Lebensrechtsbewegung

soziale Bewegung zum Schutz des Lebens
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Lebensrechtsbewegung ist die Eigenbezeichnung von Einzelpersonen, Gruppen und Initiativen, die sich gegen die Legalität oder Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen, Sterbehilfe, Praktiken der Klonierung und Pränataldiagnostik einsetzen. Der Begriff wurde in den frühen 1960er Jahren in den USA geprägt, die amerikanische Bezeichnung lautet Pro-Life. Die Bewegung umfasst Personen aller Gesellschaftsschichten und unterschiedlicher Weltanschauungen, viele sind von christlichen Wertevorstellungen geprägt.

Geschichte

1960er Jahre

Ab Mitte der 1960er Jahre begann in den industrialisierten Ländern des Westens ein historischer Wandel: Die ersten Pillen zur Empfängnisverhütung kamen auf den Markt, etwa zur gleichen Zeit begann die so genannte Sexuelle Revolution. Parallel dazu formierte sich die neue Frauenbewegung unter anderem mit der Forderung „Mein Bauch gehört mir.“ Die Reform des §218 StGB in Deutschland wurde öffentlich gefordert und diskutiert.

Nachdem bereits zuvor in einigen europäischen Staaten der Schwangerschaftsabbruch in unterschiedlichem Umfang liberalisiert worden war, schlug in den USA das American Law Institute 1962 eine Lockerung der entsprechenden Gesetzgebung vor. Dem schlossen sich im Laufe des Jahrzehnts weitere gesellschaftliche Gruppen an. Seit 1967 änderten dementsprechend immer mehr US-Bundesstaaten ihre Gesetze. 1967 entstand auch die erste amerikanische Lebensrechts-Organisation, die Virginia Society for Human Life. 1968 wurde die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch in Großbritannien reformiert.

1970er Jahre

Im Jahr 1973 erließ der Oberste Gerichtshof der USA (Supreme Court) die Entscheidung im Fall Roe v. Wade. Nach Auffassung der Richter gewährte die Verfassung ein nicht ausdrücklich genanntes Recht auf Privatsphäre, welches auch das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einschlösse. Damit wurde der Abbruch auch in den 31 US-Bundesstaaten legal, in denen kein entsprechender Parlamentsbeschluss erging. Infolge dieser Entscheidung kam es zur Gründung zahlreicher Pro-Life-Organisationen. 1973 wurde das National Right to Life Committee gegründet. 1978 formierte sich die American Life League.

1972 wurde in der DDR die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch eingeführt. Ein entsprechender Versuch des Gesetzgebers in der Bundesrepublik Deutschland scheiterte 1975 an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, woraufhin 1976 eine Neufassung des §218 StGB, nämlich die Indikationslösung mit Kombination aus Indikation und Beratungsbescheinigung, in Kraft trat. Als Reaktion auf die Liberalisierung dieses Paragraphen entstand die deutsche Lebensrechtsbewegung. 1974 gründete eine Gruppe von Studenten die Aktion Lebensrecht für Alle - ALfA (Verein seit 1977). Als weitere Organisation folgte 1979 die christliche Bürgerinitiative Aktion Leben. In Österreich wurde 1975 eine Fristenregelung eingeführt, dort trat als erste größere Lebensrechtsorganisation die hauptsächlich im sozialen Bereich tätige Aktion Leben Österreich auf den Plan. Die Schweizer Vereinigung Ja zum Leben entstand 1972 zur Bekämpfung der 1971 lancierten Eidgenössischen Volksinitiative für straflose Schwangerschaftsunterbrechung.[1]

1980er Jahre

Mitte der 1980er Jahre gründeten sich mehrere deutsche Lebensrechtsorganisationen, so 1984 die Juristen-Vereinigung Lebensrecht - JVL, mit ihrer Zeitschrift für Lebensrecht (ZfL). 1985 wurden die Christdemokraten für das Leben – CDL durch Parteimitglieder der CDU/CSU gegründet.

In den 1980er Jahren versuchten deutsche Lebensrechtler eine Verschärfung des §218 herbeizuführen, da die soziale Indikation ihrer Meinung nach faktisch der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärten Fristenregelung gleichkäme. Außerdem klagten sie erfolglos gegen die Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen durch Krankenkassen, die auch heutzutage in 90% aller Schwangerschaftsabbrüche die Kosten übernehmen.

Ebenfalls 1985 kam in der Schweiz die Initiative „Recht auf Leben“ zur Abstimmung, mit welcher Lebensrechtsorganisationen den Grundsatz Das Leben des Menschen beginnt mit dessen Zeugung und endet mit seinem natürlichen Tode in der Verfassung verankern wollte. Die Verfassungsänderung wurde vom Schweizer Stimmvolk mit 70%-iger Mehrheit abgelehnt.

1990er Jahre

In den 1990er Jahren waren die Lebensrechtsgruppen in den USA zu einer Bewegung mit Millionen von Mitgliedern angewachsen und übten einen erheblichen gesellschaftlichen Einfluss aus. Im Gegensatz zu den Verhältnissen in Europa spielt in den USA die politische Lobby-Arbeit der Lebensrechtsbewegung (Pro-Life) wie auch der Befürworter eines freien Schwangerschaftsabbruchs (Pro-Choice) eine ganz erhebliche Rolle im öffentlichen Meinungsbild.

1995 wurde in Deutschland die Indikationslösung durch eine Fristenregelung bei vorgeschriebener Beratung ersetzt. Die Auseinandersetzung der deutschen Lebensrechtsgruppen mit den regionalen Kirchen um den Beratungsschein spitzte sich zu. Viele Lebensrechtsgruppen wandten sich gegen den von der katholischen Kirche und den meisten evangelischen Kirchen in ihren Beratungsstellen ausgestellten Beratungsschein, der gesetzlich ab dem 1. August 1995 einzige Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch war, da sie darin eine Mitwirkung der Kirchen an Schwangerschaftsabbrüchen sahen. 1999 ordnete der Papst an, in katholischen Beratungsstellen keinen solchen Beratungsschein mehr auszustellen.

Die seit 2001 legalisierte Duldung der Sterbehilfe in den Niederlanden, in Belgien, in Oregon, Kolumbien und Teilen Australiens wurde zu einem zentralen Thema der Lebensrechtsbewegung, die sich strikt gegen die aktive Sterbehilfe wendet. Auch bioethische Themen (Hirntoddiskussion, Bioethikkonvention, ärztlich assistierte Fortpflanzung) gewannen in der Lebensrechtsbewegung immer mehr an Bedeutung.

Seit 2000

Im Zusammenhang mit den Klonversuchen an Tieren (z.B. "Klonschaf Dolly") setzte sich die Lebensrechtsbewegung gegen das reproduktive sowie therapeutische Klonen ein. Weitere bioethische Themen kamen hinzu, beispielsweise Forschung und Eingriffe am menschlichen Erbgut oder Forschung an und mit embryonalen Stammzellen.

Im November 2000 reichten die Schweizer Lebensrechtsorganisationen eine Volksinitiative Eidgenössische Volksinitiative 'für Mutter und Kind - für den Schutz des ungeborenen Kindes und für die Hilfe an seine Mutter in Not' ein, die 2002 gleichzeitig mit einem von Lebensrechtsorganisationen und der Christlichdemokratischen Volkspartei eingereichten Referendum gegen die 2001 vom Parlament beschlossene Revision der Artikel 118-121 des Strafgesetzbuches (Fristenregelung) zur Abstimmung kam.[2] Die Fristenregelung wurde 2002 in der Volksabstimmung mit 72,2% der Stimmen angenommen, die Initiative mit 81,8% abgelehnt.[3]

Weltanschaulicher und philosophischer Hintergrund

Insgesamt ist die Lebensrechtsbewegung heterogen, so dass eine eindeutige soziologische Zuordnung nicht möglich ist. Innerhalb des Katholizismus, aber auch innerhalb der evangelischen Kirchen oder in den freien evangelischen Gemeinden wird die Idee des Lebensschutzes intensiv vertreten. Dabei verstehen sich manche Organisationen als konfessionsübergreifend, andere als explizit protestantisch oder katholisch. So sind etwa in den USA christliche Gruppen in der Pro-Life Bewegung besonders stark engagiert. Daneben gibt es aber auch andere Organisationen, die einen eher liberalen oder links-progressiven Hintergrund haben, oder sich selbst als feministisch bezeichnen.

Die Idee des Lebensschutzes wird teilweise religiös begründet, indem man sich etwa auf das christliche Menschenbild beruft, teilweise aber auch unter Rückgriff auf aufklärerische Traditionen oder mit Hilfe anderer philosophischer Theorien vertreten. Häufig wird dabei auf das beispielsweise von Kant formulierte Argument verwiesen, wonach die Würde des Menschen gerade darin bestehe, niemals „Mittel zum Zweck“, also letztlich Objekt anderer, sondern immer „Selbstzweck“ zu sein.

Als Beginn des individuellen menschlichen Lebens wird die Befruchtung, also die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, angesehen, gleichgültig ob sie im Körper der Frau (in vivo) oder im Reagenzglas (in vitro) stattfindet. Begründet wird dies in der Regel mit den Argumenten Potentialität, Identität und Kontinuität: bereits ein Embryo besitze die Potenz, zu einem vollständigen Menschen heranzuwachsen, er sei identisch mit der Person, die er später und zeitlebens sein werde, und seine Entwicklung verlaufe kontinuierlich ohne wesensverändernde Einschnitte.

Ein Abbruch der Schwangerschaft, die Verhinderung der Einnistung (Nidation) der befruchteten Eizelle oder auch die Zerstörung eines Embryos in vitro zu Forschungs- oder Therapiezwecken wird nach Auffassung der Lebensrechtsbewegung als Tötung eines Menschen in einem frühen Stadium seiner Entwicklung angesehen und könne deshalb nicht mit dem Hinweis auf andere Grundrechte (wie etwa dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung oder dem Recht eines kranken Menschen auf Gesundheit) gerechtfertigt werden. Auch Verhütungsmittel, die nicht die Befruchtung, sondern die Einnistung einer befruchteten Eizelle in der Gebärmutter verhindern, werden aus diesem Grunde abgelehnt. Diese als Nidationshemmer bezeichneten Mittel zur Empfängnisregelung wirken nach gegenwärtiger wissenschaftlicher Auffassung jedoch vorwiegend durch eine Verhinderung des Eisprungs, Beeinträchtigung des Transports der Eizelle im Eileiter sowie Beeinträchtigung der Beweglichkeit der Spermien.[4] Es ist auch argumentiert worden, dass die von der Lebensrechtbewegung propagierten natürlichen Methoden der Empfängnisverhütung, wie etwa die symptothermale Methode, für eine weitaus größere Anzahl „vernichteter Embryonen“ sorgen könnten, als die von der Lebensrechtsbewegung gegenwärtig kritisierten Verhütungsmittel.[5]

Das menschliche Leben findet nach Ansicht der Lebensrechtsbewegung mit dem natürlichen Tod sein Ende. Es ist allerdings unklar, was unter dem Begriff "natürlicher Tod" zu verstehen ist. So bezeichnet der Schweizer Bundesrat in seiner Botschaft zur Volksinitiative "für das Recht auf Leben" diese Definition vom Ende des Lebens als fragwürdig, unbestimmt, wissenschaftlich unrichtig[6]. Die Lebensrechtsbewegung engagiert sich gegen jede Form aktiver Sterbehilfe.

Themen der Lebensrechtsbewegung

Schwangerschaftsabbruch

Nach Ansicht der meisten Lebensrechtsorganisationen soll der Schutz des vorgeburtlichen Lebens nicht nur mit Hilfe sozialer Maßnahmen, etwa durch die Verbesserung der Lebensbedingungen von Familien und Kindern, sondern auch durch Bewusstseinsbildung und rechtliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch einschließlich des Strafrechts sichergestellt werden. Über die hierzu erforderlichen Schritte und deren Gestaltung gibt es zwischen den einzelnen Gruppierungen unterschiedliche Meinungen. Neben operativen Methoden werden auch medikamentös herbeigeführte Schwangerschaftsabbrüche abgelehnt.

Praktiken der Klonierung

Die Lebensrechtsbewegung tritt gegen sämtliche Formen des Klonens und der hierfür notwendigen biotechnologischen Maßnahmen, beispielsweise das Herstellen und Verbrauchen menschlicher Embryonen zu medizinischen Zwecken oder die Gewinnung von embryonalen Stammzellen, ein. Auch die Vernichtung überzähliger Embryonen aus der in vitro Befruchtung wird abgelehnt. Dagegen wird die Forschung mit adulten Stammzellen ausdrücklich unterstützt, da hierfür lediglich Körperzellen eines geborenen Menschen verwendet werden, ohne dass diesem Menschen dadurch in irgendeiner Form geschadet wird.

Präimplantationsdiagnostik und Pränataldiagnostik

Die Präimplantationsdiagnostik (PID), bei der im Reagenzglas befruchtete Eizellen vor der Übertragung in die Gebärmutter untersucht und bei entsprechendem Krankheitsbefund vernichtet werden, wird von der Lebensrechtsbewegung abgelehnt. Ebenso wird die während der Schwangerschaft durchgeführte Pränataldiagnostik nur insoweit akzeptiert, als sie dem Wohl von Mutter und Kind diene und nicht zur Selektion erwünschter Merkmale führe. Insbesondere der beispielsweise in Deutschland bei Vorliegen einer medizinisch-sozialen Indikation bis zur Geburt legale Spätabbruch wird von der Lebensrechtsbewegung kritisiert, weil sie eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung darstelle.

Sterbehilfe

Darunter verstehen Lebensschützer insbesondere den Widerstand gegen jegliche Legalisierung aktiver Sterbehilfe. Allerdings ist die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe nicht immer klar zu ziehen. So haben sich Lebensrechtler in den USA und Italien vehement gegen das Abstellen von Beatmungsmaschinen und künstliche Ernährung bei jahrelang im Koma liegenden Patienten gewehrt[7][8]. In der Schweiz streben sie ein Verbot oder zumindest eine restriktivere Regelung der Beihilfe zum Suizid an. Stattdessen fordern Lebensrechtsorganisationen den Ausbau der Palliativmedizin und die Verbesserung der Lebensbedingungen betroffener Menschen und ihrer Angehörigen.

Auch Organtransplantationen von hirntoten Organspendern werden von vielen Lebensrechtlern aufgrund ihrer Zweifel am Hirntodkonzept kritisch gesehen.

Mittel und Wege zur Umsetzung der postulierten Ziele

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Kampagne „Embryonenoffensive“, Umschlag
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Kampagne „Embryonenoffensive“, Inhalt

Viele Gruppen der Lebensrechtsbewegung sind sozial engagiert, beispielsweise in der Beratung und Betreuung schwangerer Frauen oder in der Fürsorge für Familien. Auf diese Weise sollen die Rahmenbedingungen derart verbessert werden, dass es angesichts schwieriger und belastender Situationen leichter falle, auf Schwangerschaftsabbrüche zu verzichten. Schließlich wird versucht, durch Teilnahme an der politischen Willensbildung die rechtlichen und sozialen Bedingungen im Sinne der Ziele der Lebensrechtsbewegung zu beeinflussen.

Darüber hinaus engagieren sich einzelne Lebensrechtler auch im sexualethischen Bereich, wobei sie häufig dezidiert christliche oder speziell katholische Positionen vertreten.

Hinsichtlich der Methoden, mit denen die unterschiedlichen Gruppen die beschriebenen Ziele zu erreichen versuchen, gibt es eine große Bandbreite innerhalb der Bewegung. Es werden auch drastischere Mittel, wie etwa das Veröffentlichen von Bildern von Schwangerschaftsabbrüchen oder das Blockieren von Krankenhäusern, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, verwendet.

Insbesondere in den USA versuchen radikale Abtreibungsgegner seit den 1970er Jahren ihre Ziele durch terroristische und kriminelle Aktionen wie Bombenlegen, Mord und Mordversuche an Ärzten, Belagerung und Belästigung der Patientinnen von Familienplanungszentren zu erreichen. So gab es nach Angaben der National Abortion Federation in den USA zwischen 1977 und 1994 1700 Fälle von Gewalt gegenüber Abtreibungskliniken und Ärzten, die Abtreibungen durchführten. 1993 wurde ein und 1994 wurden vier Menschen getötet. 1984 gab es 18 Bombenattentate. 1996 war ein Drittel aller Abtreibungskliniken von Bombenattentaten, Bedrohungen und Belästigungen betroffen.[9]

Parteipolitische Unterstützung erhält die Lebensrechtsbewegung in den deutschsprachigen Ländern überwiegend aus den konservativen Parteien; allerdings tritt selbst in diesen Parteien nur mehr eine kleine Minderheit gegen die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ein. Manche bioethischen Positionen der Lebensrechtsbewegung wie etwa die Ablehnung der Embryonenforschung und des therapeutischen Klonens finden auch bei ökologisch orientierten oder sozialdemokratischen Parteien Zustimmung.

Rezeption

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Ein Fahrzeug der Lebensrechtsbewegung vor einer Frauenklinik, die Mitte der 1990er Jahre Ziel eines Bombenanschlages durch Eric Rudolph wurde.

Da sich die Lebensschutzorganisationen nach eigenen Aussagen „für den Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod“ einsetzen, wird ihre Glaubwürdigkeit von Kritikern unter Hinweis auf ihr angeblich mangelhaftes Engagement für den Frieden und gegen die Todesstrafe in Frage gestellt. Eine wirklich glaubwürdige Lebensschutz-Philosophie bestehe, so die Kritiker, aus einer Ethik, die tatsächlich alle Aspekte des menschlichen Lebens mit einbeziehe und nicht nur einzelne Aspekte („Ethik des nahtlosen Gewandes“). Eine solche Philosophie wurde beispielsweise von Papst Johannes Paul II. oder dem Dalai Lama vertreten.

Insbesondere von feministischer Seite wird Lebensschützern immer wieder vorgeworfen, sie interessierten sich nur für Embryonen und Föten, die Frauen und ihre Rechte würden ausgeblendet[10]. Sie kümmerten sich lieber um das ungeborene als um das geborene Leben. Ungewollte und unerwünschte Kinder, die unter unmenschlichen Bedingungen aufwachsen müssten, seien ihnen ebenso egal, wie überforderte und unwillige Mütter und die Folgen davon für Kinder und Mütter. Lebensschützer weisen diese Kritik mit dem Argument zurück, gerade sie seien in Vereinen tätig, die hilfsbedürftigen Müttern unter die Arme greifen und sich für eine Verbesserung der Möglichkeiten für Mütter einsetzen, um ihnen ein Leben mit dem Kind zu ermöglichen. Allerdings haben sich (in der Schweiz) gerade auch Parlamentarier aus dem Kreis der Lebensrechtler verschiedentlich gegen Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Mutterschaftsversicherung, Krippen, Tagesschulen) eingesetzt, da sie ein traditionelles Familienbild vertreten.[11][12]

Ein weiterer Kritikpunkt ist die aggressive Wortwahl, wie etwa die Gleichsetzung von Schwangerschaftsabbrüchen mit Mord, insbesondere der Vergleich mit dem Völkermord an den Juden im Dritten Reich oder anderen Verbrechen der Nationalsozialisten, der sich bei manchen Vertretern der Lebensrechtsbewegung findet. Beispielhaft hierfür sind Formulierungen wie „neuer Holocaust“ oder „Damals Holocaust - heute: Babycaust“. Diese Formulierungen werden als Verharmlosung des Nationalsozialismus und des Holocausts kritisiert.

Einzelnachweise

  1. Anne-Marie Rey. Die Erzengelmacherin - das 30-jährige Ringen um die Fristenregelung ISBN 978-3-905795-02-8
  2. Volksabstimmung vom 2. Juni 2002
  3. Abstimmungsresultat
  4. R. Rivera, I. Yacobson, D. Grimes: The mechanism of action of hormonal contraceptives and intrauterine contraceptive devices. In: Am J Obstet Gynecol. 1999 Nov;181(5 Pt 1):1263–9. PMID 10561657.
  5. L. Bovens: "REPRODUCTIVE ETHICS: The rhythm method and embryonic death"
  6. Botschaft zur Volksinitiative "Recht auf Leben", 28. Februar 1983, Seiten 11 und 21 ff
  7. Fall Eluana Englaro
  8. Fall Terri Schiavo
  9. msnbc.com: "Abortion clinic violence"
  10. Recht auf Leben und Frauenrechte
  11. Parlamentsdebatte vom 7. Juni 2006 zur Finanzierung von Krippenplätzen, Votum Marcel Scherer
  12. Parlamentsdebatte vom 15. März 2005 zur Vereinheitlichung von Kinderzulagen, Votum Christian Waber

Literatur

  • K. Cassidy: „The right to life movement: sources, development, and strategies.“ In: J Policy Hist. 1995;7(1):128–59. PMID 12346342