Dvergatal

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Dvergatal, altnordisch für ‚Zwergenzählung‘, nennt man die sieben Strophen im Schöpfungsmythos der nordischen Mythologie, der Völuspá[1], die von der Ordnung der Zwerge handeln. Darin sind über siebzig Zwergnamen wie Perlen auf der Schnur aneinandergereiht, die nur manchmal von ergänzenden Bemerkungen unterbrochen werden.

Zwergenordnung

Das Dvergatal benennt die Zwerge der ersten Generation. Es stellt keine genealogische Ahnenreihe dar, sondern die Ordnung dieser Zwerge. Sie werden drei Scharen mit je einem Anführer zugeordnet.[2]

  • Modsognir ist der bedeutendste aller Zwerge. Seine Schar lebt in der Erde.
  • Durin ist der zweite aller Zwerge. Seine Schar lebt in den Steinen unter der Erdoberfläche.
  • Dwalin ist der dritte Zwergenführer. Er gehört zur Schar Modsognirs. Ihm wurde aber eine eigene Schar übertragen, mit der er von den Steinen unter der Erdoberfläche bzw. vom Swaringshaug (Swaringshügel) nach Aurwangars Sitz (Schotteraue) in Jöruwellir (Sandebene) wanderte. Er strebte demnach aus der Erdtiefe an die Erdoberfläche.
  • Lofar ist der letztgenannte Zwergenführer. Er gehört zur Schar Dwalins und bildet ebenso wie dieser eine eigene Schar, da er als Urahn und Stammvater aller weiteren Zwerge Jöruwellirs gilt. Die Zwerge seiner Schar werden aber nicht mehr in der Zwergenzählung aufgeführt.

Die Zuordnung der Zwergenscharen zu Modsognir und Durin ergibt sich nur aus einem Rückschluss. Die Prosa-Edda bezeichnet Modsognir als den höchsten und Durin als den zweithöchsten Zwerg. Zudem trifft sie eine Unterscheidung zwischen Zwergen, die in der Erde leben und Zwergen, die in Steinen leben. Die Völuspá in der Lieder-Edda nennt Modsognir den mächtigsten Zwerg und kennt auch Durin, trifft aber keine Unterscheidung zwischen Erd- und Steinzwergen. Jedoch gibt es in dem Vers, in dem der Zwerg Radswid genannt wird, eine sprachliche Zäsur, die man mit der Unterscheidung der Prosa-Edda zwischen Erd- und Steinzwergen gleichsetzen kann. Die Zuordnung der Erdzwerge zu Modsognir erfolgt somit nur unter dem Anhaltspunkt, dass er der erste und erstgenannte Zwerg ist, mit der Folge, dass Anführer der Steinzwerge nur Durin sein kann.[3]

Namenswelt

Von den meisten dieser Zwerge wissen wir nichts als den Namen. Die Namen sind meist sprechend und beschreiben Eigenschaften, die man dem Zwergenvolk nahelegt: Hohes Alter, Kunstfertigkeit, Weisheit, Zauberei, die Fähigkeit zur Unsichtbarkeit (Swiurr, der Verschwindende) und andere typische Wesensmerkmale.

Zwerge sind klein (Nori, der Winzige), leben unter der Erde und in Steinen (Aurwang, Schotteraue), deren braune Farbe sie haben (Litr, der Farbige; Bruni, der Braune) und wachen über ihre Fruchtbarkeit und Schätze (Thrain und Thror, die Gedeihenden; Draupnir, der Träufler; Fundinn, der Gefundene).

Sie sind tapfer (Thorin, der Tapfere), gesellig (Thekk, der Beliebte), würdig (Har, der Hohe) und ruhmreich (Loni, der Leuchtende; Fräg, der Berühmte). Ihre Weisheit (Wit, der Kluge; Nyrad, der Abratende; Regin, der Rathalter) und ihre Kunstfertigkeit als Handwerker schätzt man (Hanarr, der Kunstfertige; Weig, der Keil; Fili, der Feiler; Hepti, der Schaft; Hornibori, der Horndurchbohrer; Gloin, der Glühende; Dori, der Bohrer).

Sie sind aber auch leicht erregbar (Bömburr, der Anschwellende), streitsüchtig (Dolgthrasir, Jari, Ori, die Streitsüchigen), stur (Hugstari, der Sture), furchtsam (Biförr, Baförr, die Zitternden; Oinn, der Furchtsame) und überaus vorsichtig (Andwari, der Vorsichtige). Sie können auch diebisch (Althjof, der große Dieb; Mjödvitnir, der Meträuber) und betrügerisch (Ginnarr, der Betrüger) sein.

Es gibt aber auch einige Namen, die keine uns vertrauten Zwergeigenschaften ausdrücken.

Einige deuten auf wichtige Aufgaben zur Erhaltung der von den Göttern geschaffenen Welt. Die Zwerge Nordri und Sudri, Austri und Westri tragen an den Enden der vier Himmelsrichtungen Ymirs Schädeldecke, den Himmel. Die Zwerge Nyi und Nidi stellen ihrem Namen nach die beiden Mondphasen dar. Nyi und Nyr stehen beide für den zunehmenden Mond. Nidi für den abnehmenden Mond, ebenso Kili, dessen Name wegen altnordisch kill ‚schmale Bucht‘ und altnordisch kilipr ‚Henkel eines Gefäßes‘ auf die Sichelmondform hinweist.

Andere stellen eine Beziehung zwischen Zwerg und Tod her: Dain (gestorben), Nar (Leiche), Nain (kleine Nadel oder Tod), Nali (steht auch mit Tod in Zusammenhang), Niping (der Gramvolle), Duf, Durin und Dwalin stehen mit dem Schlaf in Verbindung, den man bei uns auch als Bruder des Todes bezeichnet. Diese Namen führen zu der umstrittenen Annahme, dass die unter der Erde lebenden Zwerge ursprünglich Totendämonen waren.[4]

Vielleicht auch Seelen Toter im Zusammenhang mit dem Ahnenkult. In diese Reihe gehört der doppelt genannte Zwerg Ai (Großvater) und Buri (der Sohn). Es scheint möglich, dass es eine Vorstellung gab, wonach der Mensch ein Werk der Zwerge ist.[5] Entsprechende Hinweise lassen sich noch an zwei anderen Stellen des Dvergatals entnehmen. Zum einen heißt es, dass Modsognir und Durin „viele Menschengestalten, Zwerge aus Erde, wie Durin sagte“ schufen.[6] Zum anderen wird von Lofar gesagt: „Die Liste der Ahnen wird auf Lofar zurückgeführt, solang die Welt besteht.“[7] Wobei das Wort Ahnen sich normalerweise auf Menschen bezieht und somit Lofar auch Urahn der Menschen sein könnte. Allerdings sind diese Bemerkungen so knapp gehalten, dass sich keine Sicherheit gewinnen lässt.

Drei Namen beinhalten das altnordische Wort alfr ‚Alf, Elf, Elbe, Alb‘ und zeigen an, dass Zwerg und Elf offenbar miteinander verwandt sind. Das sind: Alf, der Elf, Gandalf, der Zauberelf und Windalf, der Windelf.

Alter und Überlieferung

Das Dvergatal gehört zum festen Bestandteil der Völuspá, da es in allen Handschriften, die Inhalte der Völuspá wiedergeben, überliefert wird. Es ist enthalten in den beiden Abschriften der Völuspá, dem codex regius und dem Hauksbók. Des Weiteren in den Völuspá-Zitaten der Prosa-Edda[8], die in vier Handschriften erhalten ist.

Die Namenslisten in den Handschriften stimmen nur grob gesehen überein. Es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Niederschriften. Ein Fünftel der Zwergnamen findet sich nicht in allen Völuspá-Texten. Die Reihenfolge der Namen weicht stellenweise voneinander ab. Die Zwergnamen werden so unterschiedlich geschrieben, dass es zu einer großen Anzahl an unterschiedlichen Namensbedeutungen kommt.

Zu den 63 Zwergnamen des codex regius finden sich 74 Schreibvarianten in den übrigen Handschriften, von denen etwa 37 zu anderen Namensbedeutungen führen. Zum Vergleich: Die 52 Namen Odins, die in der codex-regius-Fassung des Liedes Grimnismál genannt werden, haben lediglich 14 Schreibvarianten in den anderen Handschriften, von denen wiederum nur 5 unterschiedliche Namensbedeutungen haben. Das wird darauf zurückgeführt, dass die Mythen um Odin zur Zeit der Abfassung der Handschriften präsenter und bildlicher waren. Viele Zwergnamen wirken vergleichsweise abstrakt. Nur wenige Mythen zu einzelnen Zwergen wurden überliefert.[9]

Namenslisten kennt die nordische Überlieferung vor allem aus den Thulur. In dem nordischen Schöpfungsmythos hingegen wirkt die lange Aufzählung der Namen wie ein Fremdkörper, da sie den Erzählfluss unterbricht und zu inhaltlichen Unstimmigkeiten mit den Abschnitten davor und danach führt. Deswegen geht man überwiegend heute davon aus, dass das Dvergatal entweder nicht zur ursprünglichen Fassung der Völuspá gehörte oder zumindest nicht in seiner ursprünglichen Form uns überliefert wurde.[10]

Damit ist noch nichts über das Alter der Zwergenzählung gesagt. Egal woher das Dvergatal stammt, es fußt offenbar auf alter Überlieferung.[11] Dass sich viele Zwergnamen noch in die altnordische Sprache übersetzen lassen, steht dem nicht entgegen, da wir nicht wissen, wie das Dvergatal in seiner ursprünglichen Form ausgesehen hat.[12]

Warum aber das Dvergatal in den nordischen Schöpfungsmythos aufgenommen wurde, bleibt rätselhaft. Vielleicht ging es darum, dass die Namen nicht in Vergessenheit gerieten, denn viele dieser Zwerge scheinen in früheren Zeiten wichtige Funktionen ausgeübt zu haben. Vielleicht ging es auch darum, die Namen zu kennen, um Macht über die Namensträger zu erlangen, ähnlich wie im Märchen Rumpelstilzchen.[13]

Wirkungsgeschichte

Die Zwergennamen haben viele Fantasyautoren in der Namensgebung ihrer eigenen Figuren beeinflusst, so auch John Ronald Reuel Tolkien im Kleinen Hobbit, dessen Figuren im Herrn der Ringe teilweise wieder auftauchen: So sind die dreizehn Bilbo Beutlin begleitenden Zwerge Thorin Eichenschild, Kíli, Fíli, Óin, Glóin, Dori, Nori, Ori, Balin, Dwalin, Bifur, Bofur und Bombur eindeutig Dvergatal-Zwergen nachempfunden. Andere Zwerge wie Thror und Thrain tragen ebenfalls Dvergatal-Namen. Tolkien verarbeitet dabei auf manchmal eigenwillige Weise die Bedeutungen der sprechenden Namen in den Charakteren der Erzählung. So ist Bombur (entsprechend Bömburr, der Anschwellende) ein sehr dicker Zwerg. Thror, Thrain und Thorin werden als direkte Nachfahren dargestellt, obwohl die Quelle dies nicht ausdrücklich vermuten lässt. Weitere Figuren wie Gandalf tragen zwar einen Zwergennamen, sind bei Tolkien aber keine Zwerge.

Liste der Zwergennamen

Nr. Name (deutsch) Name (altnordisch) Schar Namensbedeutung Anmerkungen
1 MODSOGNIR Móðsognir, Mótsognir 1 Der Müde?, der Kraftlose?, der müde Seufzende? Der mächtigste Zwerg.
2 DURIN Durinn 2 der Schläfrige?; Türhüter?; dämonisches Wesen? Der zweitmächtigste Zwerg. Durin: auch Figur aus Tolkiens Welt
3 Nyi Nýi 1 Vollmond Steuert den zunehmenden Mond. Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
4 Nidi Niði 1 Neumond, der Dunkle Steuert den abnehmenden Mond. Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
5 Nordri Norðri 1 Norden Trägt das Himmelsgewölbe im Norden (Gylfaginning 8, Skáldskaparmál 23).
6 Sudri Suðri 1 Süden Trägt das Himmelsgewölbe im Süden (Gylfaginning 8, Skáldskaparmál 23).
7 Austri Austri 1 Osten Trägt das Himmelsgewölbe im Osten (Gylfaginning 8, Skáldskaparmál 23).
8 Vestri Vestri 1 Westen Trägt das Himmelsgewölbe im Westen (Gylfaginning 8, Skáldskaparmál 23).
9 Althjof Alþjófr 1 der große (mächtige) Dieb Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
10 DWALIN Dvalinn 1+3 der Langsame?; der Schlafende? Anführer einer der drei Zwergenscharen. Zauberkundig, Schmied. Dvalin: auch der Name eines Hirschen am Weltenbaum (Grimnismál 33).
11 Nar Nár 1 die Leiche Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
12 Nainn Náinn 1 der Tote Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
13 Niping Nípingr 1 der Gramvolle?; der Bewegliche?
14 Dain Dáinn 1 der Gestorbene Zauberkundig, Schmied. Dain: auch der Name eines Hirschen am Weltenbaum (Grimnismál 33).
15 Biworr, Bivorr, Bifurr Bifurr, Biförr, Bivörr 1 der Zitternde?; der Biber?, der wie ein Biber emsige?
16 Baworr, Bavorr, Bafurr Bafurr, Báfurr, Baförr, Bavörr 1 ? (vielleicht wie Biworr)
17 Wili Vili (Heptifili) 1 (2) ? Wili: auch einer der 3 Götter, die die ersten Menschen erschaffen
18 Bömburr Bömburr 1 der Rohe, der Dicke, der Anschwellende
19 Hanarr, Harr Hanarr, Hárr 1 (2) Hanarr: der Kunstfertige / Harr: der Grauhaarige?; der Einäugige? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
20 Nori Nóri 1 der Angstbringer?; der Winzling?, der Geschrumpfte? Nori: auch Name eines Seekönigs (Thulur)
21 An, Ori Án, Óri 1 An: der vornehme Freund / Ori: der Verrückte An: Der Name ist eine Verkürzung von aða-vinr „vornehmer Freund“ und wurde auch als männlicher Personenname verwendet.
22 Anarr, Onarr Ánarr, Ónarr 1 Anarr/Onarr: der Andere, der zweite Anarr/Onarr heißt auch der zweite Mann von Nott, der der Vater von Jörd ist (Gylfaginning 10, Skáldskaparmál 24).
23 Ai, Oinn Aí, Óinn 1 Ai = der (Ur)Großvater, der Stammvater / Oinn = der Furchtsame, der Ängstliche Ai: Doppelnennung (siehe Nr. 68). Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt. / Oinn ist der Vater des Zwerges Andvari (Nr. 64) (Reginsmál 2). / Heimdall macht Ai und Edda „Großmutter” zu den Stammeltern der Knechte (Rigsþula 2-13). Wahrscheinlich ist dabei mit Ai ein Mensch gleichen Namens und nicht der Zwerg gemeint.
24 Mjödwitnir Mjöðvitnir 1 Meträuber?, Metbezeuger?, Metwolf? Der Name deutet auf jemanden, der scharf auf Met ist.
25 Wegg, Wig, Weig Veggr, Vi(g)gr, Veigr 1 Keil?; Pferd?
26 Gandalf Gandálfr 1 der zauberkundige Elf Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt. Gandalf: auch Figur aus Tolkiens Welt
27 Windalf Vindálfr 1 der Windelf; der krumme Zwerg? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
28 Thorin Þorin(n) 1 der Tapfere Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt. Thorin: auch Figur aus Tolkiens Welt
29 Thror Þrór 1 der Sture?; der Gedeihende? Thror: auch Odinsname und Name eines Ebers (Thulur)
30 Thrain, Throin Þráinn, Þróinn 1 Thrain: der Bedrohliche?; der Sture? / Throin: der Gewachsene
31 Thekk Þekkr 1 der Beliebte Thekk: auch Odinsname (Grimnismál 46)
32 Lit Litr 1 der Farbige Ein Zwerg, der Thor vor die Füße läuft, als Balder und Nanna in einem Scheiterhaufen bestattet werden. Er tritt ihn mit dem Fuß ins Feuer, wo Lit verbrennt. (Gylfaginning 49) Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
33 Wit Vitr 1 der Kluge, der Strahlende Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
34 Nyr Nýr 1 der Neue
35 Nyrad Nýráðr 1 der Neuratende?; der Neumachende? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
36 Regin, Rekk Reginn, Rekkr 1 Regin: der Rathalter, der Mächtige / Rekkr: Krieger Bruder des Drachen Fafnirs, der den Schatz des Andwari (Nr. 64) hütete. Stiftet seinen Ziehsohn Sigurd (Siegfried der Drachentöter) an, Fafnir zu erschlagen. (Fafnirsmál, Reginsmál, Skáldskaparmál 39-40)
37 Radswid Ráðsviðr 1 der Schlaue, der Gewitzte, der Scharfsinnige, der kluge Ratgeber Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
38 Fili, Vili Fíli, Víli 2 (1) der Feiler?; den Skaldenmet versteckender Zwerg?
39 Kili Kili 2 (1) Keil?, der Keilschmied?; lange schmale Bucht?
40 Fundinn Fundinn 2 (1) der Gefundene Vielleicht auch Kenning für Odin.
41 Nali, Wali Nali, Váli 2 (1) Nali: Nadel, der Nadelschmied, der Nadel-Kleine / Wali: ? Vielleicht ein Totendämon, vgl. got. naus „Toter“. Wali: (1) auch Name eines Asen, der Balder rächt. (2) Name eines Sohns Lokis (z.B. Gylfaginning 50).
42 Hepti (Heptifili) Hepti (Heptifili) 2 Hepti: der Griff / Heptifili: der glättende Griff
43 Swiurr, Swid, Swiarr Svíurr, Svíarr, Sviðr 2 der Verschwindende
44 Billing Billingr 2 der Zwilling, der Zwitter Billing heißt auch der Vater eines Mädchens, das der oberste Gott Odin verführen wollte (Hávamál 96-102). Ob es sich bei dem Vater um den Zwerg oder um einen Riesen gleichen Namens handelt, ist ungewiss, denn Odin verkehrte sonst nur mit Riesentöchtern.
45 Bruni Brúni 2 der Braune Bruni: auch Odinsname (Thulur).
46 Bild Bildr 2 Aderlassmesser, Dorn, Stachel
47 Buri Buri 2 der Sohn; Erzeuger, Vater; Bewohner? Buri: So heißt auch ein Wesen am Anfang der Schöpfung.
48 Frar Frár, Frór 2 der Flinke
49 Hornbori Hornbori 2 der Horndurchbohrer?, der Hornbläser?; der im Winkel gezeugte? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
50 Fräg Frægr 2 der Berühmte
51 Loni Lóni 2 der Leuchtende; der Faule
52 Aurwang Aurvangr 2 Schotteraue Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
53 Jari Jari 2 der Streitsüchtige Jari ist nicht identisch mit Jarl (Rigsþula 32-39).
54 Eikinskjaldi Eikinskjaldi 2 der Eichenschild Doppelnennung (siehe Nr. 71). Es ist nicht sicher, ob es sich um einen Zwergennamen handelt oder nur um eine Bezeichnung für mehrere Zwerge in der Reihe.
55 Draupnir, Draufnir Draupnir, Draufnir 3 (2) der Tropfer, der Träufler Draupnir: auch Odins Ring von dem jede 9. Nacht acht gleichschwere Ringe abtropfen.
56 Dolgthrasir, Dolgthwari Dólgþrasir, Dolgþvari 3 (2) Dolgthrasir: der Streitsüchtige, der feindlich Kämpfende / Dolgþvari: der Feindbohrer Thrasurr: auch Odinsname.
57 Har, Haurr Hár, Horr, Haurr 3 (2) Har: der Grauhaarige / Haurr: ? Har: auch Odinsname
58 Haugspori, Hugstari Haugspori, Hugstari 3 (2) Haugspori: der Hügelgänger / Hugstari: der große Denker (Denker-Stern)
59 Hlewang, Hledjolf Hlévangr, Hleðjolfr 3 (2) Hledjolf : der Schildwolf?; der Wolf an der Luke?
60 Gloi, Gloinn Glói(nn) 3 (2) der Glühende, der Scheinende; der Starrende? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt. Gloin: auch Figur aus Tolkiens Welt (Vater von Gimli)
61 Dori Dóri 3 der Schädling?, der Schädiger; der Bohrende?, der Vorstechende?; der Narr? Dori: auch Name eines Asensohns (Fjölwinnsmál 34).
62 Ori Óri 3 der Betäubende?; der Streitsüchtige, der Vereitler?; der Verrückte? Ori: auch Bezeichnung für die Schlange (Thulur).
63 Duf Dúfr 3 der Krumme (Gauner)?, der Schläfrige?
64 Andwari Andvari 3 der Vorsichtige?; der Lebensbeschützer? Andwari war Besitzer eines Goldschatzes und des Rings Andwaranaut. Beides wurde ihm von Loki genommen, worauf der Zwerg die Schätze verfluchte. Sie sollten ihrem Besitzer den Tod bringen. Der Schatz des Anwari wurde schließlich der Schatz, den der Drache Fafnir hütete, bis er von Sigurd (Siegfried der Drachentöter) bezwungen wurde. (Reginsmál 2, Skáldskaparmál 39-40) Durch Identifikation Sigurds mit Siegfried dem Drachentöter entspricht der nordische Zwerg Andwari dem Nibelungen-Zwerg Alberich.
65 Skirfir Skirfir 3 der Spucker? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
66 Wirwir, Wirfir Virwir, Virfir 3 der Färber? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
67 Skafid Skafiðr 3 der schiefe Baum?, der gute Baum? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.
68 Ai Ai 3 (Ur-)Großvater, Stammvater Doppelnennung (siehe Nr. 23).
69 Alf Álfr 3 Elf, Alf, Alb, Elbe Alf: auch Name von Hialpreks (Sinfiötlalok), Hrodmars (Helgakviða Hjörvarðssonar 39) und Hundings Sohn (Helgakviða Hundingsbana fyrri 14)
70 Yngwi, Ingi Yngvi, Ingi 3 der Ing-Anhänger?, der Ingaevone? In dem Namen scheint der Gott Ing/Yngvi anzuklingen, dessen Namensbedeutung ungeklärt ist. → Yngvi: Beiname des Gottes Freyr = Yngvi-Freyr (Ynglinga saga 10 f.) und der Name von Hrings Sohn (Helgakviða Hjörvarðssonar 52).
71 Eikinskjaldi Eikinskjaldi 3 der Eichenschild Doppelnennung (siehe Nr. 54).
72 Fjalar, Falr Fjalarr, Falr 3 Fjalar: der Befleckte, der Beschmutzte; der Verberger / Falr: der Verberger Fjalar und sein Bruder Galar erschlugen Kvasir, um an seine Weisheit zu gelangen. Sie mischten sein Blut mit Honig und schufen daraus den Dichtermet, der jeden, der davon trinkt, zum Gelehrten macht. Odin stahl den Trank vom Riesen Suttung (Skáldskaparmál 1). Fjallar: auch Name eines Riesen (Hávamál 14, Hárbarðslióð 26) und eines roten Hahns (Völuspá 42).
73 Frosti Frosti 3 der Frost(ige) Frosti: auch Riesenname.
74 Finn, Fid Finnr, Fiðr 3 Finn: der Finne?; der Magieduldende, der Zauberer?; der Troll? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt. Der Name könnte mit dem irischen Helden Finn oder mit Finne im Zusammenhang stehen. Die Finnen galten im nordischen Mittelalter als zauberkundig. Finn: auch Riesenname und männlicher Personenname (11. Jh.).
75 Ginarr Ginnarr 3 der Betrüger?; der Magieausübende?, der Hexer? Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt. Ginarr: auch Odinsname
76 LOFAR Lofar 3+4 der Lober?, der lobenswerte Krieger?; der aus Blut erzeugte? Stammvater, Urahn aller Zwerge (und Menschen?). Der Zwerg wird auch in den Thulur genannt.

Literatur

  • Edgar C. Polomé: Notes on the dwarfs in Germanic tradition. In: Einar Ingvald Haugen, Einar Haugen, Stig Eliasson, Ernst Håkon Jahr: Language and Its Ecology: Essays in Memory of Einar Haugen. Verlag Walter de Gruyter, 1997, ISBN 9783110146882, S. 441-450. Online. (Ausführliche Auseinandersetzung mit dem Dvergatal und den Zwergnamen)
  • Andy Orchard: Dictionary of Norse Myth and Legend. London 1998, ISBN 0304-35134-2. (Übersetzungen der Zwergnamen)
  • Anders Hultgård: Die Erschaffung des Menschen. In: Johannes Hoops (Hrsg.): Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Bd. 27. 2. Aufl., Verlag Walter de Gruyter, 2004, ISBN 978-3-11-018116-6, S. 253-255. Online. (Zu Fragen, ob das Dvergatal ein nachträglicher Zusatz zur Völuspá ist und inwieweit es mit der Erschaffung des Menschen in Zusammenhang steht.)
  • Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X. (Kurze Artikel zu den einzelnen Zwergnamen, sowie ein allgemeiner Artikel unter dem Stichwort Zwerge.)

Einzelnachweise

  1. Lieder-Edda: Völuspá 10-16
  2. Lieder-Edda: Völuspá 10, 14, 16; Prosa-Edda: Gylfaginning 14
  3. Anderer Auffassung: Ulf Diederichs: Germanische Götterlehre. 4. Auflage. Eugen Diederichs Verlag, München 1991, ISBN 3-424-00746-3, S. 286. Er ordnet die Erdzwerge Durin zu.
  4. Pro: Simek, 2006, Stichwort: Zwerge. Contra: Polomé, 1997, S. 448.
  5. Wolfgang Golther: Handbuch der germanischen Mythologie. Hirzel, Leipzig 1895. Neuauflage: Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-38-X, S. 181
  6. Lieder-Edda: Völuspá 10
  7. Lieder-Edda: Völuspá 16
  8. Prosa-Edda: Gylfaginning 14
  9. Carolyne Larrington: Myth and the Psychology of Memory. In: A. Andren, K. Jennbert, C. Raudvere: Old Norse Religion in Long Term Perspectives: Origins, Changes and Interactions, an International Conference in Lund, Sweden, June 3-7, 2004. Nordic Academic Press, 2006, ISBN 9789189116818, Online, S. 274.
  10. Hultgård, 2004, S. 253 - Anderer Ansicht: Rudolf Simek: Die Edda. Beck, München 2007, ISBN 9783406560842, Online, S. 49 - vergleiche auch die kurze Erörterung hierzu von Anders Hultgård: The Askr and Embla myth in a comparative perspective. In: A. Andren, K. Jennbert, C. Raudvere: Old Norse Religion in Long Term Perspectives: Origins, Changes and Interactions, an International Conference in Lund, Sweden, June 3-7, 2004. Nordic Academic Press, 2006, ISBN 9789189116818, Online, S. 58.
  11. Sigurður Nordal, Ommo Wilts: Völuspá. 2. Auflage, 1952. Übersetzung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1980, ISBN 978-3534044306
  12. Simek, 2006, Stichwort: Zwerge, sieht in der leichten Übersetzbarkeit der Zwergnamen einen Hinweis, dass diese Namen einen recht jungen Ursprung haben müssen.
  13. Arthur Häny: Die Edda. (Übersetzung). Manesse Verlag, Zürich, 3. Aufl. 1989, ISBN 3-7175-1731-7, Weissagung der Seherin: Anmerkung Nr. 8, S. 543 f.