Reichsritter Franz von Sickingen (* 2. März 1481 auf Burg Ebernburg bei Bad Kreuznach; † 7. Mai 1523 auf Burg Nanstein bei Landstuhl) war Anführer der rheinischen und schwäbischen Ritterschaft. Als Unterstützer von Anhängern der Reformation stritt er für die Säkularisation der kirchlichen Güter und führte seine Standesgenossen im Ritterkrieg an. Nach Belagerung und Übergabe seiner Burg Nanstein starb er dort an einer schweren Verwundung, die er bei der Beschießung erlitten hatte.

Geschichte
Adelsgeschlecht Sickingen
Das Adelsgeschlecht Sickingen stammte ursprünglich aus Sickingen im heute nordbadischen Kraichgau. Der Ort Sickingen wurde 1936 nach Flehingen eingemeindet.
Die im Jahre 1606 in den Reichsfreiherren- und 1790 in den Reichsgrafenstand erhobene Linie von Sickingen zu Hohenburg ist die einzige noch existierende. Die Linie Sickingen-Schallodenbach erlosch im Jahre 1668, Sickingen-Ebernburg 1768, Sickingen-Sickingen 1834.
Herkunft und Familie
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Franz von Sickingen stammte von der unteren Nahe, wo schon sein Großvater Reinhard ansässig gewesen war. Als dessen Sohn Schweickhardt 1504 starb, hinterließ er Franz, seinem einzigen Sohn, neben der Ebernburg als Stammsitz nicht nur einen großen nichtterritorialen Streubesitz zwischen Nahe, Unterelsass und Nordschwarzwald, sondern offenbar auch ein bedeutendes Vermögen, das z. T. aus Bargeld, z. T. aus wirtschaftlichen Investitionen (Silber- und Kupferbergbau), z. T. aus Schuldverschreibungen verschiedener Reichsfürsten bestand.
Franz heiratete 1499 Hedwig von Flersheim. Sie wurde die Mutter seiner sechs Kinder und starb 1515 bei der Geburt des siebten. Bis zum Tod seiner Frau kümmerte sich Franz von Sickingen vor allem um die Konsolidierung seiner Besitzungen.
Zwist mit dem Kaiser
Als Witwer machte Sickingen sich daran, die Verhältnisse des Ritterstandes zu verbessern. Denn militärisch wurde das Rittertum immer mehr von moderneren Methoden der Kriegsführung abgelöst, und auch politisch verloren die Ritter an Bedeutung. Sie verarmten wirtschaftlich und gerieten in immer größere Abhängigkeit von den Landesfürsten. Deren Machtfülle einzuschränken war Sickingens Ziel, außerdem wollte er ein Wiedererstarken des Ritterstandes und eine Stärkung der Stellung des Kaisers erreichen.
Der als kühn und unbeugsam geltende Sickingen focht zunächst im kaiserlichen Sold und diente danach mit einem Aufgebot von 16.000 Landsknechten und 7.000 Reitern dem französischen Königs Franz I., in dessen Auftrag er die deutsche Reichsstadt Metz für Frankreich erobert hatte, die sich bei ihm mit 20.000 Gulden in Gold und einem Monatslohn für Franz' Kriegsknechte von der Plünderung freikaufte.
Trotz des geltenden Landfriedens von 1495 führte Sickingen ab 1515 zahlreiche Fehden auf der Grundlage des altdeutschen Fehderechts, das ein Faustrecht darstellte. Das im Reich dominierende Römische Recht lehnte er ab, weil es die Bauern und den niederen Adel, zu dem auch die Ritter zählten, benachteiligte. Meist fanden Sickingens Unternehmungen die Duldung des Pfalzgrafen bei Rhein, des pfälzischen Kurfürsten Ludwig des Friedfertigen. Als Sickingen aber mit der Reichsstadt Worms in Streit geriet, bei dem ihn Götz von Berlichingen unterstützte, wurde er 1515 von Kaiser Maximilian I. geächtet. Deshalb trat er, um sein politisches Überleben zu sichern, vorübergehend in die Dienste des französischen Königs. Nach einem Angebot Maximilians kehrte Sickingen zurück und stellte sich wieder in den Dienst des Kaisers.
Die anschließenden erfolgreichen Fehden gegen Worms, Lothringen, Metz, die Landgrafschaft Hessen und die Reichsstadt Frankfurt brachten ihm ein bedeutendes politisches Gewicht im Reich und weitere beträchtliche Vermögensgewinne ein.
Kaiserwahl und Reformation
Kurz vor seinem Tod warb Kaiser Maximilian den in französischen Diensten gefährlichen Soldritter ab und zog ihn in das eigene Lager. Nach dem Tode Kaiser Maximilians I. im Jahre 1519 war dessen Nachfolge umstritten. Als Führer der Streitmacht, die den Reichstag bei der Wahl des neuen Kaisers zu beschützen hatte, nutzte Sickingen die Möglichkeit, die Wahl in seinem Sinne zu beeinflussen. So wurde nicht Franz I. von Frankreich, sondern der Habsburger Carlos I. von Spanien als Karl V. deutscher Kaiser.
Im selben Jahr lernte Sickingen Ulrich von Hutten kennen, der ihm die Idee einer Reformation der Kirche „an Haupt und Gliedern“ vermittelte, einer radikalen Beschneidung der weltlichen Rolle der Kirche und Reduktion auf die reine Predigt des Evangeliums.
Sickingen hatte sich schon früh für die Sache Martin Luthers eingesetzt und ihm z. B. Asyl angeboten. Während Luther davon keinen Gebrauch machte, sammelten sich 1521/22 eine ganze Reihe anderer bedeutender Köpfe der Reformation auf Sickingens Ebernburg, die wegen ihrer reformatorischen Gesinnung meist ihre Anstellung verloren hatten oder sogar hatten fliehen müssen. Die Ebernburg trug deswegen schon im 16. Jahrhundert den Titel „Herberge der Gerechtigkeit“. Anfang der 1520er Jahre hielten sich dort die Reformatoren Martin Bucer, Johannes Oekolampad, Johann Schwebel, Kaspar Aquila und Kaspar Hedio auf. Diese Theologen begannen sehr bald mit der Einführung kirchlicher Reformmaßnahmen. So sind – lange vor Luther – deutschsprachige Gottesdienste und evangelische Abendmahlsfeiern (mit Brot und Wein) auf der Ebernburg belegt. Mit dem Beginn von Sickingens Feldzug gegen Trier löste sich die Theologengemeinschaft allerdings wieder auf; den meisten der Genannten gelang es, andernorts wieder eine Stelle als Pfarrer zu bekommen.
Johann Schwebel gilt als der eigentliche Verfasser der unter Franz’ Namen veröffentlichten reformatorischen Schrift
„Ein sendbrieff, so Franciscus von Sickingen seinem schweher, dem edlen und ernvesten juncker Diethern von Henschuchßheym zu underrichtung etzlicher artickel christliches glaubens kürtzlingen zugeschickt hadt. Datum Ebernburg, am andern tag Petri und Pauli 1522.“
Das Datum bezeichnet den 30. Juni, der dem Peter-und-Paul-Tag folgt.
Ritteraufstand und Tod
1521 war der erfolgreiche Heerführer Sickingen das Idol des niederen Adels geworden, der sich in Bedrängnis zwischen der Geldwirtschaft der aufblühenden Städte und den Machtinteressen der Territorialherren befand. Das Einverständnis Karls V. voraussetzend, betrieb Sickingen seine bisher erfolgreiche Fehdepolitik weiter, u. a. gegen die Städte Straßburg und Köln. Der Konflikt mit den süddeutschen Städten brachte Sickingen allerdings erstmals in finanzielle Schwierigkeiten, wozu auch die schlechte Zahlungsmoral Kaiser Karls beitrug, der Sickingen ab 1521 fast 100.000 Gulden schuldete – teilweise als bares Darlehen, teilweise als Auslage für die Anwerbung von Söldnern zu einem dann fehlgeschlagenen Frankreichfeldzug.
1522 unternahm Sickingen als Führer der rheinisch-schwäbischen Ritterschaft (Landauer Einung) den Versuch, das Kurfürstentum und Erzbistum Trier im Sinne der Reformation zu säkularisieren. Mit dem Angriff auf Trier begann er seinen „Pfaffenkrieg“, der auch als „Ritterkrieg“, „Pfälzischer Ritteraufstand“ oder „Trierer Fehde“ in die Literatur eingegangen ist.
Im Gegensatz zu Sickingens früheren Gegnern konnte jedoch sein jetziger Gegenspieler Richard von Greiffenklau zu Vollrads, Kurfürst und Erzbischof von Trier, auf eine breite Unterstützung durch andere Landesfürsten bauen. Die kaiserliche Unterstützung, auf die Sickingen gehofft hatte, blieb indessen aus, die Aufständischen wurden sogar mit der Reichsacht belegt.
Nach der gelungenen Eroberung der kurtrierischen Städte Blieskastel und St. Wendel scheiterte die Belagerung Triers im September 1522. Nach dem Winter holte die Fürstenkoalition, zu der neben Kurtrier auch die Kurpfalz unter Ludwig dem Friedfertigen und die Landgrafschaft Hessen unter Philipp dem Großmütigen gehörten, zum Gegenschlag aus. Sickingen musste sich Ende April 1523 unter dem Druck einer starken Streitmacht auf seine pfälzische Burg Nanstein bei Landstuhl zurückziehen. Dem massiven Beschuss durch die Belagerer hielt die Befestigung lediglich zwei Tage stand, dann musste Sickingen kapitulieren. Er selbst war am 1. Mai während der Beschießung schwer verwundet worden. Zeitgenössischen Berichten zufolge stand er direkt hinter einer Schießscharte, als eine Kanonenkugel dort einschlug, das Mauerwerk zum Einsturz brachte und den Ritter unter sich begrub. Eine schwere Verletzung des Unterleibs führte am 7. Mai zu seinem Tod. Sickingen starb ungebeugt und getreu seinem Wahlspruch
„Allein Gott die Ehr – lieb den gemeinen Nutz – beschirm die Gerechtigkeit!“
Bereits 1510 hatte Sickingen auch einen Ganerbenanteil an der 50 km von Landstuhl entfernten Burg Drachenfels im südpfälzischen Wasgau erlangt. Deswegen wurde diese Burg am 10. Mai 1523 von den Siegern zerstört, obwohl der Burgvogt, der mit acht Knechten allein anwesend war, sie angesichts der gewaltigen Übermacht kampflos übergeben hatte.
Sickingens Nachfahren
1542, 19 Jahre nach dem Tode Sickingens, wurden seine Söhne wieder in die alten Rechte der Familie eingesetzt[2], mussten allerdings die Lehnshoheit der Kurpfalz anerkennen. Sie führten auch in den übrigen Teilen ihres Gebietes die Reformation ein. Die verschiedenen Zweige der Familie traten allerdings im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wieder zum Katholizismus über.
Bedeutung
„Letzter Ritter“
Obwohl Sickingen mit seinen Bemühungen, dem Ritterwesen zu neuer Blüte zu verhelfen, scheiterte und er auch den Rittertitel wahrscheinlich nur ererbt hatte, ohne je zum Ritter geschlagen worden zu sein, wurde ihm von manchen voller Respekt der Titel „Letzter Ritter“ zuerkannt. Diesen Ehrentitel teilt er sich allerdings mit seinem Zeitgenossen Kaiser Maximilian I.
Andenken
Sickinger Höhe – Nach Franz von Sickingen erhielt die Sickinger Höhe ihren Namen, die Hochfläche in der Südwestpfalz zwischen Landstuhl und Zweibrücken.
Landstuhl – In Landstuhl, das sich selbst Sickingenstadt nennt, sind viele Einrichtungen nach ihm benannt, so z. B. das Sickingen-Gymnasium, an dem bereits der Schriftsteller Ludwig Thoma Lateinschüler war, oder der Sickingen-Sport-Club (SSC Landstuhl 03). Darüber hinaus steht in der Landstuhler Kirche St. Andreas ein großes Standbild des Ritters. Die Burgspiele Landstuhl, deren Aufführungen seit 1963 auf Burg Nanstein stattfinden, haben Theaterstücke im Programm, die sich mit Sickingens Schicksal befassen[3].
Historiendrama – Ferdinand Lassalle veröffentlichte 1859 das Drama "Franz von Sickingen: eine historische Tragödie".
Mundartdichterwettstreit – Die Verbandsgemeinde Wallhalben hat 1991 den Sickinger Mundartdichter-Wettstreit ins Leben gerufen, der seither alle zwei Jahre in der zur Verbandsgemeinde gehörenden Ortsgemeinde Herschberg stattfindet. Mit dem 1. Preis wurde 1997 ein Sonett ausgezeichnet, das sich mit den letzten Minuten des schwerverwundeten Ritters beschäftigt[4].
Bad Münster am Stein-Ebernburg – In Bad Münster am Stein-Ebernburg trägt die Franz-von-Sickingen-Schule seinen Namen. – Am Fuße der Ebernburg wurde 1889 ein Denkmal für Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten errichtet mit der Widmung "Den Vorkämpfern deutscher Einheit und Grösse".
Trier – Eine Anhöhe auf dem Trierer Petrisberg, von der aus Sickingen während der Belagerung die Stadt mit Kanonen beschossen haben soll, heißt noch heute Franzens Knüppchen.
Wien – 1930 wurde in Wien die Sickingengasse nach ihm benannt.
Siehe auch
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Wehrkirche Ebernburg
- Orte und Landschaften
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Ruine Drachenfels
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Ebernburg
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Ruine Hohenburg
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Ruine Nanstein
- Burgen
- Personen
- Reinhard von Sickingen
- Schweickhardt von Sickingen
- Wilhelm Friedrich von Sickingen
- Ulrich von Hutten
- Richard von Greiffenklau zu Vollrads
- Ludwig der Friedfertige
- Philipp der Großmütige
- Begriffe
Literatur
- Kurt Baumann: Franz von Sickingen (1481–1523). In: Pfälzer Lebensbilder, Bd. 1, S. 23–42. Speyer 1964
- Michael Benz: Sickingen-Bildnisse. München 1985
- Thomas Bergholz: Die Grafschaft Sickingen. In: Emil Sehling (Hrsg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. Band 18: Rheinland-Pfalz I, S. 685–701. Tübingen 2006
- Otto Böcher: Die Theologen der Ebernburg: Kaspar Aquila, Martin Bucer, Johannes Oekolampad und Johannes Schwebel. In: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und Volkskunde 66/67 (2000), S. 403–423
- Karlheinz Schauder: Franz von Sickingen. Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern 2006
- Reinhard Scholzen: Franz von Sickingen. Ein adeliges Leben im Spannungsfeld zwischen Städten und Territorien. Beiträge zur pfälzischen Geschichte Bd. 9. Trierer Dissertation 1996. ISBN 3-927754-17-x
- H. Ulmann: Sickingen, Franz von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 151–158.
- Klaus Eberhard Wild: Franz von Sickingen. Ein Ritter in unruhiger Zeit. Sutton Verlag, Erfurt 2007. ISBN 978-3-86680-063-2
- Stephan Alexander Würdtwein: Kriege und Pfedschaften des Edlen Franzen von Sickingen. Zum Sickingenjahr 1998 unveränderter Nachdruck der ersten Biographie über Franz von Sickingen. Kirchgessner Verlag, Oberderdingen-Flehingen 1998
- Otto Zierer: Bild der Jahrhunderte, Bertelsmann-Verlag, o.J., Band 14, S. 84f
Weblinks
- Vorlage:PND
- Franz von Sickingen. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Sickingen-Burg Nanstein
- Wappen im Ingeram-Codex
Einzelnachweise
- ↑ Scheiblersches Wappenbuch
- ↑ Verbandsgemeinde Landstuhl: Burg Nanstein – Geschichte
- ↑ Heinrich Kraus: De letschte Ritter. Volksstück in Westpfälzer Mundart. Burgspiele Landstuhl, 1996
- ↑ Albert H. Keil: Franz. Mundartsonett, 1997
Personendaten | |
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NAME | Sickingen, Franz von |
ALTERNATIVNAMEN | Reichsritter Franz von Sickingen |
KURZBESCHREIBUNG | Anführer der rheinischen und schwäbischen Ritterschaft |
GEBURTSDATUM | 2. März 1481 |
GEBURTSORT | Burg Ebernburg bei Bad Kreuznach |
STERBEDATUM | 7. Mai 1523 |
STERBEORT | Burg Nanstein bei Landstuhl |