Die Evolutionstheorie ist eine grundlegende wissenschaftliche Theorie der Biologie.
Evolution ist ein Fremdwort aus dem Lateinischen mit der Bedeutung Entwicklung.
Die Evolutionstheorie versucht, Ursprung, Entwicklung und Vielfalt des Lebens auf der Erde als einen historischen natürlichen Prozess zu erklären, der sich über viele Jahrmillionen vollzogen hat. Danach stammen alle Organismen durch einen zusammenhängenden Verzweigungsprozess von gemeinsamen Vorfahrenen ab.
Evolutionsfaktoren
Die phylogenetische Veränderung der Organismen wird durch drei Mechanismen erzeugt:
- Genetische Variabilität: Durch Mutationen und Rekombinationen werden neue Gene und damit neue Eigenschaften erzeugt.
- Selektion: Diese neuen Eigenschaften werden durch die Umwelt entweder eliminert oder durch Vererbung) an die nächste Generation weitergegeben.
- Zufallswirkungen: siehe Gendrift und Gründereffekt
Artbildung (Speziation)
Die Bildung neuer Arten (siehe auch: Artbildung) beruht im Wesentlichen auf
- einer reproduktiven Isolation (reproduktiv voneinander isoliert sind zwei Lebewesen, wenn sie nicht in der Lage sind, gemeinsam fortpflanzungsfähige Nachkommen zu zeugen) zweier (selten auch mehrerer) Populationen einer Art voneinander durch Barrieren. Normalerweise ist dies eine geographische Isolation, beispielsweise durch geologische (Gebirgsbildung, Grabenbrüche), klimatische Vorgänge oder die Neubesiedlung von Inseln oder anderen abgetrennten Lebensräumen. Eine reproduktive Isolation kann auch durch andere ökologische Faktoren (neue Nahrungsquelle und damit veränderte Mikrohabitate) oder Verhaltensänderungen eintreten
- einer getrennten Evolution beider Populationen, die zu unterschiedlichen GGenpools führt
- der Entwicklung genetischer Inkompatibilitäten, die die Vermischung der Arten auch bei Wegfall der Barrieren verhindern sowie von Verhaltensänderungen, die die Kopulation unwahrscheinlich machen.
Die Mechanismen der reproduktiven Isolation lassen sich unterscheiden in
- präzygotische Isolationsmechanismen: zeitliche, habitatbedingte, ethologische und mechanische Isolation
und
- postzygotische Isolationsmechanismen: Gametensterblichkeit, Zygotensterblichkeit, Hybridensterblichkeit und Hybridsterilität.
Geschichte der Evolutionstheorien
Artkonzept
Ernst Mayr (1942) gilt als Begründer des biologischen Artkonzeptes. Er definiert eine Art (auch Spezies) als "Gruppe von sich untereinander fortpflanzender Lebewesen, die reproduktiv von anderen solchen Gruppen isoliert sind".
Cuvier
Lamarck
Eine frühere Evolutionstheorie stammt von Jean Baptiste Lamarck. Die heutige Evolutionstheorie wurde von Charles Darwin begründet und von einer Vielzahl von Biologen und anderen Wissenschaftlern weiterentwickelt. Sie ist heute weitgehend als eine grundlegende naturwissenschaftliche Lehre anerkannt, auch wenn einige Details noch nicht vollständig verstanden sind.
Darwin
Methoden der Evolutionsbiologie
Homologisierung
Grundannahme: Je ähnlicher verschiedene Organismen sind, um so größer ist ihre Verwandtschaft.
Da aber viele entfernt verwandte Organismen auf Grund einer ähnlichen Lebensweise auch sehr ähnlich aussehen (Konvergenz), sehr nah verwandte Arten aber in unterschiedlichen Lebensräume sehr unterschiedlich aussehen können (Divergenz), ist es bei einem Vergleich von Organismen notwendig, von diesen Einflüssen zu abstrahieren: Ihre individuellen Baupläne werden durch Homologisieren auf abstrakten Bauplänen zurückgeführt. Je näher dies betrachteten Organismen verwandt sind, um so detaillierter und komplexer ist ihr gemeinsamer Bauplan. Weit entfernt verwandte Organismen können nur auf einen einfachen, mit wenigen generellen Merkmalen zurück geführt werden.
Auf der Suche nach gemeinsamen Vorfahren (missing links) können diese abstrakten Baupläne als Vorlage dienen.
Auf Grund der Komplexität der Bau- und Leistungsmerkmale von Organismen, konzentriert sich die Homologisierung in der Regel auf einzelne Organsysteme.
Homolog sind Strukturen, die sich auf einen gemeinsamen Bauplan zurückführen lassen. Ihre unterschiedliche Ausprägung wird durch Divergenz erklärt. (Beispiel: Flügel der Vögel und der Fledermäuse sind bezüglich des Armskelettes homolog.)
Analog sind Strukturen, die sich nicht auf einen gemeinsamen bauplan zurückführen lassen. Ihre ähnliche Ausprägung wird durch Konvergenz erklärt. (Beispiel: Flügel der Vögel und Fledermäuse sind bezüglich der Tragfläche - Federn bzw. Flughaut - analog.)
Homologie-Kriterien
- Kriterium der Lage (Beispiel: Vordergliedmaßen der Wirbeltiere)
- Kriterium der Kontinuität (Beispiel: Entwicklung der Gehörknöchelchen der Säuger aus Kieferknochen der Fische über Zwichenstufen der Reptilien)
- Kriterium der speziellen Qualität (Beispiel: Hautzähne der Haie sind im Aufbau den Zähnen der Säuger Homolog)
Systematik
Eine wichtige Technik, um sich einen Überblick der stammensgeschichtlichen Entwicklung zu verschaffen, bieten phylogenetische Stammbäume als eine Systematik der Biologie für die Kladistik.
Teilbereiche der Evolutinsbiologie
Einerseits liefern genannte Bereiche experimentelle Hinweise zur Evolution, andererseits liefert die Evolutionstheorie ein vereinheitlichendes Bild innerhalb und zwischen den Bereichen.
Konfliktpunkte
Heute unter Wissenschaftlern allgemein akzeptiert und durch Funde immer wieder bestätigt, war die Evolutionstheorie zunächst wegen ihrer revolutionären Ideen Anfeindungen ausgesetzt.
Nur wenige andere naturwissenschaftliche Theorien haben einen derart heftigen Diskussionsprozess in Gang gebracht wie sie. Vor allem mit dem Schöpfungsglauben vieler Religionen gab es scheinbar unüberbrückbare Widersprüche. Gerade unter religiösen Fundamentalisten lebt diese Ablehnung auch heute noch fort.
- Die Evolutionstheorie widerspricht der christlichen, jüdischen und islamischen Ansicht einer göttlichen Schöpfung der heutigen Lebensformen (Kreationismus).
- Sie widerspricht der Ansicht einer unveränderlichen, gleichbleibenden belebten Natur (Konstanz der Arten).
- Sie widerspricht der Ansicht, dass die Entwicklung der verschiedenen Lebensformen auf ein Ziel hin ausgerichtet ist. (Teleologie)
- Sie widerspricht der Ansicht von der Vererbung erworbener Eigenschaften. (Lamarckismus)
- Sie widerspricht auch der Ansicht, dass das heutige Leben ohne Einfluss des Zufalls entstanden sei.
- Oft wird angeführt, etwas so Kompliziertes, wie z.B. der Mensch, könne nie durch Zufall entstehen. (Siehe oben Mischprozess aus Zufall und Gesetzmäßigkeit)
Der von Kritikern häufig angeführte (vermeintliche) Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik (Entropie nimmt zu) trifft auf die Evolution nicht zu, da die Erde kein abgeschlossenes System darstellt, also die Voraussetzung zur Anwendung des 2. Hauptsatzes (Abgeschlossenheit) nicht erfüllt ist.
Desweiteren kann selbst in einem isolierten System die Entropie lokal abnehmen, ohne dass der 2. Hauptsatz für das Gesamtsystem verletzt wäre.
Einteilung und Entwicklungen
Seit ihrer ursprünglichen Formulierung hat sich die Evolutionstheorie in vielfacher Hinsicht weiterentwickelt. Als direkter Nachfolger der Darwinschen Evolutionstheorie gilt die klassische neodarwinistische Evolutionstheorie. Sie wurde insbesondere von Ernst Mayr zur Synthetischen Theorie der Evolution weiterentwickelt. Durch die Einbeziehung der informationstheoretisch geprägten Systemtheorie nach Ludwig von Bertallanfy entwickelte insbesondere die Wiener Schule (Rupert Riedl u.a.) die Systemtheorie der Evolution.
Auch die Frage, wo die Selektion ansetze, ist Modifikationen unterzogen. So geht die darwinistische Theorie davon aus, dass die Selektion auf der Ebene des Phänotyps ansetze, und die Selektion zum Überleben des bestangepassten Organismus (survival of the fittest) führe. In Abgrenzung davon wurde der Begriff vom "Eigennutz des Gens" (Richard Dawkins: The Selfish Gene, 1976) geprägt, wonach auch Gene, die zu einer Beeinträchtigung des Organismus führen, selektiert werden, sofern sie Merkmale hervorrufen, die die Verbreitung dieses Gens unterstützen. Auf diese Weise werden Phänomene wie die Ermordung von Affenbabys durch Männchen, die nicht der biologische Vater sind, erklärt, ebenso die zum Teil für das Überleben hinderlichen Sexualdimorphismen wie übergroße Geweihe, auffällige Federkleider usw.
Aktuell diskutierte Probleme sind auch:
- Die Koevolution. Betrachtet man viele Symbiosen, so erscheint es fraglich, wie die tiefgreifenden Abhängigkeiten von Symbiosepartnern (z.B. bei Flechten) entstehen konnten. Ebenso erstaunlich sind die wechselseitigen Anpassungen von Insekten und Blütenpflanzen. Sehr oft hat man aber fossil oder rezent Zwischenstufen gefunden, die die parallele Evolution verständlich machen.
- Die Evolution der Evolutionsmechanismen. Hier hat die Molekularbiologie in jüngerer Zeit deutlich veränderte Einsichten gebracht. Ging man in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch davon aus, dass die DNA-Sequenz direkt das entscheidende Genmaterial darstelle, so haben die Entdeckung der Introns , Exons sowie des Splicings und insbesondere des alternativen Splicings gezeigt, dass die Ursachen der genetischen Varabilität bereits auf molekularer Ebene Evolutionsprozessen unterworfen sind.
- Die Evolution tiefgreifender Änderungen (Makroevolution), etwa auf der Ebene von Tierstämmen. Solange als Ursachen der Variabilität nur Genmutationen, Chromosomenmutationen, Genommutationen und Rekombination im Zuge der Meiose erkannt waren, war schwer vorstellbar, wie sich bestimmte Merkmale ohne Zwischenstufen ohne eigenen Selektionsvorteil entwickelt haben könnten. Solche Erscheingen findet man speziell bei Eukaryonten. Die Entdeckung des alternativen Splicings bei Eukaryonten hat Ende des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass DNA-Sequenzen multifunktionell sein und - je nach Splicing - zu unterschiedlichen Proteinen führen können. Zudem codiert ein erheblicher Teil der DNA nicht für Proteine. Auch die Genregulation bringt neue Aspekte in die Evolutionsforschung. So kann es einen Selektionsvorteil darstellen, phylogenetisch alte und nicht zur Proteincodierung benutzte DNA-Sequenzen im Genom zu konservieren, da damit die Ausprägung neuer Merkmale durch verändertes Splicing oder Änderungen der Genregulation weitaus schneller und tiefgreifender sein kann als es durch einen Austausch von DNA-Basen der Fall wäre.
Literatur
- Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie. Die Helden, ihre Irrungen und Einsichten. Riedl, Rupert, 2003. 236 S. m. 39 Abb. 24 cm. Gebunden. 574gr,ISBN 3-540-43668-5, KNO-NR: 10 90 42 97 -SPRINGER, BERLIN- 29.95 EUR
- Die Herausforderung der Evolutionsbiologie: Hrsg. v. Heinrich Meier. Serie Piper Bd.997. Mit 28 Abb. Kartoniert. 250gr, ISBN 3-492-10997-7, KNO-NR: 03 41 32 93 -PIPER- 10.90 EUR
- Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Kutschera, Ulrich: 2001. 284 S. m. 104 Abb. 21 cm. Kartoniert. 476gr. ISBN 3-8263-3348-9, KNO-NR: 10 05 93 31 -BLACKWELL WISSENSCHAFTS- VERLAG; PAREY- 29.95 EUR
- Die Evolutionstheorie und ihr Gegenstand, Beitrag der Methodischen Philosophie zu einer konstruktiven Theorie der Evolution, Gutmann, Mathias, (Studien zur Theorie der Biologie Band 1) 1996
- Dawkins, Richard: The Selfish Gene. Oxford: Oxford University Press, 1976. New Edition 1989.
- Dawkins, Richard: The Blind Watchmaker. London u.a.: Penguin, 1986. Rpt. 1991.
Weblinks
- Linkliste Evolutionsbiologie in Deutschland
- Fossile Zeugen der Evolution
- Geschichte des Evolutionsgedankens (englisch)
- Frankfurter Evolutionstheorie
- Die Evolutionstheorie und der moderne Antievolutionismus
- Leben & Evolution - Kropotkin u.a.
Siehe auch
- Art -- Fitness -- Mutation -- Variation -- Genetik -- Charles Darwin -- Genetischer Code -- Gregor Mendel -- James Watson -- Selektion -- Ernst Haeckel -- Lamarck -- Ernst Mayr -- genetische Drift -- Paläontologie -- Artbildung -- Chromosom -- Dominanz -- Merkmal -- Abstammung -- Verwandtschaft -- Taxonomie -- Phylogenese