Benutzer:Benowar/Reader

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Hier entsteht der Wiki-Reader Spätantike. --Benowar 11:52, 9. Jun 2005 (CEST)

WikiReader Spätantike: Zwischen Christentum und Heidentum – Julian Apostata und seine Zeit

Einführung in die Zeit Julians und in die Spätantike

Die Achsenzeit des 4. Jahrhunderts: Zwischen paganer Tradition und dem Weg zum Imperium Romanum Christianum

Der Begriff Spätantike ist sicherlich nicht vielen Menschen geläufig, obwohl er modernen Ursprungs ist. Er wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts in der Kunstgeschichte geprägt, um einen subjektiv empfundenen Einschnitt zwischen der „klassischen Antike“ und dem Mittelalter deutlich zu machen. In der Geschichtswissenschaft wird damit die Zeit von etwa 284 n.Chr. bis zum Ende des 6. bzw. dem Beginn des 7. Jahrhunderts nach Christus bezeichnet. Während der Beginn durch die Regierungszeit des römischen Kaisers Diokletian gekennzeichnet ist (284-305), herrscht über das Ende dieses Zeitraums in der Forschung keine Einigkeit. Manch einer wird mit dem Ende Roms im Westen das Jahr 476 verbinden, in welchem Romulus Augustus (spöttisch „Augustulus“ genannt) von dem Skiren Odoaker abgesetzt wurde. Doch ist dies vielmehr ein verkürzte Darstellung, die außerdem unrichtig ist und mehr dem Bedürfnis der Schulbücher entspringt, klare Zäsuren zu setzen, wo es im Grunde keine gibt. Wer sich intensiver mit der Epoche der Spätantike beschäftigt, wird feststellen, dass kaum etwas wirklich klar und unwiderlegbar ist.

Als grober Zeitrahmen für die Spätantike kann trotz aller Forschungsprobleme jedoch gelten: Im Westen des römischen Reiches (welches nach dem Tod Kaiser Theodosius des Großen im Jahre 395 faktisch in zwei Teile getrennt war, wenn auch die Reichseinheit nie aufgegeben worden ist) dauerte die Spätantike mindestens bis zur Ablösung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus im Jahre 476 (obwohl der letzte, von Konstantinopel anerkannte Kaiser, Julius Nepos, noch bis 480 in Dalmatien lebte), eher aber bis zum Einfall der Langobarden in Italien (568). Im Osten des Imperiums (welches später zum so genannten Byzantinischen Reich werden und bis 1453 forbestehen sollte) reichte die Epoche hingegen bis etwa zum Tod des oströmischen Kaisers Justinian I. 565 n.Chr. bzw. bis zur arabischen Expansion, die ab 632 einsetzte. Die Spätantike bildet einen insgesamt relativ eigenständigen Zeitraum des Altertums, der zwar nicht mehr der klassischen Antike angehört, aber auch noch nicht dem Mittelalter zugerechnet werden kann. In der älteren Forschung wurde die Zeit der Spätantike oft als eine Verfallszeit angesehen und der spätrömische Staat als ein „Zwangsstaat“. Die moderne Forschung, die sich in den letzten vier Jahrzehnten intensiv mit der Spätantike auseinandergesetzt hat, hat diese Ansichten - welche leider immer noch teils in populären Darstellungen und im Fernsehen vermittelt werden - gründlich revidiert. Vielmehr stellt die Spätantike eine Epoche dar, die wie kaum eine andere in der europäischen Geschichte vom Umbruch gekennzeichnet ist und auch das Erscheinungsbild des modernen Europa entscheidend mitgeprägt hat.

Die Spätantike war von mehreren Faktoren gekennzeichnet, die in diesem Beitrag kurz skizziert werden sollen. Ein herausragendes Ereignis dieser Epoche stellt der Siegeszug des Christentums und damit verbunden der langsame Niedergang heidnischer Traditionen dar. Ein bedeutendes Charakteristikum der Spätantike ist weiterhin, dass sie durch ein Nebeneinander von antiken Traditionen und christlich-germanischer Überformung gekennzeichnet ist. Auch in der Kunst und der Literatur, die in der Spätantike immer noch äußerst produktiv war, entstand durch die Ablösung klassisch-römischer durch christlich geprägte Formen und Themen ein eigener, charakteristischer Stil. Auch in der Philosophie, die in der Spätantike in Form des Neuplatonismus noch einaml Auftrieb gewann, entstanden bedeutende Werke, wie Der Trost der Philosophie des Boëthius, welches sich im Mittelalter großer Beliebtheit erfreute. In der Spätantike entstand das letzte große lateinische Geschichtswerk der Antike, die Res Gestae des Ammianus Marcellinus. Außerdem sei nur auf die Reden des Libanios und des Themistios, das Gedicht Mosella des Ausonius, die Gedichte des Claudian und die Leistungen der syrischen Literatur hingewiesen. Augustinus von Hippo, einer der Kirchenväter, verfasste zu Beginn des 5. Jahrhunderts sein Hauptwerk Vom Gottesstaat, welches ebenfalls großen Einfluss auf das mittelalterliche Denken haben sollte - und in gewisser Weise bereits das Heraufdämmern der neuen Zeit ankündigte. Die spätantike Gesellschaft war außerdem von einer großen sozialen Mobilität geprägt; so konnten Personen aus einfachen Verhältnissen sich durchaus nach oben arbeiten und hohe Ämter in Staat und Kirche bekleiden. Versuche der Kaiser, die Söhne an den Beruf ihrer Väter zu binden, sind ganz offenbar misslungen. Der Wohlstand im Osten war wohl deutlicher ausgeprägt als im wirtschaftlich schwächeren Westen, zumal im Westen sich der Reichtum vor allem in den Händen der schmalen aristokratischen Oberschicht befand. Die meisten Städte blühten noch bis ins 5. Jahrhundert hinein auf, danach begann im Westen, bedingt durch die Germaneninvasionen, ein langsamer Niedergang. Wir sehen also: Nur von einer „Verfallszeit“ kann keine Rede sein, wenn auch vor allem die Zeitgenossen des 5. Jahrhunderts, als das Westreich von den Germanen geradezu überschwemmt wurde, zweifellos die damalige Krisenzeit auch als solche wahrnahmen, so blieben doch die Verhältnisse im Ostreich weitgehend stabil.

Die Spätantike steht auch unter den Zeichen der Reformierung von Heer und der Verwaltung durch die Kaiser Diokletian und Konstantin den Großen (306-337), auf die wir noch eingehen werden, der Zementierung der sakralen Stellung des Kaisers, der Völkerwanderung (im engeren Sinne ab 375) und in deren Folge schließlich der Transformation des westlichen Teils des römischen Reiches in jene germanisch-romanische Welt, die das Mittelalter prägen sollte. Dabei wird von der modernen Forschung zunehmend darauf hingewiesen, dass der Übergang von der Antike zum Mittelalter keineswegs ein klarer Schnitt war - vielmehr wird betont, dass es in vielerlei Hinsicht auch eine Kontinuität gab. Diese war freilich nicht überall gegeben und regional unterschiedlich: In Britannien verschwand das antike Erbe bereits innerhalb weniger Generationen nach dem Rückzug Roms, während es beispielsweise in Gallien (vor allem im Süden) und in Italien stärker fortbestand, wenn dies auch nicht über den Verlust großer Teile der antiken Kultur hinwegtäuschen darf.

Im Zusammenhang mit der Transformation der antik-heidnischen Welt kommt dem 4. Jahrhundert eine besondere Bedeutung zu. War das Christentum um das Jahr 310 noch einer Verfolgungswelle ausgesetzt, so war dieselbe Religion am Ende des Jahrhunderts zur Staatsreligion erhoben worden. Heidnische Opfer wurden verboten, auch wenn sich das Heidentum noch bis weit ins 6. Jahrhundert im Imperium halten konnte - sowohl in Teilen der gebildeten Oberschicht als auch auf dem freien Land, wo, anders als in den Städten, sich das Christentum nur langsam ausbreitete. Vor allem im Westen des Reiches war die Zahl der Heiden und Christen noch um 400 relativ ausgeglichen, erst danach verdrängte das Christentum den alten Götterglauben, nicht zuletzt aufgrund der heilsgeschichtlichen Botschaft des Christentums, welches ein besseres jenseitiges Leben nicht nur für die Reichen, sondern auch für die ärmeren Schichten, wie auch für die Frauen anbot. Auch der missionarische Impetus und das karitative Wirken der Kirche sowie die letztendliche Zerrissenheit der heidnischen Kulte - die ja keine Einheit darstellten - beschleunigte diesen Prozess.

Der Person des Kaisers Flavius Claudius Julianus, von der Kirche später nur Julian Apostata (Apostata = Abtrünniger) genannt, kommt in diesem Zusammenhang eine nicht unbedeutende Rolle zu. Denn Julian war der einzige Kaiser, der vom Christentum, in dessen Glauben er erzogen worden war, zum Heidentum konvertierte. In den nur knapp zwei Jahren seiner Herrschaft, von 361 bis 363, versuchte er die so genannte Konstantinische Wende rückgängig zu machen, jene Hinwendung Kaisers Konstantins hin zum christlichen Glauben, die den Siegeszug des Christentums erst ermöglichte.

Julian war ein Verwandter Konstantins, genauer gesagt der Sohn von dessen Halbbruder Julius Constantius. Sein Vater kam nach dem Tod Konstantins infolge der blutigen Säuberung von 337 ums Leben, von der noch die Rede sein wird. Julian und sein Stiefbruder Gallus rückten in der Zeit der Alleinherrschaft von Constantius II. mehr in den Mittelpunkt. Constantius hatte sich in den Nachfolgekämpfen durchgesetzt, die nach dem Tod Konstantins unter dessen drei überlebenden Söhnen entbrannt waren. Gallus wurde von Constantius zum Caesar (Unterkaiser) im Osten eingesetzt, erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen jedoch nicht und wurde 354 hingerichtet. Julian, der sich ganz dem philosophischen Studium gewidmet hatte, wurde schließlich 355 zum Caesar im Westen ernannt und mit der Verteidigung Galliens beauftragt, dessen Grenze von den germanischen Stämmen der Franken und Alamannen bedrängt wurde. Julian erfüllte diese Aufgabe mit Bravour und schlug 357 ein Alamannenheer beim heutigen Straßburg. Dennoch blieben zwischen Constantius und Julian immer gewisse Spannungen bestehen, an die sowohl der mißtrauische Charakter des Constantius als auch das vielleicht teils undurchsichtige Handeln Julians ihren Anteil hatten. 360 jedenfalls beorderte Constantius, der an der Ostgrenze mit dem Neupersischen Reich der Sassaniden in schwere Kämpfe verwickelt war, Teile des Westheeres nach Osten. Dies führte zur Revolte der gallischen Legionen, die in Lutetia (Paris) Julian zum Kaiser ausriefen - wahrscheinlich jedoch mit dessen Wissen und Willen. Ein Bürgerkrieg wurde nur durch den kurz darauffolgenden Tod des Constantius verhindert, woraufhin Julian das ganze Reich zufiel.

Julian begann bald darauf mit einer Politik, die letztendlich auf eine Restauration des Heidentums hinausgelaufen wäre. Das Christentum sollte nach seinem Willen zurückgedrängt und politisch möglichst ausgeschaltet werden. Doch fiel der Kaiser auf seinem 363 begonnen Persienfeldzug in der Nähe des heutigen Samarra im Irak. Julian, ein hochgebildeter, intelligenter und arbeitssamer Kaiser, der sich als Grieche und Heide fühlte, beflügelte mit seinem Scheitern die Fantasie der Nachwelt, wobei er sowohl positiv als auch negativ dargestellt wurde. In den folgenden Kapiteln soll das Leben Julian nachgezeichnet werden, der als letzter heidnischer Kaiser über das Imperium herrschte und ernsthaft die Entwicklung hin zum Imperium Romanum Christianum in Frage stellte - und damit letztendlich scheiterte. Ob nun ein romantischer Anachronismus (vgl. dazu Wolfgang Schuller) oder nicht, seine Zeit verdeutlicht auch die Achsenzeit des 4. Jahrhunderts n.Chr., in welchem das spätantike römische Reich seine letztendliche Gestalt annahm.

Julian zwischen Mythos und Realität: Quellensituation und Forschungsstand

Vorbemerkung: Antike Autoren werden im Folgenden abgekürzt wiedergegeben. Die Abkürzungen werden in der Bibliografie aufgelöst, können aber auch in den üblichen Lexika (beispielsweise: Der kleine Pauly, Der Neue Pauly, The Oxford Classical Dictionary, etc.) nachgeschlagen werden. Dabei ist zu beachten, dass antike Autoren nach „Buch“, Kapitel, Paragraf zitiert werden (Beispiel Ammianus Marcellinus, Buch 30, Kapitel 2, Paragraf 1: Amm. 30,2,1).

Für jeden Historiker sind die Quellen, also die Zeugnisse der Zeit, mit der er sich beschäftigt, das einzige Fenster in die Vergangenheit. Die Problematik besteht jedoch darin, dass man bei literarischen Zeugnissen, besonders bei Geschichtswerken, die ja explizit für die Nachwelt geschrieben wurden, immer auch die Intention des Autors erkennen und berücksichtigen muss. Einen vorzüglichen, wenn auch knappen Überblick über die Quellen bezüglich der Zeit Julians bietet Glen Warren Bowersock, Julian the Apostate, London u.a. 1978 (Nachdruck 1997), S. 1-11.

Die wichtigste Quelle für seine Regierungszeit ist der ihm grundsätzlich sehr gewogene, aber keineswegs völlig kritiklos reflektierende Ammianus Marcellinus, der unter dem Magister militum (Heermeister und damit einer der ranghöchsten Offiziere im spätrömischen Heer) Ursicinus diente, welcher Julian in Gallien unterstützte und wohl auch im Auftrag des Constantius überwachte. Eine weitere wichtige Quelle ist Julians Vertrauter Claudius Mamertinus (Gratiarum actio Mamertini de consulato suo Iuliano Imperatori). Aber auch die Historiker Zosimos, Eunapios von Sardes und Eutropius, sowie Julians Mitstudent in Athen Gregor von Nazianz, der berühmte, aus Antiochia in Syrien stammende Redner Libanios, der Geschichtsschreiber Aurelius Victor, die Kirchenhistoriker Theodoret und Socrates Scholasticus, der Bischof und Kirchenlehrer Hilarius und viele andere spätantike Autoren schrieben über Julian. Einen interessanten Einblick in seine Regierungstätigkeit bieten auch die im Codex Theodosianus zusammengestellten Gesetze, von denen einige von Julian stammen.

Es sind aber auch zahlreiche Schriften Julians erhalten. Er war der literarisch produktivste Herrscher des Römischen Reiches. Er schrieb unter anderem eine Autobiografie und auch ein selbstironisches Drama, den Misopogon (dt. Barthasser), der die Situation in Antiochia kurz vor seinem Persienfeldzug reflektiert. Außerdem verfasste er christenfeindliche Schriften und zahlreiche Briefe. Deshalb ist mehr über ihn bekannt als über alle anderen Kaiser der Antike.

Einige erhaltene Werke Julians:

  • Contra Galileos (dt. Gegen die Galiläer)
  • Epistula ad SPQ Atheniarum (dt. Brief an die Athener)
  • Epistulae (dt. Briefe)
  • Misopogon (dt. Barthasser)

Die Bewertung Julians durch seine Zeitgenossen hängt denn auch stark von der religiösen Ausrichtung desjenigen ab, der ihn jeweils bewertet. Heidnische Autoren sehen ihn grundsätzlich sehr positiv. So sprach Eutropius von ihm als einem hervorragenden Mann, der das Reich vorzüglich verwaltet hätte, hätte er nur mehr Zeit gehabt (Eutr. 10,16). Auch der Libanios, die Historiker Ammianus Marcellinus und Zosimos sowie viele andere altgläubige Autoren lobten Julian in den höchsten Tönen, auch wenn vielen Heiden wohl klar war, dass der Kaiser nicht zuletzt an seinen Ansprüchen gescheitert war.

Ganz anders sahen Julian die Christen seiner Zeit. Auch wenn einzelne wie Paulus Orosius ihm Respekt zollten, ist doch der Grundtenor ihrer Bewertungen sehr negativ. Er wird von Prudentius als treulos gegen Gott bezeichnet, vom Kirchenhistoriker Theodoret als hässliches, stinkendes Schwein und vom Kirchenvater Hieronymus als wütender Hund, dessen früher Tod die verdiente Strafe für sein Heidentum gewesen sei.

Nachträglich wurde Julian von der Kirche mit dem Namen Apostata (der Abtrünnige) gebrandmarkt. Diese Verketzerung wirkte noch bis weit ins Mittelalter nach und verzerrte die Einschätzung durch die nachfolgenden Generationen. Später war sogar von einem Teufelspakt Julians die Rede. Roswitha von Gandersheim, Otto von Freising und andere mittelalterliche Autoren verbreiten die Legende vom zauberkundigen Tyrannen Julian. Diese Einschätzung des Kaisers geht wohl auf syrische Romane aus dem 6. Jahrhundert zurück. Julian wurde so zum Vorläufer des Faust, erst die Renaissance sah ihn wieder in einem positiveren Licht.

Lorenzo de Medici im 15. Jahrhundert glaubte seine Absicht zu erkennen, den alten Glanz des Römerreiches zu erneuern. Vor allem Humanisten wie Erasmus von Rotterdam würdigten Julian als guten Kaiser. Auch den Franzosen hat er es angetan: Der Hugenotte (Protestant) Pierre Martini veröffentlicht als erster die Schriften Julians. Der Aufklärer Montesquieu bezeichnet ihn als idealen Herrscher, ähnlich positiv sahen ihn Voltaire und der englische Althistoriker Edward Gibbon im 18. Jahrhundert. Es kann festgehalten werden, dass es nun zu einer romantischen Verklärung des Kaisers kam, die so ebenfalls nicht der Realität entsprochen hat und in der modernen Forschung so auch kaum noch postuliert wird.

In der modernen Forschung wird Julian teils hoch geschätzt, etwa von Joseph Bidez (der sich eingehend mit ihm auseinandergesetzt hatte), Marion Giebel oder Alexander Demandt. Teils wird Julian aber auch sehr kritisch gesehen. Wolfgang Schuller erklärte zum Scheitern Julians, dass mit seinem Tod nicht eine neue, hoffnungsvolle Entwicklung abbrach, sondern im Gegenteil „ein romantischer Anachronismus“ endete (Schuller, Das erste Europa, Stuttgart 2004, S. 173). Auch andere Historiker wie Glen W. Bowersock, Gerhard Wirth und Klaus Bringmann stehen Julian eher distanziert gegenüber. Bowersock betonte, dass Julians Politik zu einer Fanatisierung der Heiden führte, die mit seinem Tod aber auch endete, wobei keineswegs alle Heiden um Julian trauerten.

Bevor wir uns mit dem Leben Julians und seinem Versuch einer heidnischen Restauration beschäftigen, soll im folgenden Kapitel die Zeit Julians genauer betrachtet werden. Neben der Geschichte des römischen Reiches vom Aufstieg Konstantins bis in die Zeit Constantius II. sollen auch die Nachbarn des Imperiums vorgestellt werden: die Germanen an der Nordgrenze und das Reich der Sassaniden.

Das Römische Reich und seine Nachbarn um 350

Das Römische Reich von der Zeit Konstantins des Großen bis zur Alleinherrschaft Constantius’ II.

Mit dem Regierungsantritt des Kaisers Diokletian im Jahre 284 war das Römische Reich in seine Spätphase eingetreten. Die vorangegangene Krisenzeit der Soldatenkaiser (235-284) hatte das Reich destabilisiert. Von außen sah sich das Imperium mit der ständigen Bedrohung durch das Reich der Sassaniden, den großen Gegner des Römischen Reiches im Osten, und die Germanen an Rhein und Donau konfrontiert. Im Inneren war es in dieser Zeit zum Teil zu einer Handlungsunfähigkeit der Verwaltung gekommen sowie zur zeitweiligen Loslösung von Teilgebieten des Imperiums. Diokletian versuchte nun, den römischen Staat wieder zu stabilisieren und zu reformieren. Dabei griff er zahlreiche Ansätze auf, die bereits von seinen Vorgängern als Antwort auf die Krise entwickelt worden waren, und bemühte sich um eine Systematisierung.

So kam es zu einer grundlegenden Reform der Verwaltung und damit zu einer stärkeren Zentralisierung und Bürokratisierung, was sich auch in einem restriktiveren Steuersystem bemerkbar machte. Allerdings kann die spätrömische Verwaltung, im Vergleich zur Moderne, als deutlich unterbesetzt bezeichnet werden; die zweitgenössischen Quellen vermitteln dahingehend leicht ein falsches Bild. Der zivile Sektor wurde nun grundsätzlich vom militärischen getrennt; an diesem Prinzip wurde dann bis zum Ende der Epoche festgehalten. Auch wurde das Reich in Diözesen eingeteilt, um so eine bessere Verwaltung zu garantieren. Um dem Staat stetig fließende Steuereinnahmen zu sichern, wurde das komplizierte Capitatio-Iugatio-Steuersystem entworfen, wobei es sich im wesentlichen um eine Kombination von Kopf- und Grundsteuer handelte, die regelmäßig geschätzt wurde. Dies erleichterte die Berechnung der Abgaben, wobei gleichzeitig eine Währungsreform in Angriff genommen, der jedoch wohl kein durchschlagender Erfolg beschieden war.

Zentrales Element der Heeresreform war die Aufteilung in ein Feldheer (Comitatenses) und ein Grenzheer (Limitanei), sodass Durchbrüche an der Grenze leichter mit dem Bewegungsheer abgefangen werden konnten. Diese Reformen sollten sich insgesamt bewähren und dem Chaos, das teils noch in der Zeit der Soldatenkaiser geherrscht hatte, ein Ende bereiten sowie die Grenzverteidigung an Rhein und Donau stärken. Im Osten behauptete sich Rom nun auch gegen die Sassaniden, die 297/298 von Diokletians Caesar (Unterkaiser) Galerius geschlagen wurden.

Weniger Erfolg hatte Diokletian allerdings mit dem von ihm erdachten Regierungssystem der Tetrarchie (Viererherrschaft), welches je zwei Seniorkaiser (Augusti) und zwei Juniorkaiser (Caesares) vorsah und zudem religiös durch die künstliche „Adoption“ der Götter zementiert wurde. So nahm etwa Diokletian, der auch in diesem System weiterhin die bestimmende Figur war, den Beinamen Iovius an (etwa = Schützling und Abkömmling des Gottes Jupiter). Vermutlich war diese enge Bindung der Kaiser an die traditionellen Kulte ein Grund für die Durchführung der letzten großen Christenverfolgung, die in den letzten Regierungsjahren Diokletians begann. Allerdings darf man den Handlungsspielraum eines spätantiken Kaisers nicht überschätzen, zumal er weiterhin an bestimmte Normen gebunden war und keineswegs als „Gottkaiser“ ohne Rücksicht auf seine Umwelt agieren konnte, zumal es immer wieder zu Usurpationsversuchen kam.

Letzlich konnte sich das System der Tetrarchie gegen die dynastische Idee jedoch nicht durchsetzen. Konstantin der Große, der Sohn des Tetrarchen Constantius Chlorus, setzte sich in dem Machtkampf durch, der bereits kurz nach dem Rücktritt Diokletians entbrannt war. 306 war Konstantin nach dem Tod seines Vaters von dessen Soldaten in Eburacum (York) zum Kaiser ausgerufen worden, wurde von den anderen Tetrarchen aber nicht akzeptiert. Zuerst bekämpfte Konstantin Maxentius, den Sohn des Tetrarchen Maximian, der sich ebenfalls gegen die diokletianische Ordnung gestellt hatte. Im Zusammenhang des Machkampfes zwischen Konstantin und Maxentius kam es im Jahre 312 zur Schlacht bei der Milvischen Brücke und zur rätselhaften „Bekehrung“ Konstantins zum Christentum, da ihm angeblich vor der Schlacht das Zeichen des Kreuzes erschienen war und er anschließend im Zeichen des Kreuzes auch den Sieg errang. Damit hatte Konstantin den Westen des Imperiums für sich gewonnen.

313 erließ Konstantin zusammen mit Licinius, der sein Schwager und zu diesem Zeitpunkt Kaiser im Osten des Reiches war, das so genannte Mailänder Toleranzedikt. Dieses stellte das Christentum den anderen Religionen gleich und gestattete den Christen im ganzen Reich die freie Ausübung ihrer Religion. Nachdem er 324 auch seinen letzten Konkurrenten Licinius ausgeschaltet hatte, war Konstantin Alleinherrscher des Reiches. Er führte anschließend die Reformen des Diokletian fort. So schuf er neue Hofämter, setzte den so genannten Magister officiorum an die Spitze der Verwaltung, wandelte die Prätorianerpräfekten in die höchsten Zivilbeamten um, führte zusätzliche Steuern ein und ließ eine neue Goldmünze prägen, den Solidus. Den Befehl über das Heer übernahmen seit Konstantin die Magistri militum (pl., Heermeister). Ursprünglich gab es je einen Magister militum für die jeweiligen Heeresverbände, also für die Infantrie (magister peditum) und die Reiterei (magister equitum). Es existierte außerdem für die jeweiligen regionalen Heeresteile ein separater Magister militum (per Gallias, per Illyricum, per Orientem, dazu zwei magistri praesentalis als Kommandeure der Hofarmeen, die sich beim Kaiser aufhielten). Später kamen im Osten weitere Magistri militum für die verschiedenen Militärprovinzen hinzu, wobei ab dem 5. Jahrhundert der oberste Heermeister (magister utriusque militae) einen folgenschweren Einfluss auf die Reichspolitik nahm, vor allem im Westreich.

Unter Konstantins Herrschaft erfolgte auch der weitreichendste Schritt eines römischen Kaisers seit der Begründung des Kaisertums durch Augustus: die Förderung des nur Jahre zuvor noch verfolgten Christentums als eine staatlich anerkannte und privilegierte Religion, die so genannte Konstantinische Wende. Allerdings ist Konstantins eigenes Verhältnis zum Christentum, welches keineswegs zur Staatsreligion erhoben wurde, weiterhin in der Forschung umstritten. Am ehesten kann man ihn wohl als „Anhänger des Christengottes“ bezeichnen, ohne dass dies etwas über seine Beziehung zu den anderen Kulten aussagen muss, die weiterhin toleriert wurden. Tatsächlich musste Konstantin darauf bedacht sein, weiterhin mehrheitlich heidnisch gesinnte Bevölkerung nicht zu brüskieren. Konstantin ließ jedoch, und dies sollte sich letztendlich als entscheidend erweisen, seine Söhne im christlichen Glauben erziehen, machte der Kirche reiche Geschenke und stärkte die Macht der Bischöfe. Damit machte er die Kirche auch für die Teile der Oberschicht interessant. Nach 324 verschwanden heidnische Münzembleme, außerdem wurden zunehmend christliche Beamte bevorzugt. Auch kam es zu vereinzelten Plünderung von heidnischen Tempeln und dem Verbot privater Haruspizien.

Konstantin wurde im Zusammenhang mit seiner Hinwendung zum Christentum auch mit den Problemen der Kirche in der Provinz Africa konfrontiert, die sich in traditionelle Kirche und in so genannte Donatisten gespalten hatte. Die Spaltung konnte jedoch nicht rückgängig gemacht werden, doch war das Eingreifen Konstantins in diesen Streit ein Zeichen für dessen neues Selbstverständnis, auch eine Art von Schutzfunktion über die Kirche auszuüben. Er griff auch in die Besetzung von Bischofsstühlen ein. Konstantin wurde denn auch von Eusebius von Caesarea in dessen Kirchengeschichte glorifiziert dargestellt. Der Heide Zosimos, von dem noch die Rede sein wird, sah später - freilich in polemisch-gehässiger Weise - den Grund für die Abkehr vom alten Glauben in den Ereignissen von 326, als Konstantin seinen Sohn aus einer früheren Verbindung, Crispus, und kurz darauf auch seine Ehefrau Fausta ermorden ließ. Dabei liegen die Umstände dieser Tat weitgehend im Dunkeln. Am wahrscheinlichsten dürfte jedoch ein Komplott Faustas gewesen sein, dem Crispus zum Opfer fiel. Als Konstantin dies erkannte, ließ er auch Fausta eliminieren, was freilich einen Schatten auf Konstantins Charakter wirft, der aber, das sollte man nicht vergessen, auch ein Machtmensch war und dementsprechend handelte.

Im Bereich der Religionspolitik türmten sich weiterhin die Schwierigkeiten. Ein grundlegendes Problem der Kirche jener Zeit waren abweichende theologische Meinungen, wie der Arianismus, der in verschiedenen Abstufungen auftrat. Der Arianismus war vom alexandrinischen Presbyter Arius zu Beginn des 4. Jahrhunderts begründet worden und hatte die Kirche in eine tiefe Krise gestürzt. Dabei wurde Jesus verkürzt gesagt folgendermaßen von den Arianern gesehen: der Sohn (Jesus) habe begonnen zu existieren und ist nicht zusammen mit dem Vater ewig. Außerdem sei der Sohn aus dem Nichts geschaffen worden. Damit postulierte er aber einen Wesensunterschied zwischen Gott und Jesus, was von der Mehrheit der Kirche schärfstens zurückgewiesen wurde. Auf dem Konzil von Nikaia (Nicäa), welches ein ökumenisches Konzil unter dem Vorsitz Konstantins war, wurde die Lehre des Arius 325 verurteilt. In der Folgezeit wurde im Westen an diesem Beschluss daran festgehalten, im Osten gewann der Arianismus, dem pikanterweise auch Eusebius zuneigte, jedoch an Boden, was weitreichende Folgen haben sollte. Die christologischen Streitigkeiten der Spätantike stellten zudem keine nur einen kleinen Zirkel von Theologen beschäftigende, intellektuelle Diskussion dar, sondern ergriffen auch weite Teile der unteren Bevölkerungsschichten - hing doch das eigene Seelenheil vom richtigen Glaubensbekenntnis ab.

Ein weiteres wichtiges Ereignis in seiner Regierungszeit war die Errichtung einer neuen Hauptstadt an Stelle der alten griechischen Handelsstadt Byzanz (Byzantion): Konstantinopel, die „Stadt des Konstantin“, das Neue Rom. Damit verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches nach Osten, in die ökonomisch stärkere Hälfte des Imperiums, die zudem auch stärker christianisiert war als der Westen. Somit war Konstantin, der die Rheingrenze noch einmal stabilisiert hatte, auch in der Nähe der gefährdeten Donau- und Euphratgrenze. Diese Entwicklung war nicht unbedingt unerwartet gekommen. Schon vor Konstantin hatten die römischen Kaiser näher an den Grenzen Residenz bezogen, etwa in Trier, Sirmium, Nikomedeia. Rom behielt den Wert als Symbol, verlor jedoch zunehmend seine politische Bedeutung.

Kurz vor dem Beginn eines geplanten Feldzugs gegen den Sassanidenkönig Schapur II. verstarb Konstantin in der Nähe von Nikomedeia am Pfingstfest des Jahres 337. Kurz vor seinem Tod hatte er, zur damaligen Zeit keineswegs unüblich, die Taufe erhalten. Sein Tod führte jedoch zu einem Kampf um die Alleinherrschaft zwischen seinen drei Söhnen.

Das von Konstantin möglicherweise als Nachfolgeregelung angedachte Mehrkaisersystem zwischen seinen Söhnen Constantinus II., Constantius II. und Constans sowie Konstantins Stiefneffen Flavius Dalmatius und Flavius Hannibalianus, die alle bereits den Rang eines Caesar bekleideten, hätte jedoch die Kooperation der Beteiligten vorausgsetzt. Stattdessen kam es bereits kurz nach Konstantins Tod im östlichen Reichsteil des Constantius zu einer - von ihm wohl nicht initiierten - blutigen Säuberung, der auch Dalmatius zum Opfer fiel. Die drei Söhne nahmen im September 337 alle den Titel eines Augustus an, womit sie auch den jeweils postulierten Führungsanspruch herausstellten. 340 fiel Constantius in Italien ein, um den dort herrschenden Constans zu beseitigen. Das Unternehmen kostete jedoch Constantius das Leben, so dass in der Folgezeit nur noch zwei Augusti übrigblieben: Constans im Westen, Constantius im Osten, was beinahe wie eine Wiederholung der Situation von 313 anmutet.

Constans sah sich im Westen zunächst der Bedrohung durch die Alamannen am Rhein ausgsetzt. Im religiösen Bereich betrieb er eine strikt an den Beschlüssen von Nikaia orientierte, antiarianische Politik, die ihn freilich weiter in Gegensatz zu seinem Bruder Constantius brachte, der arianisch gesinnt war. Im Inneren agierte er wenig glücklich, was mit zur Erhebung des Flavius Magnentius beitrug. Dieser legte sich am 18. Januar 350 in Autun (Gallien) das Purpur als Symbol der kaiserlichen Würde an und ließ Constans umbringen. Magnentius, selber Heide, versuchte jedoch auch mit die christliche Bevölkerung für sich zu gewinnen. Constantius jedoch beabsichtigte nun, die Situation ein für alle Mal zu klären. Constantius ging mehrstufig vor und hetzte zunächst die Rheingermanen gegen Magnentius auf, womit dieser stärker an der Rheingrenze gebunden war. Erst danach marschierte Constantius mit seinen Truppen in den Westen ein. Bei Mursa, dem heutigen Osijek in Kroatien, kam es am 28. September 351 zu einer blutigen Schlacht, in der Magnentius unterlag. Er floh und beging 353 Selbstmord. Constantius war nun uneingeschränkter Herrscher des Imperium Romanum.

Constantius II., auf dessen Person wir noch an anderer Stelle ausführlicher eingehen werden, war überzeugter Arianer. Er versuchte auch auf mehreren Synoden (353 Arles, 355 Mailand, 357-359 Sirmium) den Arianismus weiter zu begünstigen. Doch war seine außenpolitische Lage prekär: Neben den Germanen, war es vor allem das Sassanidenreich im Osten, welches eine andauernde Gefahr für Rom darstellte. Unter König Schapur II. sollten sich Römer und Perser einen langandauernden Krieg liefern. Daher soll im nächsten Abschnitt näher auf den Nachbarn Roms im Osten eingegangen werden und auch die kriegerischen (und teils friedlichen) Beziehungen beider Reiche betrachtet werden.

Konflikt und Koexistenz: Das Sassanidenreich unter Schapur II.

Das Neupersische Reich der Sassaniden (von 224 bis 651 n. Chr.) war der mächtigste und höchstentwickelte Konkurrent des spätrömischen Reiches. Mochten auch die Germanen immer wieder die Grenzen bedrängten - es waren die Perser im Osten, die eine ständige Bedrohung für Rom darstellten. Die Sassaniden (richtiger Sasaniden, da sich der Name vom Stammvater der Dynastie, einem historisch nicht genau fassbaren Sasan ableitet) traten zu Beginn des 3. Jahrhunderts in Erscheinung. Sie waren Unterkönige in der Persis, einer Region im Süden des Partherreiches, welches seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. Nachbar und Gegner Roms war. 224 n. Chr. schlug Ardaschir I. den letzten Partherkönig Artabanos IV. und übernahm die Macht im Reich, welches grob von Vorderindien bis zum Euphrat reichte. Die Sassaniden orientierten sich am - für sie jedoch nicht mehr fassbaren - Vorbild der Achaimeniden, den Herrschern des ersten Perserreiches, das von Alexander dem Großen zerstört worden war.

Ardaschir hatte sich bereits König der Könige von Iran genannt. Sein Sohn, Großkönig Schapur I. (240 - 270/272), der sich bereits König der Könige von Iran und Nicht-Iran nannte, drang mehrmals tief in römisches Gebiet ein, plünderte die Weltstadt Antiochia in Syrien und besiegte während seiner Regierungszeit die römischen Kaiser Gordian III., Philippus Arabs und Valerian. Letzterer geriet 260 sogar in persische Gefangenschaft; eine ungeheure Schmach für die Römer, während Schapur seinen Sieg durch die Erstellung eines beeindruckenden Felsreliefs bei Bischapur sowie einer Inschrift bei Naqs-i Rustam (so genannte res gestae divi Saporis) verewigen ließ. Den zu seiner Regierungszeit entstehenden Manichäismus begünstigte Schapur durch den Schutz Manis; zugleich stützte er sich aber stark auf die alte iranische Religion des Zoroastrismus, welcher jedoch nicht die Rolle einer Staatsreligion spielte, da auch andere Religionen geduldet wurden. Unter Schapurs Nachfolgern wurden die Manichäer, die auch im Römischen Reich Anhänger fanden, dann verfolgt.

In der Regierungszeit des römischen Kaisers Diokletian mussten die Sassaniden unter König Narseh (293 - 302) dann einige Gebiete in Mesopotamien abtreten. Allerdings hatten die Sassaniden, ganz ähnlich wie die Römer, nicht nur an einer Front zu kämpfen. Auch das Neupersische Reich musste sich gegen „Barbaren“ zur Wehr setzen. Die Pässe des Kaukasus mussten ebenso verteidigt werden wie die stets gefährdete Nordostgrenze nach Zentralasien, wo die Sassaniden zunächst gegen die Kuschan, später gegen die Hephtaliten (ein Volk hunnischer Abstammung) und ab dem 6. Jahrhundert gegen die Türken zu kämpfen hatten. Nicht selten erwiesen sich diese Völker als ernsthafte Bedrohung für das Sassanidenreich.

Militärisch zeigte sich das Sassanidenreich seinen Gegnern weitgehend gewachsen. Dabei lag die Stärke der sassanidischen Armeen in ihren schwergepanzerten Reitern, den Kataphraktoi und Klibanarioi, denen die Römer anfangs nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatten. Das Perserreich der Sassaniden zeichnete sich auch dadurch aus, dass die noch von den Parthern gepflegte Kultur im Stil des Hellenismus weiter zurückgedrängt wurde und stattdessen die iranischen Elemente stärker herausgestellt wurden. Letztlich betonten die Sassaniden zwar die Unterschiede zu den Parthern, hielten aber faktisch in fast allen Bereichen weitgehend am Bestehenden fest. Vor allem aber war das Sassanidenreich stärker zentralisiert als das Partherreich. Der Adel, der auch weiterhin eine bedeutende Rolle spielte, und nicht immer mit dem Königtum kooperierte, konnte von starken Königen jedoch zu einem höheren Anteil eingebunden werden als dies den Partherkönigen möglich gewesen ist. Auch kulturell erlebte Persien eine Blüte: Noch heute ist der Name Chosrau I. (auch Xusro, Husrav, griechisch Chosroes; er regierte von 531 bis 579) vielen ein Begriff - er war der bedeutendste sassanidische Großkönig, der als Anushirvan in der Sagenwelt des Orients weiterlebt und von dessen Namen die arabische Bezeichnung Kisra für König herrührt.

Das Sassanidenreich war das Bindeglied zwischen Ost und West, zwischen Orient und Okzident. Nach Osten hin reichten die Kontakte bis nach China, den Handel mit Seide kontrollierten persische Händler, und einige der großen Handelsstrassen der Antike verliefen durch persisches Gebiet, wie etwa die Seidenstrasse. Die Hauptstadt Ktesiphon (südlich des heutigen Bagdad) war eine prachtvoll ausgestatte Metropole. Man kann sagen, dass Persien in vielerlei Hinsicht das Pendant Roms im Osten war.

Im Verhältnis zu Rom selbst kam es im Laufe der Zeit zu einer bemerkenswerten Wandlung: die Römer akzeptierten die Sassaniden als gleichberechtigt. Für sie waren diese Perser keine Barbaren im engeren Sinne mehr (wie etwa die Germanen), sondern eine zivilisierte, fast gleichstarke, fast ebenbürtige Macht. Die Parther waren so nie von den Römern angesehen worden, auch wenn diesen bereits die Arsakiden (das parthische Herrscherhaus) seit Augustus als die zweite souveräne Großmacht gegolten hatten. Umgekehrt sahen auch die Sassaniden die Römer in einem ähnlichen Licht, was die Bruder-Anreden in überlieferten Briefen deutlich macht, etwa zwischen Schapur II. (Sapor) und Constantius II. (Amm. 17,5, Übersetzung von Otto Veh):

Ich, König der Könige, Sapor, Gefährte der Sterne, Bruder von Sonne und Mond, entbiete dem Caesar Constantius , meinem Bruder, alles Gute.
Antwort des römischen Kaisers: Ich, Sieger zu Wasser und zu Lande, Constantius, immer der erhabene Augustus, entbiete meinem Bruder, dem König Sapor, alles Gute.

Bis zum 6. Jahrhundert hatte sich ein ausgefeiltes diplomatisches Protokoll entwickelt, das bei oströmisch-persischen Kontakten zu beachten war. So wurde es üblich, Thronwechsel im eigenen Reich dem jeweils anderen offiziell mitzuteilen, ohne dass freilich die Kampfhandlungen deswegen abbrachen.

Besonders im 4. Jahrhundert waren die Beziehungen zwischen Rom und Persien überwiegend feindlicher Natur. Schapur II. (309 - 379), einer der bedeutendsten Sassanidenkönige, der mehrere Städte ausbauen bzw. neubauen ließ, hatte aus politischen Gründen zur Zeit Konstantins eine Christenverfolgung angeordnet. Konstantins letztes Vorhaben war denn auch ein Persienfeldzug, der durch seinen Tod verhindert wurde. Die Feindseligkeiten blieben in der Regierungszeit Constantius' II. jedoch bestehen und mündeten schließlich in einen langandauernden Krieg. Wir sind über diese Kämpfe relativ gut informiert. Vor allem der bedeutende römische Historiker Ammianus Marcellinus, der als Offizier teilweise an den Kämpfen teilnahm, aber auch Zosimos und Sozomenos sowie arabische und persische Quellen berichten über diese Kampfhandlungen.

Schapur II. versuchte mit wechselndem Erfolg, die großen römischen Forts in Mesopotamien zu erobern. Die Kämpfe spielten sich vor allem um die strategisch wichtigen Orten Singara, Nisibis, welches Schapur II. 338 vergeblich belagerte, und Amida ab, wobei er bei Singara eine Niederlage erlitt (wohl 344). Obwohl Constantius II. mehrere Schlachten verlor, machte Schapur II. kaum Fortschritte. Seine militärische Stärke reichte anscheinend nicht aus, die eroberten Gebiete dauerhaft zu sichern. Zur selben Zeit wurde das Sassanidenreich im Osten von Nomadenstämmen angegriffen, unter denen die Chioniten namentlich erwähnt werden. Nach anhaltenden Kämpfen waren sie gezwungen Frieden zu schließen und der König der Grumbates schloß sich Schapur II. in seinem Kampf gegen Rom an.

Rom und Persien traten schließlich in Friedensgespräche ein, deren bemerkenswerten Inhalt (die oben angesprochene Bruder-Anrede der beiden Monarchen) uns Ammianus Marcellinus überliefert hat. Die Verhandlungen brachten jedoch kein Ergebnis und Schapur legte 359 einen Belagerungsring und die Festung Amida, welche nach 73-tägiger Belagerung endlich fiel. Schapur II. eroberte Singara und andere Befestigungen im folgenden Jahr. Schapur zog sich offenbar aber bald zurück und Constantius rüstete zum Gegenschlag. Für seinen geplanten Feldzug benötigte er jedoch zusätzliche Truppen, die aus dem Westen abgezogen werden musste. Diese Order führte zur Revolte der gallischen Legionen und zur Ausrufung Julians zum Augustus, worauf wir aber noch zu sprechen kommen werden - ebenso auf Julians grandios angelegten, aber katastrophal gescheiterten Persienfeldzug im Jahre 363.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass ein besonderes Verhältnis zwischen den beiden spätantiken Großmächten herrschte. Phasen friedlicher Koexistenz wechselten sich mit Zeiten des permanenten Kriegszustands ab. Dieser Zustand mündete im 7. Jahrhundert in einen langen, blutig geführten Krieg, welcher am Ende das Sassanidenreich erschöpft zurückließ - und damit den Arabern die Eroberung erleichterte.

Lange Grenzen: Die Germanen an Rhein und Donau

Anders als im Falle des Sassanidenreichs hatte es das römische Reich an seinen anderen Grenzen mit Stammesverbänden zu tun. Insbesondere die Germanen übten Druck auf seine Grenzen aus. Am Rhein, wo der Limes längst keinen ausreichenden Schutz mehr bot, waren es vor allem Franken und Alamannen, die Rom Schwierigkeiten bereiteten. Das sogenannte Dekumatland zwischen Rhein und Donau musste bereits im 3. Jahrhundert von den Römern geräumt werden. Auch an der unteren Donau drangen germanische Stämme in römisches Gebiet vor. Das nördlich der Donau gelegene Dakien wurde deshalb um 270 aufgegeben. Um die Wende zum 4. Jahrhundert konnte die Nordgrenze des Reiches jedoch noch einmal stabilisiert werden. Es sollte sich jedoch zeigen, dass die germanischen Vorstöße des zweiten und dritten Jahrhunderts nur die Vorboten der sogenannten Völkerwanderung waren, die ab 375 mit voller Wucht über das geschwächte römische Reich hereinbrach.

Julian Apostata hatte es zwanzig Jahre zuvor in Gallien vor allem mit den Franken zu tun. Dieser germanische Großstamm wurde namentlich das erste Mal um die Mitte des 3. Jahrhunderts nach Christus erwähnt. Ihr Name bedeutet wohl soviel wie „kühn, mutig, ungestüm“. In den römischen Quellen wurden unter diesem Namen bald mehrere germanische Kleinstämme zusammengefasst. Die Franken, die bis zum Ende des 5. Jahrhunderts kein gemeinsames Königtum kannten und vielmehr einen Stammesbund darstellten, griffen im 3. Jahrhundert von ihren Wohnsitzen am Mittel- und Niederrhein aus auf römisches Territorium über. Im Jahre 275 nahmen sie sogar die kaiserliche Residenzstadt Trier ein, während fränkische Piraten die gallische Küste plünderten. Ende des 3. Jahrhunderts gelang es Rom jedoch, die Franken durch Verträge und erfolgreiche Militäroperationen ruhigzustellen, wobei Franken als Föderaten auf römischen Boden angesiedelt wurden und bald auch Zugang zum Militär erhielten. Konstantin der Große sicherte noch einmal die Rheingrenze, die jedoch unter dem Ansturm der Franken um 350 kollabierte. Julian, der 355 als Caesar nach Gallien geschickt wurde, konnte die Gefahr bannen und bis 358 die Lage stabilisieren. Sein Sieg in der Schlacht von Argentoratum (heute Straßburg im Jahr 357 gilt als der letzte große römische Sieg am Rhein.

Die Familie Julians und seine Jugendjahre

Ein Familiendrama: Julius Constantius und die Säuberung von 337

Ein Opfer der Historiografie? Constantius II.

Unter einer Maske - Julians Weg zum heidnischen Glauben

Caesar Julianus

Julian in Gallien

Ein inszenierter Akt? Die Erhebung von 360 und der Feldzug gegen Constantius II.

Julians heidnische Restauration

Julian als Augustus - die politische Programmatik

Julians Christenpolitik

Ein fehlgeschlagenes Experiment: Julians „heidnische Staatskirche“

Julian und die Juden

Enttäuschung in Antiochia und die Niederschrift des Barthassers

Julians Perserkrieg und sein Ende

Der Tod Julians und sein literarisches Nachleben

Die heidnische Renaissance und deren Gegenkräfte - Julians kulturelles Umfeld und dessen Nachwírkung

Die julianfreundliche Historiografie: Ammianus Marcellinus, Eunapios von Sardes und Zosimos

Epitaph auf Julian: Libanios

Einflussreiche Christen: Gregor von Nazianz und Athanasius

Die Romantik des Scheiterns - Rückblick und Ausblick

Kommentiertes Quellen- und Literaturverzeichnis