Topinambur

Art der Gattung Sonnenblumen (Helianthus)
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Topinambur (Helianthus tuberosus), gelegentlich auch Erdbirne (in Südbaden auch Ross-Erdäpfel genannt, weil sie Pferden verfüttert wurden) oder Jerusalem-Artischocke, ist eine Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) und zählt zur selben Gattung wie die Sonnenblume (Helianthus annuus). Genutzt wird die Wurzelknolle. Der Name Topinambur leitet sich vom Namen des Indianischen Stamm Tipinambas ab, der Topinambur mit dem unaussprechlichen Hxiben benannte.[1] Mancherorts in Baden wird Topinambur auch nur als Erdapfel bezeichnet. Weitere Namen für die Topinambur sind: Borbel, Erdartischocke, Erdschocke, Erdsonnenblume, Ewigkeitskartoffel, Indianerknolle, Jerusalemartischocke, Kleine Sonnenblume, Knollensonnenblume, Rosskartoffel, Süßkartoffel, Zuckerkartoffel.[2] Die Bezeichnung Erdbirne (Erdäpfel) wird in Süddeutschland, Österreich und in der Schweiz auch als Name für die Kartoffel verwendet.

Topinambur

Topinambur (Helianthus tuberosus)

Systematik
Ordnung: Asternartige (Asterales)
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Unterfamilie: Asteroideae
Tribus: Heliantheae
Gattung: Sonnenblumen (Helianthus)
Art: Topinambur
Wissenschaftlicher Name
Helianthus tuberosus
L.

Als Topinambur oder Rossler wird auch der aus der Pflanze hergestellte Branntwein bezeichnet.

Beschreibung

Pflanze

Die mehrjährige krautige Pflanze wird bis zu drei Meter hoch.[3] Der Trieb ist einjährig und stirbt im Herbst ab.[4] Aus einer Knolle bilden sich mehrere aufrechte Stängel.[3] Die Stängel verzweigen sich.[1] An diesen sitzen gestielte, eiförmige, raue Blätter. Diese werden sieben bis zehn Zentimeter breit und zwischen zehn und fünfundzwanzig Zentimeter lang. Stängel und Blatt sind rau und behaart.[2] Die Blüten sind kräftig gelb mit 4 bis 8 cm Durchmesser. Blütezeit ist in Nord-Frankreich nicht vor Oktober.[4] In Zentraleuropa schon ab August.[1] Topinambur ist eine Kurztagspflanze und blüht erst wenn eine bestimmte Tageslänge unterschritten wird.[3] Die vier bis acht Zentimeter breiten, körbchenförmigen Blütenstände blühen im Zeitraum von August bis November. Sie sitzen in den Achseln der oberen Laubblätter. Die Zungen- und Röhrenblüten sind zwittrig. Als Frucht bilden die Blüten Achänen.[2] Die Pflanze bildet für die Überwinterung Rhizome in denen Zuckerstoffe eingelagert werden.[5] Die Knollen entstehen an der Sprossbasis.[3] Die Form ist birnen-, apfel- bis spindelförmig.[2] Die Knollenhaut ist von beige über gelb bis rosa gefärbt.[4] Das Fleisch der Knolle ist weiß. Die Knollen erreichen eine Größe, die Kartoffeln entspricht.[6] Die Haut der Knolle ist im Gegensatz zu Kartoffeln fein und dünn.[7] Die Knollen ertragen Frost bis -30 °C, wobei der oberirdische Spross nur -5 °C aushält.[1]

Einordnung als Neophyt

Die Pflanze wuchert.[5] Die enorme Wuchskraft bedingt, dass schon Bruchstücke der Knolle reichen, um neu auszukeimen.[1] In Mitteleuropa verwildert Topinambur häufig und kann – wie andere Neobiota beziehungsweise Neophyten – Probleme verursachen, da sie heimische Pflanzen verdrängt, selber aber nur wenige Fressfeinde hat. Im Juli und August bildet die Pflanze an den unterirdischen Ausläufern länglich-spindelförmige Knollen aus, die als Kohlenhydratespeicher dienen. Aus ihnen treiben im nächsten Frühjahr neue Sprossen. Die Pflanze ist daher in der Lage, in eine bestehende Pflanzengesellschaft einzudringen und aufgrund ihres raschen Höhenwachstums im Frühjahr, bei dem die anderen Pflanzen sehr stark beschattet werden, zu verdrängen. Topinambur wird als „invasiv“ eingestuft. Die Stärke als Neophyt ist jedoch sehr vom Standort abhängig. Auf Topinambur folgt am besten Wiese, die etwas öfter gemäht wird. Das drängt Topinambur zurück, bevor andere Gemüsekulturen folgen.

Herkunft und Geschichte

Topinambur stammt aus Nord- und Mittelamerika.[4] Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet wird in Mexiko vermutet. Heute ist die Art im zentralen und östlichen Nordamerika sowie in Mittelamerika verbreitet. Sie gilt als Kulturpflanze der Indianer aus vorkolumbianischer Zeit. Überlebende einer Hungersnot unter französischen Auswanderern in Kanada/ Nordamerika schickten 1610 einige der unbekannten Knollen, die ihnen das Leben gerettet hatten, nach Europa. So kam sie auch 1612 in die "Hauptstadt der Küche", nach Paris.[3] Sowie in den Vatikan als Sammelplatz für Wunder aller Art. Fälschlicherweise benannten die Franzosen die Indianerkartoffel nach einem brasilianischen Indianerstamm, der zufällig gerade zu Besuch war: topinambour. Parallel einigten sich päpstliche Gärtner auf girasole articiocco, Sonnenblumen-Artischocke. Engländer konnten girasole nicht aussprechen und kreierten die Bezeichnung Jerusalem-Artischocke. Zuerst wurde die Topinambur als Nutzpflanze als Nahrungsmittel angebaut. Die Knollen waren im 19. Jahrhundert ein wichtiges Nahrungs- und Futtermittel. Als Nahrungsmittel genoss die Topinamburknolle vor allem in Frankreich nach ihrer Einführung Anfang des 17. Jahrhunderts große Popularität. Heute wird Topinambur in fast allen Kontinenten angebaut. In Europa wurde die süßlich schmeckende Knolle wieder Mitte des 18. Jahrhunderts weitgehend von der ergiebigeren Kartoffel verdrängt. Hauptanbaugebiete befinden sich in Nordamerika, Russland, Australien und Asien. Sie wird nur noch mit geringer wirtschaftlicher Bedeutung in Südfrankreich und den Niederlanden angebaut. In der Schweiz wird sie im Seeland wieder seit 1978 erwerbsmässig angebaut.[3] In Deutschland findet man nur kleine Anbaugebiete in Niedersachsen, Brandenburg und Baden. In Baden im Kreis Rastatt fanden sich 1990 noch etwa 200 ha im Anbau. In Dänemark wurden 1990 noch 15 bis 20 ha angebaut.[1] Heute ist sie fast nur in Bio-Läden oder auf Wochenmärkten zu finden.[2][8] In der Schweiz wird sie auch über die Einzelhandelsketten vermarktet.

Nutzung

Anbau und Ernte

Topinambur ist anspruchslos und stellt keine großen Anforderungen an seinen Standort. PH-Werte zwischen 6,0 und 7,5 sind am besten.[1] Am besten folgt sie in der Kulturfolge auf Kulturen, die lockeren Boden hinterlassen. Er wächst auf fast jedem Boden, ideal ist ein lockerer, leicht sandiger Boden. Staunässe wird aber gemieden. Auch klimatisch gedeiht die Pflanze von Nordeuropa bis weit in den Süden. Im erwerbsmäßigen Anbau wird Topinambur einjährig kultiviert.[7] Auch für die Tropen ist Topinambur während der "kühleren" Jahreszeit geeignet.[9] Besonders geschätzt werden vollsonnige Standorte, Topinambur fühlt sich aber auch im Halbschatten wohl. Wenn ein neues Feld bepflanzt wird, geschieht dies am besten im frühen Frühjahr (Februar-April) oder im April. Während der sehr frühen Pflanzung kann die Kultur mit Vlies bedeckt werden, um das Austreiben zu beschleunigen.[10] Der Pflanzabstand in der Reihe beträgt 30 bis 40 cm und der Reihenabstand 60 bis 80 cm. Die Knollen werden auf eine Tiefe von 10 bis 12 cm abgelegt.[4] Es kann die gleiche Anbautechnik wie für Kartoffeln verwendet werden. Dazu werden die Reihen angehäufelt. Das verfrüht das Treiben der Knollen und erleichtert später das Aufnehmen der Knollen, da sie erhöht liegen. Für ein Hektar werden je nach Knollengröße 1,2 bis 2 t Knollen benötigt.[4] Das entspricht 0,2 kg/m² (20 kg/Are).[3] Die optimale Bestandsdichte beträgt 3 bis 5 Knollen/m².[2] Topinambur benötigt vor allem zu Kulturbeginn Pflege durch Unkrautbekämpfung mittels jäten.[6] Danach überwuchert und verdrängt die Pflanze Unkraut, sodass es keine ertragsmindernde Rolle mehr spielt.[7] Sonst ist die Kultur in der Pflege anspruchslos. Topinambur wächst auch auf weniger nährstoffreichen Standorten. Der Ertrag ist jedoch mit zusätzlicher Düngung höher. Werden zusätzlich noch die Blüten entfernt, kann der Ertrag um 10-12 % gesteigert werden, wobei die Knollen im Mittel von 3,8 g auf 4,4 g größer wurden.[11] Es sollte aber nicht die Pflanze an sich eingekürzt werden, was zu Minderertrag führt.[12] Frühere Versuche aus Frankreich und Deutschland (vor 1949) zeigen einen hohen Kaliumbedarf.[7] Topinambur benötigt zum Aufwuchs (in kg/ha Reinnährstoff) 100 kg/N, 50 P2O5, 150 K2O,. Wenn vorhanden, nimmt die Pflanze bis 150 N auf, aber ohne großartigen Mehrertrag.[1] Englische Untersuchungen geben gar nur 50 kg/ha Stickstoff an.[10] Vor allem das Wachstum der oberirdischen Pflanzenteile nimmt stark zu.[13] Der Nährstoffgehalt (= Nährstoffabfuhr durch Knollenernte) je dt Knolle beträgt 0,26 kg N, 0,14 kg P2O5, 0,62 K2O und 0,02 kg MgO. Der Hauptzuwachs der Knollen erstreckt sich von Juli bis Oktober.[8] Geerntet wird von November an, wenn die Pflanze eingezogen hat, bis März/April vor dem Neuaustrieb der Knollen.[4] Eingezogen hat die Pflanze, wenn die Blätter abfallen. Dann werden die Stengel zur leichteren Ernte eingekürzt.[6] Die Erträge betragen ca. 600 dt/ha Knollen.[14] Bei guter Kultur können auch bis zu 800 dt/ha erreicht werden. Im Hausgarten sind Erträge von 2 bis 3 kg/m² üblich.[3] Im Gegensatz zu Kartoffeln verträgt die Topinamburknolle Frost. Jedoch nicht, wenn sie geerntet ist.[4] Um auch bei Frost ernten zu können, kann die Erde mit Stroh oder Laub bedeckt werden.[1] Darum braucht man bei der Ernte nur die gerade benötigte Menge auszugraben. Nach der Ernte verbleibt meist ein Teil der kleineren Knollen im Boden. Dieser dient für die nächstjährige Kultur. Für die Ernte sind stärker ausgelegte Maschinen nötig, weil die Knollen stärker mit der Pflanze verwachsen sind als Kartoffeln.[10] Topinambur bleibt für einige Jahre am gleichen Standort und wird jährlich abgeerntet. Erfolgt ein Kulturwechsel, wird am besten Wiese angesät, die mehrmals im Jahr gemäht wird. Das bringt den Wuchs der Topinambur zum Erliegen und sie verschwindet aus der Kulturfläche.

Vermehrung

Tobinambur wird vegetativ über Knollen vermehrt. Die Vermehrung über Samen ist wenig sinnvoll und wurde bereits durch Vilmorin auf Corsica versucht. Das Resultat war eine gelbe Sorte, die einen feineren Geschmack aber weniger Ertrag brachte.[4] Wegen des späten Blütezeitpunkts reifen die Samen in Mitteleuropa normalerweise nicht aus, so dass die Pflanzen ganz auf vegetative Vermehrung über die Wurzelknollen angewiesen sind. Besonders hervorgetan mit der Züchtung hat sich in Deutschland Küppers, der die Topinambur-Saatzucht Niedersachsen gründete. Auch die Vermehrung mittels Meristemkultur ist aus den aus Blättern gewonnenen Zellen zu Züchtungszwecken möglich.[1] Die von Küppers gezüchteten Sorten sind bis heute zum Beispiel in Baden im Anbau. Da der Sortenschutz nach 25 Jahren abläuft und bereits 1970 ablief, können seine Sorten frei nachgebaut werden. Weitergehende Züchtung findet praktisch nicht mehr statt.[8] In Gouadeloupe existiert eine Sorte ('Navet de Jérusalem'), die unter dortigem Klima besonders schnell innerhalb 90 Tagen Knollen bildet.[9]

Krankheiten und Schädlinge

Insgesamt wird Topinambur nur von wenigen Krankheiten und Schädlingen befallen, die selten ertragsmindernd sind. Fast jährlich ist Echter Mehltau und Alternaria anzutreffen aber nicht bekämpfungswürdig. Neben Mehltau kommt gelegentlich auch Rost vor.[10] Wenn grossflächiger Anbau durchgeführt wird, kann der Kankheits- und Schädlingsdruck steigen.[1] Unter tropischen Bedingungen ist die Pflanze sehr empfindlich gegenüber der Becherpilz-Art Sclerotium rolfsii.[9] Sklerotinia führt zu vorzeitigem Welken der Pflanze und zum Faulen der Knolle. Deshalb sind Sklerotinia-empfindliche Vorkulturen wie Buschbohnen oder Kohlarten zu vermeiden.[10] Unter europäischen Bedingungen sind auch Schweine und Wühlmäuse als Schädiger anzutreffen.[13]. Bei zu hohen Dünger- insbesondere Stickstoff-Gaben faulen die Wurzeln leichter.[2]

Nutzung

Küche

Zubereitungsformen und Verwendung

Der Geschmack ist süßlich, die Konsistenz der Knolle wässrig und erinnert an Artischockenböden.[10] Die Knolle kann sowohl roh in Salaten als auch in Salzwasser gekocht verzehrt werden.[4] Fritiert wie Kartoffeln sind sie auch zum Essen geeignet.[10] Auch Saft als Getränk kann zubereitet werden.[3] Unter saurem Milieu kann er eingedickt werden und ergibt einen 90%igen Fructosesirup. Der goldgelb bis braune Topinambursirup wird als alternatives Süßungsmittel verkauft.[15]

Inhaltsstoffe

Besonders hervorzuheben ist als Inhaltsstoff Inulin, ein Poly-Saccharid, der für Diabetiker besonders verträglich ist. Inulin aufgespalten ergibt Fructose mit 1,5 bis 2facher Süßkraft gegenüber Zucker (Saccharose). Inulin ist neben dem hohen Ballaststoffgehalt wichtig bei der Zusammenstellung von Diät-Mahlzeiten. Auch der Eiweiß-Gehalt ist mit 2 bis 3 % recht hoch.[15] Der Gehalt an Inulin ist zum Erntebeginn am höchsten und fällt nach und nach ab. Der Gesamtgehalt an Zuckerstoffen bleibt aber gleich.[8]

100 g Topinambur enthalten allgemein:
kcal kJoule Wasser Eiweiss Fett Kohlenhydrate Ballaststoffe
31 130 78,465 g 2,44 g 0,41 g 4 g 12,5 g
100 g Topinambur enthalten allgemein:
Broteinheiten Linolensäure Linolsäure Mineralstoffe Natrium Kalium Calcium Magnesium Phosphor Eisen Zink Kupfer
0,33 BE 44 mg 0,165 g 1,74 g 3 mg 478 mg 10 mg 20 mg 78 mg 3,7 mg 60 µg 0,150 mg
100 g Topinambur enthalten die Vitamine:
A B1 B2 B3 B5 B6 B7 B9 B12 C D E K
2 µg 200 µg 60 µg 1,3 mg 60 µg 90 µg 1,7 µg 31 µg 0 mg 4 mg 0 mg 1,3-2 mg 0,023 mg

Lagerung

Da die Knollen nur eine dünne Haut haben, trocknen sie leicht aus und werden welk.[5] Anders als Kartoffeln sind sie deshalb nur wenige Wochen offen lagerbar.[7] Dies geschieht nach dem Kauf am besten foliert im Kühlschrank.[1] Nach der Ernte müssen die Knollen frostfrei gelagert werden, weil sie dann nicht mehr frosthart sind.[4] Die Luftfeuchte sollte zur Lagerung bei etwa 90% liegen.[10] Die Temperatur am besten nahe 1 bis 2 °C oder eingeschlagen in Erde. So sind sie einige Monate haltbar.[7] Bis zu 6 Monate Lagerung sind in Mieten in der Erde möglich.[13] Durch ein neuartiges Infrarot-Trocknungsverfahren kann küchenfertiges Topinambur erstmalig ganzjährig verfügbar gemacht werden.

Brennerei

Topinambur wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts für das Brennen von Destillaten verwendet.[4] In Baden werden die Topinambur-Knollen zu einem Verdauungsschnaps, ebenfalls Topinamburbranntwein, „Topinambur“, „Topi“ oder auch „Rossler“ (abgeleitet von Ross-Erdäpfel) genannt, verarbeitet. Zur besseren Verträglichkeit werden gelegentlich andere Kräuter hinzugefügt, beispielsweise Blutwurz. Über 90 Prozent der in Deutschland gerodeten Topinamburknollen werden derzeit in Obstbrennereien zu Spirituosen verarbeitet.[16] Bei der Vergärung und anschließenden Destillation zu Spirituosen hat die Länge der Inulinmoleküle geringe Bedeutung, da nicht vergärbar.[17] Topinambur zählt laut Branntweinmonopol-Gesetz zu den Obststoffen.[17]

Zuckerherstellung

In geringerem Mass hatte Topinambur auch Bedeutung als Rohstoff für die Fruchtzucker-Herstellung.[18] Interessant ist Fructose weil sie süßer als Zucker (Saccharose) oder Dextrose (Glucose) ist. Die Zuckergewinnung war jedoch recht schwierig und kostenintensiv und wurde um den Zweiten Weltkrieg nicht mehr weiterverfolgt.[7] Heute gibt es Techniken die es möglich machen leichter HFCS-Zucker (high fructose corn syrup) aus Topinambur herzustellen. Besonders weil der Gehalt an Fructose nach der Hydrolyse von Inulin in der Knolle schon hochprozentig vorhanden ist.[17]

Futterpflanze

Früher wurde auch den Haustieren (Vieh, Pferden, Schweinen) Topinambur verfüttert.[4] Die nahe verwandte Art H. maximilianii wird in den USA auch noch als Futterpflanze genutzt.[1] Heute befinden sich wieder Produkte als Zusatzfutter für Pferde und Kleintiere im Handel.[17] Für Schafe soll sie ein sehr gutes Futter sein.[19] Topinambur wurde in geringem Umfang auch als Futterpflanze für Wildfutter angebaut. Dort scharren vor allem Hasen, Rot- und Schwarzwild die Knollen aus dem Boden.[6] Vom Wild werden vor allem die Jungtriebe zur Äsung angenommen. An ausgewachsene Pflanzen geht Wild dagegen selten, da die Blätter offensichtlich zu rau sind. Wenn jedoch die Knollen freigelegt werden – zum Beispiel durch Hegearbeit von Menschen – sind sie eine beliebte Nahrung für Rehe. Neben Wildschweinen fressen auch Bisamratte, Wanderratte, Schermaus und Wildkaninchen diese Knollen. Da Topinambur vor allem die Uferbereiche von Fließgewässern besiedelt, kann es hier aufgrund der Wühltätigkeiten zu größeren Schäden an der Uferbefestigung kommen. Die Wühltätigkeit der Nager trägt außerdem zur Verbreitung der Pflanzen bei. Von Nagern freigelegte Knollen und Knollenbruchstücke werden durch Fließgewässer häufig verschwemmt und besiedeln dann andere Habitate neu. Auch wenn Topinambur heute als invasive Pflanze angesehen werden kann ist die Kultur weiterhin unter geregelten Bedingungen möglich.

Bioenergie

Aufgrund der guten Anbaueigenschaften und der hohen Biomasseproduktion kann Topinambur auch als Energiepflanze genutzt werden und spielt entsprechend als nachwachsender Rohstoff eine potenzielle Rolle.[1] Dabei lassen sich sowohl die vegetativen Teile als auch die Knollen zu Biogas und Bioethanol vergären oder zu Brennstoff trocknen und verarbeiten. Für die Biogasnutzung ist eine mehrjährige Kultur möglich. Der Trockenmasseertrag (Kraut und Knollen) kann bis zu 30 Tonnen pro Hektar betragen. Mit ca. 8.140 Kubikmeter Biogas pro Hektar kann aus dem Krautertrag rund 10 Prozent weniger Biogas gewonnen werden als bei Silomaisanbau. Erntet man auch die Knollen, ist ein zusätzlicher Ertrag von etwa 2.150 Kubikmeter Biogas pro Hektar möglich. Allerdings gibt es erst seit wenigen Jahren Anbauerfahrungen mit Topinambur zur Energienutzung.[16] Bei der Veredelung zu Ethanol hat der Inulin-Ertrag und damit auch die Form der Inulinmoleküle kaum Einfluss.[17] Topinambur wird nur noch durch die Zuckerrübe bei der Bio-Ethanol-Herstellung geschlagen.[17]

Zierpflanze

Weiterhin findet sich Topinambur heute auch als Zierpflanze.

Medizinische Bedeutung

  • Diabetes: Die Knollen sind bei Diabetikern beliebt, da sie zu 16 % aus Kohlenhydraten in Form des Mehrfachzuckers Inulin bestehen.[7] Topinambur ist seit 1922 auf dem Speiseplan flankierend zur Behandlung von Diabetes in Verwendung.[17]
  • Diät: In der Homöopathie wird Topinambur als Arzneimittel das Hungergefühl hemmend und gewichtsreduzierend angewendet.[17] In Reformhäusern wird Topinambur als Kautablette oder Getränk verkauft, um, vor der eigentlichen Mahlzeit eingenommen, in Verbindung mit Wasser durch Aufquellen im Magen das Hungergefühl etwas zu dämpfen.
  • Verträglichkeit als Nahrungsmittel: Topinambur erzeugt bei empfindlichen Mägen unter Umständen eine sehr starke Flatulenz.
  • Krebshemmung: Die Knolle enthält Betain, Cholin und Saponine, die als hemmend gegen Krebs angesehen werden.[13]
  • Verbesserung der Darmflora: Inulin, der langkettige Zuckerstoff, kann nicht verdaut werden, weil die dazu nötigen Enzyme nicht vorhanden sind, und wirkt deshalb als Ballaststoff im Darm. Erst im Dickdarm kommt es zur Fermentierung. Wird Inulin regelmässig mit der Nahrung aufgenommen, senkt das die Blutfettwerte und fördert die Anwesenheit von Bifidus.[8] Entsprechende Versuche wurden mit Absetzferkeln im Ersatz zu Leistungsförderern eingesetzt und förderten die Laktoflora-Bildung.[17]
  • Acrylamid-Gehalt: Dieser hängt vor allem von der Stärke des Garens ab und verhält sich gleich dem Bräunungsgrad beim Garen.[17]

Bilder


Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n G. Vogel: Handbuch des speziellen Gemüsebaus - Topinambur, 1996, ISBN 3-8001-5285-1. S. 152-159
  2. a b c d e f g G. Vogel: Gemüse-Biografien (8) - Topinambur, In: Gartenbau Magazin, 1993, S. 53-54
  3. a b c d e f g h i F. Keller, J. Lüthi und K. Röthlisberger: Topinambur, In: 100 Gemüse., Verlag LMZ, Zollikofen, 1986, S. 440, ISBN 3-906679012
  4. a b c d e f g h i j k l m H.L. Vilmorin: Topinambour, In: Les Plantes Potagères; Descroption et culture des Proncipaux Légumes des climats tempéré., Troisième Édition, 1904, S. 681-682.
  5. a b c A. Lugeon: Topinambour, In: La Culture des Légumes., Librairie Payot, Lausanne, 1945, S. 187-188
  6. a b c d L. Müller: XII. Topinambur, Erdbirne, In: Gemüsebau - Ein Hand- und Lehrbuch für die gärtnerische Praxis., Druck: Verlagsgesellschaft mbH Heinrich Rillinger, Nordhausen am Harz, 1937?, S. 440
  7. a b c d e f g h H.C. Thompsen: Jerusalem Artichoke, In: Vegetable Crops., Fourth edition, McBraw-Hill Book Company Inc., London, 1949, S. 210-211
  8. a b c d e K. Stolzenburg: Topinambur - gesunde Knolle, Wiederentdecktes Wintergemüse, In: Gemüse Nr. 11., 2003, S. 24-26
  9. a b c C.-M. Messiaen: Le Topinambour ou "Navet de Jérusalem", In: Le potager tropical., 3ème edition refondu, Edition CILF, Paris, 1998, S. 479-480
  10. a b c d e f g h C. van Wijk: Aardpeer: een zoete verrassing, In: Groenten & Fruit Week 34, 2006, S. 40-41
  11. L.C. Westley: The effect of Inflorescence Bud Removal on Tuber Production in Helianthus tuberosus L. (Asteraceae), In: Ecology. No. 7 (Oct.), Vol. 74, 1993, S. 2136-2144
  12. S. Klug-Andresen: Jerusalem Artischoke: A Vegetabel Crop Growth Regulation and Cultivars. In: Acta Horticulturae No. 318, 1992, S. 145-152
  13. a b c d C. Wonneberger et al.: Topinambur, In: Gemüsebau., Verlag Ulmer, 2004, ISBN 3-8001-3985-5, S. 192-193
  14. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
  15. a b L.E. Görner: Die Inhaltsstoffe des Topinambur, In: Gemüse Nr. 7, 1996, S. 455-456
  16. a b C.A.R.M.E.N. e.V.: Topinambur - Energiepflanze für Biogasanlagen. In: Newsletter "nawaros" 11/2007, Straubing.
  17. a b c d e f g h i j K. Stolzenburg: Qualität und markt bei Topinambur - 3. Topinambur-Fachtag an der LAP Forchheim, In: Gemüse Nr. 7., 2005, S. 31-32
  18. J.C. Gotthard: Handbuch der praktischen Technologie oder Manufaktur-, Fabrik- und handwerkskunde - Drittes Kapitel: Die Zuckersiederei, Druck: Hamburg und Mainz bei Gottfried Vollmer, Basel, 1805, S. 89-208
  19. F. Wimmer und C.F.H. Wimmer: Flora von Schlesien: Handbuch zur Bestimmung und Kenntniss der phanerogamischen Gewächse dieser Provinz, nebst einer gedrängten Einleitung in die Pflanzenkunde., Druck: A. Rücker, 1832, S. 387.

Literatur

  • Mario Ludwig, Harald Gebhard, Herbert W. Ludwig, Susanne Schmidt-Fischer: Neue Tiere & Pflanzen in der heimischen Natur – Einwandernde Arten erkennen und bestimmen. BLV Verlagsgesellschaft München, 2000, ISBN 3-405-15776-5
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