Türkiyemspor Berlin ist ein 1978 als BFC İzmirspor gegründeter Berliner Fußballverein.
Türkiyemspor Berlin
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Basisdaten | |||
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Name | Türkiyemspor Berlin e.V. | ||
Gründung | April 1978 | ||
Farben | Blau-Weiß | ||
Präsident | Celal Bingöl | ||
Erste Fußballmannschaft | |||
Cheftrainer | Taşkın Aksoy | ||
Spielstätte | Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark | ||
Plätze | 20.000 Sitzplätze | ||
Liga | Regionalliga Nord | ||
2008/09 | 15. Platz (Regionalliga Nord) | ||
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Geschichte
1978–1986: Gründung, Aufstieg und Namenswechsel
Der Vorläufer des heutigen Vereins entstand 1978 im damaligen West-Berliner Bezirk Kreuzberg und ging aus der losen Spielervereinigung „Kreuzberg Gençler Birliği“ (türk.: „Kreuzberger Junge Union“) hervor, die sich bis dahin dem Hobbyfußball verschrieben hatte. Hier spielten hauptsächlich Migranten türkischer Herkunft miteinander Fußball. Da keinerlei Erfahrungen mit der Führung eines solchen Vereins vorhanden waren, wurde zunächst in der bürokratisch weniger aufwendigen Freizeitliga mit dem Spielbetrieb begonnen. In der Saison 1983/1984 änderte sich dies und man trat als BFC İzmirspor in der C-Klasse der Berliner Amateurliga an. İzmirspor wurde als Anlehnung an die türkische Ägäis-Stadt İzmir gewählt, aus der viele Spieler stammten.
Am Ende der Saison wurde İzmirspor auf Anhieb Meister. Dies wiederholte man auch in den folgenden beiden Jahren in der B- und der A-Klasse, sodass man 1986 in der Berliner Landesliga startete. Im Laufe des sportlichen Aufstiegs erspielte sich der Verein eine große Anhängerschaft. Schon in den unteren Ligen fanden sich oft über 1000 Zuschauer bei Spielen des Migrantenvereins ein. Im Januar 1987 wurde der Verein in „Türkiyemspor Berlin e. V.“ umbenannt, der Verein wollte mit der Umbenennung dem Umstand Rechnung tragen, dass schon längst nicht mehr nur Migranten aus İzmir und Umgebung dem Verein angehörten, sondern er sich längst zu einem Verein aller türkischen Migranten entwickelt hatte. Somit war auch für die Fans ein neuer Name geboren, von nun an wurde der Verein kurz „Türkiyem“ (türk.: „meine Türkei“) genannt.
1986–1991: Erfolgreich im Pokal
Türkiyem schaffte am Ende der Saison 1986/1987 schließlich den vierten Aufstieg hintereinander und qualifizierte sich so für die Oberliga Berlin. Hier spielte Türkiyem zumeist vor mehreren tausend Zuschauern gegen Gegner wie Hertha BSC oder Tennis Borussia Berlin. Das Spitzenspiel gegen Hertha in der Saison 1987/1988 lockte über 12.000 Zuschauer in das Stadion. In den folgenden Jahren konnte der Verein sich regelmäßig in der oberen Tabellenhälfte der Oberliga platzieren. Außerdem feierte man im Paul-Rusch-Pokal (dem Berliner Landespokal) große Erfolge, stand zwischen 1988 bis 1991 vier Mal hintereinander im Finale und gewann dort drei Mal den Titel. Damit qualifizierte sich Türkiyemspor für den DFB-Pokal, wo man zwei Mal in der ersten und ein Mal in der zweiten Runde unterlag.
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden zur Saison 1991/1992 auch der ost- und westdeutsche Fußball wieder vereint. Türkiyem gelang mit einem zweiten Platz in der Oberliga hinter Tennis Borussia die Qualifikation für die neu geschaffene Oberliga Nordost. Außerdem nahm man an der deutschen Amateurmeisterschaft teil, wo man in hinter den Amateuren von Werder Bremen und vor dem ASC Schöppingen und Alemannia Aachen Gruppenzweiter wurde und sich somit erneut für die erste Hauptrunde des DFB-Pokals qualifizierte.
1991 bis heute: Zwischen Verbands- und Regionalliga
In der Oberliga Nordost belegte die Mannschaft drei Jahre lang jeweils einen Tabellenplatz im oberen Tabellendrittel und qualifizierte sich 1994 so auch für die neu eingeführte Regionalliga Nordost. Das Team schaffte es aber nicht, die Klasse zu halten und stieg 1995 wieder in die Oberliga ab. Drei Jahre später ging es sogar in die Berliner Verbandsliga runter. Erst in der Saison 1999/2000 wurde Türkiyemspor souverän Berliner Meister (144:31 Tore, 97 Punkte) und kehrte in die Oberliga Nordost zurück.
In der Saison 2007/2008 schaffte der Club als Tabellen-Dritter den Einzug in die neu gegliederte Regionalliga Nord. Dort kämpfte man bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg. Obwohl Türkiyem die Saison trotz 42 Punkten aus 34 Spielen auf einem Abstiegsplatz beendete, konnte die Klasse dank des Rückzugs von Kickers Emden aus der 3. Liga auf Grundlage einer Entscheidung des Deutschen Fußball-Bundes gehalten werden[1]. Der Verein wird somit auch in der Saison 2009/2010 in der Regionalliga Nord spielen.
Frauenfußball
Ab dem Jahr 2004 betreut Türkiyemspor Berlin seine ersten vier Nachwuchsfrauenteams mit insgesamt ca. 60 Mädchen. Im Rahmen des Projekts „Soziale Integration von Mädchen durch Fußball“ führte Türkiyemspor Berlin überdies Ausbildungskurse zu Fußballübungsleiterinnen durch.
Mit Hülya Kaya wurde 2008 eines der innerhalb des Projekts „Installation einer Mädchen- und Frauenabteilung bei Türkiyemspor“ betreuten Mädchen in die U17-Fußballnationalelf der Türkei berufen.[2] 2009 folgte die Berufung in die U19-Auswahl.
Ab dem Sommer 2009 besitzt der Verein seine erste Frauenmannschaft.
Die Förderung des Mädchenfußballs bei Türkiyemspor Berlin brachte dem Verein eine Ehrung mit dem DFB-Integrationspreis ein.
Wahrnehmung des Vereins
Türkiyemspor ist der bekannteste Migrantenverein der Bundesrepublik und wurde aufgrund seines sportlichen Erfolgs Aushängeschild der türkischen Gemeinschaft Berlins und des multikulturellen Bezirks Kreuzberg. FC Bayern München, Trabzonspor und Fenerbahçe Istanbul sind nur einige Vereine, die der Einladung des Vereins nach Berlin folgten, um Freundschaftsspiele auszutragen. Heute gibt es Vereine, die Türkiyemspor im Namen führen, in verschiedenen Städten und Ländern wie Mönchengladbach, Wuppertal, Breuberg, Amsterdam, London, Australien und den USA. Gerade in der Phase des sportlichen Erfolges war Türkiyemspor nicht nur für türkischstämmige Migranten eine positive Identikationsfigur. Denn Türkiyemspor bewies den Arbeitsmigranten, dass sie unter gleichen Bedingungen auch Erfolge feiern können und sich hinter der Mehrheitsgesellschaft nicht zu verstecken brauchen. Der Erfolg fand auch seinen Niederschlag in der Berichterstattung der Medien. Journalisten und Forscher aus der ganzen Welt beschäftigten sich mit dem Phänomen Türkiyemspor. Doch der Erfolg und die öffentliche Wahrnehmung eines Migrantenvereins brachte nicht nur Freunde mit sich. So sahen sich Spieler, Funktionäre und Fans von Türkiyemspor des Öfteren massiven rechtsextremen Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt. Einige dieser Angriffe sind unter anderem in der Ausstellung „Tatort-Stadion“ dokumentiert worden. Die rechtsextreme und verbotene Band „Landser“ verfasste ein Schmählied gegen den Verein.
Personen
Trainer
Die bekanntesten Trainer des Vereins waren:
- Ulrich Borowka (ehemaliger Profi bei Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen)
- Wolfgang Sandhowe (Eintracht Braunschweig, Galatasaray Istanbul als Co-Trainer u.a.)
- Thomas Herbst (ehemaliger Profi beim FC Bayern München und bei Borussia Mönchengladbach)
Zur Saison 2008/09 hat Uwe Erkenbrecher (früher u.a. Spieler für Werder Bremen und Trainer des VfB Lübeck) das Traineramt bei Türkiyemspor übernommen. Im Sommer 2009 wechselte Erkenbrecher zu Rot-Weiss Essen (Regionalliga West); neuer Trainer wurde der Ex-Profi Taşkın Aksoy, der zuvor die A-Jugend des Vereins in der Regionalliga betreute.
Spielerpersönlichkeiten
In der Geschichte des Vereins schafften mehrere Spieler Türkiyemspors den Sprung in eine Profimannschaft. Über vierzig Spieler fanden den Weg zu Vereinen in die 1. und 2. türkische Fußballiga (Süper Lig). Darunter: Bego Catic (z.Z. Trainer bei Anker Wismar), Mehmet Öztürk (z.Z. Hilalspor Berlin, zuvor BFC Preussen), Vedat Beyazıt, Ergün Pinarbası (Oberliga Kader Türkiyemspor 2005/2006) und Hüseyin Gül (wieder Türkiyemspor). Der wohl bekannteste Ex-Spieler des Vereins ist Ümit Karan, der den Weg über Türkiyemspor bis hin zu Galatasaray Istanbul schaffte und auch für die türkische Fußballnationalmannschaft nominiert wurde. Mit dem Goalgetter Michael Fuß, der türkischsprechend den türkischen Namen Mert annahm, stellte Türkiyemspor den Torschützenkönig der Verbandsliga-Saison 1999/2000 - mit 66 Toren in 34 Spielen brach Fuß den Verbandsligarekord.
Fatih Aslan, der erst im SJugendbereich zu Türkiyemspor wechselte (Saison 2001/02), erhielt nach etwa zwei Saisons mit 21 Jahren die Kapitänsbinde. Weitere zwei Jahre später drückte er seine starke Identifikation mit dem Verein aus, als er sich zur Wahl in den Aufsichtsrat stellte. Seitdem bekleidet er die Doppelrolle eines aktiven Spielers und Vereinsfunktionärs.
Fans
Die Fans des Vereins setzten sich aus türkischstämmigen Fußballanhängern und Bewohnern der multikulturellen Bezirke Kreuzberg und Neukölln zusammen. Während Türkiyemspor in den achtziger Jahren und den frühen neunziger Jahren regelmäßig von mehreren tausend Zuschauern begleitet wurde, finden sich seit dem verpassten Aufstieg von 1991 jedoch nur noch selten mehr als tausend Zuschauer im Heimstadion des Vereins ein. Die Fans des Vereins brachten sich regelmäßig aktiv im Verein ein, so wurde jahrelang die Fanzeitung „Victory“ herausgegeben, teilweise zeigten sich Fans auch für die Herausgabe der Stadionzeitung verantwortlich. Die Organisation von Festivals, Bällen und Feiern ist ein weiteres Aktionsfeld von Türkiyemfans.
Jugend und soziales Engagement
Türkiyemspor bietet heute von der A- bis zur F-Jugend viele Möglichkeiten zur fußballerischen Betätigung von Kindern und Jugendlichen an und unterhält seit 2004 auch eine Mädchenabteilung. Für die gute Jugendarbeit wird Türkiyemspor regelmäßig von verschiedenen Stellen ausgezeichnet, allein 2007 wurde von der Stiftung für Demokratie das Projekt Avitall-Cup prämiert, vom Bezirksamt Kreuzberg das Mädchenteam mit dem 2. Preis des Innovationspreises geehrt und Türkiyemspor vom DFB als Sieger des ersten Integrationswettbewerbes mit dem Integrationspreis 2007 ausgezeichnet. Diese Auszeichnung ist Anerkennung für die Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen und die Förderung des Mädchenfußballs. Neben den Jugendteams und der Oberligamannschaft unterhält der Verein eine zweite Herren- und zwei Senioren-Teams. Der Verein beteiligt sich regelmäßig an sozialen Projekten über den Sport hinaus, wie z.B.: den friedlichen Feiern zum 1. Mai in Kreuzberg in Zusammenarbeit mit verschiedenen freien Trägern oder dem Projekt „SOJA“, in dem Jugendliche zu sportlicher Betätigung animiert werden sollen, ohne sich Vereinen anschließen zu müssen. Türkiyemspor unterhält Kooperationen zu Kindertagesstätten und Schulen in Kreuzberg. Türkiyemspor unterstützt die Kampagne „Nein zu Gewalt an Frauen“ anlässlich des gleichnamigen internationalen Aktionstages am 25. November jeden Jahres. Türkiyemspor ist Kooperationspartner der Repect Gaymes, einem vom LSVD ausgetragenem Sportfestival für Toleranz. Der Vorsitzende des Fördervereins von Türkiyemspor, Cetin Özaydin äußerte gegenüber der Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel, dass der Kampf gegen Ausgrenzung ein gemeinsames Ziel sei: Die Mechanismen sind doch die gleichen, ob es jetzt um Türken, Schwule, Juden oder politisch Andersdenkende geht.[3]. Türkiyemspor ist Co-Organisator des interreligiösen Turniers Avitall-Cup.
Erfolge
- Teilnahme an der (West-) Berliner Oberliga (3. Liga): 1987–1991
- Teilnahme an der Oberliga Nordost (3./4./5. Liga): 1991–1994, 1995–1998, 2000–2008, 2009/2010
- Teilnahme an der Regionalliga (3./4. Liga): 1994/1995, 2008/2009
- Teilnahme am DFB-Pokal: 1988/1989 (1. Runde, 0:2 gg. FC Emmendingen), 1990/1991 (1. Runde, 2:6 gg. 1. FC Saarbrücken), 1991/1992 (2. Runde, 0:4 gg. Stuttgarter Kickers)
- Berliner Meister: 2000
- Berliner Pokalsieger: 1988, 1990, 1991
- Berliner A-Jugend-Pokalsieger: 2008
Regionalligakader der Saison 2008/09
Tor | Abwehr | Mittelfeld | Angriff | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Weblinks
- Offizielle Homepage auf Deutsch, Türkisch und Englisch
- Fanseite
- Weblog des Fördervereins Türkiyemspors
Berichterstattung in den Medien
- 30. Dezember 2003: „Die Multikulti Spitzenkicker“ - Ein Bericht der taz zum 25-jährigen Bestehen des Vereins
- Mai 2005: Dokumentationsfilm der Uni Salzburg
- 10. November 2005: Artikel aus der NZZ: Berliner Fussballklub Türkiyemspor als Studienfall für Integrationsprozesse
- 29. Oktober 2005: Artikel aus der taz: Und keiner hat gelacht
- 17. November 2006: Ein Bericht der Wochenzeitung Freitag über die Geschichte Türkiyemspors
- 30. November 2006: Interview in der Berliner Zeitung mit Türkiyemspor Spieler Fatih Aslan und TuS Makkabi Präsident über Rassismus im Fußball
- 8. Oktober 2007: SPIEGEL ONLINE: Es ist ein Wunder, dass wir überhaupt existieren
Quellen
- ↑ News-Meldung auf der Homepage von Türkiyemspor vom 12. Juni 2009; http://www.turkiyemspor.net/0202a.asp?haberid=283
- ↑ http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/spezial/dossiers/menschenbilder/115678/index.php?pos=0
- ↑ Wochenzeitschrift Die Zeit, Nr. 26, 21. Juni 2007, S. 18
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