Richard Oehring

deutscher Publizist und Schriftsteller
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Richard Oehring (* 16. Juni 1891 in Düsseldorf; † 14. Mai 1940) war politischer Aktivist, Schriftsteller und Wirtschaftswissenschaftler

Leben

Richard Oehring wurde als Sohn eines protestantischen Oberpostdirektors geboren. Mit 17 Jahren geht er zusammen mit Alfred Wolfenstein in eine Klasse des Luisenstädtischen Gymnasiums in Berlin. 1909 Abitur. Er zählt zum Freundeskreis der Dichterin Henriette Hardenberg und ihres Bruders Hans. Er nimmt ein Studium in München auf und stößt zusammen mit seinem Bruder Fritz zum Kreis um Erich Mühsam und die Gruppe “Tat”, der auch Oskar Maria Graf, Franz Jung und Georg Schrimpf angehören. Zurück in Berlin schreibt er als Wirtschaftsjournalist Beiträge für “Buchwalds Börsenberichte”. Ab 1912 arbeitet er für die “Die Aktion” und veröffentlicht dort eigene lyrische Werke. Die Novelle “Der Käfig” entsteht. 1913/1914 gehört er zusammen mit Gottfried Benn, Paul Boldt, Alfred Lichtenstein, Franz Pfemfert und anderen zu den Protagonisten der Autorenabende der "Aktion".

Oehring nimmt am 1. Weltkrieg, dem sein Bruder Fritz zum Opfer fällt, teil und wird in Brüssel als Sanitäter stationiert. Er erkrankt, kehrt nach Berlin zurück, wird allerdings nachgemustert und für wehrtauglich erklärt. Er wird erneut eingezogen, desertiert und erreicht durch Lohn- und Nahrungsverweigerung seine Entlassung. 1915 heiratet er Cläre Otto und gehört zusammen mit Franz Jung, Otto Gross und Georg Schrimpf zu den Mitherausgebern der Zeitschrift “Freie Straße”, von der bis 1917 sechs Folgen erscheinen. Die Nummern 3 und 4 werden von Oehring herausgegeben.

Die Ehe scheitert 1917, Cläre Oehring wird die Lebensgefährtin von Franz Jung, Oehring reist nach Wien zu Otto Gross, wo er auch Margarete Kuh kennenlernt, die seine zweite Frau wird. Oehring wird Mitarbeiter von Alfons Goldschmidts “Räte-Zeitung” und gehört mit Ernst Jacobi und Friedrich M. Minck zur "Rätegenossenschaft für wirtschaftlichen Aufbau". 1922 geht er, inzwischen Vater einer Tochter (Mimi), in die Sowjetunion.

Nach seiner Rückkehr arbeitet er in der Handelsvertretung der Sowjetunion in Berlin und beteiligt sich an der Filmorganisation der Internationalen Arbeiterhilfe. 1931 gehört er mit Arvid Harnack, Georg Lukács, Friedrich Lenz und Karl August Wittfogel zu den Mitgliedern der "Arplan" (Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Planwirtschaft). Igor Cornelissen vermutet, dass Oehring 1932 die Arplan-Delegation begleitete, die die Sowjetunion bereist. Im Protokoll der Studienreise findet sich sein Name allerdings nicht.

1933 verlässt Oehring mit seiner Familie Deutschland und emigriert nach Holland, wo er für die sowjetische Handelsorganisation Exportchleb und zugleich für den russischen Geheimdienst arbeitet. Er unterhält engen Kontakt zu Ignaz Reiss, der dort und in anderen Ländern als Agent operierte und im September 1937 - nach seiner öffentlichen Abrechnung mit Stalin und Parteinahme für Trotzki - in Lausanne von Agenten der Auslandsabteilung des NKWD auf offener Straße erschossen wurde. Oehring wirbt Johan Huijts, den Auslandsredakteur der Zeitung "Nieuwe Rotterdamsche Courant“ (NRC) für die geheimdienstliche Arbeit an. Es ist unklar, ob sein Ausscheiden bei Exportchleb 1939 mit dem Tode von Reiss zusammenhängt. Er wird Wirtschaftsberater des NRC, versorgt Huijts mit Wirtschaftsnachrichten aus der Sowjetunion und kann durch ihn im Wirtschaftsteil der Zeitung publizieren. Wie Huijts später berichtete, bekümmerte es Oehring sehr, dass es ihm nicht gelang, die sowjetische Staatsbürgerschaft zu erhalten. So begeht er am 14. Mai 1940, dem Tag der Kapitulation Hollands, Selbstmord.

Werke (alphabetisch)

  • Absolution. In: Die Aktion. 3. Jg., Nr. 46, 15. November 1913, Sp. 1082
  • Bemerkung. In: Freie Straße. 3. Folge. 1916, S. 3-4
  • Das Gespräch. In: Die Aktion. 3. Jg., Nr. 2, 8. Januar 1913, Sp. 52
  • De Profundis. Charité. In: Die Aktion. 3. Jg., Nr. 10., 5. März 1913, Sp. 303
  • Der Bruder. In: Freie Straße. 5. Folge. 1916, S. 11-14
  • Der Dichter. In: Die Aktion. 2. Jg., Nr. 51, 18. Dezember 1912, Sp. 1613
  • Der Fluch. In: Freie Straße. 3. Folge. 1916, S. 4-5
  • Der Gehemmte. In: Die Aktion. 3. Jg., Nr. 2, 8. Januar 1913, Sp. 52
  • Der Käfig. In: Freie Straße. 1. Folge. 1915, S. 9-14
  • Der Verräter. In: Die Aktion. 3. Jg., Nr. 27, 5. Juli 1913, Sp. 658
  • Die Erlösten. In: Die Aktion. 3. Jg., Nr. 51, 20. Dezember 1913, Sp. 1190
  • Die Internierung des Dr. Otto Gross und die Polizei. In: Wiecker Bote. 1. Jg., H. 7, März 1914, S. 1-3
  • Die Organisation des modernen Fabrikbetriebes. Berlin 1920
  • Eisenbahnfahrt. In: Die Aktion. 5. Jg., Nr. 20/21, 15. Mai 1915, Sp. 252
  • Erlebnis. In: Die Aktion. 5. Jg., Nr. 22/23, 29. Mai 1915, Sp. 278
  • Frau. In: Die Aktion. 5. Jg., Nr. 39/40, 25. September 1915, Sp. 497-498
  • Gespräch in mir. In: Freie Straße. 3. Folge. 1916, S. 13-14
  • Insel der Kalypso. In: Die Aktion. 2. Jg., Nr. 48, 27. November 1912, Sp. 1518
  • Landschaft. In: Die Aktion. 5. Jg., Nr. 31/32, 7. August 1915, Sp. 399
  • Schneeland. In: Die Aktion. 3. Jg., Nr. 6, 5. Februar 1913, Sp. 174
  • Schwermut. In: Die Aktion. 2. Jg., Nr. 50, 11. Dezember 1912, Sp. 1587
  • Sowjethandel und Dumpingfrage. Berlin 1931
  • Straßen fließen steinern in den Tag. Gedichte, Erzählungen, Aufsätze. Siegen 1988
  • Verwandlung. In: Die Aktion. 2. Jg., Nr. 48, 27. November 1912, Sp. 1518
  • Vor Frühling wandernd. In: Die Aktion. 5. Jg., Nr. 26, 26. Juni 1915, Sp. 328
  • Zwang und Erleben. In: Freie Straße. 5. Folge. 1916, S. 5

Sekundärliteratur

  • Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft (Arplan): Protokolle der Studienreise nach der Sowjet-Union vom 20. August bis 12. September 1932. Berlin 1932
  • Cornelissen, Igor: De GPOe op de Overtoom. Amsterdam 1989, S. 89, 145-147, 151
  • Dallin, David J.: Die Sowjetspionage. Köln 1956, S. 277
  • Graf, Oskar Maria: Wir sind Gefangene. München 1978, S. 140
  • Jahresbericht des Luisenstädtischen Gymnasiums. Berlin 1909, S. 18
  • Jung, Cläre: Paradiesvögel. Hamburg 1987, S. 13, 25, 30, 39ff., 48ff., 54
  • Jung, Franz: Der Weg nach unten. Hamburg 1986, S. 87f.
  • Kunz, Ludwig: Propheten, Philosophen, Parteigründer ... Eine Erinnerung an Richard Oehring und seinen Kreis. In: Würzner, Hans: Zur deutschen Exilliteratur in den Niederlanden 1933-1940. Amsterdam 1977, S. 119-128
  • Mierau, Sieglinde: Anmerkungen. In: Jung, Cläre. Paradiesvögel. Hamburg 1987, S. 204
  • Raabe, Paul: Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus. Stuttgart 1985, S. 364