Oscar Ribeiro de Almeida Niemeyer Soares Filho (* 15. Dezember 1907 in Rio de Janeiro) ist ein brasilianischer Architekt. Er gilt als Wegbereiter der modernen brasilianischen Architektur. Niemeyer entwarf Gebäude für die brasilianische Hauptstadt Brasília, die 1987 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Niemeyers Kollegen Lúcio Costa oblag die Stadtplanung.

Biografie
Niemeyers deutscher Name geht zurück auf Konrad Heinrich von Niemeyer (1761-1806), der im 18. Jahrhundert von Hannover nach Portugal auswanderte.[1] [2] Im Jahre 1928 heiratete Oscar Niemeyer Annita Baldo, eine Tochter italienischer Einwanderer aus Padua. Im selben Jahr begann er auch sein Studium an der «Escola Nacional de Belas Artes» (Nationale Schule der Schönen Künste) in Rio de Janeiro, das er 1934 abschloss. Daraufhin arbeitete er im Büro des brasilianischen Architekten und Stadtplaners Lúcio Costa. Der Auftrag an Costas Büro für den Bau des ersten modernen brasilianischen Gebäudes, dem Ministerium für Bildung und Gesundheit in Rio de Janeiro (dem heutigen Kulturpalast), brachte ihn mit Le Corbusier zusammen. Dieser machte ihn später zu seinem Assistenten. 1945 schloss er sich der brasilianischen Kommunistischen Partei [3] an. In den Jahren 1947 bis 1953 war er der Vertreter Le Corbusiers im Planungsgremium der UNO für das Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City. Die Zusammenarbeit mit Le Corbusier sollte sein Schaffen stark beeinflussen, indem er später die strenge Orthogonalität moderner Architektur um Kreis und Kurve erweiterte. Niemeyer setzte früh fast ausschließlich auf Stahlbeton als Baumaterial, dem er neue Anwendungsmöglichkeiten erschloss. In seine futuristischen und plastischen Formensprache mit kurvenreichen, weichen Konturen, hält er stets ein ausgewogenes Verhältnis zwischen freiem Raum und Volumen ein. Der Orthogonalität vieler seiner Kollegen schwor er fast vollständig ab. Seine kühnen und unkonventionellen Entwürfe begründeten sein Ansehen als einer der wichtigsten Vertreter und Erneuerer der architektonischen Moderne.
Am bekanntesten sind seine Entwürfe für den Bau der brasilianischen Planhauptstadt Brasília zwischen 1957 und 1964. Alle öffentlichen Gebäude in der auf dem Reißbrett geplanten Stadt stammen aus seiner Hand. Lúcio Costa wurde sein ausführender Stadtplaner. Die UNESCO erklärte Brasília 1987 zum Weltkulturerbe.
1966, zwei Jahre nach der Machtergreifung durch die Militärs im Jahre 1964, ging er wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei nach Frankreich ins Exil. Ende der 1960er Jahre konnte er seine Arbeit in Brasilien fortsetzen. Er lehrte unter anderem an der Universität von Rio de Janeiro, kehrte jedoch erst nach der Generalamnestie von 1979 im Jahr 1982 ganz nach Brasilien zurück. Während seiner Jahre im Exil erbaute er unter anderem die Zentrale der Parti communiste français in Paris, das Haus der Kultur in Le Havre und das Verlagshaus von Mondadori in Mailand. 1990 trat er aus der Partei aus, blieb jedoch weiterhin Marxist.[4]
Oscar Niemeyer ist auch mit über 100 Jahren noch als Architekt tätig und konzipierte insgesamt mehr als 600 erbaute Gebäude.
Privatleben
Niemeyer heiratete 1928 Annita Baldo, die 2004 verstarb. Aus der Ehe stammt die Tochter Ana Maria. Am 16. November 2006, einen Monat vor seinem 99. Geburtstag, heiratete er seine 38 Jahre jüngere Sekretärin Vera Lucia.
Werke (Auswahl)
Realisierte Projekte
Oscar Niemeyer zählt zu den schaffensreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Mehr als 600 Projekte wurden von ihm verwirklicht. Sein Werk teilt Niemeyer selbst in fünf Perioden: Pampulha, Pampulha bis Brasília, Brasília, Bauten in Übersee (Paris, Mailand usw.) und Spätwerke. Etliche Bauten gelten als Architekturikonen der Moderne.
- Ministerium für Bildung und Gesundheit (heute Kulturpalast; mit Le Corbusier, Lucio Costa, Jorge Machado Moreira und Afonso Eduardo Reidy) – Rio de Janeiro – 1937 bis 1943
- Haus von Oswald de Andrade – São Paulo – 1938
- Brasilianischer Pavillon auf der Weltausstellung – New York City – 1939
- Casa do Baile, Tanzsaal und Restaurant – Pampulha bei Belo Horizonte, Brasilien – 1940
- Nationalstadion von Rio de Janeiro – 1941
- Kirche São Francisco – Pampulha, Brasilien – 1943
- Municipal-Theater – Belo Horizonte, Brasilien – 1946
- Großer Pavillon der Biennale de São Paulo im Ibirapuera Park – São Paulo – 1951
- Hauptgebäude der Vereinten Nationen UN-Hauptquartier (Mitarbeit als Schüler von Le Corbusier) – New York City – 1952
- Edifício Copan (Copan-Gebäude; Wohnhaus für 5.000 Menschen in geschwungener, wellenförmiger Ästhetik) – São Paulo – 1953
- Casa das Canoas – Rio de Janeiro – sein früheres Wohnhaus in São Conrado ist heute öffentlich zugänglich – 1954
- Interbau-Wohnhochhaus – Berlin-Hansaviertel – 1957
- Öffentliche Gebäude von Brasília (u. a. Kathedrale von Brasilia, Nationalkongress, Alvorada-Palast, Itamarati-Palast, Planalto-Palast, Platz der drei Gewalten, Oberster Gerichtshof) – 1957 bis 1964
- Hauptsitz der Französischen Kommunistischen Partei (PCF), Bürogebäude und Kuppel der Versammlungshalle – Paris – 1967 bis 1972
- Verlagsgebäude Mondadori – Segrate bei Mailand, Italien – 1968
- Universität von Constantine – Constantine, Algerien – 1968
- Nationalhotel – Rio de Janeiro – 1968
- Maison de la Culture (Kulturzentrum, ein Rundbau, genannt "Le Volcan") – Le Havre, Frankreich – 1972
- Bürogebäude Sede Fata – Pianezza bei Turin, Italien – 1977 bis 1979
- Sambódromo – Rio de Janeiro – 1984
- Tancredo Neves Pantheon der Freiheit und Demokratie – Brasília – 1985
- Memorial da América Latina – São Paulo – 1987
- Museu de Arte Contemporânea (Museum für zeitgenössische Kunst, das an die Form eines UFOs erinnert) – Niterói – 1991
- Museu Oscar Niemeyer – Curitiba, Paraná, Brasilien – 2002
- Casino, Casino Park Hotel, Kongresszentrum – Funchal
- Serpentine Gallery Pavillon 2003 – London – 2003
- Konzerthalle in São Paulo – 2004
- Auditório Ibirapuera – São Paulo – 2005
Im Aufbau befindliche Projekte
- Puerto de la Musica - Rosario, Argentinien (Baubeginn: 10. Oktober 2008)
- Centro de Cultura Internacional Oscar Niemeyer - Avilés, Spanien (Geschenk an die Stiftung “Premios Príncipe de Asturias”; geplante Einweihung: 2010)
Nicht realisierte Projekte
Auszeichnungen (Auszug)
- Mitgliedschaft in der American Academy of Arts and Sciences (1949)
- Medalha da Ordem do Mérito do Trabalho (1959)
- Internationaler Lenin-Friedenspreis (1963)
- Goldene Löwe der Biennale di Venezia (1963)
- Premio Benito Juarez anlässlich der Hundertjahrfeier der mexikanischen Revolution (1964)
- Médaille Joliot-Curie (1965)
- Ritter der Ehrenlegion (Chevalier de la Légion d'Honneur) (1970)
- Goldmedaille des American Institute of Architects AIA (1970)
- Lorenzo il Magnifico-Preis der Accademia Internazionale Medicea (1980)
- Ehrenmitglied der Akademie der Künste der UdSSR (1983)
- Pritzker-Preis für Architektur (1988), zusammen mit Gordon Bunshaft
- Prinz-von-Asturien-Preis (1989)
- Goldmedaille des Colegio de Arquitectos de Barcelona (1990)
- Cavaliero Comendador da Ordem de Sao Gregorio Magno, verliehen durch Papst Johannes Paul II. (1990)
- Ehrendoktorwürde der Universität von São Paulo (1995)
- Goldmedaille des Royal Institute of British Architects (RIBA) (1996)
- Praemium Imperiale (2003)
- Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (2005)
- Commandeur de la Légion d’Honneur (2007)
Zitate
„Der rechte Winkel zieht mich nicht an, und auch nicht die gerade, harte inflexible Linie, die der Mensch geschaffen hat. Was mich anzieht, ist die freie und sinnliche Kurve, die ich in den Bergen meines Landes finde, im mäandernden Lauf seiner Flüsse, in den Wolken des Himmels, im Leib der geliebten Frau. Das ganze Universum ist aus Kurven gemacht. Das gekrümmte Universum Einsteins.“
„Man muss gegen die funktionalistische Architektur ankämpfen, die sich des armierten Betons bedient, um rechtwinklige und öde Räume zu gestalten.“
„Die Architektur besteht aus Traum, Phantasie, Kurven und leeren Räumen.“
„Die Kommunisten sind die einzigen, die immer noch eine bessere Welt schaffen wollen.“
- Über Niemeyer
„Nie wieder wird die Zukunft so gut aussehen wie mit den Bauten des Brasilianers.“
Werkschau
-
Kongressgebäude („Congresso Nacional“) – Brasília
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Edifício Copan – São Paulo
-
Museu de Arte Contemporânea, Niterói
-
Städtische Bibliothek von Duque de Caxias
-
Bienal Pavillon in Sao Paulo
-
Kulturzentrum von Le Havre
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Oscar Niemeyer Museum (NovoMuseu), Curitiba, Brazil
-
Verlagshaus Mondadori, Mailand, Italien
-
Quartel General do Exército Brasileiro
-
Auditorio do Parque do Ibirapuera
Literatur
chronologisch
- Alan Hess: Oscar Niemeyer. Häuser. DVA, München 2006, ISBN 3-421-03580-6
- Jan Op Gen Oorth: Oscar Niemeyer – Architekt der Moderne. In: Tópicos – Deutsch-Brasilianische Hefte. 43. Jg., Nr. 2, 2003, S. 42–45, ISSN 0949-541X (PDF-Datei, 230 kB)
- Heike Werner: Rio de Janeiro für Architekten. München 2003, ISBN 3-00-012540-X
- Ingeborg Flagge, Paul Andreas: Oscar Niemeyer. Eine Legende der Moderne / A Legend Of Modernism. Edition Deutsches Architekturmuseum / Birkhäuser Verlag, Basel 2003, ISBN 3-7643-6992-2
- Oscar Niemeyer: Curves of Time. The Memoirs of Oscar Niemeyer. Phaidon Press, 2000, ISBN 0-7148-4007-6
- David Kendrick Underwood: Oscar Niemeyer and the Architecture of Brazil. Rizzoli 1994, ISBN 0-8478-1687-7
- Christian Hornig: Oscar Niemeyer. Bauten und Projekte. Ernst und Sohn, Berlin 1981, ISBN 3-7879-0213-9
Einzelnachweise
- ↑ Konrad Heinrich von Niemeyer, geneall.net
- ↑ Oscar Ribeiro de Almeida de Niemeyer Soares, geneall.net
- ↑ Partido Comunista Brasileiro (PCB)
- ↑ a b Katharina Stegelmann und Petra Kleinau: Personalien. Oscar Niemeyer, Der Spiegel, 29. Dezember 2008, Nr. 1, 2009, Seite 149
„Oscar Niemeyer, 101, brasilianischer Architekt, ist im Herzen Marxist geblieben - auch wenn er 1990 nach 45-jähriger Mitgliedschaft die Partei verlassen hat. "Die Kommunisten sind die einzigen, die immer noch eine bessere Welt schaffen wollen", lobte er [...]“ - ↑ „Wirtschaftsminister hält Projekt überraschend für nicht förderfähig / Stadt enttäuscht“, Märkische Allgemeine, 23. Juni 2007
- ↑ Architekt Niemeyer nimmt Abstand von umstrittenem Bauprojekt
- ↑ a b c aus: Oscar Niemeyer: Paroles d'Architecte, Mailand 1996, übersetzt von: Robert Schediwy: Städtebilder, LIT Verlag, Wien 2005, S. 50 ff.
- ↑ Carmen Stephan: „Die Leute brauchen Schönheit“, Der Spiegel, 10. Dezember 2007
Weblinks
- Commons: Oscar Niemeyer – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
- Vorlage:PND
- Oscar Niemeyer. In: archINFORM.
- Fundação Oscar Niemeyer, Seite der Oscar-Niemeyer-Stiftung (port.)
- Museu Oscar Niemeyer (port.)
- Museu de Arte Contemporânea de Niterói
- „Oscar Niemeyer 1988 Laureate“, Pritzker Architecture Prize, (engl.)
- Feature zu Oscar Niemeyer, arcspace.com (engl.)
- Aktuelle Bildgalerie
- Zum 100. Geburtstag
- „Die Leute brauchen Schönheit“, Der Spiegel, 10. Dezember 2007
- „Die Moderne lebt!“ FAZ, 15. Dezember 2007, mit Bilderstrecke
- „Gegen jede Vernunft“, Tagesspiegel, 16. Dezember 2007, Reportage
- „Kurven in Zeit und Raum“, art – Das Kunstmagazin, 2007, Nr. 11, S. 28 – 43, Fotoreportage (PDF-Datei; 4,45 MB)
Personendaten | |
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NAME | Niemeyer, Oscar |
ALTERNATIVNAMEN | Niemeyer Soares, Oscar Ribeiro de Almeida |
KURZBESCHREIBUNG | brasilianischer Architekt |
GEBURTSDATUM | 15. Dezember 1907 |
GEBURTSORT | Rio de Janeiro |