Evolution
Biologische Evolution ist die Entwicklungsgeschichte der Lebewesen. Sie ist ein Ansatz zur naturwissenchaftlichen Erklärung für die Entstehung und Veränderung der Lebewesen im Laufe der Erdgeschichte (Evolution).
Das Ziel der Evolutionsbiologie ist die Rekonstruktion der zeitlichen Abfolge der einzelnen Entwicklungsstufen der Organismen. Dies führt zu einem hypothetischen Stammbaum der Organismen. Dabei ergeben sich Erkenntnisse über Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen der Biologischen Evolution. Grundlage des Erklärungsansatzes ist die Evolutionstheorie.
Der Begriff der biologischen Evolution ist streng vom Begriff der Phylogenese zu trennen. Während sich die Evolution immer auf die Gene bezieht, niemals auf die Körper und Phänotypen, bezeichnet die Phylogenese die Veränderungen der Körper über die Zeit. So kann beispielsweise die Phylogenese in manchen Entwicklungslinien zum Stillstand kommen (siehe: Krokodile, Quastenflosser), die biologische Evolution hingegen läuft zwangsläufig immer weiter.
Die Evolutionsbiologie beschäftigt sich insbesondere mit den Änderungen und Wandlungen, die bei der Entstehung neuer Arten eine Rolle spielen, und setzt diese Änderungen in einen Bezug zu den Umweltbedingungen, an die die neu entstehenden Arten meist besser angepasst sind.
Diese Anpassungsprozesse verlaufen nicht zielgerichtet. Es gibt keinen Mechanismus, der es einer Art ermöglicht, apriori die Erfolgschancen der neuen Eigenschaften dieser Art in einem gegebenen Lebensraum sicher zu bestimmen (was das Vorauswissen der Zukunft bedeutete). Vielmehr sind die Wege, die die Evolution durch Ausbildung neuer Rassen und Arten einschlägt, vom Zufall bestimmte Experimente der Natur, die sich unter den jeweils gegebenen Umweltbedingungen als erfolgreich erweisen oder nicht. Organismen, deren Eigenschaften dabei eine erfolgreiche Reproduktion wahrscheinlicher machen und die daher als besser angepasst betrachtet werden, setzen sich gegenüber anderen Organismen (intra- oder interspezifisch) durch. Dabei ist zu beachten, dass dies nur selten durch direkte Konkurrenz, wie z.B. Kampf, geschieht.
Beobachtungen, die für die Evolutionstheorie Bedeutung haben
Beobachtungen aus Tier- und Pflanzenzucht
Züchtungen von Pflanzen und Tieren decken einige der Möglichkeiten der Formen- und Leistungsvielfalt, die in einer Stammform liegen, auf. Sie lassen erkennen, wie manche Merkmalskomplexe zusammenhängen und nach bestimmten Regeln verändert werden. Sie zeigen aber auch Grenzen der Veränderung auf, wenn die entsprechenden Züchtungen ohne Hilfe des Menschen in der Natur nicht überleben oder sich fortpflanzen könnten. Auf Grund der bekannten Verwandtschaft der Organismen einer Züchtungslinie (Zuchtbuch, Zuchtbeschreibungen) lassen sich erbliche Variationen identifizieren und ihre Zusammenhänge zu Veränderungen im Erbgut untersuchen.
Die folgenden Beispiele illustrieren die Vielfältigkeit von Züchtungen.
Taubenzucht
Die etwa 200 gezüchteten Taubenrassen stammen alle von der Felsentaube ab. Viele herausgezüchtete Bau-, Leistungs- und Verhaltens-Merkmale würden in einer natürlichen Umgebung die Fitness der Tauben deutlich herabsetzen:
- Prachtgefieder (Pfauentaube, Perückentaube)
- stark vergrößerter, aufblasbarer Kropf (Kropftaube)
aber auch
- verbesserte Flugleistung und Orientierung (Brieftaube)
Haushund
Die Domestikation des Haushundes begann vor mehr als 10'000 Jahren und führte zur Herausbildung von etwa 300 Rassen. Als Stammform aller Haushundrassen wird der Wolf angesehen.
Pflanzenzüchtung
Aus dem Wildkohl (Brassica oleracea) gingen zahlreiche Nutzpflanzen hervor, die sich durch die besondere Ausbildung einzelner Pflanzenorgane auszeichnen:
- Blattkohl Brassica oleracea variatio viridis mit vergrößerten und verdickten Blättern
- Kohlrabi B. oleracea var. gongylods mit verdicktem Wurzel-Stiel-Übergang
- Rosenkohl B. oleracea var. gemmifera mit vergrößerten Dauerknospen
- Weiß- oder Rotkohl: B. oleracea var. capitata mit vergrößerten Blättern
- Wirsing B. oleracea var. sabauda mit vergrößerten, krausen Blättern
- Blumenkohl B. oleracea var. botrytis mit vergößertem und verdicktem Blütenstand
Bei Pflanzen lassen sich auch weitere Eigenschaften beeinflussen:
- Entwicklungszyklus: Zweijährigkeit statt Einjährigkeit
- Keimverzug bzw. der Samenruhe: Verringerung bei Hafer (Avena sativa) und Gerste (Hordeum distichum),
- Inhaltsstoffe: Verlust von Gift- und Bitterstoffen; Beispiele: Verringerung des Senföl-Gehaltes bei den Kohlsorten, der Saponine bei Rote Beete, der Gerbsäuren bei Zwetschgen
- Fortpflanzung: Kernlose Früchte, die ohne Befruchtung entstehen (Apokarpie bei Kulturbananen, einige Orangen- und Traubensorten)
- Ausbreitung: Bei Wildgetreide und Gräsern ist die Spindel, an der die Körner sitzen, brüchig und zerfällt leicht, wodurch die Samen leicht ausgebreitet werden können. Bei Kulturgetreide bleibt die Ähre auch nach Reifung der Körner erhalten. Diese Synaptospermie (wörtlich: Zusammenhaften der Samenkörner) findet man auch bei Populationen von Wildgräsern auf extrem trockenen Standorten.
Die Züchtung zeigt auch, dass bei sehr entfernt verwandten Pflanzenarten ähnliche Varianten herausgebildet werden können, womit ein Modell zur Konvergenz besteht:
- Kräuselung der Blätter bei Kohl (Wirsing), Petersilie und Sellerie
- Farbstoffbildung (Anthocyane) bei Kohl (Rotkohl) und Rote Beete
- Blütenfüllung durch Umwandlung von Staubblätter in Blütenblätter bei Rose und Päonie. Hier treten auch Atavismen auf: Einige der Blütenblätter bestehen zu einer Hälfte aus einer Blattfläche und zur anderen aus einer Staubblatthälfte.
Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch bei Tieren machen:
- Hängeohren bei einigen Rassen von Hunden, Kaninchen, Schafen, Ziegen und Schweinen
- Farbmuster (Scheckung) bei Rindern, Schweinen und Kaninchen
- Verkürzung der Schnauze („Mopsköpfigkeit“) vor allem bei Zwergrassen von Hund und Schwein durch Veränderung der relativen Wachstumsgeschwindigkeit einzelner Schädelteile (Allometrie). Dadurch kommt es auch zu Gebissfehlstellungen.
- Haarlosigkeit oder übermäßige Faltenbildung bei Hunden, Katzen und Schweinen.
Abgestufte Ähnlichkeiten
Die deskriptive vergleichende Biologie (Morphologie, Anatomie, Biochemie, Ethologie) liefert Beobachtungsaussagen, die es erlauben, die Organismen in ein System abgestufter Ähnlichkeiten einzuordnen lassen. Dabei lassen sich Merkmalsgruppen gegeneinander abgrenzen. Die rezenten Organismen lassen sich horizontal gruppieren, paläontologische Befunde, deren Datierung bekannt ist, ergeben die vertikale, zeitliche Anordnung. (siehe dazu Systematik, Taxonomie, Kladistik)
Beispiel:
- Vordergliedmaßen der rezenten Säuger, Vögel und Reptilien lassen sich auf einen Grundbauplan zurückführen
Mutationsgeschwindigkeit
Bestimmte Gene weisen im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte eine konstante Mutationsrate auf. Sie lassen sich damit als „molekulare Uhr“ zur Rekonstruktion von Stammbäumen benutzen.
Diese Konstanz ist dann zu beobachten, wenn die Funktion eines Gens in den verschiedenen Abstammungslinien gleich bleibt. Die Änderungsgeschwindigkeit hängt davon ab, wie groß der Anteil an Basentripletts ist, die konserviert werden müssen, um die Funktionalität des Gens aufrecht zu erhalten. Histone weisen eine langsame Entwicklungsgeschwindigkeit auf, da nur wenige Positionen in der Basensequenz der DNA geändert werden können, ohne ihre Funktion zu beeinträchtigen. Fibrinopeptide der Blutgerinnung weisen eine höhere Veränderungsrate auf, da sie einen höheren Anteil an Basentripletts haben, der unbeschadet mutieren kann. Diese nicht-konservativen Abschnitte liegen vor allem in den nicht-codierenden Abschnitten der Introns eines Gens.
Die in der Paläontologie zu beobachtenden morphologischen Mosaike, das sind Organismen, die Merkmale verschiedener Verwandtschaftsgruppen aufweisen (Beispiele: Archaeopteryx, Australopithecus) sind durch unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten einzelner Organsysteme eines Organismus erklärbar. (siehe dazu aber auch horizontaler Gentransfer)
Labor-Experimente
Genetische Variation und Anpassungsfähigkeit
Das Wachstum von zwei Populationen der Fliegenart Drosophila serrata, die sich in ihrer genetischen Variation unterscheiden, wird unter selektierenden Bedingungen (begrenztes Futter- und Platzangebot) über 25 Generationen (490 Tage) hinweg beobachtet. Die erhöhte genetische Variabilität der einen Population wird durch Kreuzung von zwei verschiedenen Rassen erzeugt. Diese Population zeigt das stärkere Wachstum. Als Ursache hierfür wird die bessere Anpassungsfähigkeit auf Grund der höheren genetischen Variation angesehen.
Evolutionsmechanismen
Mechanismen, die zur genetischen Variation führen
Die Züchtung von Nutz-, Haus- und Zootieren, vor allem aber von Nutz- und Zierpflanzen stellt eine der wenigen Möglichkeiten dar, Evolutionsmechanismen auch experimentell zu untersuchen.
Veraenderungen im genetischen Material koennen auf verschiedene Weisen erfolgen (bei Modifikationen findet keine solche Veraenderung statt).
Punktmutationen
Durch Röntgenbestrahlung konnte aus der zweizeiligen Gerste eine sechszeilige und mehltauresistente Mutante erzeugt werden, wobei nur einzelne Basen in der Basensequenz der DNA verändert sind (Punktmutation).
Segmentmutationen
Beim Wildweizen Triticum aestivum unterscheidet sich die eingrannige variatio baidaricum von der zweigrannigen var. stramineonigrum durch eine Translokation eines Chromsomenabschnittes (Segmentmutation).
Genommutationen
Bei Genommutationen findet eine Vermehrung des genetischen Materials durch Polyploidisierung (Vervielfachung des Chromosomensatzes) oder Polytänisierung (Vervielfachung der Chromatide eines Chromosoms). Dies führt bei den Pflanzen - 47 % aller Bedecktsamer (Magnoliophyta) sind polyploid - oft zu einer Größenzunahme von Organen und Zellen und zu einer Erhöhung des Gehalts an bestimmten Stoffen (Gigaswuchs, Luxurierung). Diese Veränderungen des Genoms treten nicht nur bei der Züchtung von Kulturpflanzen sondern auch bei Wildpflanzen unter natürlichen Bedingungen auf.
Polyploidisierungen führen in der Regel auch zu reproduktiver Isolation.
Beispiele:
- Autopolyploidie bei triploiden (AAA), kernlosen Sorten der Wassermelone und Zitrone, tetraploiden (AAAA) Klee- und Roggensorten und oktoploiden (achtfaches Genom) Dahlien.
- Allopolyploidie bei Weizen (Triticum)
Auf Grund von Genomuntersuchungen lässt sich der Verlauf der Entstehung der mehr als 20 Sorten des Weizens rekonstruieren. Dabei spielt der Mechanismus der Polyploidisierung durch Hybridisierung (Bastardisierung) eine besondere Rolle: Neue Merkmale entstehen durch Vermehrung des Genoms: So gehen die 42 Chromosomen des hexaploiden Genoms (AABBDD) bei Triticum aestivum (Saatweizen, früheste Funde ca. 6000 v. Chr. in Anatolien) auf die jeweils 14 Chromosomen von drei Stammarten zurück:
- Triticum boeticum (Wildeinkorn, früheste Funde in Syrien, ca. 8000 v. Chr.)
- Triticum searsii, aus dem durch Vermischung mit dem Wildeinkorn der Wildemmer Triticum dicoccoides mit 28 Chromsomen (Genom AABB) entstand. (Früheste Funde des Kultur-Emmers Triticum dicoccum ca. 7000 v. Chr. im Iran.)
- Zuletzt steuerte der Ziegenweizen Aegilops squarrosa sein Genom (DD) bei.
Bei Tieren ist eine Bastardisierung zwischen verschiedenen Arten oder gar Gattungen nicht bekannt.
Genamplifikation – repetitive Sequenzen – Tandem-Multiplikation
Ein Vergleich der Genom-Größe mit der Komplexität und des Organisationsgrades des Organismus ergibt einen direkten Zusammenhang: Je größer das Genom, um so komplexer ist der Organismus:
Ausnahmen bilden hierbei weniger komplexe Organismen mit hoher DNA-Menge: einige Samenpflanzen, Salamander und urtümliche Fische wie Stör, Hornhecht und Quastenflosser.
Die höchste DNA-Menge weisen einfache Eukaryoten wie einige Amöben und die Urfarne (Psilopsida) mit rund einer Billion Basenpaare auf. Diese Arten enthalten einzelne Gene als tausendfache Kopien, die nicht durch Polyploidisierung entstanden sein können, und lange, nicht-Protein-codierende Abschnitte. Der Mensch besitzt mit 3,5 Milliarden Basenpaaren weniger als ein Prozent dieser DNA-Menge.
Dennoch kommt auch im menschlichen Genom ein etwa 300 Basenpaare langes DNA-Stück (sog. alu-Sequenz) in ungefähr 300.000 Kopien vor und macht damit 3 % der gesamten DNA aus. (Die Gesamtmenge repetitiver Sequenzen beträgt 10 bis 25 Prozent, die codierende DNA macht nur 2 bis 3 Prozent der Gesamt-DNA aus.)
Die Vervielfältigung (Genamplifikation) solcher Sequenzen kann durch abweichende DNA-Replikation oder Rekombination während der Meiose beim crossing over entstehen. Diese Kopien können durch Mutationen unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen. Ist das betreffende Genprodukt des „Ur-Gens“ überlebensnotwendig und würde hier eine Mutation schädlich sein (siehe Sichelzellenanämie), kann statt dessen die Kopie verschiedene Mutationen durchlaufen, ohne dass der Organismus beeinträchtigt wird, da ja die andere Version des Gens noch immer ihre Funktion erfüllt. So kann sich ein Gen mit neuer, wenn auch verwandter Funktion entwickeln.
Horizontaler Gentransfer
Beim Horizontaler Gentransfer wird DNA zwischen verschiedenen Arten übertragen. Dies ist bei Bakterien ein häufig anzutreffender Vorgang, die aus der Umgebung freie DNA aufnehmen und in ihr Genom integrieren können.
Auch hoehere Lebewesen koennen DNA von anderen Lebewesen integrieren, wie das folgende Beispiel zeigt.
Retroviren-Gene
Im menschlichen Genom befinden sich 5 Amylase-Gene. Zwei davon sind in der Bauchspeicheldrüse aktiv und drei in den Speicheldrüsen, die in die Mundhöhle münden. Viele andere Säugetiere besitzen keine Amylase-Aktivität im Speichel. Sie besitzen zwar auch in den Zellen der Speicheldrüsen die Gene für Amylase wie in der Bauchspeicheldrüse. Diese sind aber gewebespezifisch inaktiviert. Durch Integration einer LTR-Sequenz eines Retrovirus konnten beim Menschen die Amylsase-Gene auch in den Speicheldrüsen des Mundes aktiviert werden, wodurch Stärke-haltige Nahrung besser verdaut werden konnte.
HERVs im menschlichen Genom
Im Genom der Primaten befinden sich die Genome von zwei Retro-Viren (HERV-H und HERV-K), die zu unterschiedlichen Zeiten integriert und vermehrt wurden. Ihre Evolution lässt sich auf Grund der Unterschiede in der Basensequenz rekonstruieren. |
Sexualität
Bei der sexuellen Fortpflanzung werden zunächst in der Meiose aus diploiden Urkeimzellen haploide Keimzellen erzeugt. Hierbei kommt es zur Neukombination (Rekombination) des mütterlichen und väterlichen Erbgutes:
- Durch crossing over entstehen Mosaikchromatide, die sowohl mütterliches als auch väterliches Erbgut enthalten. Die Frequenz des crossing overs und somit die Rekombinationsrate variiert jedoch stark zwischen verschiedenen Organismen.
- Die Aufteilung der Chromosomen während der Reduktionsteilung auf die beiden Tochterzellen führt zu einer zufälligen Kombination von mütterlichen und väterlichen Chromosomen in einer Keimzelle. Bei n Chromosomenpaaren ergeben sich 2n Kombinationsmöglichkeiten. Durch die Befruchtung ergeben sich dann bei den Zygoten 2n verschiedene Möglichkeiten. (Beispiel Mensch mit 23 Chromosomenpaaren: 223 = 8388608 verschieden Zygoten.)
Heterozygotie und Genkopplung
Der Anteil heterozygoter Genorte, indirekt ermittelt durch Gelelektrophorese der Proteine, beträgt bei den Organismen 5 bis 20 Prozent. Die höchsten Anteile haben dabei im Durchschnitt wirbellose Tiere (13 %) und Pflanzen mit Fremdbestäubung (18 %). Wirbeltiere und Pflanzen mit Selbstbestäubung weisen einen Heterozygotie-Grad von 6 % auf.
Würden die heterozygoten Genorte alle auf n verschiedenen Chromosomen liegen, könnten sich durch die Meiose 2n verschiedene Keimzellen bilden. Bei einem Organismus mit 10000 Genorten, von welchen 10 % heterozygot sind, ergäben sich damit 21000 verschiedene Keimzellen.
Diese Zahl verringert sich aber deutlich, da diese Gene auf wenige Chromosomen verteilt sind und somit gekoppelt weiter gegeben werden. Durch Kopplungsbrüche während der Meiose (crossing over), können sie zwar wieder voneinander getrennt werden, diese Brüche sind aber relativ selten. Eine Erhöhung der Chromosomenzahl würde damit eine Erhöhung der Variabilität bedeuten. Andererseits bedeutet die Kopplung von Genen auch einen Vorteil, wenn ein Ensemble von Genen schon eine hohe Optimierungsstufe einnimmt und ein Kopplungsbruch zur Verminderung des Anpassungswertes führen würde.
Eine Feinabstimmung in der Variabilität liegt darin, dass die Austausch-Häufigkeit von väterlichen und mütterlichen Allelen beim crossing over vom Abstand der Genorte voneinander und vom Zentromer abhängt: Je weiter entfernt sie voneinander und vom Zentromer liegen, um so häufiger findet ein Austausch statt. Genensembles, die als funktionelle Einheit erhalten bleiben sollen, sind deshalb häufig nahe beieinander auf dem selben Chromosom in der Nähe des Zentromers zu finden.
Wird der Grad der Heterozygotie durch Vergleich der Basensequenzen der DNA ermittelt, ergibt sich, dass praktisch jeder Genort in einem Organismus heterozygot ist. Dass die Variabilität im Phänotyp dann nicht ebenfalls so hoch ist, liegt daran, dass nicht jeder Unterschied in der Basensequenz einen Unterschied im Phänotyp bewirkt:
- Veränderungen in der 3. Base eines Basentripletts führen nicht immer zu einer anderen Aminosäuresequenz (siehe Genetischer Code),
- Änderungen der Aminosäuresequenz eines Enzyms, die nicht die Substrat- oder Hemmstoff-Bindungsstellen und das katalytische Zentrum betreffen, verändern die Eigenschaften des Enzyms meist nicht wesentlich,
- Änderungen in den nicht-codierenden Abschnitten der Introns wirken sich in der Regel nicht auf den Phänotyp aus.
- Bei einem dominant-rezessiven Erbgang ergeben die Genotypen, die wenigstens ein dominantes Allel enthalten (AA und Aa) den selben Phänotyp. Erst bei dem homozygot-rezessiven Genotyp (aa) erscheint auch der andere Phänotyp. (Bei einem intermediären Erbgang ergibt jede Allelkombination AA, AB, BB einen anderen Phänotyp.)
Mechanismen der Selektion
Selektionszüchtung
Die Evolution der Nutzpflanzen wird durch den Menschen dadurch gesteuert, dass er nur Organismen mit bestimmten Eigenschaften zur Fortpflanzung zulässt und die übrigen eliminiert.
Verlauf der Evolution
Evolution des genetischen Codes, des Genoms, von Stoffwechselwegen, der Zelle
Multigen-Familie
Eine Multigen-Familie besteht aus mehrfachen identischen oder sehr ähnlichen Genen.
Beispiele:
- rRNA: im Genom des Salamanders befinden sich Hunderte identischer Gene, die die Sequenz der ribosomalen RNA (rRNA) codieren. Jedes dieser Gene liefert eine RNA-Abschrift, die in die drei Typen der rRNA (18 S, 5,8 S und 28 S) zerschnitten wird. Auf diese Weise können in kurzer Zeit die für die Proteinbiosynthese notwendigen Millionen von Ribosomen einer Zelle hergestellt werden.
- Hämoglobin: Die Multigen-Familie des Globins, der Eiweißkette des Hämoglobins, besteht aus nicht identischen, aber sehr ähnlichen Genen, deren wahrscheinliche Entstehung im Laufe der Evolution rekonstruierbar ist: Aus einem „Ur-Globin-Gen“ entstanden durch Duplikation zwei identische Kopien. Diese wurden durch unterschiedliche Mutationen verändert und bildeten die Vorläufer der alpha- und beta-Globin-Familien. Durch Transposition gelangten diese auf verschiedene Chromosomen. (Die alpha-Globinfamilie ist heute auf Chromosom 16, die beta-Globin-Familie auf Chromosom 11 zu finden.) Dort unterlagen diese beiden Vorläufergene weiteren Duplikationen und Mutationen. Heute bestehen die beiden Familien aus 7 codierenden Genen, die zu unterschiedlichen Zeiten der Entwicklung des Menschen aktiviert werden und jeweils paarweise die 4 Untereinheiten des Hämoglobins bilden. Dadurch hat sich im Laufe der Evolution eine Optimierung in der Anpassung an das physiologische Milieu des jeweiligen Entwicklungszustandes ergeben. Zu den Gen-Familien gehören auch mehrere Pseudogene mit ähnlicher Struktur, die aber nicht exprimiert werden können, da ihnen zum Beispiel die Promotoren fehlen. Durch Vergleich mit dem Stammbaum der Tiere, die mit diesen Genversionen ausgestattet sind, lässt sich auch der Zeitpunkt der ersten Verdopplung rekonstruieren: er fand vor ca. 500 Millionen Jahren statt.
- Alpha2(I)-Gen des Kollagens: Die Ur-Sequenz bestand wahrscheinlich aus 9 Basenpaaren. Durch sechsmalige Duplikation entstand eine Einheit von 54 Basenpaaren. Dieses „Ur-Exon“ wurde etwa 50 Mal vervielfältigt. Dabei entstanden auch längere Exons, deren Basenzahl aber immer durch 9 teilbar ist.
Weitere Beispiele, die sich auf kurze „Ur-Sequenzen“ zurückführen lassen:
Geschlechtschromosomen (Gonosom)
Ein Beispiel für die Komplexität der Evolution auf der Ebene der Chromosomen zeigt die unabhänge Entwicklung von Geschlechtschromsomen aus ursprünglich homologen Chromsomenpaaren bei Säugern (Siehe Gonosom#Evolution des Y-Chromosoms), Insekten und Vögeln. Diese Entwicklung scheint aber immer nach einem bestimmten Schema abzulaufen:
- Durch Mutationen wird die Austauschhäufigkeit zwischen zwei homologen Chromosomen stark unterdrückt.
- Bei dem geschlechtsbestimmenden Chromosom degenerieren die nicht-rekombinierenden Abschnitte. (Bei Säugern das männlichkeits-bestimmende Y-Chromosom, bei Vögeln und Schmetterlingen das weiblichkeits-bestimmende W-Chromosom.)
- Ansammlung von Fertilitätsgenen auf dem Geschlechtschromosom.
- Kompensation der Genverluste auf dem anderen Chromosom (X bei Säugern, Z bei Schmetterlingen und Vögeln).
Stammesgeschichte der Lebewesen
Methoden der Evolutionsbiologie
Systematik
Eine wichtige Technik, um sich einen Überblick der stammensgeschichtlichen Entwicklung zu verschaffen, bieten phylogenetische Stammbäume als eine Systematik der Biologie für die Kladistik.
Teilbereiche der Evolutionsbiologie
Einerseits liefern genannte Bereiche experimentelle Hinweise zur Evolution, andererseits liefert die Evolutionstheorie ein vereinheitlichendes Bild innerhalb und zwischen den Bereichen.
Zitate
- Im ersten Schritt entsteht Variation durch Mutation und Rekombination, und im zweiten Schritt werden die Varianten durch Elimination ausgelesen.
Weiterführende Informationen
Siehe auch
- Mechanismen:
- Definitionen:
- Population
- Phylogenese (Stammeentwicklung)
- Hominisation
- Theorien, Hypothesen und Konzepte:
- Projekte:
Die Evolution einzelner Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen etc. ist unter dem Namen der betreffenden Art, Gattung, Familie oder Ordnung abgehandelt, so beispielsweise die Pferdeevolution unter dem Stichwort Pferde.
Siehe auch: Zeittafel der Evolutionsforschung
Literatur
- Ernst Mayr, Artbegriff und Evolution. Parey-Verlag, Hamburg 1967.
- Bis heute der Klassiker der modernen Evolutionsbiologie, verfasst vom berühmtesten Evolutionsbiologen des 20. Jahrhunderts. Mit einer Fülle von ausgewerteten Dokumentationsmaterialien zur Evolution auf über 600 Seiten.
- Douglas J. Futuyma, Evolutionsbiologie. Aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet von Barbara König. Birkhäuser Verlag, Basel 1990.
- Modernes, ebenfalls über 600 Seiten starkes Lehrbuch.
- Günther Osche, Evolution. Grundlagen, Erkenntnisse, Entwicklungen der Abstammungslehre. Herder-Verlag, Freiburg 1972.
- Leicht verständliche, kurze Einführung in die Evolutionsbiologie.
- Richard Dawkins, Der Blinde Uhrmacher, dtv TB 11261
- Der Sinn dieses Buches ist es, eine nichtübernatürliche Erklärung für die Existenz komplexer Lebewesen zu liefern. Ein informatives Buch über die Evolutionsbiologie; Kritik am Kreationismus.
- Charles Darwin, Die Entstehung der Arten, Reclams Universal Bibliothek 3071
- Charles Darwin, "Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl", GLB PARKLAND Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, (2000) ISBN 388059984X
- Grundlegendes, bereits im 19. Jahrhundert verfasstes Buch über die Evolutionstheorie. Sehr umfangreich, dennoch lesenswert. Ein Klassiker.
- Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen, Kröner, 2002
- Erst 1871 - zwölf Jahre nach Erscheinen seines das Denken revolutionierenden Werkes "Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" - wagte es der britische Naturforscher Charles Darwin (1809-1882), die Zeitgenossen mit seinem Buch "Die Abstammung des Menschen" zu konfrontieren, in dem er seine Evolutions- und Selektionslehre auf Entwicklung und Herkunft des Homo sapiens anwendet.
- Ulrich Kull, "Die Evolution des Menschen" J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart (1979),ISBN 3476201147
- Pierre Teilhard de Chardin, "Die Entstehung des Menschen" dtv, ISBN 340602534X
- Werner Ebeling, "Physik der Evolutionsprozesse", Akademie-Verlag, Berlin, ISBN 3055006224
- Hoimar von Ditfurth, "Am Anfang war der Wasserstoff" Knaur, ISBN 342603395X
- Hoimar v. Ditfurth, "Der Geist fiel nicht vom Himmel" Hoffmann und Campe, ISBN 3455089674
Evolutionskritische Literatur
Siehe Kreationismus
Weblinks
- Institut für Evolutionswissenschaften, interdisziplinäre Forschung zur Evolution
- zur Theorie der Evolution - umfassender Ansatz, der auch für Oberstufenschüler verständlich ist
- Evolution: Überblick und offene Probleme. C. DARWIN und seine Selektionstheorie - Von der Universität Hamburg zusammengestelltes Material
- Teaching about Evolution and the Nature of Science - auf Englisch
- Evolutionsfaktoren und Indizien - Linkliste zu speziellen Themen zum Anklicken
- Zeugen der Evolution - Fossilien als Zeugen der Evolution
- Die Evolution des Menschen von Hans-Peter Willig, München
- http://www.vobs.at/bio/vobs-e.htm