Dampfpflug

mittels Dampfkraft angetriebener Pflug
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Ein Dampfpflug ist ein mittels Dampfkraft angetriebener Pflug. Er wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden und bedeutete die Mechanisierung der Arbeit, die vorher ausschließlich mit Muskelkraft (Mensch, Tier) geleistet wurde.

Ein Dampfpflug im Einsatz (Oderbruch, 1948)
Heißdampf-Kipppflug der Firma Kemna, Baujahr 1921. Der dazugehörige Kipppflug-Satz ist nicht abgebildet.
Dampfseilpflug-Lokomotive "Heumar" der Fa. Ottomayer im Museumsdorf Cloppenburg. Baujahr 1929, 220 PS, 21 Tonnen Eigengewicht, Kohlenbedarf pro Std.: 160 kg., Wasserbedarf pro Tag: 1100 l.

Bestandteile

Ein arbeitsfähiger Dampfpflug-Satz bestand zumeist aus zwei selbstfahrenden Lokomobilen, auch Pfluglokomotive genannt, die mit einer zunächst vertikal, später nur noch horizontal unter dem Dampfkessel angeordneten Seilwinde ausgestattet waren; weiter dem dazugehörigen Kipp-Pflug, einem Mannschaftswagen, 2 Wasserwagen und einer Mannschaft, bestehend aus bis zu 12 Mann. Beim Dampfpflügen wurde mittels der Seilwinden der Pflug über den Acker gezogen. Die Pfluglokomotiven selbst bewegten sich nur über die Wege am Feldrand, dem sog. Vorgewende. Auf dem Pflug saßen anfangs 2 Mann, ein Lenker und ein Gehilfe zum Einsetzen und Kippen des Pfluges.

Nachteile

Das Verfahren war sehr umständlich und arbeitsintensiv, weshalb es sich nicht durchsetzen konnte. Die Lokomobilen waren im Unterschied zu modernen Ackerschleppern sehr schwer. Das Befahren des Ackers zum direkten Ziehen des Pflugs, wie heute mit Traktoren üblich, war daher aufgrund der Beschaffenheit (Tiefgründigkeit) der europäischen Kulturböden nicht möglich. Auf den tragfähigeren Prärieböden in Amerika gab es hingegen vielfach auch Dampftraktoren, also selbstfahrende Lokomobilen, die zum direkten Ziehen von Ackergeräten oder Anhängern entwickelt wurden.

Entwicklung

Der englische Ingenieur John Fowler entwickelte in den 1850er Jahren das sog. Zweimaschinensystem, bei dem je eine Lokomobile an jedem Feldende steht. Jede Maschine zog mit ihrer Winde den Kipppflug abwechselnd über das Feld. Erst durch diese Entwicklung trat der Dampfpflug seinen Siegeszug durch die ganze Welt an.

Die Seilspul-Vorrichtung, die den horizontalen Einbau der Winde ermöglichte, wurde, neben anderen Erfindungen um die Dampfpflugtechnik, von Max Eyth entwickelt.

Zu Anfang des Dampfpflügens gab es auch Einmaschinen-Systeme, die mit einer einzigen, anfangs nicht einmal selbstfahrenden Dampflokomobile auskamen und statt der zweiten Maschine Umlenkrollen und sogenannte Ankerwagen verwendeten. Dazu musste die Lokomobile jedoch mit 2 Winden ausgestattet sein.

Arbeitsweise

Das Pflügen geschah folgendermaßen. Die Maschine auf deren Ende des Ackers sich der Pflug befand, signalisierte mit einem Pfiff der Dampfpfeife die Bereitschaft. Darauf hin fuhr die andere Maschine ein Stück weiter vorwärts und begann darauf, den Pflug über den Acker zu ziehen. Das Seil der ersten Maschine blieb - vom Antrieb entkoppelt - mit dem Pflug verbunden, dadurch wurde das Seil abgespult und zusammen mit dem Pflug zum anderen Ende des Ackers gezogen. Dort angekommen, stoppte der Maschinist der ziehenden Maschine den Seilzug und der Pflug wurde für das Pflügen in die andere Richtung gekippt. Die Bauform des Kipp-Pfluges machte das Wenden des Pfluges überflüssig. Danach begann der Vorgang von neuem, diesmal in die entgegengesetzte Richtung.

Die kapitalintensiven Maschinensätze befanden sich in Westdeutschland meist nicht im Besitz der Landwirte sondern wurden von eigenständigen Unternehmern oder Genossenschaften betrieben, die das Pflügen im Auftrag durchführten. Die Landwirte hatten dafür bestimmte Eigenleistungen zu erbringen, so z.B. das für den Betrieb der Dampfmaschinen nötige Wasser und Kohlen bereitzustellen. Auf ostdeutschen Gütern, z.B. in Pommern oder Ostpreußen gab es auch Betriebe, die eigene Dampfpflugsätze in Betrieb hatten.

Hersteller

Bekannte Hersteller von Dampfpflug-Sätzen waren die Firmen Borsig, Fowler, A. Heucke, Kemna und Ottomeyer.

Dampfpflüge in der Moorkultivierung

 
Mammutpflug im Moormuseum Hesepe

Die Dampfpflug-Kultur endete in Deutschland erst in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts. Zwar pflügte man bereits ab etwa 1920 kaum noch mit Dampfpflügen, jedoch blieben die Dampfmaschinen bei der Moorkultivierung (z.B. im Emsland) noch sehr lange in Betrieb.

Die Firma Ottomeyer in Bad Pyrmont entwickelte 1950 zur Moorkultivierung einen einscharigen Tiefpflug, der eine Arbeitstiefe bis 2,15m erreichte. Dieser sog. Kuhlpflug, Typ Mammut, hatte ein Furchenrad von 4m Durchmesser und auf der Gegenseite ein Raupenfahrwerk, um nicht im Moor zu versinken.

Mittels dieses Pfluges wurden nach dem 2. Weltkrieg im Emsland große Moorflächen in Sandmischkulturböden verwandelt. Der Mammut konnte nur von jeweils 2 starken Dampfmaschinen auf jeder Seite gezogen werden. Diese sehr modernen Dampfmaschinen hatten bereits etwa 500PS pro Maschine, so dass auf einer Seite etwa 1000PS am Pflug zogen.

Die Moorkultivierung mittels Dampfkraft endete nicht etwa wegen der Technik, sondern, weil aufgrund steigender Erträge im Ackerbau die weitere Erschließung von Moorböden zur Ernährungssicherung der Bevölkerung nicht mehr erforderlich war. Auch erkannte man zunehmend die ökologische Bedeutung der Moore und suchte die verbliebenen Moorflächen unter Naturschutz zu stellen.

Ein kompletter Dampfpflugsatz mit 2 Maschinen und einem 5-scharigen Kipppflug ist im Deutschen Landwirtschaftsmuseum in Hohenheim aufgestellt.

Ein Kuhlpflug Mammut steht mit zwei der vier dazugehörigen Maschinen im Emsland Moormuseum Geeste-Groß-Hesepe.

Literatur

  • M. Bach: Schlepper aus Berlin Domäne Dahlem, Verlag und Ökonomie, Berlin 1993. ISBN 3-9802192-4-0
  • U. Paulitz: 1000 Traktoren - Geschichte, Klassiker, Technik. Naumann & Göbel, Köln 2004. ISBN 3-625-10749-X

Siehe auch