Vergleich (Philosophie)

Methode, die zur Erkenntnis von Gemeinsamkeiten/Gleichheit oder Unterschieden zwischen Objekten der Realität führen soll
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. September 2009 um 20:32 Uhr durch FSJ-wiki (Diskussion | Beiträge) (Bedeutung des Vergleichs im Alltag). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Vergleich (auch: Komparation) bezeichnet eine grundlegende, auf Wahrnehmung basierende Methode, die zur Erkenntnis von Gemeinsamkeiten/Gleichheit oder Unterschieden zwischen Objekten der Realität führen soll. Eine prägnante Definition der Vergleichsmethode stammt von Alfred Brunswig: „Zwei Objekte vergleichen heißt: sie aufmerksam ... mit spezieller Hinsicht auf ihr gegenseitiges Verhältnis betrachten.“ [1] Die wenigen Definitionen des Begriffs Vergleich stimmen im Großen und Ganzen überein. Sie wandeln sich historisch kaum.[2]

Voraussetzungen

Die Durchführung eines Vergleichs setzt folgende vier Elemente voraus: Erstens müssen mindestens zwei Objekte gegeben sein, denn andernfalls ist das Erkennen eines Verhältnisses („Verhältnis“ meint hier eine zweistellige Relation) nicht möglich. Zweitens gibt es ein vergleichendes Subjekt, denn Subjekt und Objekt sind relative Begriffe. Wenn man etwas als „Objekt“ bezeichnet, dann setzt man voraus, dass es auch ein Subjekt gibt. Drittens gibt es wenigstens ein Verhältnis; dieses Verhältnis ist entweder eine Gleichheit oder Ungleichheit. Husserl: „Eine Vergleichung kann entweder das Ergebnis liefern, dass die betrachteten Inhalte gleich sind oder dass sie verschieden, das heißt nicht gleich sind.“[3] Viertens werden die Objekte „aufmerksam ... mit spezieller Hinsicht[4] verglichen, denn Gleichheit und Ungleichheit werden stets in einer bestimmten Hinsicht erkannt.

Voraussetzung dafür, durch einen Vergleich eine richtige Erkenntnis zu gewinnen, ist die strikte Einhaltung einer Reihe von notwendigen Bedingungen. Eine Bedingung ist Zelditch zufolge, dass zwei Vergleichsobjekte wenigstens ein Merkmal ("variable") gemeinsam haben:

„(Comparability). Two or more instances of a phenomenon may be compared if and only if there exists some variable, say V, common to each instance.“[5]

Vergleichen setzt Gemeinsames voraus (Vergleichbarkeit). Das bedeutet jedoch nicht, dass die beiden Objekte in Hinsicht auf die Merkmalsausprägung gleich sein müssen. Zum Beispiel sind die zwei Töne C und D vergleichbar, weil sie u. a. das Merkmal/die Variable "Tonhöhe" gemeinsam haben. Hinsichtlich der Merkmalausprägung sind die Töne jedoch ungleich: C ist ungleich D. Für Zelditch ist diese Regel zusammen mit drei weiteren die logische Grundlage der vergleichenden Forschung.

Bedeutung des Vergleichs in der Philosophie

Der Vergleich wird nicht nur im Prozess der Verallgemeinerung, sondern auch bei anderen Methoden angewendet, zum Beispiel bei Analogieschlüssen, in der Induktion, der Traduktion oder der Deduktion. Es ist anerkannt, dass das Auffinden gemeinsamer Merkmale einer zu untersuchenden Klasse von Objekten die erste Stufe der Erkenntnis der Entwicklungsgesetzmäßigkeiten dieser Klasse ist. Außerdem ermöglicht zum Beispiel das Vergleichen das Messen numerisch ausdrückbarer Eigenschaften. Ein Klassifikationssystem setzt Vergleichen voraus. Das Erkennen eines Objekts erfordert, es von anderen Objekten zu unterscheiden und eine Ähnlichkeit mit verwandten Objekten und Erscheinungen festzustellen. Im Prozess der Erkenntnis bilden Unterscheidung und Ähnlichkeit eine untrennbare Einheit. Beim Vergleich von Begriffen dürfen nur gleichartige Begriffe, die gleichartige Objekte der Realität repräsentieren, in die Untersuchungen einbezogen werden.

Bedeutung des Vergleichs in den Sozialwissenschaften

Auf die Bedeutung des Vergleichs für die Sozialwissenschaften, insbesondere für die Soziologie, haben bereits mehrere Autoren hingewiesen: Für Auguste Comte ist die Vergleichsmethode "das wichtigste wissenschaftliche Hilfsmittel der Soziologie"[6] Und Émile Durkheim zufolge ist die vergleichende Methode „die einzige, welche der Soziologie entspricht.“[7] Trotz der hohen Bedeutung, die der Vergleichsmethode zuerkannt wird, sind die methodologischen Grundlagen der Vergleichsmethode kaum erforscht. So stellt Joachim Matthes fest, dass „eine breite und gediegene Auseinandersetzung mit dem epistemologischen und methodologischen Aspekten des „Vergleichens“ in den Sozialwissenschaften bislang fehlt.“[8] Siehe auch Vergleich (Sozial- und Kulturgeschichte)

Bedeutung des Vergleichs im Alltag

Ungleichheit und Gleichheit werden auch im Alltag mithilfe des Vergleichs erkannt. Z. B. vergleicht man Waren in Hinsicht auf deren Preis oder Qualität miteinander. Wenn man Menschen miteinander vergleicht, so spricht man von einem "sozialen Vergleich". Solche Vergleiche werden v .a. von (Sozial-)Psychologen und Soziologen untersucht. Eine Theorie des sozialen Vergleichs stammt von Leon Festinger.

Einteilung der Vergleiche

Verglichen werden können Objekte der Außenwelt (Menschen, Preise, Länder etc.) oder auch der Innenwelt (zum Beispiel Begriffe oder Gedanken). Bezüglich der Art der Vergleichsobjekte unterscheidet Brunswig (1910, S. 148–182) elf Arten von Vergleichen; u. a. Farb-, Zeit- und Wertvergleiche. Meinong (1971, S. 237–239) unterscheidet nach der Art des Gegebenseins der Objekte direkte und indirekte Vergleiche.

Literatur

  • Brunswig, Alfred: Das Vergleichen und die Relationserkenntnis, Leipzig/Berlin: B. G. Teubner, 1910
  • Husserl, Edmund: Philosophie der Arithmetik. Mit ergänzenden Texten (1890–1901), hrsg. von Lothar Eley, Den Haag: Martinius Nijhoff, 1970
  • Matthes, Joachim: The Operation Called „Vergleichen“, in: ders. (Hrsg.): Zwischen den Kulturen? Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des Kulturvergleichs, (Soziale Welt, Sonderband 8), Göttingen: 1992, S. 75–99
  • Meinong, Alexius: Über die Bedeutung des Webersches Gesetzes, in: Haller, Rudolf/Kindinger, Rudolf/Chisholm, Roderick M.: Alexius Meinong Gesamtausgabe, Bd. II Abhandlungen zur Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie, bearbeitet von Rudolf Haller, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1971, S. 215–376
  • Schenk, Günter/Krause, Andrej: Vergleich, in: Ritter, Joachim/Gründer, Karlfried (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 11, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2001, Sp. 676–680
  • Zelditch, Morris Jr.: "Intelligible comparisons," in Ivan Vallier (Hsrg.): Comparative Methods in Sociology. Essays on Trends and Applications, Berkeley: University of California Press, 1971, S. 267–308


Einzelnachweise

  1. Brunswig, Alfred: Das Vergleichen und die Relationserkenntnis, Leipzig/Berlin: B. G. Teubner, 1910, S. 62.
  2. Vgl. Schenk, G./Krause, A., 2001, Spalte 677
  3. Husserl, Edmund: Philosophie der Arithmetik. Mit ergänzenden Texten (1890–1901), herausgegeben. von Lothar Eley, Den Haag: Martinius Nijhoff, 1970, S. 55
  4. Brunswig, 1911, S. 62
  5. Zelditch, Morris Jr.: "Intelligible comparisons," in Ivan Vallier (Hsrg.): Comparative Methods in Sociology. Essays on Trends and Applications, Berkeley: University of California Press, 1971, S. 267
  6. Comte, Auguste: Die Soziologie, 1974, S. 109
  7. Durkheim,Emile: Die Regeln der soziologischen Methode, 1991, S. 205
  8. *Matthes, Joachim: The Operation Called „Vergleichen“, in: ders. (Hrsg.): Zwischen den Kulturen? Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des Kulturvergleichs, (Soziale Welt, Sonderband 8), Göttingen: 1992, S. 75
Wiktionary: Vergleich – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen