Heteronomie

philosophischer Begriff
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. Juni 2005 um 23:05 Uhr durch Helmut Zenz (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Heteronomie ist im Gegensatz zur Autonomie die Fremdgesetzlichkeit bzw. -bestimmtheit und meint die Abhängigkeit von fremden Einflüssen bzw. vom Willen anderer.

Philosophie

Seit Immanuel Kant wird der Begriff "Heteronomie" als Gegenbegriff zur Autonomie im Sinne der Willensfreiheit gebraucht. Aber schon bei ihm ist Heteronomie nicht gleichbedeutend mit uneingeschränkter Fremdbestimmung, die keine Eigenverantwortung mehr kennen würde. Heteronomie kann auch selbst gewählt werden.

Bioglogie

In der Biologie wird die Heteronomie-Diskussion vor allem in der Evolutionstheorie geführt (Determinismus).

Psychologie

In der Psychologie wird das Thema der Heteronomie als Abhängigkeitsverhältnis zu Personen oder von Krankheiten diskutiert, aufgrund dessen er nicht mehr freien Willens entscheiden kann.

Pädagogik

Vor allem in der Entwicklung des moralischen Urteils bildet z.B. bei Autoren wie Piaget oder Kohlberg die Heteronomie ("Regeln sind heilig") gemeinsam mit der Autonomie von den jeweiligen Entwicklungsbedingungen abhängige bereichsspezifische Entwicklungsstände.

Soziologie

Max Weber zum Beispiel behandelt das Thema Heteronomie im Kontext seiner Studien zur mittelalterlichen Stadt des Okzidents, in der er eine Entwicklung von der Heteronomie zur Autonomie beobachtet. Die Kriterien für die autonome im Unterschied zur heteronomen Stadt sind ihr Anstaltscharakter, die Gemeindeautonomie, die Form der Rechtsgenossenschaft mit einem rationalen, gesatzen öffentlichen und subjektiven Recht , beginnenden demokratischen Strukturen, die ökonomische Ausrichtung des Bürgers an Marktchancen und die Anfänge eines modernen Proletariats. Dazu kommt die Durchbrechung traditionaler Bindungen und eine scharfe Trennung von Stadt und Land. In diesem Sinne ist die vorherige heteronome Stadt von den gegenteiligen Kriterien geprägt. Die stadtsoziologischen Beobachtungen Max Webers lassen sich analog auch auf andere natürliche, soziologische und juristiche Personen und Gruppen übertragen.

Politologie

In der Politologie wird der Begriff vor allem in Bezug auf die Souveränität eines Staates oder politischen Verbandes verwendet. Dort wo die Verfassungsordnung eines Staates bzw. Verbandes von außen gesatzt wird, ist diese heteronom. Umgekehrt ist aber gerade der Staat eine Institution, gegenüber der die einzelne Person oder darin organisierte Gruppen heteronom sind. Dabei sind dann Staatsabsolutismus und Anarchie die korrespondierenden Extreme des Verhältnisses von Heteronomie und Autonomie.

Jura

In der Rechtswissenschaft spricht man in Bezug auf Körperschaften von Heteronomie, wenn diese sich z. B. durch rechtliche Regelungen nach anderen Akteuren richten mussen (beispielsweise werden bei einem heterokephalen Verband Leiter und Verbandsstab durch Außenstehende bestellt).

Theologie

In der Theologie wird zwischen der Heteronomie als unfreiwilliger Willensabhängigkeit (Tyrannei), Heteronomie als freiwilliger Willensgehorsam gegenüber natürlichen Autoritäten und der Heteronomie als Willensgehorsam gegenüber Gott (Theonomie) unterschieden. In diesem Sinne ist die natürliche Heteronomie und die Theonomie die Bedingung der Möglichkeit von Autonomie.

Alternativbegriff: Allonomie

Romano Guardini, der selbst kein dialektisches Verhältnis, sondern eine polare Spannungseinheit zwischen Autonomie und Heteronomie gegeben sieht, hat aufgrund der abschätzigen Wertung des Begriffs Heteronomie für die natürliche Heteronomie den aus dem französischen Wort für "fremd" abgeleiteten Begriff Allonomie eingeführt.

Literatur

  • Frankfurter Arbeitskreis für politische Theorie & Philosophie (Hg.): Autonomie und Heteronomie der Politik. Politisches Denken zwischen Post-Marxismus und Poststrukturalismus, 2004

Vorlage:Stub