Der deutsche Staat Preußen besaß seit den Verwaltungsreformen von 1815/18 eine für die damalige Zeit sehr moderne Landesverwaltung. Zwischen Landesregierung und der kommunalen Ebene wurde drei regionale Verwaltungsebenen geschaffen: die Provinzen, die Regierungsbezirke und die Kreise.
Ebenen
Provinzen
Da nach der Reichsgründung 1871 über die Hälfte des Reichsgebiets zu Preußen gehörte, spielten im traditionell föderal geprägten Deutschland die preußischen Provinzen eine ähnliche Identifikationsrolle wie ansonsten nur die Bundesländer außerhalb Preußens, denen sie (im Gegensatz zum preußischen Gesamtstaat) nach Größe, Bevölkerung und wirtschaftlicher Bedeutung vergleichbar waren. Dabei war hilfreich, dass die Abgrenzung und Benennung der Provinzen in den meisten Fällen auf gewachsene historische und landsmannschaftliche Zusammenhänge Rücksicht nahm. Für die Identifikation der (ggf. ehemaligen) Bewohner mit ihrer Heimat spielen die ehemaligen preußischen Provinzen bis heute eine wichtige Rolle, vor allem in den Regionen, die heute nicht mehr als einheitliche Verwaltungseinheit existieren, wie etwa in Westfalen, Schlesien, dem Rheinland oder Ostpreußen.
Die heutigen Bundesländer Schleswig-Holstein und Brandenburg gehen unmittelbar auf preußische Provinzen zurück, die Länder Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt entstanden durch den Zusammenschluss preußischer Provinzen mit ihren selbständig gebliebenen nichtpreußischen Nachbarstaaten.
Anfang des 19. Jahrhunderts und nach 1919 gab es zahlreiche Umgliederungen, Zusammenschlüsse und Teilungen preußischer Provinzen. In der Zeit dazwischen blieb die Einteilung stabil, so dass sich die zwölf Provinzen dieser Zeit als „klassisch“ im deutschen Bewusstsein etablieren konnten:
Die sechs westlichen Provinzen:
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Die sechs östlichen Provinzen: |
West- und Ostpreußen bildeten 1824-77 eine gemeinsame Provinz Preußen. Da dieser sehr peripher gelegene Teil des Deutschen Reiches aber vor allem im Zusammenhang mit den erzwungenen Gebietsabtretungen 1920, den Kriegsereignissen 1944/45 und den anschließenden Vertreibungen ins deutschlandweite Bewußtsein einging, sind heute die damals üblichen Einheiten und Bezeichnungen Ost- und Westpreußen wesentlich geläufiger.
Der Spitzenbeamte einer Provinz nannte sich Oberpräsident, die anfangs ständische, später demokratisch gewählte Legislative Provinziallandtag.
Regierungsbezirke
Unterhalb der Provinzebene wurden „königliche Regierungen“ eingerichtet, die später als Regierungsbezirk bezeichnet wurden und als Mittelinstanz auch von anderen Ländern eingeführt wurden. Pro Provinz gab es zwischen einem (Schleswig-Holstein) und sechs (Hannover) Regierungsbezirken. Die Rheinprovinz hatte fünf Regierungsbezirke; Schlesien, Sachsen, Pommern und Westfalen drei, die übrigen Provinzen zwei. An der Spitze eines Regierungsbezirks stand, wie heute, ein Regierungspräsident.
Kreise
Siehe hierzu: Geschichte der Kreisbildung in Deutschland#Preußen
Auf lokaler Ebene wurden Kreise (ab 1939 einheitlich als Landkreise bezeichnet) eingerichtet, die ein Bindeglied zwischen der staatlichen Verwaltung und der durch die geplante (aber erst Ende des 19. Jahrhunderts verwirklichte) kommunale Selbstverwaltung zu größerer Bedeutung gelangten Gemeindeebene bilden sollte. Die nunmehr selbständigen und von einem meist ehrenamlichen Bürgermeister repräsentierten Gemeinden wurden durch die Kreisverwaltung und ihre professionelleren Strukturen in der Ausübung ihrer Amtsgeschäfte unterstützt.
Den Spitzenbeamten eines Landkreises nannte man damals wie heute Landrat, den Sitz der Kreisverwaltung Landratsamt oder Kreishaus.
Die Größe eines Kreises sollte so bemessen sein, dass von jedem Dorf aus innerhalb eines Tages eine Reise mit der Kutsche zum Sitz der Kreisverwaltung, die Ausführung der geplanten Amtsgeschäfte und die Rückreise möglich sein sollte, oder umgekehrt der Landrat ein entlegenes Dorf besuchen konnte, ohne dort übernachten zu müssen.
Geschichte
1701 bis 1807
Die hohenzollernschen Gebiete, für die sich nach der Krönung Friedrichs I. 1701 allmählich der Name „Königreich Preußen“ einbürgerte, bestanden Anfang des 18. Jahrhunderts aus den Landesteilen Brandenburg, Pommern, Preußen, Geldern, Kleve, Moers, Tecklenburg, Lingen, Minden, Mark, Ravensberg, Lippstadt, Magdeburg, Halberstadt, Neuenburg und Valangin.
1713 wurden die Landesteile in folgende Provinzen gegliedert: Mittel-, Ucker- und Altmark, Neumark-Pommern-Kassuben, Preußen, Geldern-Kleve, Minden-Mark-Ravensberg, Magdeburg-Halberstadt, Neuenburg (Land) und Valangin (Land). 1740 wurden die Provinzialbehörden in Kriegs- und Domänenkammern überführt oder neu gegliedert. Auch deren Gestalt änderte sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehrmals, als weitere Gebiete zu Preußen kamen, etwa das Herzogtum Schlesien 1742.
1815 bis 1866
Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde der Staat Preußen mit der Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden vom 30. April 1815 in zehn Provinzen eingeteilt (in Klammern die Hauptstadt), die mit Ausnahme von Ostpreußen, Westpreußen und Posen als Verwaltungseinheiten Preußens zum Territorium des Deutschen Bundes zählten:
- Provinz Brandenburg (Potsdam)
- Provinz Ostpreußen (Königsberg)
- Provinz Westpreußen (Danzig)
- Provinz Pommern (Stettin)
- Provinz Schlesien (Breslau)
- Provinz Posen (Posen)
- Provinz Jülich-Kleve-Berg (Köln)
- Provinz Großherzogtum Niederrhein (Koblenz)
- Provinz Westfalen (Münster)
- Provinz Sachsen (Magdeburg)
Seit 1822 bildeten die Provinzen Jülich-Kleve-Berg und Großherzogtum Niederrhein die Rheinprovinz mit der Hauptstadt Koblenz. 1829 wurden Ost- und Westpreußen zur Provinz Preußen (Hauptstadt Königsberg) vereinigt. Damit verringerte sich die Zahl der Provinzen auf acht. 1849 verzichteten die Fürsten von Hechingen und Sigmaringen auf ihre Herrschaft, wodurch beide Fürstentümer an Preußen fielen. Sie wurden zum Regierungsbezirk Sigmaringen zusammengefasst, der später auch als Hohenzollernsche Lande bezeichnet wurde. 1853 erwarb Preußen von Oldenburg einen Landstrich an der Jade, auf dem ein Hafen angelegt wurde. 1869 erhielt dieses Gebiet zusammen mit der umliegenden Siedlung den Namen Wilhelmshaven und wurde der 1867 gebildeten Provinz Hannover angegliedert.
1866 bis 1918
Nach dem Deutschen Krieg von 1866 annektierte Preußen das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau, die Herzogtümer Schleswig und Holstein sowie die Freie Stadt Frankfurt am Main. Aus diesen Gebieten wurden drei Provinzen gebildet:
- Provinz Hannover (Hannover)
- Provinz Hessen-Nassau (Kassel)
- Provinz Schleswig-Holstein (Kiel, 1879–1917 Schleswig)
Preußen umfasste damit elf Provinzen. Die Zahl erhöhte sich auf zwölf, als aus der Provinz Preußen am 1. April 1878 zwei neue hervorgingen: Ostpreußen und Westpreußen.
1919 bis 1938
Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Preußen einige seiner Gebiete und wurde zum Freistaat Preußen. Der Norden Schleswig-Holsteins (Nordschleswig) musste an Dänemark abgetreten werden. Der größte Teil der Kreise Eupen und Malmedy (Ostbelgien) wurde nach Belgien umgegliedert. Die Provinz Posen wurde nahezu ganz an Polen abgetreten. Die Provinz Westpreußen kam überwiegend an Polen und an die Freie Stadt Danzig. Nur der östliche Teil Westpreußens blieb bei Preußen und wurde der Provinz Ostpreußen angegliedert. Die ebenfalls bei Preußen verbliebenen restlichen Gebiete von Posen und Westpreußen wurden 1922 zu einer neuen (zweigeteilten) Provinz vereinigt, die den Namen Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen erhielt. Vorher, 1919, war die Provinz Schlesien in zwei Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien aufgeteilt worden. Ein Jahr später schied Berlin aus dem Provinzialverband Brandenburg aus und bildete eine eigene Provinz.
Ab 1922 bestand der Freistaat Preußen somit aus den folgenden 12 Provinzen (in Klammern die Gebietskörperschaften, denen die Gebiete der jeweiligen Provinzen heute entsprechen):
- Berlin (Berlin)
- Provinz Brandenburg (Brandenburg und Gebiete der Woiwodschaft Lebus, Polen)
- Provinz Hannover (Gebiete von Niedersachsen, Bremen und Hamburg)
- Provinz Hessen-Nassau (Gebiete von Hessen und Rheinland-Pfalz)
- Provinz Ostpreußen (Oblast Kaliningrad, Russland; Woiwodschaft Ermland-Masuren und Teil der Woiwodschaft Pommern, Polen)
- Provinz Pommern (Gebiete von Mecklenburg-Vorpommern, Woiwodschaft Westpommern, Polen)
- Grenzmark Posen-Westpreußen (Teil der Woiwodschaft Großpolen, Polen)
- Rheinprovinz (Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz)
- dabei als Teil der Rheinprovinz
- die so genannten Hohenzollernschen Lande (Teil von Baden-Württemberg)
- die Exklave Wetzlar (Teil von Hessen)
- dabei als Teil der Rheinprovinz
- Provinz Sachsen (Teil von Sachsen-Anhalt und Thüringen)
- Provinz Niederschlesien (Woiwodschaft Niederschlesien und Teil der Woiwodschaft Lebus, Polen; Teil von Sachsen)
- Provinz Oberschlesien (Teil der Woiwodschaften Oppeln und Schlesien, Polen)
- Provinz Schleswig-Holstein (Teile von Schleswig-Holstein und Hamburg)
- Provinz Westfalen (Teil von Nordrhein-Westfalen)
1938 bis 1947
1938 wurden die beiden schlesischen Provinzen wiedervereinigt, die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen aufgelöst und auf die Nachbarprovinzen Pommern, Brandenburg und Schlesien aufgeteilt. Somit bestand Preußen bis zu seiner formellen Auflösung 1947 nur noch aus elf Provinzen. Nicht berücksichtigt sind dabei die Teilungen der Provinzen Hessen-Nassau, Sachsen und Schlesien in jeweils zwei Provinzen während des Zweiten Weltkrieges.
Die Verwaltung unterhalb der Provinzialebene gliederte sich in Bezirke, Kreise, Ämter und Gemeinden und wurde entsprechend auch auf die übrigen staatlichen Verwaltungen, wie das Eisenbahn- oder das Finanzwesen, übertragen.
Nach 1945
Nach 1945 wurde Preußen gem. Artikel 1 des Kontrollratsgesetzes Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates aufgelöst und unter der Sowjetunion, Polen und den neugebildeten deutschen Ländern in der Sowjet- und den drei Westzonen aufgeteilt.
Die östlich von Oder und Lausitzer Neiße gelegenen Gebiete – einschließlich die westlich davon liegenden Regionen Swinemünde und Stettin – fielen 1945 unter polnische Verwaltung. Der nördliche Teil von Ostpreußen kam unter sowjetische Verwaltung. Der größte Teil der östlich der Oder-Neiße-Linie lebenden deutschen Bevölkerung, etwa 11 Millionen Menschen, floh oder wurde vertrieben. [1] In den Ostgebieten des Deutschen Reiches wurden nach 1945 vor allem polnische Neusiedler aus Zentralpolen sowie rund 1,5 Millionen Vertriebene aus den ehemals polnischen Ostgebieten angesiedelt.
Nachweise
- ↑ Stellvertretend für viele: Hans Graf von Lehndorff: Ostpreußisches Tagebuch. Aufzeichnungen eines Arztes aus den Jahren 1945–1947, dtv-Dokumente, München, 5. Aufl. 1973