Chorleitung

Führung einer Gruppe von Singenden
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Die Chorleitung ist im engen Sinne die musikalische Führung, das Dirigieren eines Chores auf der Bühne bzw. zu Aufführungszwecken. Sie umfasst in aller Regel auch die stimmliche und musikalisch-sängerische Ausbildung der Chorsänger und die musikalische Leitung der Probenarbeit und bei Aufführungen. Hierüber hinaus ist die Chorleitung oft auch personen-identisch mit der formalen Führung einer Gruppe von Chorsängern im Sinne eines Vereins-Vorstands, nicht jedoch zwingend.

Im allgemeinen Sinn ist die Chorleitung die Führung eines Chores, einer Gemeinschaft von Menschen, die zusammen singen, durch eine eigens hierfür ausgebildete, oder auch lediglich ambitionierte und talentierte Person.

Oftmals ist ein Chorleiter oder eine Chorleiterin angestellt, d. h. durch den Chor-Vorstand beauftragt und bezahlt, die musikalische Leitung des Chores auszuüben. In einem solchen Fall werden die Ziele und Statuten des Chores oft nicht durch die Chorleitung bestimmt, sondern durch das geschriebene Vereins-Statut und den Chor-Vorstand, dem der Chorleiter als Angestellter rechenschaftspflichtig ist.

Entwicklung

Schon mit dem Aufkommen des Begriffs Chor in der frühchristlichen Zeit ging immer auch die Frage des für die Einstudierung und die musikalische Leitung Verantwortlichen einher. So hat sich der Begriff Kantor (den auch J. S. Bach trug) bis in die heutige Zeit erhalten. Bei den kleinbesetzten Chören, etwa in der päpstlichen Kapelle des 15./16. Jahrhunderts, war es üblich, den Kantor auch primo corista zu nennen.

Spätestens mit der Entwicklung des Chorwesens hin zu großbesetzten Ensembles zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung des Chorleiters an Wichtigkeit zu und gipfelte letztlich in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem professionellen Berufsbild mit eigens entwickelter Literatur (z. B. Kurt Thomas, Lehrbuch der Chorleitung, 3 Bände).

Ausbildung

Chorleitung ist weiters ein Studienfach, welches zum Musikstudium gehört. Das Chorleitungsfach sowie ein Klavierdiplom ist zu absolvieren, wenn der professionelle Dirigentenberuf angestrebt wird. Die Ausbildung zum Chorleiter dauert in der Regel vier Semester.

Chorleiter-Ausbildungen können auch ohne Studium absolviert werden, in Deutschland beim Deutschen Allgemeinen Sängerbund und dem Deutschen Sängerbund.

Gegliederte Chorleitung

Chorleitung kann - gleichrangig oder hierarchisch gegliedert - auch durch mehrere Chorleiter ausgeführt werden.

Beispiele für geteilte Verantwortung: die Fischer-Chöre sind regional gegliedert. Gotthilf Fischer stützt sich auf diverse regional verantwortliche Chorleiter ab, die mit regionalen Chören nach seinen Prinzipien arbeiten. Einige Chöre haben zwei gleichrangige Chorleiter, die wechselnd im Chor mitsingen, wenn der jeweils andere die Leitung eines Stückes hat.

Chöre sind nach Stimmen gegliedert: bei großen Chören sind unter dem Gesamt-Chorleiter die Stimmführer der einzelnen Singstimmen dem Chorleiter für die Teil-Probenarbeit verantwortlich und zählen mit zur Chorleitung.

In Opernchören z. B. und auch bei anderen Chören gibt es oft eine namentlich benannte Stellvertretung für die Chorleitung: für den Fall, dass der musikalische Leiter oder der Chorleiter nicht anwesend ist. Die simple Stellvertretung kann schon die sein, dass bis zum späteren Erscheinen des Chorleiters ein Vertreter das Einsingen zum Start einer Probe organisiert. Der Vertreter leitet dann bis zum Eintreffen des Chorleiters die Probe.

Modelle und Hintergründe

Chorleiter können fest angestellt nur zur Führung eines Chores sein. Das ist jedoch die Ausnahme. Häufigster Fall dürfte in Deutschland die Chorleitung von Kirchenchören durch den Organisten oder Kirchenmusiker sein, dessen Hauptaufgabe das Orgelspiel während der Gottesdienste ist, und zu dessen Nebenaufgaben (wie z. B. Organisten-Nachwuchs zu schulen oder eine Instrumenten-Schola zu leiten) auch die Kirchenchor-Leitung und evtl. zusätzlich die Leitung eines Kinderchores zählen kann.

Chorleiter ist auch ein freier Beruf für studierte Musiker: in bestimmten Disziplinen der Chöre (Jazz- und Pop- Amateurchöre)ist es nicht unüblich, dass ein Chorleiter bei mehreren Ensembles oder Chören in Teilzeit unter Vertrag steht und sich sein Einkommen dann aus diversen Chorleitungen, Musikunterricht und anderen Tätigkeiten zusammensetzt. Kritisch ist in solcher Konstellation regelmäßig das zeitliche Überschneiden bei wochenend-gebundenen Auftritts-Tätigkeiten mehrerer Chöre.

Bedingungen, Voraussetzungen, Schwierigkeiten

Voraussetzung für kompetente Chorleitung ist neben musikalischem Talent auch die Fähigkeit, das eigene Wissen vermitteln zu können (Lehrkompetenz). Das Beherrschen eines Tasteninstruments ist fast immer unumgänglich, da neu einzuübende Stücke zuerst vom Chorleiter beherrscht werden müssen und dieser sich dieses Wissen im Selbststudium erarbeiten muss. Bei A-Cappella-Stücken ist ein Klavier zum Einstudieren mit dem Chor zwar verzichtbar, jedoch nicht bei instrumental begleiteten Werken. Chorleitung erfordert weiters Führungskompetenz und gegenseitige Anerkenntnis mit den Chormitgliedern. Der Chor muss seinem Chorleiter vertrauen können.

In professionellen Chören ist der Chorleiter nicht selten auch beruflicher Vorgesetzter der professionellen Chorsänger, oder er ist gar der Inhaber des "Unternehmens Chor", der Initiator und Rechteinhaber. Hier sind dann auch berufliche Vorgesetztenqualifikationen gefragt und teils Managementfertigkeiten.

Eine Chorleitung muss neutral sein können: In Chören kommt es oftmals aufgrund des besonderen Engagements der Mitglieder zu konfrontativen Meinungsbildern. Dann ist (neben einem eventuellen Chorvorstand) auch die Chorleitung gefordert, aufkommende Konflikte frühzeitig zu erkennen, abzufedern oder in produktives Geschehen umzuwandeln.

Die zeitliche Belastung des Chorleiters ist (im Vergleich zu der eines Chormitglieds) sehr stark. In seiner Verantwortung liegen die Vorbereitung der Probenarbeit, die Beschaffung (oder eigene Herstellung) von Arrangements und Werken und die Vorbereitung von Reisen und Aufführungen. Es ist jedoch gang und gäbe, dass ein oder mehrere Mitglieder aus dem Chor Teile dieser Aufgaben in der Ausführung übernehmen.

In Deutschland gibt es eine Altersproblematik: Viele Amateurchöre leiden unter Überalterung und den damit einhergehenden "Ausfallerscheinungen" wie Lustlosigkeit, aber auch Krankheit oder Tod. Die Gründe sind vielfältiger Natur, Forscher führen die Unattraktivität von Chören bei jüngeren Menschen auf die allgemeine Reduktion singender Aktivitäten im Alltag zurück. Neue Chormodelle wie das aus Norwegen stammende Konzept von TEN SING, einer Einrichtung des CVJM, bieten dennoch vielversprechende Zukunftsaussichten. Auch die zahlreichen Neugründungen von Gospelchören, stoßen in allen Alterschichten auf großes Nachfrage.

Literatur

  • Martin Behrmann, Chorleitung - Probentechnik, Band 1; Hänssler-Verlag Stuttgart, 1984 ISBN 3-7751-0876-9
  • Wilhelm Ehmann, Die Chorführung; Bärenreiter-Verlag, Kassel, 1973 ISBN 3-71618-0049-5
  • Wilhelm Ehmann/Frauke Haasemann, Handbuch der chorischen Stimmbildung, Bärenreiter-Verlag, Kassel, 1984 ISBN 3-7618-0691-4
  • Kurt Thomas, Lehrbuch der Chorleitung Band 1, Band 2, Band 3, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, 1982