Traumdeutung

Der Versuch, Träumen eine Bedeutung zuzuordnen
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Traumdeutung bzw. Oneirologie (von griech. oneiros, „der Traum“) bezeichnet jene Tätigkeiten und weltanschaulichen Konzepte, die hinter den im Traum erlebten Bildern, Handlungen und Gefühlen jeweils eine bestimmte, meist wichtige Botschaft versteckt vermuten und versuchen, sie methodisch zu enträtseln. In der Antike wurde den Träumen häufig eine außermenschliche, oft göttliche Quelle zugeschrieben, die dem Mensch in seinen Träumen eine Botschaft übermittelte (vgl. auch die Praxis der Oneiromantie). Einige der heutigen Hirnforscher bezweifeln diesen Botschafts-Charakter der Träume, während die von Sigmund Freud begründete Tiefenpsychologie die Träume nach wie vor als eine wichtige Informationsquelle über die Befindlichkeit des Menschen erachtet. Infolge dieses bislang weitgehend fehlenden Konsens innerhalb der Hirnforschung und zwischen der Hirnforschung und der Tiefenpsychologie sind Bedeutung und Interpretierbarkeit der Träume wissenschaftlich umstritten.

Sigmund Freud

Sigmund Freud leitete aus seiner Methode der Traumdeutung – auch Traumanalyse genannt – ab, dass bestimmte Inhalte der Psyche aktiv daran gehindert würden, das Bewusstsein zu erreichen. Diesen Hemmungs- oder Verdrängungs-Mechanismus bezeichnete er als „Zensur“. Die verdrängten Inhalte existierten allerdings weiterhin im Unbewussten. Der Schlaf setze diese Zensur herab, so dass die verdrängten Inhalte die Gestalt der Träume annähmen und sich dem Bewusstsein in dieser Form zeigten. Da die Zensur allerdings nicht vollständig aufgehoben sei, seien die Botschaften der Täume zu einer bildhaften primitiveren Denkungsart „verschlüsselt“, die Freud als Primärprozess bezeichnte. Während dieses Vorganges würden sie mit Erlebnissen der vorherigen Tage (sogenannten Tagesresten), Inhalten des Langzeitgedächtnisses, körperlichen Regungen wie u. a. Hungergefühlen und selbst Anteilen bewusster Erwägungen vermischt, all dieses „verdichtet“ und „verschoben“, so dass sich der Sinn eines Traumes erst über den Umweg der Analyse erschließen lasse.

Freuds Theorie zufolge stellen Träume weder Prophetien noch das Produkt einer bloßen Verarbeitung der Erlebnisse vom vorherigen Tage dar, sondern jeder Traum beinhalte eine höchst intime „Botschaft“ über die oft kindheitsbedingte innere Situation des Träumers. Ihre „Entschlüsselung“ könne der Selbsterkenntnis dienen.

Die „tiefsten“ Inhalte der Träume entstammen Freud zufolge dem so genannten Es, also triebhaften Bedürfnissen, die befriedigt werden sollen: teils, weil sie für die Erhaltung des Organismus von existentieller Bedeutung seinen (z. B. der Drang nach Ernährung), teils, weil sie erforderlich seien für seine Vermehrung (sexuelle Bedürfnisse).

Diese biologisch verankerten Wünsche, denen solche sozialer Natur hinzukommen – die Mutter-Kind- und die Gruppenbindungsbedürfnisse – bilden nach Freud das Hauptreservoir der psychischen Energie. Aus dieser Quelle heraus gestalte sich der gesamte biologische Organismus und die von Freud nach drei Instanzen unterschiedene Struktur der Psyche: das Es, das Ich und das Über-Ich. Alle drei Instanzen sind verbunden mit spezifischen, auch organisch repräsentiert sein müssenden Funktionen, die im Idealfall ohne Konflikte kooperieren. Erst die Erziehung zu Moral und Reinlichkeit, deren Vorschriften und Verhaltensnormen während der Kindheit vom Über-Ich verinnerlicht werden, seien dafür verantwortlich zu machen, dass diese Koopereation gestört wird und etliche Anteile der dem Es eigenen Triebwünsche das Ich-Bewusstsein nicht mehr erreichen. Dennoch blieben sie im Unbewussten erhalten, und so stelle jeder Traum einen Versuch des Es dar, diese Triebwünsche dem Ich, gegen die Forderungen des Über-Ich, bewusst zu machen. Aus diesen einander widerstrebenden Forderungen ergebe sich der sogenannte latente Inhalt des Traumes, seine in Symbolen verkleidete, einer Deutung bedürfenden Botschaft.

Im Gegensatz hierzu stelle der manifeste Traum dar, was dem Träumer in Gestalt der ihm meist unverständlichen Symbole beim Erwachen im Gedächtnis haften blieb; er entspreche also nicht der „unter“ der bewusst erinnerten Oberfläche 'latent' vorliegenden, erst durch die analytische Arbeit aufzudeckenden Botschaft. Zu ihr gelange der Psychoanalytiker vor allem über die freien Assoziationen, die sein Klient über jedes erfragte Symbol seines Traumes anfertigen soll. [1] Für die freie Assoziation wird der Träumer aufgefordert, sowohl spontane, unkritische als auch gezielt beschreibende Einfälle über die Symbole seines Traumes zu gewinnen. Mit Hilfe dieser zusätzlichen Informationen, könne dann die unter der erinnerten Traumoberfläche verborgen gebliebene (latente) Botschaft ausfindig gemacht werden.

C. G. Jung

Carl Gustav Jung, ein ehemaliger Schüler Freuds, verstand den Traum als unmittelbar deutlich werdende Darstellung der inneren Wirklichkeit des Träumenden, d. h. es bedürfe von diesem keine freien Assoziationen, um den Traum verstehen zu können. Eine Untersuchung nach den Methoden Freuds eigne sich daher kaum zur Ergründung des Unbewussten. Jung prägte auch den Begriff des kollektiven Unbewussten, ein Bereich, aus dem Menschen Kultur-unabhängig gleiche Grundassoziationen gewännen – z. B. Animus und Anima als Archetypen von Der Verstand und Die Vernunft, welche sich oft in Gestalt genitaler Symbole repräsentieren und auch in dem Verhältnis von Intuition (Natürlichkeit) und Ratio (Künstlichkeit) zu finden seien. Diese Annahme deckt sich mit vielen Ergebnissen der freudschen Traumanalyse, jedoch unterscheiden sich die Ansätze C. G. Jungs und Freuds wie oben angedeutet vor allem in zweierlei Hinsicht:

  • Dadurch, dass Jung die von ihm als archetypisch angenommenen Symbole zu einem Katalog zusammenstellte, in dem den Symbolen eine tendenziell feste Bedeutung beigeordnet wird. Traumdeutung nach Jung erfolgt dann, indem der Analytiker diesen Katalog hinzuzieht, um die Bedeutung jedes Symbols nachzuschlagen und miteinander zu kombinieren, zwecks Auslegung
  • Für Freud waren hingegen nicht seine eigenen, sondern die Freien Assoziationen seiner Patienten maßgeblich für die Auslegung derer Träume, wenngleich ihm die gewissermaßen archetypische Strukturierung seines Modells der Psyche ebenso unerlässlich für diese Arbeit gewesen ist, wie die Forderung, dass zwischen den Bedürfnissen der gesunden Psyche und den Befunden der Wissenschaften über die Naturphänomene (insbesondere den biologischen kein Widerspruch bestehen dürfe. Insofern ist einer der wesentlichsten Kritikpunkte, die Freud an C.G. Jung äußert, dass dessen Methode, abgesehen vom "freien Assoziieren", auch die Naturwissenschaften zu sehr außer acht lasse.

Traumdeutung anderer psychotherapeutischer Ansätze

Gestalttherapie

In der Gestalttherapie werden Träume als existenzielle Botschaften des Träumenden betrachtet. Die bekannte psychoanalytische Traumdeutung (rein verbale Arbeit mit den Symbolen und Erforschen des latenten Trauminhalts) wird ersetzt durch die szenische Darstellung des Traumes sowie durch Dialoge mit ausgewählten Traumteilen. Der Träumer kann die vorkommenden Personen und Gegenstände als enteignete Teile von sich und seiner Umwelt erforschen, erkennen und integrieren.

Daseinsanalyse

Entsprechend der Daseinsanalyse ist Träumen eine Art In-der-Welt-sein (siehe Heidegger) wie der Wachzustand. Der Unterschied zeichnet sich dadurch aus, dass dem Träumer nur das erscheint, was seiner stimmungsgemäßen Befindlichkeit in hohem Maße entspricht. Träume geben Aufschluss über Offenheit und Verschlossenheit gegenüber den eigenen Seinsmöglichkeiten. Es gibt keine Sinnsuche hinter der erinnerten Traumoberfläche, es werden nur die erkennbaren Bedeutungsgehalte erfragt. Bei der Interpretation des Manifesten (Erinnerten) werden Analogien zwischen Traumgeschehen und Verhaltensweisen, Emotionen und Konflikten in der Wachwelt gesucht. Im Gegensatz zu Freud, der das Unbewusste in Triebwünschen verwurzelt sieht, lehnt Binswanger diese Sicht und Herangehensweise ab und setzt dem eine Ganzheit der Person entgegen, die er mit der Terminologie Heideggers und der Methode Husserls fundiert.

Klientenzentrierte Psychotherapie

Die Klientenzentrierte Psychotherapie orientiert sich am manifesten Trauminhalt. Bei der Interpretation werden Traumstimmung, -wahrnehmung und -handlung aufgegriffen und als Möglichkeit zur Selbstaktualisierung eingesetzt. Als Selbstaktualisierung wird die innere Kraft zum Wachstum und zur Selbstverwirklichung verstanden.

Focusing

Der Begründer des Focusing, Eugene T. Gendlin, sieht in der Traumarbeit einen Zugang zu bewusstseinsfernen Persönlichkeitsanteilen. Gedeutet werden körperliche Reaktionen, wenn der Träumer im Wachzustand ein weiteres mal in die Traumbilder eintaucht. Die Befragung über die körperliche Resonanz, dem sogenannten Felt Sense, ermöglicht dabei neue Bedeutungsaspekte. Der Träumer kann auch die Rolle von Teilen seines Traums einnehmen, ähnlich wie bei der Traumarbeit in der Gestalttherapie.

Quellen

  1. Freud, Über den Traum, Die Traumdeutung, inauguriert 1899, verlegt 1900, Möller-Hartmann, mündl. Mitteilung, 27.09.2007, Fortbildungsreihe über 100 Jahre Traumdeutung 2007

Literatur

  • Sigmund Freud: Die Traumdeutung. Fischer-Taschenbuch, ISBN 3-596-10436-X
  • Sigmund Freud: Schriften über Träume und Traumdeutungen. Fischer-Taschenbuch, ISBN 3-596-10437-8
  • C. G. Jung: Traum und Traumdeutung. dtv, ISBN 3-423-15064-5
  • Klaus-Uwe Adam: Therapeutisches Arbeiten mit Träumen. Theorie und Praxis der Traumarbeit. Springer, 2. Aufl., 2005, ISBN 3-540-28827-9
  • Holger Bertrand Flöttmann: Träume zeigen neue Wege - Systematik der Traumsymbole. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2. Aufl., 2005
  • Michael H. Wiegand (Hg.): Schlaf & Traum. Neurobiologie, Psychologie, Therapie. Schattauer Verlag, Stuttgart, 2006, ISBN 3794523865

Siehe auch