Ketzertaufstreit

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Der Ketzertaufstreit des 3. und 4. Jahrhunders war eine theologische Auseinandersetzung über die Gültigkeit der christlichen Taufe.

Ausgangssituation

Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts hatten sich in der frühen Christenheit zwei unterschiedliche Vorgehensweisen herausgebildet, mit Christen umzugehen, die in einer von der Großkirche getrennten Gemeinschaft (Häretiker, Ketzer) die Taufe empfangen hatten und sich später der Großkirche anschließen wollten. Besonders in Nordafrika, aber auch in Teilen Kleinasiens dominierte ein subjektives Sakramentenverständnis: Die Gültigkeit der Taufe wurde abhängig gemacht von der persönlichen Würdigkeit und Rechtgläubigkeit des Taufspenders, daher wurde die Gültigkeit der von Häretikern gespendeten Taufe abgelehnt und bei ihrer Aufnahme in die Kirche eine erneute Taufspendung gefordert. Dagegen herrschte vor allem in Rom ein objektives Sakramentenverständnis vor: Die in rechter Weise (trinitarische Taufformel) und rechter Absicht (Intention) empfangene Taufe ist immer gültig, unabhängig von der Person der Taufspenders. Daher wurde bei der Aufnahme von Häretikern nur ein Bußritus, nicht aber eine neue Taufspendung gefordert.

Zuspitzung Mitte des 3. Jahrhunderts

Schon 220 n. Chr. hatte ein Provinzkonzil in Karthago die Gültigkeit der Häretikertaufe abgelehnt. Dabei war man dem Taufverständnis Tertullians gefolgt. Dies wurde 255 und 256 durch nordafrikanische Konzilien bekräftigt. Hintergrund hierfür war die Christenverfolgung unter Kaiser Decius (250/51), die viele christliche Kleriker zum zeitweiligen Abfall gezwungen hatte; diese lapsi und traditores wurden nun von vielen anderen als Ketzer betrachtet. Aufgrund ihrer mangelnden Standhaftigkeit seien die von ihnen gespendeten Sakramente unwirksam - auch rückwirkend.

Der römische Bischof Stephan I. lehnte diesen Konzilsbeschluss aber energisch ab und verbot den römischen Christen sogar, die nordafrikanische Delegation, die die Konzilsbeschlüsse überbrachte, gastfreundlich zu empfangen. Dies wiederum führte zu scharfen Gegenreaktionen des Bischofs von Karthago, Cyprian von Karthago. Cyprian, der sich der decischen Verfolgung selbst durch Flucht entzogen hatte, deshalb kritisiert wurde und daher gegenüber seiner Gemeinde unmöglich das Gesicht verlieren durfte, argumentierte vor allem mit der Einheit der Kirche: Es gibt nur eine Kirche, nur einen Glauben, nur einen Heiligen Geist - und daher nur eine Taufe, die nur innerhalb der mit dem rechtmäßigen und würdigen Bischof verbundenen Gemeinde gültig gespendet wird. Unterstützung erhielt Cyprian durch Firmilian, den Bischof von Caesarea in Kappadokien (ep. 75 in den Briefen Cyprians); dieser wiederum wurde von Stephan I. exkommuniziert. Der Märtyerertod der Bischöfe Cyprian und Sixtus (Xystus) II., des Nachfolgers Stephans, in der valerianischen Verfolgung 258 kam einem Bruch zwischen nordafrikanischer und römischer Kirche, die ohnehin um den Vorrang in der lateinischen Christenheit konkurrierten, zuvor.

Theologische Klärung des Streites

Der Ketzertaufstreit zwischen den Nordafrikanern und der Kirche von Rom flammte nach dem Ende der diokletianischen Christenverfolg nochmals auf wurde durch die Synode von Arles (314 n.Chr.) beigelegt, die die Gültigkeit der Ketzertaufe anerkannte, aber den rechten Trinitätsglauben der Häretiker als Voraussetzung forderte. Der Ketzertaufstreit fand aber kurz darauf eine Fortsetzung in den Auseinandersetzungen der Donatisten mit der Katholischen Kirche. Ausgehend von der nordafrikanischen theologischen Tradition vertraten die Donatisten einen extremen Sakramentensubjektivismus und argumentierten, selbst ein Bischof, bei dessen Weihe ein traditor anwesend gewesen sei, sei kein rechtmäßiger Kleriker. Diesmal führte der Streit tatsächlich zu einem Schisma, das bis ins 5. Jahrhundert andauerte. Die Auseinandersetzungen des Kirchenlehrers Augustinus mit den Donatisten stellen auch eine entscheidende theologische Klärung des Ketzertaufstreites aus Sicht der Mehrheitskirche dar.

Das IV. Laterankonzil (1215) und das Konzil von Trient folgten dieser Linie und bekräftigen die Gültigkeit der Taufe, die mit der rechten Taufformel, mit der rechten Materie (Wasser) und in rechter Absicht gespendet ist, unabhängig von der Person des Spenders. In der Reformationszeit lebte der Streit in der Auseinandersetzung mit den Wiedertäufern auf; die aus der Täuferbewegung hervorgegangenen Kirchen (z.B. Baptisten) lehnen weithin die Gültigkeit der Kindern gespendeten Taufe ab. Als eine Folge der Diskussion kann gelten, dass man bis heute von Protestanten, die zum katholischen Glauben konvertieren, keine erneute Taufe fordert - und umgekehrt.

Neben der Klärung der Sakramententheologie hat der Ketzertaufstreit auch beträchtliche Auswirkungen auf das Verständnis der Kirche, die Ekklesiologie. Die Positionen, die Cyprian von Karthago hinsichtlich der Einheit der Kirche im Ketzertaufstreit entwickelte, wurden einflussreich in der späteren Theologiegeschichte, während seine Position bzgl. der Gültigkeit der Ketzertaufe sich nicht durchsetzen konnte.