Ein Fallschirm dient dazu, eine Person oder einen Gegenstand aus großer Höhe unbeschadet auf den Boden zu bringen.

Geschichte
In China sprangen schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts wagemutige Zirkusartisten mit einer Art Sonnenschirm von hohen Türmen. Man kann sie deshalb als die ersten Fallschirmspringer überhaupt bezeichnen.
1483 fertige Leonardo Da Vinci eine Skizze von einem pyramidenförmigen Fallschirm an. Sein Randbemerkung lautete: „Wenn ein Mann mit beschichtetem Leintuch von einer Länge von 12 Yards auf jeder Seite und 12 Yards hoch versehen ist, so kann er aus jeglicher großen Höhe springen, ohne Verletzung.“
Der in Sibenik geborene Kroate Faust Vrancic, der als Erfinder des Fallschirms gilt, sprang im Jahr 1597 als erster Mensch mit dem Fallschirm vor einer Menschenmenge auf einem Marktplatz.
Am 3. Oktober 1785 ließ Jean-Pierre Blanchard in Bornheim, einem Stadtteil von Frankfurt, seinen Hund und am 23. August 1786 in Hamburg einen Hammel von einem Ballon aus mit dem Fallschirm herab.
Der erste Mensch, der mittels Fallschirm freiwillig aus einem Ballon ausstieg, war der Franzose André-Jacques Garnerin am 22. Oktober 1797. Sein Sprung aus einem selbstgebauten Wasserstoffballon in 400 m Höhe über dem Pariser Parc Monceau, war der erste Fallschirmsprung Europas.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfand die deutsche Luftfahrt-Pionierin Käthe Paulus den zusammenfaltbaren Fallschirm. Sie gilt als eine der ersten Frauen, die mit einem Fallschirm gesprungen sind.
Als erster Pilot in der Geschichte der Luftfahrt sprang der Franzose Adolphe Begoud am 20. August 1913 mit dem Fallschirm aus seiner Bleriot.
Systeme
Es existieren zwei unterschiedliche Fallschirmsysteme: Rundkappenfallschirme und Flächenfallschirme.
Rundkappenfallschirme
Die älteren Rundkappensysteme verringern den Fall nahezu ausschließlich durch ihren großen Luftwiderstand. Ihre Form gleicht einer nach unten geöffneten hohlen Halbkugel, an deren unterem Rand die Fangleinen und daran ein Fallschirmspringer oder die Nutzlast befestigt ist. An ihrem Scheitel befindet sich eine Öffnung (Scheitelöffnung), durch die angestaute Luft entweichen kann, um so ein Pendeln des Schirms zu vermeiden. Die Sinkbewegung eines gewöhnlichen Rundkappen-Fallschirms verläuft senkrecht zur Erdoberfläche und erhält lediglich durch die Winddrift eine horizontale Komponente. Früher im Sportbereich verwendete Hochleistungs-Rundkappensysteme waren mit Schlitzen versehen, um durch ausströmende Stauluft eine Vorwärtsfahrt zu ermöglichen. Über Steuerleinen konnte die Schlitzöffnung variiert und der Fallschirm in begrenztem Umfang gesteuert werden.
Aufgrund des hohen Verletzungsrisikos durch hohe Sinkgeschwindigkeiten und begrenzte Steuereigenschaften finden Rundkappenschirme kaum noch Verwendung als zivile Personenfallschirme. Neben der Verwendung beim Militär zum schnellen Absetzen von Fallschirmjägern und Lasten aus niedrigen Höhen werden sie fast ausschließlich als Brems- oder Rettungsfallschirmen für Gleitschirm- und Hängegleiterpiloten sowie bei Segelflugzeugen, im Kunstflug oder in Gesamtrettungssystemen von Ultraleichtflugzeugen und kleinen Sportflugzeugen verwendet.
Als Rettungsschirme werden auch seit 1940 unverändert gebaute Schirmtypen verwendet (zum Beispiel der LBA-40.010/01 "Kohnke" der Firma Mertens). Rettungsschirme müssen innerhalb ihrer Packintervalle (zwei bis zwölf Monate) regelmäßig von ausgebildetem Personal neu gepackt und überprüft werden und dürfen bei einer Lebenszeit von etwa zwölf Jahren nur ein einziges Mal verwendet werden.
Gesamtrettungssysteme sind bei Ultraleichtflugzeugen in Deutschland zwingend vorgeschrieben, bei kleinen Sportflugzeugen jedoch noch immer verboten.
Flächenfallschirme (auch Gleitfallschirme)
Moderne Flächenfallschirme verringern den Fall hauptsächlich durch Auftrieb. Ihr Querprofil entspricht dem einer Flugzeugtragfläche. Der Flächenschirm ist an der vorderen Kante geöffnet und an der hinteren geschlossen, so dass er von der anströmenden Luft gefüllt wird und sich versteift. Daher werden diese Schirme auch als Stauluftgleitfallschirm oder umgangssprachlich als 'Matratze' bezeichnet.
Sobald die Vorwärtsgeschwindigkeit groß genug ist, liegt eine Strömung an, die zusätzlich zum Luftwiderstand einen Auftrieb erzeugt. Daher sinken Flächenfallschirme nicht senkrecht zu Boden, sondern können aufgrund ihres Gleitwinkels teilweise große horizontale Strecken überwinden. Die rechte und die linke Seite der Hinterkante können getrennt voneinander durch Steuerleinen herunter gezogen und so zur von vorne anströmenden Luft quergestellt werden. Dadurch lässt sich die Vorwärtsfahrt einseitig abbremsen und der Schirm genau steuern. Zur Landung wird die Vorwärtsfahrt durch starkes Herunterziehen beider Kantenteile im Optimalfall auf Null abgebremst. Im Sportbereich werden heute fast ausschließlich Flächenfallschirme verwendet.
Flächenfallschirme werden am häufigsten aus dem Nylongewebe "F-111", aus "Zero-P" (zero porosity: 'keine' Luftdurchlässigkeit, Nullgewebe) oder aus Kombinationen davon hergestellt. An den Enden (bei einer Rundkappe) oder unter der Fläche (bei Flächensystemen) des Fallschirmtuchs sind die Fangleinen befestigt, an dem die Fracht oder der Springer hängt.
Systemaufbau
Systeme für den Fallschirmsprung bestehen heute im Wesentlichen aus folgenden Baugruppen:
- Gurtzeug, über Haupttragegurte und Fangleinen mit der Hauptkappe und dem Reservefallschirm verbunden - es ist die Aufnahme und Halterung für die Nutzlast (Springer) und als Verpackung (Container) der beiden (nochmals gepackten) Schirme
- Hauptkappe (üblicherweise Rip-Stop Nylon), die im Notfall (beispielsweise bei Öffnungsproblemen) mit Hilfe eines Schlosssystems (zum Beispiel Drei-Ring-System) abgetrennt werden kann
- Reservefallschirm mit Hilfsschirm, meistens ein Flächenfallschirm (selten ein Rundkappenschirm). Ausgelöst wird der Reservefallschirm entweder manuell über einen Griff, automatisch über die Reserve Static Line (bei Abtrennung der Hauptkappe) oder über einen Öffnungsautomaten
- POD (Parachute Opening Device), eine kleine halboffene Tasche, in der der gepackte Fallschirm liegt und an der die Fangleinen in S-Schlägen eingeschlauft sind
- Hilfsschirm zur Öffnung der jeweiligen Kappe. Zum Auslösen des Hilfsschirms werden vornehmlich vier verschiedene Mechanismen verwendet:
- Hand Deploy (Throw Out): Der Hilfsschirm ist in einer am Gurtzeug angebrachten Tasche verstaut und wird zur Öffnung in den Luftstrom gezogen, dort losgelassen und zieht zunächst den Container auf und dann den Schirm aus seiner Verpackung (POD)
- Pull Out: Ein (oft kissenförmiger) Griff öffnet zunächst den Container, an der weitergeführten Leine hängt der Hilfsschirm und wird in der Folge in den Luftstrom gezogen und dort losgelassen, wodurch der Schirm aus seiner Verpackung (Container und POD) gezogen wird
- Auslösegriff: Der Griff ist mit der Reißleine verbunden, welche an ihrem anderen Ende durch eine Schlaufe geführt ist und so die Klappen des Containers unter Verschluss hält (ähnlich dem Drei-Ring-System). Durch Ziehen am Griff wird die Reißleine aus der Schlaufe gezogen, dadurch werden die Klappen freigegeben und der Hilfsschirm schnellt durch eine gespannte Feder in den Luftstrom. Weiter wie oben
- Static Line (Zwangsauslösung, automatische Auslösung): durch eine mehrere Meter lange Leine (Aufziehleine) wird der Öffnungsmechanismus des Fallschirms direkt mit dem Flugzeug verbunden. Dadurch wird sofort nach dem Absprung die Fallschirmhülle geöffnet und der Hilfsschirm oder auch direkt die Fallschirmkappe aus der Packhülle gezogen. Nach erfolgter Öffnung wird die Aufziehleine vom Fallschirmsystem mittels Klettverschluss oder einer anderen Sollbruchstelle getrennt. Diese Technik ist oft bei Rettungsschirmen oder Schirmen von militärischen Fallschirmjägereinheiten im Einsatz
- Fangleinen in Kern-Mantel-Konstruktion (Kern üblicherweise aus Kevlar oder Polyethylen, Mantel aus UV-beständigem Polyester), die die Verbindung zwischen der Hauptkappe und dem Tragesystem darstellen
- Ein Öffnungsautomat, der den Reserveschirm automatisch auslöst (beispielsweise bei Bewusstlosigkeit des Springers), wenn in einer bestimmten Höhe die Fallgeschwindigkeit einen bestimmten Wert noch überschreitet (z.B. Cypres).
Anwendungen
Der Fallschirm hat vor allem drei Anwendungen: Rettung, Sport und Transport
Rettung
Bei einem drohenden Absturz eines Flugzeugs (siehe auch Schleudersitz) wird entweder jede Person einzeln oder aber das gesamte Flugzeug durch den Fallschirm vor einem (tödlichen) Aufprall geschützt (s.a. Rettungsfallschirm, Gesamtrettungssystem) .
In dieser Kategorie sind auch die Anwendung der Bremsschirme für Raumkapseln (siehe Space Shuttle und Jagdflugzeuge, da durch die Anwendung des Bremsfallschirmes sehr schnell viel Geschwindigkeit auf der Landepiste abgebaut werden kann.
Sport
Der Fallschirm wird als Sportgerät beim Fallschirmspringen (heutzutage nach englischem Vorbild auch Skydiving genannt) als eigene Luftsportart eingesetzt. Hier haben sich mittlerweile zahlreiche unterschiedliche Sprungtechniken und Disziplinen entwickelt.
Eine weitere Anwendung, wie sie vielfach an Badeorten zu sehen ist, ist das Gleiten an einem von einem Motorboot gezogenen Fallschirm. Dadurch gewinnt man schnell an Höhe und bekommt einen schönen Ausblick aufs Meer und das Umland.
Transport
Durch den Fallschirm können über den Luftweg schwer zugängliche Orte erreicht werden.
Dies wird insbesondere zu militärischen Zwecken von Fallschirmjägern durchgeführt, wo ganze Ausrüstungen inkl. Fahrzeugen und Panzer auf diesem Weg mitten im Feindesgebiet abgesetzt werden können. Auch einige von Bombern abgeworfene Fliegerbomben hängen an Fallschirmen, etwa die Daisy Cutter.
In der zivilen Ausgestaltung dieser Anwendung können insbesondere Hilfsgüter schnell und einfach in eine betroffene Region gebracht werden.
Eine Weiterentwicklung des Flächenfallschirms ist der Gleitschirm, der deutlich verbesserte aerodynamische Eigenschaften aufweist und mit dem durch Ausnutzung von Thermik auch grössere Distanzen (bis zu 400 km) zurückgelegt werden können.