Die 9. Symphonie e-moll op. 95 Antonín Dvořáks trägt den Namen Aus der Neuen Welt, da sie von Dvoráks dreijährigem Amerikaaufenthalt inspiriert wurde. Neben einer Melodie aus der Oper Hans Heiling von Heinrich Marschner sind die Themen jedoch nicht echt indianisch, sondern inspiriert durch Dvořáks Besuch der "Buffalo Bill Cody's Wild West Show", in der der Kampf gegen die Indianer mit viel Tamtam nachgestellt wurde.
Als Antonín Dvořák (1841 - 1904) 1892 amerikanischen Boden betrat, um der Berufung zum Direktor des National Conservatory of Music Folge zu leisten, war er bereits ein weltbekannter Komponist. Seinen Ruhm begründete er mit der Komposition „Die Erben des Weißen Berges“ (1872), der Dank seiner „Mährischen Duette“ sowie der „Slawischen Tänze“ sogar über den eines Bedřich Smetana hinauswuchs. Es war daher nicht verwunderlich, dass Jeanette Thurber, die Witwe eines wohlhabenden Kaufmanns und Mitbegründerin des New Yorker Instituts, ihm diesen lukrativen und prestigeträchtigen Posten anbot.
Mit der 9. Sinfonie, die während seines dreijährigen Amerika-Aufenthaltes entstand, schuf Dvořák sein wohl populärstes sinfonisches Werk. Obwohl Dvořák als Dirigent und Lehrer die Aufgabe übernommen hatte, eine junge Musikergeneration heranzubilden, die einen national-amerikanischen Musikstil entwickeln sollte, ist seine 9. Sinfonie keinesfalls amerikanische Musik. Er selbst äußerte sich dazu folgendermaßen: „Aber den Unsinn, dass ich indianische oder amerikanische Motive verwendet hätte, lassen Sie aus, weil das eine Lüge ist. Ich habe nur im Geiste dieser amerikanischen Volkslieder geschrieben.“
Dieser „Geist“ lässt sich in verschiedenen harmonischen und rhythmischen Eigenheiten nachweisen. So basiert die Englischhorn-Melodie des 2. Satzes auf der in der Indianermusik gebräuchlichen halbtonlosen fünftönigen Skala. In rhythmischer Hinsicht tritt die für Negro-Spirituals typische Synkope in Erscheinung (1. und 3. Hauptthema des 1. Satzes). Daneben zeigt sich unverkennbar der böhmische Musiker mit seiner in der heimatlichen Volksmusik verwurzelten Tonsprache, wie z. B. beim gemütvollen Ländler des Scherzo-Trios.
Die Themen seiner Ecksätze sind kurz und prägnant und einer zyklischen Grund-konzeption untergeordnet: das 1. Hauptthema des 1. Satzes, man könnte es als das „Motto“ der Sinfonie bezeichnen, erscheint in allen folgenden Sätzen und im Finale sind außerdem die Hauptthemen des 2. und 3. Satzes andeutungsweise verarbeitet.
Inspiration holte sich der Meister nicht zuletzt bei Longfellows Indianer-Epos „Song of Hiawatha“. Das Scherzo geht wahrscheinlich auf den Tanz Pau-Puk-Keewis auf dem Hochzeitsfest zurück, während das Largo an das Begräbnislied auf Minnehaha denken lässt.
Am 16. Dezember 1893 erlebte die Sinfonie „Aus der neuen Welt“ durch das Or-chester der Philharmonischen Gesellschaft unter der Leitung des deutschen Dirigenten Anton Seidl in der Carnegie Hall ihre Uraufführung. Nach stürmischen Ovationen des Publikums wurde das Largo noch einmal dargeboten.