erreicht. In manchen Städten und Territorien ist sie in dieser Richtung durch städtische oder Territorialgesetze noch ergänzt, aber auch teilweise modifiziert worden. Dazu kamen die differenzierten Lehren zur Folter, die die lange Zeit auch in Deutschland dominierende italienische Strafrechtswissenschaft entwickelte.
Hexenverfolgung
Nahezu völlig versagt hat die Peinliche Gerichtsordnung dagegen bei den massenhaften Hexenverfolgungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert (die daher kein Produkt des „finsteren“ Mittelalters, sondern der frühen Neuzeit waren). Für diese Hexenverfolgungen war es – ebenso wie für die zeitlich meist früheren Ritualmordbeschuldigungen gegen Juden – kennzeichnend, dass man so lange, so heftig und so oft folterte, bis die von den Peinigern erwünschten Geständnisse vorlagen. „Die Folter machte die Hexenleute!“ – dieser Satz eines Rechtshistorikers trifft den Kern der Sache. Die Begründung für die Missachtung der Peinlichen Gerichtsordnung bei den großen Hexenverfolgungen war auf katholischer wie auf protestantischer Seite die gleiche. Die Hexerei sei ein crimen exceptum, ein Ausnahmeverbrechen (so der katholische Weihbischof von Trier Peter Binsfeld in seinem berühmt-berüchtigten Hexentraktat von 1589), ein crimen atrocissimum, ein Verbrechen schrecklichster Art (so der fromme Lutheraner und sächsische Rechtsgelehrte Bendict Carpzov in einem 1635 erschienen Kriminallehrbuch) – bei solchen Verbrechen brauche man die normalen Verfahrensregelungen nicht zu beachten. Nur die Rechtsprechung des Reichskammergerichts in den 255 Fällen, in denen dieses Gericht Verfahren mit Bezügen zum Hexereidelikt durchzuführen hatte, war streng an der peinlichen Gerichtsordnung orientiert, lehnte die Theorie vom Ausnahmeverbrechen ab und verlangte, dass alle Indizien auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht werden müssten, bevor es zu einer Folterung kommen durfte. Aber mit Strafsachen konnte das Reichskammergericht nur in Sonderfällen befasst werden.
Bahnbrechend war dann die Stellungnahme des Jesuiten Friedrich von Spee gegen die Folter in Hexenprozessen.
Foltergeräte
siehe Hauptartikel Folterinstrument
Abschaffung
Abschaffung der Folter
| |
Gebiet/Stadt | Jahr |
Preußen | 1740 |
Baden-Durlach | 1767 |
Mecklenburg | 1769 |
Braunschweig | 1770 |
Sachsen | 1770 |
Schleswig-Holstein | 1770 |
Oldenburg | 1771 |
Österreich | 1776 |
Bayer. Pfalz | 1779 |
Pommern | 1785 |
Sachsen-Meiningen | 1786 |
Osnabrück | 1787/88 |
Bamberg | 1795 |
Anhalt-Bernburg | 1801 |
Bayern | 1806 |
Württemberg | 1809 |
Sachsen-Weimar | 1819 |
Hannover | 1822 |
Coburg-Gotha | 1828 |
Wie und wann kam es nun zur Abschaffung der Folter in Deutschland? Vereinzelte Bedenken gegen den Sinn der Folter hatte es schon im Mittelalter gegeben. Ganz überwiegend vertrat man aber die Meinung, dass die Folter ein notwendiges Mittel zur Erforschung der Wahrheit in Strafsachen sei und dass Gott dem Unschuldigen die Kraft verleihen werde, die Qualen der Folter ohne ein Geständnis zu überstehen. Der geistesgeschichtliche Kampf gegen die Folter setzte aber lange vor der Aufklärung und überwiegend außerhalb Deutschlands ein. Der Humanist, Philosoph und Theologe Juan Luis Vives, ein spanischer Judenkonvertit, lehnte die Folter in einer bereits 1522 erschienenen Schrift als unchristlich und sinnlos ab. Ähnlich argumentierte der französische Rechtsphilosoph Michel de Montaigne in einer kurz vor 1580 erschienenen Schrift.
1602 wandte sich der reformierte (kalvinistische) Pfarrer Anton Praetorius in seinem "Gründlichen Bericht Von Zauberey und Zauberern" gegen die Folter: „In Gottes Wort findet man nichts von Folterung, peinlichem Verhör und Bekenntnis durch Gewalt und Schmerzen.“ „Peinliches Verhör und Folter sind schändlich, weil sie vieler und großer Lügen Mutter ist, weil sie so oft den Menschen am Leib beschädigt und sie umkommen: Heute gefoltert, morgen tot.“ Angesichts der grauenvollen Zustände in den Gefängnissen forderte er grundlegende Reformen: „Wenn man Menschen in Gefängnisse einschließt, sollen es anständige Räumlichkeiten sein zur Verwahrung, aber nicht zur Peinigung.“
Als total „barbarisch, unmenschlich, ungerecht“ bezeichnete sie 1624 der kalvinistische Geistliche Johannes Grevius, der in den Niederlanden wirkte. 1657 entstand an der Universität Straßburg unter dem Theologieprofessor Jakob Schaller eine Dissertation mit dem Titel: „Paradoxon der Folter, die in einem christlichen Staat nicht angewendet werden darf“. 1681 schlug der Franzose Augustin Nicolas in einer Schrift dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. vor, die Folter als Vorbild für alle christlichen Fürsten abzuschaffen – vergeblich. Der französische Philosoph und Schriftsteller Pierre Bayle, ein Vertreter der Idee der Toleranz, kämpfte in einer 1686 erschienenen Schrift gegen die Folter. 1705 nahm der aufklärerisch wirkende deutsche Jurist und Rechtsphilosoph Christian Thomasius eine Doktorarbeit mit dem Titel an: „Über die notwendige Verbannung der Folter aus den Gerichten der Christenheit“. Als Gegner der Folter äußerten sich weiterhin der französische Staatswissenschaftler Charles de Montesquieu 1748, der französische Aufklärungsphilosoph Francois Marie Voltaire (1694 bis 1778) und 1764 der italienische Jurist Cesare Beccaria. Der Sache nach – wenn auch nicht ausdrücklich – hatte gegen die Folter aber auch der deutsche Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld plädiert, der bereits 1631 in einer anonym erschienenen Schrift radikale Kritik an den Hexenverfolgungen übte.
Allmählich brach im 18. Jahrhundert der Widerstand auch der Obrigkeiten und ihrer Juristen gegen die Abschaffung der Folter zusammen. Den Startschuss für Deutschland gab der Preußenkönig Friedrich der Große. Bereits wenige Tage nach seinem Amtsantritt ließ er in einer Kabinettsorder vom 3. Juni 1740 die „Tortur“ ausdrücklich abschaffen, allerdings mit drei Ausnahmen: Hochverrat, Landesverrat und „große“ Mordtaten mit vielen Tätern oder Opfern. Friedrichs Denken war stark von der Toleranzphilosophie Bayles beeinflusst. Wenige Jahrzehnte später folgten ihm andere deutsche Territorien mit der Abschaffung oder wesentlichen Einschränkung der Folter, wie die Übersicht rechts zeigt.
Die Entwicklung im übrigen Europa verlief parallel, 1815 wurde die Folter sogar im Kirchenstaat abgeschafft. Zuletzt erfolgte die Abschaffung 1851 im schweizerischen Kanton Glarus, wo 1782 auch Europas letzte Hexe Anna Göldi hingerichtet worden war.
Mit der Abschaffung der Folter war diese erledigt, nicht aber das für die Allgemeinheit und jeden redlichen Richter wichtige Problem gelöst: Wie sollte nun erreicht werden, dass nach Möglichkeit Schuldige einer Strafe zugeführt, Unschuldige aber freigesprochen würden? Zunächst versuchte man, an Stelle der abgeschafften Folter Schikanen zu praktizieren, um Geständnisse zu erreichen. Man verprügelte die Beschuldigten, was kein traditionelles Mittel der Folter war. Man versuchte es mit endlosen Verhören, mit Zureden oder Drohungen, mit der Verhängung von Ungehorsams- oder Lügenstrafen, mit der Entziehung von Kost im Gefängnis. Rechtswissenschaftlich überzeugend – und human – waren diese Lösungen nicht.
Da das Geständnis seine Rolle als Königin aller Beweismittel aber nun ausgespielt hatte, stellte sich zwangsläufig die Frage nach dem Wert von Indizien. Die Juristen begannen, ganze Lehrbücher mit Theorien über die Indizien zu füllen; man unterteilte in vorausgehende, gleichzeitige und nachfolgende Indizien, in notwendige und zufällige, unmittelbare und mittelbare, einfache und zusammengesetzte, nahe und entfernte. Man sträubte sich, die Todesstrafe auf der Grundlage von Indizienbeweisen zuzulassen, was natürlich inkonsequent war. Die Unsicherheit der Rechtsgelehrten spiegelte sich in der Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts. Erst allmählich erkannte man, dass es sinnlos war, die richterliche Überzeugungsbildung in ein Korsett gesetzlicher Regelungen zu zwängen, sondern dass die Lösung in der Anerkennung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung bestand. Dieser Grundsatz wurde dann 1877 in die Reichsstrafprozessordnung übernommen. Noch heute gilt er in unverändertem Wortlaut als § 261 unserer Strafprozessordnung: „Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.“ Die damit geforderte Gewissensentscheidung intelligenter und redlicher Richter hat nur in zwei Perioden der nachfolgenden deutschen Geschichte versagt, nämlich im dritten Reich und der DDR. Das waren bezeichnenderweise die Zeiten, in denen man die abgeschaffte Folter wieder praktizierte.
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland enthält – anders als die Europäische Menschenrechtskonvention – kein ausdrückliches Verbot der Folter. Das ist auch nicht notwendig, weil das Verbot sich bereits aus dem Postulat nach Achtung und Schutz der Menschenwürde (Art. 1 des Grundgesetzes) ergibt. In die deutsche Strafprozessordnung ist ein ausdrückliches Verbot der Folter – ohne Verwendung dieses Begriffes – erst 1950 eingefügt worden (§ 136 a). Die heute wieder aufgeflammte Diskussion, ob die Folter in besonderen Fällen gleichwohl zulässig sein soll, ist daher müßig.
Die Folter des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war nach der Überzeugung der großen Mehrheit der Zeitgenossen rechtmäßig, sie beruhte auf öffentlich verkündeten päpstlichen Bullen, kaiserlichen Privilegien und feierlichen Reichstagsbeschlüssen; daher kann man von einer Rechtsgeschichte der Folter sprechen. Die in unserer Epoche noch von vielen diktatorischen und autoritären Regimen praktizierte Folter ist dagegen unrechtmäßig, weshalb diese Regime die Anwendung von Foltermethoden regelmäßig leugnen. Es gibt heute nur noch eine Unrechtsgeschichte der Folter.
Aktuelles
Im 20. Jahrhundert während des Nationalsozialismus wurden erneut grausame Vernehmungsmethoden zugelassen und angewandt. In der Bundesrepublik Deutschland ist jegliche Beeinträchtigung der freien Willensentschließung und Willensbetätigung des Beschuldigten durch Misshandlung, Schlafentzug u. a. gesetzlich verboten.
Obwohl es seitens der deutschen Rechtsordnung bei gerichtlicher Verurteilung mit schwerer Strafe bedroht ist, werden in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts immer wieder Fälle bekannt, dass Folter in Deutschland sehr wohl vorkommt. Amnesty International hat mehrfach auf Willkürakte und Misshandlungen seitens deutscher Beamter gegen Asylbewerber (so genannte „Schüblinge“, also Abschiebehäftlinge) hingewiesen. Wegen diverser Todesfälle hat es sogar Gerichtsverfahren und Verurteilungen gegen Beamte in Frankfurt, Köln und Hamburg gegeben.
Aktuelle Diskussionen
Folter durch US-Amerikaner
Gefangene der USA werden bis heute im wegen Verletzung der Genfer Konvention international heftig kritisierten exterritorialen Häftlingslager Guantanamo in Käfige gesperrt und dort auch z.B. durch erzwungenen Schlafentzug gefoltert.
Als Ergebnis des Dritten Golfkrieges folterten US-amerikanische Soldaten (mit zeitweiser Erlaubnis des US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld zwischen dem 2. Dezember 2002 und dem 16. April 2003) Beschuldigte, irakische Kriegsgefangene, Al-Kaida-Mitglieder und Talibankämpfer. Rumsfeld hatte 14 Verhörmethoden abgesegnet, wie leichte körperliche Misshandlungen, "die nicht zu Verletzungen führen", Verharren in schmerzhaften Positionen, bis zu 20-stündige Verhöre, Isolation von Gefangenen bis zu 30 Tagen, Dunkelhaft und stundenlanges Stehen, Bedrohung der Gefangenen mit Hunden und Befragungen nackter Häftlinge. siehe: Abu-Ghuraib-Gefängnis
- Cofer Black, Ex-Anti-Terror-Chef der CIA und heute im Außenministerium: "Es gibt vor und nach dem 11. September, das ist alles, was ich dazu sagen werde" und "Wir haben die Samthandschuhe ausgezogen."
- US-Präsident George W. Bush: "Folter ist nicht das Amerika, das ich kenne. Das Amerika, das ich kenne, ist ein mitfühlendes Land, das an die Freiheit glaubt."
- US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld: "Jeder Amerikaner, der die Fotos sah, muss sich reumütig fühlen gegenüber dem irakischen Volk."
- Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice bat die Iraker offiziell um Verzeihung: "Es tut uns sehr leid, was mit diesen Menschen geschehen ist."
- Der Sprecher der US-Streitkräfte im Irak, General Mark Kimmitt, bat offiziell um Entschuldigung für die "beschämenden Vorfälle".
- MONITOR Nr. 518 am 6. Mai 2004: Folter im Irak: Der moralische GAU der USA
Die USA bestanden aber lange Zeit weiter auf einer Verlängerung der für US-Bürger geltenden Immunität gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof. Interessanterweise bemühte sich die US-Regierung in den Monaten vor dem Überfall auf den Irak verstärkt um Immunität amerikanischer Soldaten. Wenn die Sonderregelung für US-Amerikaner nicht verlängert werde, drohten die USA mit einem Abzug ihrer Soldaten aus UN-Friedenseinsätzen, hieß es aus Diplomatenkreisen in Washington. Seit dem 23. Juni 2004 haben die US-Diplomaten im UN-Sicherheitsrat ihr Ansinnen zurückgezogen. Kritiker bemängelten, das sei erst geschehen, als eine Mehrheit für diese Regelung aussichtslos erschien, also nur taktisch um einer drohenden, Aufsehen erregenden Abstimmungsniederlage zuvorzukommen.
Kritiker der internationalen Presse sowie Amnesty Internationals fragen, warum auch jetzt nur ausgewählte Dokumente von der US-Regierung veröffentlicht wurden, solche die auszugsweise ohnehin bereits ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden. Vorgelegt wurden bis Ende Juni 2004 weder die Direktiven für Irak, noch jene für die CIA.
Regelmäßig verfrachten die USA zudem Gefangene in Drittstaaten, um sie dort foltern zu lassen. Offshore-Folter ist für die US-Administration wichtig, da Folter durch die US-Verfassung auf US-Territorium verboten ist. Die USA kidnappen hierbei auch europäische Staatsbürger in Europa, falls dies opportun erscheint. So wurde der deutschen Staatsbürgers Khaled el Masri von CIA-Agenten an der mazedonischen Grenze festgenommen und nach Afghanistan ausgeflogen, wo er wochenlang gefoltert und verhört wurde. Erst als die US-Agenten sicher waren, dass sie den falschen folterten, flogen sie el Masri zurück nach Europa. (vgl. http://www.andrebrie.de/pds/disput/04-2005.htm)
"Gefahrenabwehr" und das absolute Folterverbot
In Deutschland findet seit einiger Zeit eine öffentlich geführte Diskussion über einen Sonderfall im Zusammenhang mit dem absolut geltenden Folterverbot statt. Ausgelöst wurde diese im Zusammenhang mit der Entführung des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler.
Das Vorgehen der Frankfurter Polizei im Entführungsfall Metzler
Vom damaligen Frankfurter Vizepolizeipräsidenten Wolfgang Daschner wurde im Herbst 2002 angeordnet, dem Verdächtigen im Entführungsfall Metzler, Magnus G., "massive Schmerzzufügung" anzudrohen, und diese gegebenenfalls auch durchzuführen. Bereits nach dieser Androhung dieser Rettungsfolter sagte Magnus G. aus, und verriet den Ermittlern den Aufenthaltsort des Vermissten, der allerdings schon getötet worden war. (Eine Chronologie der Ereignisse findet sich unter Daschner-Prozess.)
Die Rechtslage
Die Anwendung von Folter ist in Deutschland unzulässig, da die von Deutschland ratifizierte Europäische Menschenrechtskonvention, das Grundgesetz und die Strafprozessordnung ein eindeutiges Folterverbot enthalten (s. oben). Dabei ist die Europäische Menschenrechtskonvention nur eine von mehreren internationalen Abkommen , die eine Ächtung bzw. ein Verbot der Folter beinhalten. Verfassungsrechtlich wird außerdem argumentiert, dass die Schmerzandrohung der Frankfurter Polizei die Menschenwürde verletzte, die auch für Tatverdächtige Bestand habe. Sie sei somit verfassungswidrig. Der Schutz der Menschenwürde sei im Grundgesetz absolut, d.h. er dürfe nicht gegen andere Rechte, auch nicht gegen das Recht Dritter auf Leben, abgewogen werden, da sonst die Objektformel verletzt werde. Sie verbietet es dem Staat, eine Person zum Objekt staatlichen Handelns zu machen. Jedoch haben sich in der rechtswissenschaftlichen Diskussion (insbesondere zur Bioethik) in den letzten Jahren vermehrt Stimmen gemeldet, die eine Abwägbarkeit oder Abstufung des Menschenwürdegrundsatzes befürworten und damit ausdrücklich oder als logische Folge auch Folter zulassen wollen. Dies stellt einen Tabubruch dar. Es ist auch vom derzeit kodifizierten Recht nicht gedeckt.
Wenn Vizepräsident Daschner sich auf das Recht der Polizei zum "unmittelbaren Zwang" beruft, wird dabei übersehen, dass nach den Regelungen des Polizei- und Ordnungsrechts Aussagen auch nicht zu Zwecken der Gefahrenabwehr durch unmittelbaren Zwang erpresst werden dürfen (Beispiel Hessen § 52 Abs. 2 SOG). In anderen Bundesländern gibt es vergleichbare Regelungen. Einer moralisch/ethischen Rechtfertigung ist damit ausdrücklich die rechtliche Grundlage entzogen.
Fazit: Individuelle Moral und allgemeines Recht
Das allgemein geltende Recht sieht ein absolutes Verbot der Folter vor. Dies gilt auch für die Androhung von Folter, da ansonsten dieses Verbot obsolet wäre. Davon unabhängig ist es jedoch die Entscheidung des Einzelnen (im genannten Fall: Daschner) eine Entscheidung zu treffen, die illegal ist, die jedoch individual-moralisch zu rechtfertigen ist - was wiederum nicht vor Bestrafung schützen kann.
Zudem liegen die negativen Auswirkungen einer Folterandrohung für eine effektive Strafverfolgung auf der Hand. Im Strafprozess gegen Magnus G. konnten die unter Folterandrohung gemachten Aussagen nicht verwertet werden (§ 136a StPO). Gegen den Polizei-Vizepräsidenten, der die Androhung von Folter angeordnet hatte, und gegen den Polizeibeamten, der die Androhung ausgesprochen hat, wurde vor dem Landgericht Frankfurt wegen Nötigung in einem besonders schweren Fall verhandelt. Am 20. Dezember 2004 wurden gegen beide rechtskräftig Geldstrafen auf Bewährung verhängt. Damit ist gerichtlich festgestellt, dass die Gewaltandrohung auch in diesem Fall rechtswidrig und strafbar war. Der Grund für die Verurteilung war aber, trotz zum Teil anders lautender Medienmeldungen, allerdings nur eine fehlende Erforderlichkeit (wenigst "übeles" gleich zur Abwehr gleich taugliches Mittel) der möglichen Notwehr. Die Frage, ob solcherart folterähnliche Handlungen abstrakt als Notwehr gerechtfertigt sein können, ließ das Gericht offen.
Die Problematik eines "unmittelbaren Zwangs" im Rahmen der so genannten Gefahrenabwehr beschäftigt die Rechtswissenschaft seit langem. Sie wurde bis zum "Fall Daschner" insbesondere am Beispiel des (fiktiven) "Terroristenfalls" von Niklas Luhmann diskutiert.
Foltermethoden
Sensorische Deprivation, Elektroschock, Erschöpfung (Zwangsarbeit), anale oder vaginale Vergewaltigung (mit diversen Gegenständen, mit verbundenen Augen, von mehreren Personen), Pharmakologische Folter (Drogenmissbrauch, Zwangsmedikation), Zwangshaltungen (Stehen, Knien, Sitzen, Hängen, Strappado, Fesseln, Zuchtstuhl), Erniedrigung (Kot essen, Urin trinken, öffentlich masturbieren), Schläge ("Falanga", "Telefono", Auspeitschen), Aufhängen ("Papageienschaukel"), Sauerstoffmangel ("Submarino", Masken), Schlafentzug, Nahrungsentzug, Verbrennungen zufügen, Verstümmelungen (Haare, Nägel, Haut, Zunge, Ohren, Genitalien, Gliedmaßen, Embryo), Verhör-Folter, Zahnfolter, Zwangsuntersuchungen (gynäkologisch, gastroenterologisch), Torstehen, Pfahlhängen ...
Foltermethoden, die keine offensichtlichen Spuren an den Opfern verursachen, nennt man weiße Folter. Dazu gehören zum Beispiel
- Isolationshaft,
- Schlafentzug,
- Reizentzug (z.B. Dunkelhaft in einer Camera silens),
- Sauerstoffmangel-Folter,
- Scheinhinrichtungen,
- Kitzeln.
Psychologie der Folter
Die meisten Menschen haben eine latente Bereitschaft zum Foltern. Diese Bereitschaft bricht sich leichter ihre Bahn, wenn die Folter durch "ethische" Gründe (siehe Wolfgang Daschner) oder Sachzwänge ("mir blieb ja keine Wahl") gerechtfertigt oder gar "zwingend" erscheint. Die Psychologie testet die latente Bereitschaft, anderen Menschen Grausames anzutun (indem man das eigene Gewissen dem Gehorsam unterordnet) mit dem Milgram-Experiment ("Abraham-Test").
Beim Stanford Prison Experiment wurden gesunde, normale Studenten in die Situation von Gefängniswärtern und Gefangenen versetzt, worauf es innerhalb weniger Tage zu Misshandlungen kam. Dies zeigt, dass Folter "normales" menschliches Verhalten ist, wenn Institutionen moralische Regeln außer Kraft setzen.
In einem aktuellen Aufsatz untersucht der Psychologe Philip G. Zimbardo von der University of California, Berkeley, die Täterpsychologie: Unter welchen Bedingungen werden aus gewöhnlichen Menschen folternde Sadisten? Unter anderem gibt er folgendes Zehnpunkte-"Rezept" an:
- Gib der Person eine Rechtfertigung für ihre Tat. Zum Beispiel eine Ideologie, "Nationale Sicherheit", das Leben eines Kindes.
- Sorge für eine vertragsartige Abmachung, schriftlich oder mündlich, in der sich die Person zum gewünschten Verhalten verpflichtet.
- Gib allen Beteiligten sinnvolle Rollen (z.B. Lehrer, Schüler, Polizist), die mit positiven Werten besetzt sind.
- Gib Regeln aus, die für sich genommen sinnvoll sind, die aber auch in Situationen befolgt werden sollen, wo sie sinnlos und grausam sind.
- Verändere die Interpretation der Tat: Sprich nicht davon, dass Opfer gefoltert werden, sondern dass ihnen geholfen wird, das richtige zu tun.
- Schaffe Möglichkeiten der Verantwortungsdiffussion: Im Falle eines schlechten Ausgangs soll nicht der Täter bestraft werden. (Sondern der Vorgesetzte, der Ausführende, etc.)
- Fange klein an: Mit leichten, unwesentlichen Schmerzen. ("Ein kleiner Stromschlag von 15 Volt.")
- Erhöhe die Folter graduell und unmerklich. ("Es sind doch nur 30 Volt mehr.")
- Verändere die Einflußnahme auf den Täter langsam und graduell von vernünftig und gerecht zu unvernünftig und brutal.
- Erhöhe die Kosten der Verweigerung, etwa indem keine üblichen Möglichkeiten des Widerspruchs akzeptiert werden.
- (nach: G. Zimbardo, "A Situationist Perspective on the Psychology of Evil -- Understanding how Good People are Transformed into Perpetrators", In A.G. Miller (ed.), The Psychology of Good and Evil, Guildford Press, NY, 2004)
Die These Zimbardos und ein wesentliches Ergebnis des Milgram-Experiments ist, dass unter solchen Rahmenbedingungen die meisten Menschen bereit sind zu foltern.
Siehe auch
Arbeitsblatt: Die Folter im Mittelalter; Amnesty International,Wolfgang Daschner, Genfer Konvention, Gehirnwäsche, Menschenwürde, Misshandlung, Rechtsordnung, Sadismus, UN-Sonderberichterstatter für Folter, Verfassungswidrigkeit, Überleben-Stiftung für Folteropfer, Spanischer Stiefel, Daumenschraube, Schwedentrunk, Kitzeln
Literatur
- Birck, A. / Pross, C. / Lansen, J. (Hrsg.): Das Unsagbare - Die Arbeit mit Traumatisierten im Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin (Berlin, 2002)
- Dieter Baldauf: Die Folter. Eine deutsche Rechtsgeschichte. Köln: Böhlau 2004. ISBN 3-412-14604-8. (Eine auch für rechtshistorische Laien gut verständliche, gleichwohl aber wissenschaftlich fundierte Darstellung der Rechtsgeschichte der Folter, mit zahlreichen weiteren Literaturnachweisen.)
- Horst Herrmann: Die Folter. Eine Enzyklopädie des Grauens (Frankfurt a. M. 2004) ISBN 3-8218-3951-1. (Die bisher umfassendste und grundlegendste Dokumentation von Foltermethoden und Foltergeräten aus Geschichte und Gegenwart.)
- Jan Philipp Reemtsma: Folter im Rechtsstaat?. Hamburg: Hamburger Edition HIS 2005. ISBN 3-936096-55-4. (Umfassende Materialverarbeitung, triftige Argumentation.)
- Richter, L.: Die Geschichte der Folter und Hinrichtung vom Altertum bis zur Neuzeit (Wien, 2001)
- Mathias Schmoeckel: Humanität und Staatsraison. Die Abschaffung der Folter in Europa und die Entwicklung des gemeinen Strafprozess- und Beweisrechts seit dem hohen Mittelalter. Köln: Böhlau 2000. ISBN 3-412-09799-3 (Umfassende Darstellung der Abkehr von der Folter als logische Folge eines sich entwickelnden modernen Staats- und Justizverständnisses.)
Weblinks
- [1] Der Soziologe und Adorno-Schüler Helmut Dahmer über Folter (insb. der US-Armee im Irak)
- [2] Einsperrungsfolter als Grundzug der Moderne: Michel Foucault
- Weltweite Empörung über Folter in amerikanischen Militärgefängnissen: Die Moral im Krieg und ihr Einsatz als Waffe der Kritik
- Amnesty International Sektion Schweiz: Was ist Folter?
- Amnesty International Sektion Deutschland: DAS FOLTERVERBOT GILT ABSOLUT !, Pressemitteilung, 20. Februar 2003
- BZFO: Folter-Definition nach Angelika Birck vom Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin, 9. Juli 2004
- Überleben - Stiftung für Folteropfer