Als Splatter bezeichnet man eine Abart des Horrorfilms, bei der das Zeigen von exzessiver Gewalt und Blut im Vordergrund steht. Splatterfilme bilden kein eigenes Genre, sondern bezeichnen eine visuelle und affektorientierte Strategie der filmischen Körperdarstellung. Splatter ist Bestandteil vieler Filme und Genres. Der Begriff Splatter ist ein Onomatopoetikum (Onomatopoesie), das sich aus den englischen Wörtern "splash' und 'spatter' zusammensetzt, welche beide 'spritzen' bedeuten. Vom Splatter unterscheidet sich der Gore (englisch für geronnenes Blut und durchbohren, aufspießen), der sein Augenmerk mehr auf das Ergebnis böser Taten sowie auf totale Zerstückelungen und Ausweidungen legt als der Splatter (welcher nur die Taten an sich zeigt). Eine genaue Differenzierung fällt allerdings in den meisten Fällen schwer. Splatter oder Gore sind jedoch nicht auf den Horrorfilm beschränkt, die unterschiedlichsten Filme können Splatter- und Gorefilme sein (wie z.B. der Kriegsfilm Men behind the sun oder der Science-Fiction-Film Cube).
Geschichte
Explizite Gewaltdarstellungen wie im Splatterfilm galten lange Zeit als Schund und waren verpönt. In der Filmgeschichte tauchen sie zuerst in den Avantgarde-Filme des Surrealismus auf. Beim Surrealisten Luis Buñuel gibt es im Kurzfilm Un Chien Andalou (Ein andalusischer Hund) von 1928 eine berühmte Szene, in der ein Auge mit einer Rasierklinge zerschnitten wird.
In den ersten Gruselfilmen der britischen Hammer Studios wird in den späten 50er Jahren erstmals explizit rotes Blut auf der Leinwand vergossen. Filme wie 'The Curse of Frankenstein' und 'Dracula' (beide mit den Horrorikonen Peter Cushing und Christopher Lee) präsentieren abgetrennte Körperteile und schmelzende Körper. Wenngleich die Filme dieses Produktionszusammenhangs kaum als Splatterfilme im Sinne des Wortes bezeichnet werden können, sind sie als Wegbereiter und Ahnen des Splatterfilms unmittelbar von Belang.
Als erster Splatterfilm wird "Blood Feast" (1963) von Herschel Gordon Lewis angesehen. Die Handlung dreht sich um einen Mann, der unter dem Bann der ägyptischen Gottheit Ishtar steht, und für sie Körperteile sammeln muss. Dieses "Sammeln" wird ausgesprochen explizit dargestellt (so z. B. das Herausreißen einer Zunge bei vollem Bewusstsein des Opfers), doch wirken die Szenen aufgrund der budgetbedingt schlechten Special und Make-Up Effects eher als amüsant und naiv. Das Genre fristete aber noch lange ein Schattendasein.
In Japan, wo Darstellungen von Gewalt und Blut schon aus kunsthistorischen Gründen weit weniger problematisch sind, gab es jedoch schon zuvor Filme, die extreme Gewalteinwirkung explizit und quasi-naturalistisch zeigten. Im Westen sind diese Filme jedoch weitgehend unbekannt. Für die Tradition und Geschichte des westlichen Splatterfilms sind diese deshalb kaum von Belang.
Mit Night of the Living Dead schuf George A. Romero schließlich den Prototypen des modernen Horror- und Splatterfilms. Aus unerklärlichen Gründen erheben sich die Toten aus ihren Gräbern und fallen über die Menschen her. In einem abgelegenen Landhaus verschanzt sich eine Gruppe wild durcheinandergewürfelter Überlebende, um sich gegen die lebenden Toten zur Wehr zu setzen. Doch die Gruppe scheitert am Misstrauen untereinander: Jeder Versuch, dem Tod zu entkommen, bringt die Gruppe ihm nur näher. Der Film zeichnet sich nur eine düstere, apokalyptische Atmosphäre aus, die bis heute ihre Wirkung nicht verfehlt. Der gesellschaftskritische Subtext tritt vor allem zum Ende hin deutlich in den Vordergrund. Der seinerzeit verrissene Film gilt heute bei der Kritik als Meisterwerk und ist aus der Filmgeschichte nicht wegzudenken.
Die 70er Jahre sahen die Genese des Terrorfilms. Filme wie The Texas Chain Saw Massacre (1974, Tobe Hooper) und The Last House on the Left (1972, Wes Craven) brachen endgültig mit Wesen aus der Welt der Phantastik und verorteten den Horror direkt in der Nachbarschaft. Dracula, Frankenstein) und die Mumie hatten ihren Reiz schon lange verloren, an ihre Stellen traten blutrünstige Psychopathen und Kannibalen, die mit Kettensägen und Metzgerswerkzeug meist jugendlichen Opfern an den Leib rückten. Wie die Welle der politischen Paranoiafilme im offiziellen Kinobetrieb passten diese kleinen Filme zum sozialen Klima der USA in den frühen 70er Jahren: Unter den Eindrücken von Vietnam, der brutalen Niederschlagung der Studenten- und Bürgerrechtsbewegung auf den Straßen, zahlreichen politischen Attentaten und Korruptionsskandalen in den oberen Rängen der Regierung wuchs die Unzufriedenheit unter den Menschen. Eine junge Generation zorniger Filmemacher verlieh ihrem latent apokalyptischen Grundgefühl in ihren Filmen primären Ausdruck. Adam Simons Dokumentarfilm The American Nightmare (2000) arbeitet diesen Aspekt der Splatterfilme der 70er Jahre anschaulich heraus.
In Italien geht der Splatterfilm eigene Wege. Nach dem international sensationellem Erfolg von George A. Romeros zweitem Zombiefilm, Dawn of the Dead (1978; in Europa unter dem Namen Zombie vermarktet), dessen europäische Fassung von Dario Argento geschnitten wurde, schneidert der italienische Genrefilmer Lucio Fulci kurzerhand ein inoffizielles Sequel unter dem Titel Zombi 2, der jedoch inhaltlich und narrativ nichts mit Romeros Film gemein hat. Zuvor hatte bereits Argento mit seinem gotischen Hexenfilm Suspiria das Körperinnere des Menschen in überdeutlicher Optik ins Bild gerückt, doch erweist sich der Zombiefilm in Italien als zunächst veritabelstes Geschäft: Zahlreiche Plagiate und Variationen, die sich gegenseitig im Härtegrad der Darstellung zu übertrumpfen suchen, folgen. Als zweiter Arm des italienischen Splatterfilms entwickelt sich bald der Kannibalenfilm: Mit oft vorgeheucheltem ethnologischen Interesse begibt man sich hier vorgeblich in die Dschungel der noch unerforschten Welt, um die Grausamkeiten der unzivilisierten Völker auf Zelluloid zu bannen, die für gewöhnlich jedoch vor allem in den Büros der Produzenten und Drehbuchschreiber ersonnen wurden. Als unbestrittenes Meisterwerk dieser Gattung gilt Ruggero Deodatos Cannibal Holocaust (1979), der sich durch seine clevere Inszenierung (die auch dem Blair Witch Project als Blaupause diente) zum handfesten Kommentar zur Medienwelt und zum Verhältnis der industrialisierten zur indigenen Kultursphäre aufschwingt. Von diesem Film abgesehen herrscht im Kannibalenfilm vor allem inszenatorische/ästhetische Armut und stumpfe Brutalität vor, oft wurden ganze Sequenzen aus anderen Kannibalenfilmen eingefügt, um Geld zu sparen. Bis heute ist das Subgenre aufgrund seiner realen Tierschlachtungen vor laufender Kamera auch unter Splatterfans höchst umstritten. In den 80er Jahren verkommt der italienische Splatterfilm, analog zur einst vitalen italienischen Filmproduktion, zum Billigprodukt für Videotheken.
Eine zentrale Rolle im US-Splatter kommt Sam Raimis The Evil Dead (1982, hierzulande: Tanz der Teufel) zu. Nach den ernsten, apokalyptischen Splatterfilmen der 70er Jahre, lässt dieser Film bereits den Weg zum zukünftigen, so genannten "Funsplatter" postmoderner Provenienz erkennen, bleibt dabei aber selber düster genug, um noch nicht als Komödie durchzugehen. Formal hervorragend inszeniert, erweist sich Tanz der Teufel vor allem auch in seinen vielfachen Bezügen zur literarischen Phantastik und der modernen Kunst als anspruchsvolles Meisterwerk des Genres und genießt seit langer Zeit Kultstatus. In Deutschland erlangte der Film als Reizgegenstand einer langjährigen Zensurdebatte Prominenz und entwickelt sich aufgrund zahlreicher Verbote für lange Zeit zum gesuchtesten und vermutlich auch meistgesehensten Splatterfilm. Vor allem in der provinziellen Videoszene galten verrauschte Kopien x-ter Generation lange Zeit als begehrte Statussymbole, unzensierte Importe aus dem Ausland erzielten Höchstpreise. Seit einem denkwürdigen Gerichtsurteil in den frühen 90er Jahren ist der Film in Deutschland in einer etwa um 40 Sekunden geschnittenen Fassung wieder zugänglich.
Die 80er Jahre waren vom postmodernen und vom Funsplatter bestimmt. Filme wie The Texas Chainsaw Massacre 2, Re-Animator oder die Nightmare-Saga um Freddy Krüger befreiten den Splatter von allzu düsterer Schwere und machten ihn auch für das Popcornkino wieder goutierbar(er). In Deutschland sah dies aufgrund des zensurierenden Umgangs mit Filmen und der entsprechend wirtschaftlich ungleich schwierigeren Situation anders aus. Mit Day of the Dead brachte George A. Romero seine Zombiereihe vorerst zum Abschluss. Im Jahr 1987 kamen in Neuseeland die Dreharbeiten von Bad Taste zum Abschluss: Peter Jackson etablierte hier unter Rückgriff auf das Alien-Invasionskinos vollends den Begriff des Funsplatters, der den Splatter in die Nähe des Slapsticks brachte. Der mit ein paar Freunden privat an Wochenenden gedrehte Film wurde auf internationalen Festivals zum absoluten Kultfilm.
Mit Guinea Pig - Devil's Experiment (Hideshi Hino, Japan, 1985) erreicht der Splatter-/Gorefilm mitte der 80er eine neue Dimension des Gezeigten. Guinea Pig - Devil's Experiment (der auf Amateur-Film-Basis die Folterung einer wehrlosen Frau durch einige Jugendliche zeigt) sowie wahlweise auch sein noch brutalerer Nachfolger Guinea Pig 2 - Flowers of Flesh and Blood (Hideshi Hino, Japan, 1985) gilt in vielen Foren noch heute als brutalster, heftigster und krankester Horrorfilm aller Zeiten. In beiden Filmen wird dem Zuschauer suggeriert, es handle sich um Snuff, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht.
1992 inszenierte Jackson schließlich mit Braindead den Höhepunkt des (Fun-)Splatters. Bis heute trägt der Film den den Titel "blutigster Film aller Zeiten", wobei die Zombie-Revue in erster Linie als eine Art Tom&Jerry für Erwachsene angelegt ist und durch eine Vielzahl von hyperbolischen Gags eher zum Lachen als zum Ekeln anregt. In Deutschland ist auch dieser Film selbstverständlich Gegenstand zahlreicher zensurierender Beschlüsse: Selbst noch stark gekürzte Fassungen werden in schöner Regelmäßigkeit von Amtsgerichten beschlagnahmt, also aus dem Verkehr gezogen. Auf internationalem Parkett sicherte der ungemeine Erfolg von Braindead seinem Regisseur hinreichend Renommée, um auch ernstere Filme (u.a. Heavenly Creatures) und letzten Endes auch die Verfilmung von Tolkiens Herr der Ringe anzugehen. In den 90er Jahren ging Splatter als ästhetische Strategie schließlich im Mainstreamkino auf. Filme wie Starship Troopers, Natural Born Killers, From Dusk Till Dawn und später auch Mel Gibsons umstrittener Jesusfilm The Passion of the Christ wären ohne die Vorarbeiten des Splatterkinos in dieser Form kaum denkbar. Postmoderne TV-Serien wie die Simpsons adeln das Genre durch zitierende Verweise und Gastauftritte von Protagonisten (u.a. Tom Savini, der für zahlreiche Splatterklassiker die Make-Up-Effects erstellte), zahlreiche der einstigen Pioniere sind in Hollywood angelangt.
Heute
Die jüngste Zeit feierte mit zahlreichen Remakes ein Revival des Splatterkinos. Nach der blut- und spannungsarmen Produktion The Wrong Turn, die an den Backwood-Horror a la Texas Chain Saw Massacre anzuschließen versuchte, erfuhren Dawn of the Dead und The Texas Chain Saw Massacre in zeitlicher Nähe zueinander Neuauflagen, die auch beim kritischen Fanpublikum Anerkennung fanden. Rob Zombies Splatter-Revue Haus der 1000 Leichen fiel bei der Kritik zwar durch, ist aber für die Fans als verweisungsreiche, liebevoll gestaltete Hommage decodierbar. Weitere Remakes und eigenständige Produktionen folgten, im Verbund mit zahlreichen Remakes von japanischen Horrorfilmen ergibt sich eine Horrorwelle, die bis heute (2005) anhält. Jenseits dieser großen A-Produktionen fristet der Splatter- und Horrorfilm auch sein Nischendasein: Weltweit wurden und werden zahlreiche kleine Horror- und Splatterfilme produziert, die - abseits der Filmöffentlichkeit - auf Events wie dem jährlichen Fantasy Filmfest dem Fanpublikum präsentiert werden.
Merkmale
Splatterfilme sind ein Subgenre des Horrorfilms und unterscheiden sich dadurch vom klassischen Horrorfilm, dass Spannung und Angst nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Stattdessen richtet sich der Mittelpunkt der Darstellung oft auf das Zeigen von Blut, Gedärmen (engl.: gore) und den Ekel des Zuschauers. Viele Filme enthalten zudem Actionelemente und fordern auch einen gewissen (z. T. geschmacklosen) Humor vom Zuschauer ab, was die relativ hohe Bekanntheit von "Armee der Finsternis" (1993) und "Braindead" erklärt und weshalb sich solche Filme auch meist weder selbst ernst nehmen noch vom Zuschauer ernst genommen werden wollen.
Wichtige Splatterfilme
- Blood Feast (1963)
- Zombie - Dawn of the Dead (1978)
- Cannibal Holocaust (1979)
- Muttertag (1980)
- Tanz der Teufel (1982)
- Zombie - Day of the Dead (1985)
- Re-Animator (1985)
- Guinea Pig (1985)
- Bad Taste (1987)
- Braindead (1992)
- From Dusk Till Dawn (1996)
- Zombie - Dawn of the Dead (Remake, 2004)
- Shaun of the Dead, eine Art Hommage an den klassischen Splatterfilm (2004)
Wichtige Regisseure
- George A. Romero (*1940)
- Lucio Fulci (*1927 †1996)
- Ruggero Deodato (*1939)
- Peter Jackson (*1961, drehte auch die Verfilmungen von Herr der Ringe)
- Brian Yuzna (*1951)
- Sam Raimi (*1959)
- Christian Holzner (*1970, deutscher Independent)
- Olaf Ittenbach (*1969, deutsche Splattervideos)
Wichtige Schauspieler
Nicht viele Schauspieler aus dem Splattergenre haben je den "Durchbruch" zum Weltstar geschafft. Es gibt Leute, die denken, dass nur Bruce Campbell diesen Sprung geschafft hat, denn man sieht ihn immer wieder als kleine Gastrolle in bekannten Filmen wie Spiderman oder Serien wie Xena (TV) mitspielen.
Weblinks
Literatur
- Julia Köhne, Ralph Kuschke, Arno Meteling (Hrsg.): Splatter Movies. Essays zum modernen Horrorfilm. (Bertz + Fischer Verlag 2005) - Infosite des Verlags
- Daniel Libbitz: Gore - Die Meister des Blutes (MPW Verlag)