Option in Südtirol

Wahl der Nationalität für deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler mit erzwungener Auswanderung
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Die Option bezeichnet in Südtirol die Zeit zwischen 1939 und 1943, in welcher die nicht italienischsprachigen Südtiroler die "Option für Deutschland" ausübten (Optanten) oder in Südtirol blieben (Dableiber) und ihre Sprache und Kultur aufgeben mussten. Durch die Option wurden viele Familien zerstört und die Spaltung der Südtiroler Gesellschaft wirkte noch viele Jahr nach.

Das Hitler-Mussolini-Abkommen

Am 21. Oktober 1939 schlossen Hitler und Mussolini ein Abkommen zur Umsiedlung der deutschen und der ladinischen Minderheit in Südtirol. Den etwa 250.000 deutschsprachigen Südtirolern und Ladinern (80% der Wohnbevölkerung) wurde die "Option für Deutschland" nahegelegt. Wer in Italien verbleiben wollte, musste die Italienisierung mit Aufgabe von Kultur und Muttersprache in Kauf nehmen, die schon Anfang der 1920er begonnen hatte. Damit wurde die Hoffnung vieler Südtiroler auf Wiedervereinigung mit dem österreichisch gebliebenen Nord- und Ostteil von Tirol begraben, die sich 1938 nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland verstärkt hatte.

Die Pläne zur Umsiedlung wurden in Südtirol am 29. Juli bekannt und verursachte zunächst eine Welle der Empörung. Der "Deutsche Verband" (DV) und der "Völkische Kampfring Südtirols" (VKS) trafen sich im Bozener Marieninternat bei Michael Gamper und beschlossen, die Heimat keinesfalls zu verlassen. Doch der VKS schwenkte bald um und propagierte die Option als bessere Lösung, worauf auch die Bleiber um Gamper in den Propagandakrieg einstiegen, der von Flugblättern bis zu Kettenbriefen und Schmähschriften reichte.

Die schwierige Wahl zwischen unfreiwilliger Auswanderung - man sprach von Galizien und polnischen Bauernhöfen - und dem Verlust wichtiger Bürgerrechte wurde Gegenstand heftiger Diskussionen auch in den Gemeinden und quer durch viele Familien. Beschleunigt wurde sie aber durch ein vom Reichspropagandaminister Joseph Goebbels lanciertes Gerücht, dass die "Dableiber" nach Sizilien, auf jeden Fall aber südlich des Po ausgesiedelt würden (erst als schon Zehntausende ausgewandert waren, sicherte Mussolini nach wirtschaftlichen Überlegungen im März den Italien-Optanten zu, daß sie in Südtirol bleiben könnten). Etwa 85% der Südtiroler Bevölkerung entschieden sich für die Umsiedlung ins Reich, womit weder die italienischen Faschisten noch Hitler gerechnet hatten. Tatsächlich ausgewandert sind bis zum Sturz des Diktators Mussolini nur einige tausend Familien.

Widerstand und Gründung des Andreas-Hofer-Bundes

Unter den südtiroler "Dableibern" versuchten vor allem viele Priester und politisch engagierte Christlichsoziale, der deutschen Options-Propaganda und den italienischen Zwangsmaßnahmen organisierten Widerstand entgegenzusetzen.

Der prominenteste von ihnen war Canonicus Michael Gamper, der in der Zwischenkriegszeit die einzige deutschsprachige Zeitung Südtirols Der Tiroler (bis 1923, dann Der Landsmann bis 1925) und zuletzt die Tageszeitung Dolomiten leitete. Trotz der wortgewaltigen Artikel in seinen Medien konnte Gamper nicht einmal 1/5 der Südtiroler zum Bleiben ermutigen.

Um die Dableiber vor Übergriffen der Optanten zu schützen, wurde noch 1939 der Südtiroler Andreas-Hofer-Bund gegründet. Er war die wichtigste deutsch-südtiroler Widerstandgruppe gegen den Nationalsozialismus, aus der 1945 die Südtiroler Volkspartei (SVP) hervorging.

Gründungsmitglieder des AHB waren neben Can. Gamper vier weitere führende "Dableiber": der spätere Südtiroler Senator in Rom Friedl Volgger (1914-1997), der Abgeordnete Paul von Sternbach, der Bozner Kaufmann Erich Amonn und Josef Mayr-Nusser. Friedl Volgger übernahm die Funktion des Vorsitzenden und hatte sie bis 1943 inne, als er durch die Nazis verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau verbracht wurde. Dieses Schicksal erlitten noch mehrere tausend Tiroler des Widerstands.

Das Protokoll der deutsch-italienischen Verhandlungen in Berlin vom Juni 1939 ([1]) erwähnt auch heftige Ablehnung der Umsiedlung unter den Deutschen in Trento und Belluno, doch seien "alle Würmer zu vernichten, die an der Realisierung der Aufgabe nagten." Das Hauptproblem gehe von etwa 10.000 Österreichern aus, die durch den Anschluss "Reichsdeutsche geworden seien, jetzt aber sozusagen den Generalstab des Widerstandes" bilden; hier müsse der Anfang gemacht werden. Die Zahl der italienischen Staatsangehörigen deutschen Ursprungs und deutscher Sprache sei nicht einfach festzustellen. Es handle sich um ca. 200.000, davon seien jedoch "etwa 100.000 italienischer oder fast italienischer Abstammung".

Entwicklungen nach der "Option" 1939

Insgesamt votierten 166.488 Südtiroler für die deutsche Staatsbürgerschaft, sowie 16.572 Wähler in den Nachbarprovinzen Trient, Belluno und Udine. Samt ihren Kindern betraf das 213.000 Südtiroler, wovon aber bis 1943 nur 70.000 auswanderten (Gesamtsaldo 47.000 laut [2]). Es waren hauptsächlich unselbständig Erwerbstätige aus den größeren Orten, aber nur wenige Bauern.

Während 85 bis 90 Prozent der Südtiroler für das Deutsche Reich optierten (sie wurden als Optanten bezeichnet und schlossen sich in der ADO, der Arbeitsgemeinschaft der Optanten für Deutschland zusammen), war das Verhältnis beim Klerus und diesem nahestehenden Personen genau umgekehrt.

Die ersten Familien verließen schon 1939 ihre Heimat und bis 1943 waren etwa 75.000 Südtiroler ausgewandert. Nach Mussolinis Sturz erfolgte im September 1943 die deutsche Besetzung Südtirols und Norditaliens, was die Auswanderung beendete. Nach 1945 kehrte ein Großteil der Reichs-Optanten wieder in ihre Heimat zurück. Da das Gebiet Südtirol auch nach dem 2. Weltkrieg beim italienischen Staat blieb, erhielten jene Optanten, die im Land geblieben waren, nach dem Gruber-De Gasperi-Abkommen wieder die italienische Staatsbürgerschaft. Die Rückkehrer (Rücksiedler genannt) mussten nachweisen, dass sie vor der Option Südtiroler gewesen waren. Ihre Kinder mussten durch einen Geburtsschein belegen, dass sie ein Anrecht auf die italienische Staatsbürgerschaft hatten. Bis 1961 stieg die deutschsprachige Bevölkerung auf etwa 220.000. Der italienische Anteil verdreifachte sich jedoch durch Einwanderung aus dem Süden auf 110.000 Einwohner.

Die 1945 gegründete SVP forderte die Autonomie bzw. die Rückkehr zu Österreich, wofür 156.600 Südtiroler (fast 100% der Wähler) unterschrieben. Die Pariser Friedenskonferenz der Alliierten lehnte ab und wirkte 1947 auf das Gruber-De Gasperi-Abkommen hin. Zu echter Autonomie führte aber erst die Trennung vom Trentino und das Südtirol-Paket von 1969 (angenommen 1992). Durch diese Entwicklung und Südtirols Kinderreichtum verschob sich seit 1961 das Bevölkerungsverhältnis von 2:1 auf heute 69:5:26 Prozent.

Flugblätter der Dableiber und der Optanten

 
Dieses Flugblatt aus dem Jahre 1939 zeigt den Spalt, der durch die Bevölkerung Südtirols ging
Datei:Option in Suedtirol Flugblatt 1939 1.JPG
Flugblatt 2 Seite 1
Datei:Option in Suedtirol Flugblatt 1939 2.JPG
Flugblatt 2 Seite 2

Im Sommer 1939 sickerte der Inhalt der deutsch-italienischen Verhandlungen vom 23.6.1939 durch (siehe [3]), mit denen Hitler den SS-Chef Heinrich Himmler im April beauftragt hatte. Ab August 1939 wurde die Frage "Dableiben oder Aussiedeln" zum Thema von vielen Flugblättern. Zwei relativ gemäßigte lauteten:

Dableiberflugblatt

Nun ist es auch an den letzten, die Entscheidung zu fällen. Sie geht um Auswanderung oder Verbleib im Lande, um Heimat oder Fremde. Die Wahl kann nicht schwerfallen. [...] Geht darum hin und legt Zeugnis ab für die Heimat durch die Abgabe des weißen Stimmzettels. Man hat diese Stimme zu fälschen versucht, indem man ihr böswillig den Sinn unterlegt, sie sei "welsch gestimmt". In Wirklichkeit steht aber nichts anderes auf dem weißen Stimmzettel geschrieben, als daß Ihr die italienische Staatsbürgerschaft beibehalten wollt. Und dies ist Euch unerläßlich, wenn Ihr weiter in diesem Land leben und arbeiten wollt, genauso wie für Millionen andere Volksdeutsche, die außerhalb des Reiches leben, eine fremde Staatsbürgerschaft nötig ist. Wer darum den weißen Zettel unterschreibt, gibt seine Stimme der Heimat.

Optantenflugblatt

"Südtiroler, bekennt euch! Eine schwere, aber stolze Stunde ruft euch auf zum Bekenntnis für Blut und Volk, zur Entscheidung, ob ihr für euch und eure Nachkommen endgültig auf euer deutsches Volkstum verzichten oder ob ihr euch stolz und frei als Deutsche bekennen wollt [...] Ihr wählt nicht zwischen Heimat und Galizien, sondern ihr wählt zwischen einem uns fremd gewordenen Südtirol und zwischen dem Lande, das uns der Führer im deutschen Reichskörper zuweisen wird [...] Schwer ist die Entscheidung, doch keinen Augenblick zweifelhaft, denn wir wissen, was wir dem Rufe unseres deutschen Blutes, des deutschen Volkes und unseres Führers schulden. [...] Die Scholle opfern wir dem großen Ziele, dem großen, heiligen deutschen Reich."

Scharfe Worte aus anderen Flugblättern

Spätere Flugblätter werden im Ton schärfer, woraus sich auch die Notwendigkeit erklärt, die in die Minderheit geratenden "Dableiber" durch den im November gegründeten Andreas-Hofer-Bund zu schützen.

Für heutige Ohren klingen manche Aussagen unglaublich - wie so vieles aus dieser Zeit. Es sind aber keine Stilblüten, sondern Ausdruck des tiefen Risses, der damals durch Südtirol ging und teilweise bis heute nachwirkt.

Aus Flugblättern der "Dableiber"-Bewegung:

  • Südtirol und Galizien! Gibt es einen schreienderen Gegensatz? Wohnen sollt Ihr in Hütten, aus denen die polnischen Bewohner vertrieben wurden ... Zwischen feindliche Völker eingeschoben ... sollt ihr gegen die Polen eingesetzt werden, von diesen .. verhaßt, bis man Euch aus dem Lande vertreiben wird, denn das Glücksrad kann sich wieder drehen
  • Die Losung lautet nicht "Geschlossen auswandern", sondern "Geschlossen in der Heimat verbleiben!"
  • Je mehr Deutsche in der Heimat bleiben, desto größer ist die moralische Macht, die wir besitzen, umso leichter werden wir unsere bisherigen Rechte behaupten...
  • Von zwei Übeln wähle ich das kleinere. Wir bleiben daheim!

Aus Flugblättern der "Optanten":

  • Wer für Italien stimmt .. verleugnet öffentlich seine deutsche Herkunft ...
  • Er wird dieser Lüge niemals froh werden, wenn er sieht, wie seine Kinder verwelschen ...
  • .. sogenannte "Hierbleiber", die freiwillig und blind ihre Zustimmung zur Verwelschung unseres Volkstums gebe
  • Volksfremde Elemente .. und verhetzte Geistliche bilden die saubere Gesellschaft, die heute die Heimatliebe predigen für Geld ... Sie sagen: "Geht nicht, draußen ist Krieg! ...
  • Ja, sind denn wir Südtiroler von 1939 Feiglinge geworden, die den Krieg fürchten und das Opfer für unser deutsches Vaterland?
  • ... gegen das scheinheilige, politisierende Priestertum, das .. Deutschland haßt und jenes Judentum, das Christus, unseren Herrn, gekreuzigt hat ..
  • .. die Zehn Gebote Gottes sind im Deutschen Reiche geradezu Staatsgrundgesetze! ... [Das Reich] wird unser Opfer .. zu würdigen wissen und sein Wort halten!

Siehe auch: