Sexueller Missbrauch von Kindern

sexuelle Handlungen an oder vor Kindern gegen deren Willen
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Sexueller Missbrauch von Kindern ist jede Form der Einbeziehung von Kindern in sexuelle Handlungen. Ein solcher Missbrauch wird strafrechtlich verfolgt. Als Kinder werden vom Gesetzgeber im allgemeinen Personen vor oder zu Beginn der Pubertät verstanden. Die Definition einer "sexuellen Handlung" wird dabei unterschiedlich umfassend gehandhabt. Grob gesprochen kann man von weit gefassten Definitionen sprechen, die jedwedes Einbeziehen eines Kindes in jedwede sexuelle Handlungen als Missbrauch einstufen, und von eng gefassten Definitionen, die nur physische sexuelle Handlungen gegen den Willen des Kindes als "Missbrauch" bezeichnen. In jüngerer Zeit lässt sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein Trend zur weiter gefassten Definition des Kindesmissbrauchs und zur Verschärfung des Strafrechts in diesem Sinne feststellen.

Definitionen

Sexuelle Handlung

Allen Definitionen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemein ist, dass eine sexuelle Handlung als notwendiges oder als hinreichendes Kriterium vorhanden sein muss. Es ergeben sich Unterschiede, welche Handlungen als sexuell definiert werden.

Weitgehende Übereinkunft besteht darin, folgende Handlungen als sexuell zu definieren:

  • die Berührung der primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale des Kindes;
  • die Berührung erogener Zonen wie Beine oder Gesäß;
  • Handlungen, die mit dem Eindringen in den Körper des Kindes verbunden sind (Zungenküsse, Petting, Oralverkehr, Analverkehr, Geschlechtsverkehr, Einführung von Gegenständen in die Geschlechts- oder Afteröffnung des Kindes);
  • die Masturbation eines Jugendlichen oder Erwachsenen vor den Augen des Kindes;
  • die Aufforderung des Kindes zur Masturbation;
  • die Einwirkung auf das Kind durch Reden oder pornografische Abbildungen (siehe Pornografie)
  • exhibitionistische Handlungen vor dem Kind.

Diese Aufzählung enthält hinreichend objektivierbare Kriterien, die sich i.d.R. über die Intensität der sexuellen Handlung definieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die sexuelle Handlung vor einem Kind, an einem Kind oder ob sie von einem Kind auf Veranlassung an sich selbst vorgenommen wird.

Daneben gibt es auch nicht objektivierbare Kriterien, die darauf basieren, dass eine Handlung dann und nur dann sexuell ist, sobald sie der Befriedigung sexueller Bedürfnisse einer der beteiligten Personen dient. Dies umfasst einerseits Handlungen mit und ohne Körperkontakt, wenn diese der sexuellen Bedürfnisbefriedigung dienen, schließt aber andererseits Handlungen mit Körperkontakt, die nicht der Befriedigung sexueller, sondern anderer Bedürfnisse (medizinische oder sadistische Motivation) dienen, aus.

Als Sonderfall gibt es bei der juristischen Definition der Bundesrepublik Deutschland die Einschränkung, dass die sexuelle Handlung als solche vom deklarierten Opfer auch wahrgenommen werden muss. Dies ergibt sich aus der notwendigerweise vorliegenden Rechtsgutsverletzung einer Person (siehe § 184c StGB).

Eng gefasste Definitionen sexuellen Missbrauchs von Kindern legen oftmals Körperkontakt (Berührungen an Geschlechtsmerkmalen oder Penetration) und fehlende Einwilligung als notwendiges Kriterium zu Grunde. Weiter gefasste Definitionen zielen auf das Vorliegen umfangreich definierter sexueller Handlungen als hinreichendes Kriterium ohne Berücksichtigung der Einwilligung oder des Vorhandenseins eines Körperkontakts ab (Exhibitionismus, Einwirkungen durch pornografische Abbildungen).

Alter der Beteiligten

Im biologischen, psychologischen und soziologischen Sinn gelten Kinder als Personen vor dem Einsetzen der Pubertät. Diese beginnt bei Jungen etwa im Alter von 11-12 und bei Mädchen im Alter von 10-11 Jahren und unterliegt bei beiden Geschlechtern einer großen Varianzbreite. Das Eintrittsalter in die Pubertät zur Eingrenzung des Kindesalters beim sexuellen Missbrauch findet nur selten und bei eng gefassten Definitionen Anwendung. Häufiger ist eine willkürlich festgelegte Altersgrenze anzutreffen. Diese richtet sich nach juristischen Kriterien (Strafmündigkeit, bedingte Geschäftsfähigkeit) und weniger nach dem individuellen Entwicklungsstand. In Europa liegt diese Altersgrenze zwischen 12 (Niederlande, Vatikan) und 17 (Nordirland), in Deutschland bei 14 Jahren.

Das Alter des Sexualpartners des Kindes wird in manchen, jedoch nicht allen Definitionen, in unterschiedlicher Weise als Kriterium für sexuellen Missbrauch von Kindern herangezogen. Hierbei kommt sowohl ein relativer Altersunterschied als auch eine absolute Altersobergrenze des Sexualpartners vor. Der relative Altersunterschied wird dabei häufig durch einen Mindestaltersunterschied von drei oder fünf Jahren festgesetzt, als absolute Altersobergrenze wird meist die Volljährigkeit (18 oder 21 Jahre) des älteren Partners festgelegt. Je nach Definition tritt das Alter des Beteiligten als notwendiges oder als hinreichendes Kriterium auf.

Sexueller Missbrauch liegt auch bei Einwilligung des Kindes vor

Allen Definitionen gemein ist, dass sexuelle Handlungen gegen den Willen eines Kindes ein hinreichendes Kriterium für sexuellen Missbrauch ist. Dies steht weitgehend in Einklang mit allgemeinen Definitionen von sexuellem Missbrauch.

In weit gefassten Definitionen werden zum Teil auch sexuelle Handlungen, die mit Einwilligung des Kindes erfolgten, als sexueller Missbrauch von Kindern verstanden. Dies ist auf die in der Mitte der 1980er Jahre in den USA entstandene Debatte um den so genannten informed consent entstanden. Demnach können Kinder zwar willentlich (simple consent), nicht aber wissentlich (informed consent) in sexuelle Handlungen einwilligen (siehe informed consent). Eine Differenzierung zwischen Verstößen gegen den simple consent (Vergewaltigung) und gegen den informed consent (Verhandlungsmoral) findet häufig nicht statt.

Das Kriterium einer fehlenden wissentlichen Zustimmung des Kindes zu sexuellen Handlungen in Verbindung mit einer Alterseinschränkung des Sexualpartners tritt bei manchen Definitionen auf, verfügt jedoch über keine Validität, da die Fähigkeit zur wissentlichen Zustimmung zu sexuellen Handlungen nicht vom absoluten Alter des Partners bzw. nicht vom relativen Altersunterschied zum Partner abhängig ist.

Sonstige Begrifflichkeiten

Synonym zu sexuellem Missbrauch von Kindern werden vornehmlich in der politischen - nicht in der wissenschaftlichen - Debatte die Begriffe sexuelle Gewalt an Kindern oder sexuelle Ausbeutung von Kindern verwendet. Der Begriff sexuelle Gewalt zielt auf das bisweilen verwendete Kriterium der psychischen oder physischen Gewalt ab, wird aber bei dieser Definition auch auf nicht gewalttätige sexuelle Handlungen mit Kindern angewandt. Der Begriff sexuelle Ausbeutung beschreibt die einseitige Ausbeutung eines Kindes zur sexuellen Bedürfnisbefriedigung unter Ausnutzen der Zwangslage eines Kindes oder unter Anwendung von Gewalt. Dieser Begriff wird ebenfalls auf nicht gewalttätige und ausbeuterische sexuelle Handlungen mit Kindern angewandt. Der Begriff sexueller Missbrauch an Kindern, der die Benutzung eines Kindes zur Bedürfnisbefriedigung des Erwachsenen stärker betonen will, findet sich häufig im feministisch-parteilichen Umfeld, aufgrund der inkorrekten Grammatik, fehlenden Neutralität und der durch Definition deklarierten Verdinglichung von Kindern jedoch nicht in der wissenschaftlich fundierten Missbrauchsforschung.

Die Bezeichnung "sexueller Missbrauch" wird kritisiert, weil sie einen korrekten "sexuellen Gebrauch" von Kindern impliziert, ähnlich dem Unterschied zwischen Alkohol-Missbrauch und Alkohol-Gebrauch. Andererseits ergibt sich Kritik an dem Begriff, da - bei weiten Definitionen - auch altersübliche sexuelle Handlungen unter Kindern als Missbrauch bezeichnet werden.

Sexueller Missbrauch von Kindern wird in Verbindung mit Qualifikatoren wertneutral auch als sexuelle Handlung mit Kindern bezeichnet.

Juristische Definition

Die juristischen Definitionen von sexuellem Missbrauch von Kindern unterscheiden sich international beträchtlich. Ursache sind unterschiedlich zu Grunde liegende Rechtsgüter.

Bundesrepublik Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland gelten jegliche sexuelle Handlungen an, mit oder vor Kindern als sexueller Missbrauch. Als Kinder gelten Personen vor dem vollendeten 14. Lebensjahr. Geschützt ist die "ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes" (Schönke) bzw. "von vorzeitigen sexuellen Erlebnissen ungestörte Gesamtentwicklung des Kindes" (Tröndle). Somit liegt sexueller Missbrauch von Kindern unabhängig von der Anwendung von Gewalt sowie vom Alter des Täters vor. Bestraft wird überwiegend nach § 176 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern). In Konkurrenz zu § 176 StGB stehen auch § 173 StGB (Beischlaf zwischen Verwandten), § 174 StGB (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen), § 177 StGB (Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung), § 179 StGB (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen), § 182 StGB (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, §183 StGB (Exhibitionistische Handlungen) und §184 StGB Abs. 3, Nr. 3 (Herstellung kinderpornografischer Schriften).

Die Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland wird in Zukunft härter gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vorgehen. Die Strafen für Kindesmissbrauch wurden erhöht und die Liste der Straftatbestände erweitert. Das Gesetz sieht keine "minderschweren Fälle" bei sexuellem Missbrauch von Kindern mehr vor. Stattdessen wird zum "einfachen sexuellen Missbrauch" die Kategorie der "besonders schweren Fälle" hinzugefügt. Die Mindeststrafe dafür hat sich auf ein Jahr erhöht. Strafbar ist dabei auch sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt. So droht etwa Tätern, die Kindern Pornohefte zeigen, damit diese die dort gesehenen Handlungen wiederholen, eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Auch gegen die Internet-Kinderpornografie durch geschlossene Benutzergruppen wird schärfer vorgegangen. Hier droht ein Freiheitsentzug von bis zu zehn Jahren. Erhält jemand Kenntnis über den sexuellen Missbrauch von Kindern, besteht eine Anzeigepflicht. Die DNA-Analyse wird für alle Sexualstraftäter verpflichtend, bei denen nach dem psychologischen Gutachten eine Wiederholungstat zu erwarten ist.

Weiterführende Informationen: § 176 StGB

Schweiz

In der Schweiz werden nach Artikel 187 StGB sexuelle Handlungen von und mit Personen unter 16 Jahren (Kind) mit bis zu fünf Jahren Zuchthaus bestraft.

Als schwere Sexualdelikte an Kindern gelten laut schweizerischem StGB: sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Schändung, Förderung der Prostitution, Menschenhandel und Inzest. Bei schweren Sexualdelikten an Kindern unter 16 Jahren beginnt der Verjährungszeitraum erst zu dem Zeitpunkt, zu dem das Opfer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Dadurch soll verhindert werden, dass schwere Sexualdelikte an Kindern unter 16 Jahren - für die eine Verjährungsfrist von 10 Jahren gilt - bereits verjährt sind, wenn das Opfer erstmalig über den erlittenen sexuellen Missbrauch zu reden beginnt und Anzeige erstattet. Nach entwicklungspsychologischen Erkenntnissen sind nämlich Personen, die als Kind sexuell missbraucht wurden, oft erst nach ihrer Jugendzeit fähig, über den Tathergang zu sprechen, vor allem dann, wenn die sexuelle Handlung in der Familie stattgefunden hat.

Die Handlungen bleiben straffrei, wenn der Altersunterschied weniger als drei Jahre beträgt. Liegt eine Nötigung, Vergewaltigung oder Schändung vor, greifen in erster Linie die Artikel 189, 190 oder 191, die eine Höchststrafe von 10 Jahren Zuchthaus vorsehen.

Sonstige

Als geschütztes Rechtsgut in den USA gilt die fehlende Einwilligungsfähigkeit von Kindern in sexuelle Handlungen (siehe: informed consent). Als Kinder gelten dabei im Wesentlichen Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Kindesmissbraucher werden als "Pädophile" bezeichnet. Sexuelle Handlungen unter und mit Jugendlichen (Kinder) werden als so genannter statutory rape ("Vergewaltigung per Statut") bestraft.

Häufigkeit

Zur Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern liegen eine Vielzahl von Studien vor, die sich jedoch aufgrund unterschiedlich verwendeter Missbrauchsdefinitionen nur schwer vergleichen lassen. Übereinstimmend festhalten lässt sich, dass sexuelle Handlungen mit Kindern häufig vorkommen.

Grundsätzlich ist zwischen Inzidenz- und Prävalenzstudien zu unterscheiden. Inzidenzstudien geben Auskunft über bekannt gewordene Fälle, während Prävalenzstudien auf Stichproben aus der Allgemeinheit oder solche, die auf die Allgemeinheit übertragbar sind, zurückgreifen.

Inzidenzstudien

In der Bundesrepublik Deutschland kommen jährlich etwa 15.000 Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs (§ 176 StGB) zur Anzeige (Polizeiliche Kriminalstatistik) bei etwa gleichbleibender Tendenz sowie gestiegener Anzeigebereitschaft in den letzten Jahren (Stand 2002). Im Jahre 2001 wies die Statistik noch 19.230 Opfer des sexuellen Kindesmissbrauchs auf. Davon waren 77% weiblich und 23% männlich. Die überwiegende Mehrzahl der kindlichen Opfer (rund 91%) war zwischen sechs und 14 Jahre alt. Bei den Tätern handelte es sich in 97% der Fälle um männliche Personen. Die nähere Analyse ergab, dass die männlichen Täter vor allem in den Altergruppen zwischen 14-18, 21-25 und 30-40 Jahren zu finden waren. Die Aufklärungsquote (das prozentuale Verhältnis von aufgeklärten zu bekannt gewordenen Fällen des Kindesmissbrauchs) liegt laut Kriminalstatistik bei ca. 75%. Maßgeblich dafür ist der hohe Anteil an angezeigten Sexualdelikten, bei denen der Täter dem Opfer gut bekannt war. Insgesamt gesehen sind die Missbrauchsfälle leicht rückläufig.

Die Tathandlungen reichen meistens von exhibitionistischen Verhaltensweisen bis hin zu körperlicher Berührung ohne Penetration. Vorfälle mit Penetrationen sind deutlich seltener. Nach einer Untersuchung des Bundeskriminalamtes fand in 85 % der angezeigten Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs keine Drohung oder Nötigung statt (Baurmann 1985).

Kriminologische Studien haben gezeigt, dass hinsichtlich der Strafverfolgung der Täter ein deutlicher Ausfilterungsprozess stattfindet, der oft schon im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren erfolgt und dazu führt, dass nur ein kleiner Teil der Tatverdächtigen angeklagt und verurteilt wird. Der relativ hohe Anteil exhibitionistischer Handlungen vor Kindern mag ebenfalls zur Folge haben, dass nur relativ wenige Tatverdächtige verurteilt werden. Hinzu kommt eine hohe Zahl an Falschanschuldigungen, insbesondere bei familienrechtlichen Auseinandersetzungen (Schönke). Den angezeigten Fällen stehen damit nur etwa 2.200 Verurteilungen gegenüber (Strafverfolgungsstatistik). Hauptgründe der Verfahrenseinstellungen sind der fehlende Tatverdacht oder Verfahrenshindernisse (vgl. T. Gunder: Der Umgang mit Kindern im Strafverfahren: Eine empirische Untersuchung zur Strafverfolgung bei Sexualdelinquenz. Frankfurt am Main 1999).

Berücksichtigt werden muss allerdings, dass die angegebenen Zahlen nicht die tatsächliche Häufigkeit des Kindesmissbrauchs widerspiegeln: Es existiert ein erhebliches Dunkelfeld durch diejenigen Fälle, die nicht zur Anzeige gebracht werden. Dieses Dunkelfeld ist nur schwer abzuschätzen, weil es z.B. in der Bundesrepublik Deutschland bisher keine regelmäßigen Opferumfragen oder Studien zur Kriminalitätsbelastung gibt und derartige Studien auch nur einen gewissen Prozentsatz des Dunkelfeldes aufhellen können (vgl. J. Elz: Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern. Sexuelle Missbrauchsdelikte. Wiesbaden 2001, 39 ff.). Auch die Befragungsmethode kann einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die erzielten Ergebnisse haben. Die Dunkelziffer, also das Verhältnis der bekannt gewordenen zu den tatsächlich begangenen Sexualstraftaten, schwankt je nach Einschätzung zwischen 1:5 und 1:20.

Aufgrund der höheren Anzeigebereitschaft bei Fremdtätern zeigen Inzidenzstudien eine höhere Gewichtung von Taten, bei denen entweder keine Vorbeziehung zum Tatverdächtigen bestand oder bei denen Gewalt angewendet wurde sowie eine geringere Gewichtung von Taten, die ohne Gewalt durchgeführt wurden bzw. bei denen eine Vorbeziehung zum Tatverdächtigen bestand.

Nach den Resultaten entsprechender Dunkelfeldstudien stammen die Mehrzahl der Täter sexuellen Kindesmissbrauchs aus dem Bekanntenkreis der Kinder und ihrer Familien. Inzestdelikte sowie Taten völlig fremder Täter machen einen geringeren Anteil aus. Nach Engfer ("Sexueller Missbrauch", in: Oerter/Montada: Entwicklungspsychologie, 1998, S. 1010 f.) waren bei Studentinnen, die in ihrer Kindheit missbraucht wurden, die Hälfte der Täter Bekannte, ein Viertel Verwandte und Angehörige und ein Fünftel Fremdtäter. Der leibliche Vater war nur bei rund 2-3% der missbrauchten Mädchen der Täter. Bei den Knaben allerdings kommen die Täter mit 10 bis 20% wesentlich seltener aus der eigenen Familie als bei Mädchen (Bange/Deegener: Sexueller Missbrauch an Kindern. Ausmaß, Hintergründe, Folgen, 1996, S. 49).

Prävalenzstudien

Die Ergebnisse von Prävalenzstudien zeigen auf, dass etwa 2 bis 30 Prozent der weiblichen Bevölkerung in ihrer Kindheit bzw. frühen Jugend sexuelle Handlungen erlebt haben. Die Prävalenzen variieren sehr stark und hängen im Wesentlichen von den verwendeten Missbrauchsdefinitionen (Anwendung von Gewalt, Körperkontakt, Alter des Opfers, Alterunterschied zum Täter, Selbsteinschätzung) ab. Dabei zielen Prävalenzstudien vornehmlich auf nicht gewollte sexuelle Handlungen ab. Erhebungen über gewollte sexuelle Handlungen sind nahezu nicht anzutreffen; dies ist weiteren Forschungsaktivitäten vorbehalten.

Hohe Prävalenzraten sexueller Handlungen im Kindes- bzw. frühen Jugendalter sind vornehmlich bei Studien mit weit gefassten Missbrauchsdefinitionen zu finden. Die methodisch exakteste Studie in der Bundesrepublik, bei der rund 3.200 Personen zwischen 16 und 59 Jahren befragt wurden (Wetzels 1997), geht davon aus, dass 6,2 Prozent der Mädchen und 2 Prozent der Jungen unter 14 sexuelle Handlungen gegen ihren Willen erlebt haben. Unberücksichtigt blieben dabei exhibitionistische Handlungen. Wurden die Altergrenzen für echte Missbrauchsfälle dahingehend erweitert, dass man auch Opfer im Jugendalter einbezog, so ergab sich, dass 7,3% der Jungen und 18,1% der Mädchen in ihrer Jugend sexuell missbraucht wurden.

Dies deckt sich in etwa mit den Ergebnissen der Studie von Coxell et al. (British Medical Journal, 1997). Die Forscher befragten 2.500 Männer zu sexuellen Aktivitäten vor ihrem sechzehnten Lebensjahr, bei denen der Sexualpartner mindestens fünf Jahre älter war. Von den Befragten berichteten 7,7 % über freiwillige und 5,3 % über unfreiwillige Sexualkontakte mit einem Mann, der beträchtlich älter war. Demzufolge hätten 13 % der Knaben sexuelle Kontakte mit einem Mann gehabt, die in einer weiter gefassten Definition als Missbrauch einzustufen sind. (Vgl. A. Coxell, M. King, G. Mezey, G. Gordon, "Lifetime prevalence, characteristics, and associated problems of non-consensual sex in men: cross sectional survey". British Medical Journal 318: 850, 27 March 1999.)

Generell scheint es bei Mädchen häufiger als bei Jungen zu sexuellen Kontakten mit (meist männlichen) Erwachsenen zu kommen. (Vgl. auch P. Cox, S. Kershaw, T. Trotter, ed., Child Sexual Assault: Feminist Perspectives, Palgrave, London, 2001.)

Umgang mit Häufigkeitsangaben

Häufigkeitsangaben über sexuellen Kindesmissbrauch werden oft verzerrt oder falsch dargestellt.

Zahlreiche Organisationen veröffentlichten unter Berufung auf das Bundeskriminalamt (BKA) Zahlen von 200.000 bis 300.000 missbrauchter Kinder pro Jahr in Deutschland. Diese Angaben wurden vom Bundeskriminalamt zurückgewiesen, finden sich aber dennoch in der Sekundärliteratur (Levold 1997) wieder. Häufig werden im Zusammenhang mit der Polizeilichen Kriminalstatistik unzulässigerweise angezeigte und versuchte Fälle mit begangenen Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs dargestellt. Ebenso werden diese Fälle mit sexueller Gewalt bzw. als Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts dargestellt sowie der Anteil kindlicher oder jugendlicher Tatverdächtiger außen vor gelassen (siehe Juristische Definition bzw. § 176 StGB).

Dem gegenüber steht, dass eine hohe Zahl von Kindern - zumeist Mädchen - Verletzungen ihres sexuellen Selbstbestimmungsrechts erfahren.

Missbrauchshandlungen

Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes gibt Auskunft über die Missbrauchshandlungen der angezeigten Fälle sexuellen Missbrauchs (Hellfeld). Es ist davon auszugehen, dass aufgrund erhöhter bzw. verminderter Anzeigebereitschaft Taten von fremden Tatverdächtigen (z.B. Exhibitionisten vor Kindern) über- und Taten aus dem Nahfeld des Kindes unterrepräsentiert sind.

Etwa zwei Drittel der Missbrauchshandlungen der angezeigten Fälle fanden mit Körperkontakt und etwa ein Drittel ohne Körperkontakt statt. Bei den Fällen mit Körperkontakt entfallen etwa drei Viertel der auf einfache sexuelle Handlungen mit einem Kind während ein Viertel der Handlungen mit Eindringen in den Körper des mutmaßlichen Täters oder Opfers (Beischlaf, intensives Petting, Zungenküsse) verbunden sind. Bei den angezeigten Fällen ohne Körperkontakt entfallen etwa zwei Drittel auf Exhibitionismus vor Kindern, das restliche Drittel bestand aus dem Vornehmen sexueller Handlungen von Kindern an sich selbst bzw. dem Vorzeigen pornografischer Darstellungen.

In der Mehrzahl der zur Anzeige gebrachten Fälle handelt es sich um einmalige Übergriffe. Jedoch nehmen die Anzahl, die Dauer und die Intensität der sexuellen Handlungen mit der sozialen Nähe zwischen Täter und Opfer zu. Allerdings sind missbrauchende Väter seltener anzutreffen, als oft vermutet wird. Nur zu einem Drittel sind die Täter Familienmitglieder, zu einem weiteren Drittel kommen sie aus dem sozialen Umfeld des Kindes. Der Rest der Missbrauchsdelikte entfällt auf die Fremdtäter.

Der Anteil des sexuellen Missbrauchs zur Herstellung kinderpornografischer Schriften nimmt etwa 1,2 Prozent ein. Der sexuelle Missbrauch mit Todesfolge beträgt etwa 0,012 Prozent (2 Fälle) an der Gesamtzahl der Fälle sexuellen Missbrauchs.

Täter

Klassifizierungen

Tätertypen

Bei Betrachtungen von Tätern sexuellen Missbrauchs werden üblicherweise Exhibitionisten ausgeklammert, da es sich bei Exhibitionismus um ein gesondert zu betrachtendes Phänomen handelt. Täter sexuellen Missbrauchs zeichnen sich nicht durch gemeinsame Attribute aus. Sie sind in allen Bevölkerungsschichten vertreten.

Die Täter werden nach folgenden Typen klassifiziert:

Regressiver Typ

seine primäre sexuelle Orientierung ist auf Erwachsene gerichtet, er ist durch Kinder jedoch sexuell erregbar. Aufgrund der leichten Verfügbarkeit von Kindern, wegen nichtsexuellen Problemen sowie wegen Problemen mit erwachsenen Sexualpartnern greift er zur sexuellen Befriedigung auf Kinder zurück. Man spricht deshalb auch von einem Ersatzobjekttäter.

Fixierter Typ

er zeichnet sich durch seine primäre sexuelle Orientierung auf Kinder aus. Er ist durch Erwachsene sexuell nicht oder kaum erregbar. Es handelt sich um den klassischen Pädophilen.

Soziopathischer Typ

er zeichnet sich durch mangelnde Empathie für Opfer und bisweilen durch sadistische Neigungen aus. Die Sexualität dient ihm nicht primär zur sexuellen Befriedigung, sondern als Mittel zur Unterdrückung. In diesem Zusammenhang wird auch von einem sadistischen Typ gesprochen.

Nach vorsichtigen Schätzungen sind die regressiven Täter mit etwa 90 Prozent am häufigsten anzutreffen. Der fixierte Typ folgt mit etwa zwei bis zehn Prozent an zweiter Stelle. Der soziopathische Typ tritt nur in wenigen Einzelfällen auf. Allerdings ist zu fragen, ob sexuelle Straftäter, die mit einer Frau in einer Familie zusammenleben, wegen der zu erwartenden gesellschaftlichen Ächtung bei Befragungen überhaupt zugeben würden, primär auf Kinder fixiert zu sein.

Geschlecht

Nach derzeitiger Sachlage bilden Männer etwa 85 bis 90 Prozent der Täter. Der Anteil weiblicher Täter ist erst in jüngerer Zeit in das Blickfeld wissenschaftlicher Untersuchungen gelangt.

Alter

Häufigste Altersgruppe der mutmaßlichen Täter sexuellen Missbrauchs sind die 14-16jährigen, gefolgt von den 16-17jährigen. Bei diesen jungen Tätern handelt es sich oft um sozial auffällige Jugendliche, die gelegentlich Übergriffe auf altersgleiche oder altersnahe Personen verüben, um ihre Sexualität und/oder ihre Machtbedürfnisse gegenüber minderjährigen Opfern auszuprobieren. Mit zunehmenden Alter sinken die Belastungszahlen. Zählt man allerdings alle Täter über 18 zusammen, so überwiegen natürlich die erwachsenen Straftäter deutlich. Dabei zu beachten ist, dass der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs (§ 176 StGB) sowohl freiwillige wie unfreiwillige sexuelle Handlungen mit Kindern unter Strafe stellt.

 

Tatverdächtigen-Belastungszahlen (TVBZ) beim sexuellen Missbrauch von Kindern (Tatverdächtige pro 100.000 der Bevölkerung der gleichen Altersgruppe). Grundlage: PKS 1996

Vorgehensweise der Täter

Da etwa zwei Drittel der Täter aus dem Nahfeld des Kindes stammen, besteht bei den meisten Taten zwischen dem Täter und dem Kind eine Vorbeziehung. Überfallartiger Missbrauch durch unbekannte Fremdtäter bildet eher die Ausnahme. Laut Bernd Roßbach vom BKA gibt es "eine sehr enge Beziehung zwischen Täter und Opfer, die so weit geht kann, dass sich der Täter sicher sein kann, sein Opfer derart unter Kontrolle zu haben, dass ein Verrat nach außen ausgeschlossen werden kann und das ermöglicht diese Straftaten und Misshandlungen dauerhaft und auch Wiederholungsfälle zu begehen."

Die häufigste Strategie bei Tätern aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis des Kindes ist die emotionale Zuwendung. Bei weniger nahestehenden Personen kommt es eher zur Androhung bzw. Ausübung körperlicher oder psychischer Gewalt, um das Kind gefügig zu machen (Engfer 1998, S. 1011). Oft versuchen die Täter aber, das Kind von ihnen emotional abhängig zu machen. Es kommt dann zu einer besonders innigen "Zuwendung" zum Kind. Häufig wird die sexuelle Annäherung in der Anfangsphase als Spiel getarnt. Das Kind genießt zunächst die ihm zuteil werdende Aufmerksamkeit eine Weile, aber irgendwann kommt es zu einem sexuellen Übergriff, wenn auch in der Mehrzahl der Fälle ohne Anwendung physischer Gewalt. Dem Kind gefällt dies meistens nicht, es wendet sich vom Täter ab, und niemand versteht, dass es den Verwandten, der sich so merkwürdig verhält, nicht mehr besuchen möchte.

Es gibt aber auch etliche Missbrauchstäter außerhalb des engeren Familienkreises. Diese können dem Kind vertraute Personen aus dem Freundeskreis der Familie, aus der Nachbarschaft, aus Vereinen und Jugendgruppen sein; zum anderen können es Fremde sein, die sich den Kindern und Jugendlichen nähern. Der vielzitierte "fremde Onkel im Park" ist allerdings sehr viel seltener der Täter, als es im öffentlichen Bewusstsein erscheint.

Pädosexuelle Täter sind oft auf bestimmte Kinder fixiert, die einer bestimmten Altersgruppe angehören. Meist halten diese Täter direkten Kontakt zu den Mädchen und Jungen. Sie verschleiern vor den Kindern oft ihre eigentlichen Interessen. Etliche von ihnen wenden Tricks an, um die Kinder an sich zu binden. Die Männer benutzen als manipulative Strategien z.B. Geld- oder andere Geschenke, mit denen sie ihr kindliches Opfer ködern. Täter aus der näheren Umgebung wenden bei Kindern oft auch die Masche des "Hofierens" an: Sie treten dem Kind als der "große Freund" gegenüber, als jemand, der die Kinder versteht, auf sie eingeht, ihnen jeden Wunsch von den Augen abliest. Die Minderjährigen werden wie Erwachsene behandelt, dürfen beim Täter z.B. rauchen oder Alkohol zu sich nehmen oder Dinge treiben, die ihnen im Elternhaus nicht erlaubt sind. Manche Täter versuchen, das kindliche Mitgefühl zum eigenen Vorteil zu nutzen; sie geben sich etwa einsam und ohne Familie, und sagen dem Kind, dass sie es schätzen, wenn es "lieb" zu ihnen ist.

Die Oberösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft (Streicher-Pehböck/Winkler-Kirchberger: Sexuelle Gewalt an Kindern. Information. Hilfsangebote. Prävention. 2000, S. 8) nennt folgende drei wesentliche Täterstrategien, die dazu dienen, die ausgeübten sexuellen Handlungen zu verschleiern:

  • Das Verwirren der Opfer. Die Opfer sollen glauben, dass sie sich geirrt haben, wenn die sexuellen Übergriffe des Täters bekannt werden.
  • Die Herstellung eines Gefühls beim Opfer, selbst für die sexuellen Handlungen verantwortlich zu sein.
  • Die Bagatellisierung und Darstellung des Täterverhaltens als "normal" und das Verleugnen des Missbrauchs. Die Täter übernehmen keine Verantwortung für ihr Handeln.

Aus diesen Gründen ist es oftmals nicht leicht, z.B. einem Pädosexuellen, der seinen Opfern meist nicht Gewalt antut, sondern Formen der sexuellen Annäherung ohne physische Gewalt bevorzugt, seine Straftaten zweifelsfrei nachzuweisen.

Während erwachsene Täter aus dem Familienkreis relativ leichtes Spiel haben, eine Situation zu schaffen, in der sie ihr Opfer missbrauchen können, gehen etliche Fremdtäter bei ihren Aktivitäten oft taktisch vor: Sie suchen gezielt Orte auf, an denen Kinder häufig anzutreffen sind: Spielplätze und Parks, die Umgebung von Schulen, Schwimmbäder, die Spielzeug- und Computerabteilungen der Kaufhäuser, Zoohandlungen, Rummelplätze und in neuerer Zeit vor allem auch das Internet. Einige der Pädosexuellen holen die Kinder als Freund der Familie sogar bei ihren Eltern ab, manche nutzen bestimmte Wohnungen für ihre Aktivitäten, in denen sie Computer aufstellen, um sich bei Jungen beliebt zu machen. Lehnen die Kinder körperlichen Kontakt mit den Männern ab, wird ihnen mit Entzug ihres "Lieblingsspielzeugs" gedroht. In den meisten Fällen spielen die Täter so sehr den Kinderfreund, so dass die betroffenen Minderjährigen oft nicht verstehen, dass sie von den freundlichen Erwachsenen gezielt manipuliert wurden, um deren sexuelle Interessen zu befriedigen. Laut Professor Adolf Gallwitz, einem Experten in der Polizeiausbildung zum Thema "sexueller Missbrauch", halten sich Pädophile "dort auf, wo Kinder gern sind". Dies gelte besonders für Wohngebiete, in denen viele "Schlüsselkinder" leben, oder auch für Viertel mit einem hohen Singleanteil. Tatort Nummer eins ist für Gallwitz das Internet. In Chatrooms für Kinder und Jugendliche würden sich Pädophile oft als Kinder ausgeben. Davor seien die jungen Internetnutzer häufig nicht gewarnt. Die Freie Universität Berlin arbeitet zusammen mit einer Kinderschutzorganisation an einer Studie, in denen die Orte näher analysiert werden, an denen Kinder besonders gefährdet sind, mit dem Ziel, Präventionsmaßnahmen für diese Schwerpunkte zu erarbeiten. Nach den ersten Erkenntnissen seien z.B. Schwimmbäder bei Kinderschändern besonders beliebt, doch das Personal wisse häufig nicht, wie es mit Verdächtigen umgehen soll.

Ein Sonderproblem des Missbrauchs stellt die Herstellung pornographischer Bilder für eine überwiegend pädophile Kundschaft dar, auf denen Kinder in eindeutig sexuellen Posen dargestellt sind. Es ist oft nicht auszuschließen, dass Kinder, die für solche Aufnahmen posieren, von den Produzenten der Bilder psychisch oder physisch unter Druck gesetzt worden sind, was nach der neuesten Rechtsprechung auch eine Form des sexuellen Missbrauchs ist und scharf geahndet wird. Siehe Kinderpornografie.

Behandlungsmöglichkeiten

In früheren Zeiten wurden straffällig gewordene Kinderschänder zwangsweise kastriert. Heute werden zur Behandlung von Straftätern überwiegend psychologische und medikamentöse Maßnahmen eingesetzt, deren Erfolg aber nicht gesichert ist, wie etliche rückfällig gewordene Straftäter belegen. Einige der verabreichten Medikamente dämpfen die sexuelle Lust. Positive Wirkungen verspricht man sich von einigen Antidepressiva wie den selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRIs), Antiandrogenen, Phasenprophylaktika und Neuroleptika. Häufig sollen dem Täterverhalten Persönlichkeitsstörungen wie Selbstwertprobleme und Ängste zu Grunde liegen. Manche der Täter wurden als Kind selbst missbraucht. Hier könnten begleitende psychotherapeutische Maßnahmen ansetzen. Ist aber die primäre sexuelle Neigung zu Kindern zu stark ausgeprägt, nützen auch diese Maßnahmen nichts.

Rückfallwahrscheinlichkeit

Empirische Studien über die Rückfallwahrscheinlichkeit von Sexualstraftätern im allgemeinen und Kindesmissbrauchern im besonderen sind weitgehend abgesichert. Internationale Studien kommen zu vergleichbaren Ergebnissen. Etwa 20 Prozent der Kindesmissbraucher wurden in den beobachteten Zeiträumen (4 bis 10 Jahre) erneut einschlägig rückfällig, leicht geringer als der Durchschnitt von Sexualstraftätern (22 Prozent). Dabei zeigte sich bei fixierten Tätern (Pädophile; etwa 10 Prozent der Täter) eine deutlich höhere Rückfallwahrscheinlichkeit von bis zu 50 Prozent als bei regressiven Tätern (etwa 90 Prozent der Täter). Allgemein gilt, dass Sexualstraftäter eine deutlich geringere Rückfallwahrscheinlichkeit haben als andere Straftäter (je nach Delikt, im Bereich von 50-80 Prozent variierend). Die festgestellten Rückfallwahrscheinlichkeiten sind als untere Grenzwerte zu betrachten sich die Studien auf bekannt gewordene Wiederholungsstraftaten beziehen.

Mit Hilfe von Bildern der funktionellen Kernspintomographie (Functional Magnetic Resonance Imaging) versucht man neuerdings nachzuweisen, ob ein Sexualstraftäter nach einer psychotherapeutischen Behandlung sich noch von einschlägigen Kinder-Bildern stimulieren lässt. Zeigt sich in bestimmten Hirnregionen immer noch eine Erregung, hat dies Konsequenzen für die Beurteilung des Therapieerfolgs und für die Einschätzung des Rückfallrisikos. Bei den meisten Pädophilen ließ sich durch diese Methode eine hohe Rückfallgefährdung nachweisen.

Folgen sexuellen Missbrauchs

Zu Beginn der 1980er Jahre konzentrierten sich Studien über die Folgen sexueller Handlungen vornehmlich auf Probanden aus dem klinischen und psychiatrischen Umfeld, die wegen psychischer Probleme (Posttraumatische Belastungsstörung, Borderline-Syndrom, Dissoziative Identitätsstörung etc.) in Behandlung waren. Es wurde festgestellt, dass viele, jedoch nicht alle, dieser Probanden in ihrer Kindheit Missbrauchsopfer gewesen sind. Weiterhin zeigte sich, dass die negativen Auswirkungen sexuellen Missbrauchs bei Anwendung von Gewalt hoch und bei Fehlen von Gewalt viel geringer waren. So sind die untersuchten Männer als Erwachsene vor allem dann signifikant gestört gewesen, wenn sie als Jungen nicht einverständliche Sexualkontakte mit Missbrauchstätern erlebt hatten. Nicht so war dies bei positiv erlebten Kontakten. Laut Rind et al. kommt ein schädigender Missbrauch mit Anwendung von sexueller Gewalt bei Mädchen häufiger vor als bei Jungen. (Vgl. Bruce Rind, Philip Tromovitch, Robert Bauserman, "The Clash of Media, Politics and Sexual Science: An examination of the controversy surrounding the Psychological Bulletin meta-analysis on the assumed properties of child sexual abuse". In: Joint Annual Meeting. Society for the Scientific Study of Sexuality and American Association of Sex Educators, Counselors and Therapists, 6 November 1999.) Dies würde auch erklären, warum die genannten psychischen Störungen bei erwachsenen Frauen viel häufiger auftreten als bei Männern.

Sexueller Missbrauch kennt allerdings keine spezifische Symptomatik; ein "Missbrauchs-Syndrom" existiert nicht. Zunächst wurde dennoch gefolgert, dass Missbrauchserfahrungen grundsätzlich nachteilige Folgen nach sich ziehen. Hingegen stellte Finkelhor bereits 1985 fest, dass es keinen schlüssigen Beweis dafür gebe, dass sexueller Missbrauch von Kindern grundsätzlich schädlich sei. Er begründete, dass eine Ablehnung sexueller Handlungen mit Kindern lediglich auf moralischer Basis erfolgen könne. Diese sei die fehlende Fähigkeit von Kindern, sexuellen Handlungen zustimmen zu können.

Genauere Studien anhand nicht-selektiver Stichproben, die aus der Allgemeinbevölkerung bzw. vergleichbaren Bevölkerungsgruppen stammten, zeigten auf, dass immerhin die Hälfte aller Probanden, die Missbrauchserfahrungen in der Kindheit hatten, negative Symptome aufzeigten, die andere Hälfte jedoch beschwerdefrei blieb (z.B. Baurmann 1983). Damit konnte nicht mehr generell bei allen Missbrauchsopfern von einer grundsätzlichen Schädigung durch sexuellen Missbrauch ausgegangen werden. Wegen der hohen Korrelation zwischen sexuellem Missbrauch und späteren psychischen Problemen wurde aber weiterhin eine Ursache-Wirkung Beziehung zwischen dem sexuellen Missbrauch und den negativen Folgen angenommen.

Eine Kausalitätsbeziehung zwischen sexuellem Missbrauch und negativen Folgen ist empirisch nicht in jedem Fall nachweisbar. Methodisch korrekte Studien wandten sich einer Ursachen-Wirkung Beziehung zwischen sexuellem Missbrauch und den Folgen zu (Rind et al. 1998, Kilpatrick 1987). Es wurden repräsentative Stichroben verwendet und dabei nicht isoliert sexuelle Handlungen, sondern auch andere Lebensumstände wie nicht-sexuelle physische und psychische Gewalt sowie emotionale und physische Vernachlässigung miteinbezogen. Es bestätigte sich übereinstimmend mit früheren Ergebnissen, dass etwa die Hälfte der Probanden mit Missbrauchserfahrungen über negative Symptome berichteten. Bei den Probanden mit psychischen Problemen zeigte sich, dass diese Probleme ebensogut auf psychische/physische Vernachlässigung/Misshandlung wie auf sexuellen Missbrauch zurückgeführt werden konnten. So zeigten sich in der Meta-Analyse von Rind et al. (1998) um bis 9-fach höhere Effektgrößen für Vernachlässigung/Misshandlung als für sexuellen Missbrauch. Auffällig war, dass Dauer und Intensität sexueller Handlungen mit Kindern keinen großen Einfluss auf möglicherweise vorhandene Schädigungen zeigten, die Anwendung von Gewalt hingegen die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung deutlich erhöhten. Mögliche Schäden waren bei Jungen deutlich weniger anzutreffen als bei Mädchen. Etwa ein Drittel der Jungen schätzten die Erlebnisse positiv ein. Insgesamt waren schwere und langanhaltende Schäden nur in Ausnahmefällen anzutreffen. Dies deckte sich mit den Ergebnissen anderer methodisch korrekter Studien. Zu ganz anderen Erkenntnissen kommen diejenigen Therapeuten und Psychologen, die die Missbrauchsopfer persönlich betreuen. Sie berichten in der einschlägigen Literatur aus ihrer Praxis vor Ort von zahlreichen psychischen Schäden, die die Kinder davongetragen haben und bieten in der Beratungsliteratur den betroffenen Eltern eine Fülle von Maßnahmen und Hilfestellungen an.

Gegenwärtig zeigt sich auf, dass Erklärungsmodelle für negative Folgen sexuellen Missbrauchs ohne Gewalteinwirkung fehlen und einige Ergebnisse der empirischen Forschung darauf hinweisen, dass die Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen sexuellem Missbrauch einerseits und negativen Folgen nicht in allen Fällen besteht. Es wurde daher die Vermutung ausgesprochen, dass nicht gewaltbehaftete sexuelle Handlungen mit Kindern von der Sexualwissenschaft eher aus moralischen denn aus Gründen der Schadensvermutung abgelehnt würden (siehe: informed consent). Weiter wurde davor gewarnt, in Psychotherapien monokausal sexuellen Missbrauch als Ursache persönlicher Probleme diagnostizieren zu wollen und Therapien hierauf einseitig zu fixieren. Im Kontext einer monokausalen Schadenserwartung sowie der monokausalen Rückführung vieler psychischer Probleme kam es in vielen Fällen zur unbewussten Induktion falscher Erinnerungen an sexuellen Missbrauch durch Therapeuten (siehe False Memory Syndrom). Eine Trennung von moralischem Fehlverhalten und widerlegter Schadensvermutung hat sich überwiegend in der Sexualwissenschaft, nicht jedoch in der öffentlichen Diskussion etabliert.

Verwandte Begriffe und Phänomene

  • Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung beschreiben Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung von Personen
  • Pädophilie und Päderastie sind auf Kinder ausgerichtete sexuelle Orientierungen und existieren als solche im Spannungsfeld sexueller Missbrauch
  • Inzest, insbesondere Eltern/Kind-Inzest, wird häufig als sexueller Missbrauch gewertet, ist jedoch primär durch den Verwandtschaftsgrad und vom Alter der Beteilgiten oder Gewaltanwendung abhängig
  • Kinderprostitution gilt als eine Form sexuellen Missbrauchs
  • Die Herstellung von Kinderpornografie geht bisweilen mit sexuellem Missbrauch einher
  • Doktorspiele werden manchmal als "Missbrauch unter Kindern" bezeichnet, insbesondere in den USA
  • False-Memory-Syndrom bezeichnet die Suggestion "falscher Erinnerungen" an sexuellen Missbrauch oder andere Traumata

Literatur

  • C. Adams/J. Fay: Ohne falsche Scham. Wie Sie Ihr Kind vor sexuellem Mißbrauch schützen können. Rowohlt 1989
  • Archives of Sexual Behavior, Vol. 31, No. 6, December 2002, p. 465 ff.
  • Michael C. Baurmann: Sexualität, Gewalt und psychische Folgen, Bd.15 der BKA-Forschungsreihe, 1983, 1996
  • Beier, Bosinski, Hartmann, Loewit: Sexualmedizin, Urban & Fischer 2001, ISBN 3-437-51086-X
  • Günther Deegener: Sexueller Missbrauch: Die Täter, Beltz 1995, ISBN 3621272518
  • Waltraud Falardeau: Kontexte und Hintergründe sexueller Gewalt an Kindern: ein Beitrag zur Analyse eines individuellen und gesamtgesellschaftlichen Problems. Diss. Marburg 2001.
  • Helmut Graupner: Sexual Consent, The Criminal Law in Europe and Overseas, Keynote-Lecture at the 7th International Conference of the International Association for the Treatment of Sexual Offenders (IATSO)
  • Allie C. Kilpatrick: Long-Range Effects of Child and Adolescent Sexual Experiences, Laurence Erlbaum Associates 1992, ISBN 0-8058-0913-9
  • Tom Levold: Problemsystem und Problembesitz: die Diskurse der sexuellen Gewalt und die institutionelle Praxis des Kinderschutzes, System Familie, Springer-Verlag 1997
  • Katharina Rutschky, Reihart Wolff: Handbuch Sexueller Missbrauch, Rowohlt 1999, ISBN 3499605988
  • Volkmar Sigusch: Sexuelle Störungen und ihre Behandlung, Thieme 2001, ISBN 3131039434
  • Birgit Warzecha: Traumatisierung im Kindesalter: Kindesmisshandlung, sexuelle Gewalt, Pädophilie, LIT, Hamburg 1999