Die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) ist eine Initiative, die sich für die Übertragung von in Wüstenregionen erzeugtem Solar- und Windstrom nach Europa einsetzt. TREC wurde 2003 vom Club of Rome, dem Hamburger Klimaschutz-Fonds und dem Jordanischen Nationalen Energieforschungszentrum (NERC) gegründet und hat das Desertec-Konzept entwickelt und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt wissenschaftlich untersucht.[1]

Konzept
Das Desertec-Konzept sieht vor, im Nahen Osten (engl. Middle East) und Nord-Afrika (zusammen MENA) mithilfe von solarthermischen Kraftwerken und Windparks die Wasserentsalzung und Stromerzeugung voranzutreiben und den sauberen Strom dann mittels HVDC-Leitungen (High Voltage Direct Current = Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, HGÜ) in diese Länder und ab 2020 (mit insgesamt 10–15 % Übertragungsverlust[2][3][4]) bis nach Europa zu leiten.[1]
Ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern, Politikern und Experten auf den Gebieten der erneuerbaren Energien und deren Erschließung bilden den Kern von TREC. Die etwa 50 Mitglieder, unter ihnen Prinz Hassan bin Talal von Jordanien, informieren Regierungen und private Investoren kontinuierlich über die Möglichkeiten der kooperativen Nutzung von Solar- und Windenergie und regen konkrete Projekte auf diesem Gebiet an.[5] Eine Desertec-Stiftung zur Verstärkung der Aktivitäten wird derzeit gegründet.[6] Eine Studie mit Namen Solar Grand Plan mit ähnlichem Ziel in den USA schlägt die großflächige Nutzung der Sonnenenergie in der Wüste von Nevada vor.
Die transmediterrane Energiesituation
Nach allgemeiner Auffassung wird die Förderung von Erdöl und Erdgas als Energieträger im Laufe des 21. Jahrhunderts immer unrentabler werden (→ Globales Ölfördermaximum). Es sind zwar noch relativ große Vorräte an Kohle vorhanden, jedoch wird bei der Energieerzeugung aus Kohle eine große Menge an Kohlendioxid freigesetzt. Es wird mehrheitlich befürchtet, dass die Kohlendioxid-Emission die Klimaänderung beschleunigt. Ob und wann eine völlige Abtrennung der CO2-Produktion dabei möglich ist, ist derzeit nicht absehbar. Eine deutliche Reduzierung des weltweiten fossilen Energieverbrauchs ist derzeit auch nicht abzusehen, obwohl er für viele Umweltschädigungen und Klimaveränderungen (globale Erwärmung) als Hauptgrund gilt. Es zeigt sich auch, dass ein sparsamerer Umgang mit Energie das Problem der Ressourcen-erschöpfung nicht grundlegend lösen kann, sondern diesen Prozess lediglich verzögert.[7]
Eine nachhaltige Lösung dieser Energie- und Umweltprobleme bietet die Umstellung auf erneuerbare Energien. Für Europa gilt dabei: Der Kontinent hat zwar große Potenziale für Wasserkraft, Geothermie, Biomasse sowie Wind- und Solarenergie, doch ihre Nutzung ist im dicht besiedelten Europa in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Würden Europa und der Nahe Osten bzw. Nord-Afrika (MENA) ihre Ressourcen an erneuerbaren Energien gemeinsam nutzen, würde dies die EU-MENA-Region in eine weitaus bessere Lage bringen, einen Wechsel zu einer sauberen und sicheren Energieversorgung schnell und wirtschaftlich vollziehen zu können.[2][3]
Studien
TREC wurde mit dem Ziel gegründet, die Energieversorgung EU-MENAs mit erneuerbaren Energien durch eine Kooperation dieser Länder schnell und kostengünstig sicherzustellen. Dabei sieht TREC die Einspeisung von Wüstenstrom in das europäische Stromnetz als ergänzende Maßnahme zur Nutzung europäischer erneuerbarer Energieressourcen, um die Reduzierung von CO2-Emissionen zu beschleunigen und um die europäische Energiesicherheit zu erhöhen. Für die Menschen im Nahen Osten und in Nord-Afrika (MENA) würde dies Arbeitsplätze, Einkommen, CO2-freie Meerwasserentsalzung und eine Verbesserung der Infrastruktur bedeuten.[2][3]
TREC war beteiligt an der Durchführung von drei Studien, die unter anderem die in MENA verfügbaren Ressourcen an erneuerbaren Energien, den erwarteten Bedarf an elektrischer Energie und Wasser in EU-MENA bis 2050 und den Aufbau eines Stromverbundes zwischen der EU und MENA (EU-MENA-Connection) untersucht haben. Diese Studien wurden vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in Auftrag gegeben und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geleitet. Sie wurden in den Jahren 2004 bis 2006 durchgeführt und tragen die Bezeichnungen „MED-CSP“ und „TRANS-CSP“.[8][9] Eine „AQUA-CSP“-Studie über den Bedarf, das Potential und die Auswirkungen von solarer Meerwasserentsalzung in MENA wurde Ende 2007 fertiggestellt.[10] Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf diese Studien.
Die auf Satellitendaten gestützten Studien des DLR ergaben, dass solarthermische Kraftwerke auf einem Gebiet von weniger als 0,3 % der Wüstenfläche des Nahen Ostens und von Nordafrikas genügend elektrische Energie und entsalztes Wasser für den steigenden Bedarf dieser Länder sowie für Europa erzeugen können. Stromerzeugung durch Windkraft ist besonders in Marokko und am Roten Meer attraktiv. Solar- und Windstrom kann mittels HVDC-Leitungen (High Voltage Direct Current = Hochspannungs-Gleichstromübertragung/HGÜ) in diesen Ländern verteilt und mit geringen Verlusten (10–15 %) bis nach Europa übertragen werden. Der Club of Rome und TREC verfolgen dieses Desertec-Konzept.[2][3] Länder wie beispielsweise Ägypten, Algerien, Jordanien, Libyen, Marokko und Tunesien zeigen bereits Interesse an einer solchen Kooperation.[11] Die Union für das Mittelmeer, bei der fast alle MENA-Staaten mitmachen, ist an einer solchen Kooperation sehr interessiert.[12]
Technologie
Solarthermische Kraftwerke (auch Concentrating Solar Thermal Power (CSP)-Plants genannt) eignen sich ideal, um mit Solarstrom eine sichere Leistung zu erzeugen. Diese Kraftwerke nutzen Spiegel, um Sonnenlicht zu bündeln, in Wärmeenergie zu verwandeln und damit Dampfturbinen anzutreiben. Wärmespeicher (z. B. Flüssigsalz-Tanks) können am Tage gewonnene Wärme aufnehmen und die Dampfturbinen nachts antreiben, oder bei Nachfragespitzen zusätzlichen Dampf erzeugen. Bei länger anhaltendem schlechtem Wetter kann eine fossile Zusatzfeuerung durch Öl, Erdgas oder Biomasse die Versorgungssicherheit gewährleisten, ohne dass man teure Ersatzkraftwerke bereithalten muss. Eine wesentliche technische Herausforderung ist die für jede Wärmekraftmaschine notwendige Kühlung, die bei klassischen Stromerzeugern meist mit wasserbasierten Kühltürmen durchgeführt wird. Desertec ist damit auf verbesserte Trockenkühltechnik, ausreichende Wasserzuführung beziehungsweise Standorte in Küstennähe angewiesen. Die Entsalzung von Meerwasser und die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung im Rahmen eines Systemverbunds mit nahegelegenen Siedlungen und Industrien wird als mögliche Lösung angesehen.[13][14][15][16]
Die Übertragungsverluste durch Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) liegen bei nur 3 % je 1000 km (was der ökonomisch sinnvollsten Auslastung der untersuchten Leitungen entspricht).[4] Da in MENA doppelt so viel Solarenergie gewonnen werden kann wie mit den gleichen Anlagen im nördlicher liegenden Südeuropa, ist Solarstrom aus den Wüsten dank der relativ geringen Übertragungsverluste von insgesamt 10–15 % wirtschaftlich im Vorteil. Die Hochspannungs-Gleichstromübertragung ist hierbei wesentlich effizienter als Produktion, Transport und erneute Verstromung von Wasserstoff, wie in früheren Konzepten betrachtet.[2][3]
Solarthermische Kraftwerke werden im Desertec-Konzept deswegen bevorzugt, weil sie 24 Stunden am Tag Strom nach Bedarf liefern können. Photovoltaik ist teurer und benötigt teure Speicher, wie zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerke. Müsste man europäische Pumpspeicher mit großen Mengen an fluktuierenden Stromquellen aus MENA speisen, bräuchte man mehr Leitungen, die nur wenige Stunden am Tag ausgelastet würden.
Alle Technologien für die Realisierung des Desertec-Konzeptes sind vorhanden und zum Teil seit Jahrzehnten im Einsatz. HGÜ-Leitungen mit Kapazitäten bis 3 GW werden von ABB und Siemens seit vielen Jahren über weite Strecken gebaut. Im Juli 2007 erhielt Siemens den Auftrag zum Bau eines 5-GW-HGÜ-Systems in China. Auf dem World Energy Dialogue 2006 der Hannover Messe bestätigten Sprecher beider Unternehmen, dass die Umsetzung eines Euro-Supergrids mit einer EU-MENA-Connection technisch ohne weiteres möglich sei.[17]
Solarthermische Kraftwerke werden seit 1985 kommerziell im kalifornischen Kramer Junction eingesetzt.[18] Durch eine 25-jährige gesetzlich garantierte Einspeisevergütung von rund 26 Eurocent/kWh hat Spanien geeignete Rahmenbedingungen geschaffen, um CSP im eigenen Land anzusiedeln. Aufgrund der höheren Sonneneinstrahlung lassen sich Stromabnahmeverträge an guten Standorten in Amerika oder MENA bereits günstiger realisieren. Werden solarthermische Kraftwerke in den nächsten Jahrzehnten im großen Stil gebaut, ist nach Berechnungen des DLR eine Senkung der Erzeugungskosten auf bis zu 4–5 Eurocent/kWh möglich. Da die Rohstoffpreise für solarthermische Kraftwerke derzeit schwächer steigen als die Preise fossiler Brennstoffe, könnte CSP trotz höherer Kosten bereits früher als errechnet konkurrenzfähig sein. Derzeit verhindern jedoch noch begrenzte Produktionskapazitäten bei weltweit stark steigender Nachfrage sinkende Preise.[19][2][3]
Jahr | 2020 | 2030 | 2040 | 2050 |
Anzahl x Leistung GW | 2 x 5 | 8 x 5 | 14 x 5 | 20 x 5 |
Transfer TWh/a | 60 | 230 | 470 | 700 |
mittlere Auslastung | 0,60 | 0,67 | 0,75 | 0,80 |
Umsatz Mrd. €/a | 3,8 | 12,5 | 24 | 35 |
Landfläche GSP | 15 x 15 | 30 x 30 | 40 x 40 | 50 x 50 |
km x km HGÜ | 3100 x 0,1 | 3600 x 0,4 | 3600 x 0,7 | 3600 x 1,0 |
Investition GSP | 42 | 134 | 245 | 350 |
Mrd. € HGÜ | 5 | 16 | 31 | 45 |
Stromkosten CSP | 0,050 | 0,045 | 0,040 | 0,040 |
€/kWh HGÜ | 0,014 | 0,010 | 0,010 | 0,010 |
Kosten-/Leistungsprognose: mögliche Parameter der EU-MENA-Connection (Zeile HGÜ) und der solarthermischen Kraftwerke für den Stromexport (Zeile CSP) von 2020–2050, dem TRANS-CSP-Szenario entsprechend |
Um bis 2050 zusätzlich zum Eigenbedarf der MENA-Länder eine Exportkapazität von 100 GW (nicht ganz die Leistung von 100 Kernkraftwerkblöcken) aufzubauen, würden wenige staatliche Anschubhilfen ausreichen, die den Bau der Kraftwerke und Leitungen für staatliche und private Investoren attraktiver machen (siehe folgender Abschnitt). Eine genaue Kosten-/Leistungsprognose für das TRANS-CSP-Szenario wurde vom DLR erstellt (siehe Tabelle).[2][3]
Versorgungssicherheit
Bis zum Jahre 2050 könnten etwa 10–25 % des europäischen Strombedarfs aus den Wüsten gedeckt werden. Im TRANS-CSP-Szenario liegt der heimische erneuerbare Energieanteil am europäischen Stromverbrauch bis dahin bei etwa 65 % und der MENA-Importanteil bei 17 %. Jedes vernünftige Stromnetz verfügt über ausreichende Kapazitäten an Regelleistung (TRANS-CSP etwa 25 %), um fluktuierende Energiequellen und unerwartete Ausfälle von Leitungen oder Kraftwerken kompensieren zu können. Eine übermäßige Abhängigkeit von einem Land oder von wenigen Kraftwerken kann, wie in den Schaubildern verdeutlicht, durch die Vernetzung einer Vielzahl von solarthermischen Kraftwerken und Windkraftanlagen in vielen Ländern und durch die Nutzung mehrerer HGÜ-Leitungstrassen nach Europa vermieden werden. Die Versorgungssicherheit kann erhöht werden, wenn sich die Anlagen im Besitz vieler öffentlicher und privater Eigentümer befinden würden. Ist Südeuropa durch erste Solarstromimporte weniger auf Stromimporte aus Mitteleuropa angewiesen, sinkt in Europa der Druck, neue Kohle- und Atomkraftwerke zu bauen. Bis sich die MENA-Region als stabil genug erweist und das europäische HGÜ-Supergrid ausgebaut ist, kann das bestehende europäische Netz für die Durchleitung von Solarstrom genutzt werden.[2][3]
Der Import von Brennstoffen wie Uran, Erdgas und Öl wird als politisch riskant bewertet, da deren globale Reserven stark schwinden und die Lagerstätten auf wenige Länder konzentriert sind. Dies führt zu steigenden Preisen, politischer Abhängigkeit und Lieferengpässen. Solarenergie ist dagegen im Übermaß und in vielen Ländern vorhanden, und die Kosten für ihre Erschließung sinken mit steigender Nutzung. Steigende Stromlieferungen nach Europa würden zu stärkerem Wirtschaftswachstum in MENA führen und diese Region selbst wie auch ihre Beziehungen zu Europa stabilisieren. Der internationale Handel mit erneuerbaren Energien würde die Anzahl der verfügbaren günstigen Quellen erhöhen und die internationale Zusammenarbeit verbessern. Arbeitsplätze in MENA würden entstehen beim Bau und im Betrieb der Kraftwerke sowie bei der Erzeugung von elektrischer Energie und Trinkwasser für die regionale Bevölkerung. Die Möglichkeit günstigen Wasserstoff durch sauberen Strom zu produzieren, könnte den Verkehrssektor langfristig von schwindenden fossilen Brennstoffen unabhängiger machen. Außerdem wäre ein verstärkter Einsatz von Biomasse auf dem Verkehrssektor anstatt auf dem Stromsektor möglich.[2][3][13][14]
Realisierung von Desertec
Der Bau neuer solarthermischer Kraftwerke hat in Spanien und in den USA begonnen (Andasol 1 & 2, Solar Tres, PS10, Nevada Solar One). Es gibt bereits Kraftwerksprojekte in Ägypten, Algerien und Marokko und weitere Projekte sind in Jordanien und Libyen in Planung. Marokko führt ein Einspeisegesetz insbesondere für Windkraft ein, in der EU laufen Diskussionen um ein HGÜ-Supernetz für Europa (ein Euro-Supergrid), und die Planungen für Offshore-Windkraftanlagen in Nord-Europa nehmen ebenfalls Gestalt an. Die Union für das Mittelmeer will einen solaren Mittelmeerplan umsetzen und könnte einen Rahmen bieten, Desertec in EU-MENA zu realisieren.[21][12]
Um bis 2050 zusätzlich zum Eigenbedarf der MENA-Länder eine Exportkapazität von 100 GW (nicht ganz der Strom von 100 Kernkraftwerkblöcken) aufzubauen, sind staatliche Anschubhilfen nötig, um den Bau der Kraftwerke und Leitungen in der Anfangszeit für private Investoren attraktiv zu machen. Nach Angaben des DLR würden staatliche Unterstützungen von insgesamt einer einstelligen Euro-Milliardensumme ausreichen, um die Markteinführung solarthermischer Kraftwerke soweit voranzubringen, dass diese noch vor 2020 ohne weitere Subventionen wettbewerbsfähig mit der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen sind. Bei den aktuellen Entwicklungen auf dem Öl- und Gasmarkt und den steigenden Strompreisen wird dies wahrscheinlich sogar noch schneller gehen.[22]
Die Investitionen in den Bau der Leitungen und Kraftwerke könnten zwar auch staatliche Investoren übernehmen, aber wie auch die von TREC organisierte Veranstaltung „10,000 Solar GigaWatts“ auf der Hannover-Messe 2008 zeigte (Videodokumentation auf www.energy1.tv), stehen international Banken und private Investoren bereit, um den Bau zu finanzieren, sobald die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Man benötigt also dringend Stromabnahmegarantien und bei manchen Ländern auch Bürgschaften sowie die Finanzierung von Einspeiseregelungen für die derzeit noch teureren Erneuerbaren Energien (im Laufe der Zeit also dann die „einstellige Euro-Milliardensumme“). Südeuropäische Staaten können Einspeiseregelungen für sauberen Strom aus MENA anbieten. Es wäre auch denkbar, dass Einspeisegesetze in MENA selbst durch „Erneuerbare-Energie-Credits“ mitfinanziert werden, die von europäischen Staaten gekauft werden können, um einen Teil ihrer Klimaschutzziele zu erreichen oder (noch besser) diese zu übertreffen. Hierbei muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien in Europa, die auch im TRANS-CSP-Szenario 2050 einen Großteil des europäischen Strommixes ausmachen, nicht gebremst wird.[22]
Ob der Schwerpunkt des Ausbaus von erneuerbaren Energien in MENA eher auf dem Eigenbedarf oder vorrangig auf dem Export liegt, hängt vom jeweiligen Land ab: Marokkos eigener Strombedarf ist beispielsweise so groß, dass sich hier zunächst ein Kreditsystem für Wind- und Solarenergie anbieten würde. Tunesien und vor allem Algerien hingegen zeigen großes Interesse an einem Export.[22]
Sobald die südeuropäischen Länder beginnen, elektrische Energie aus MENA zu importieren, hat dies auch Auswirkungen auf Länder wie Deutschland, die derzeit elektrische Energie nach Südeuropa exportieren. Es würde mehr elektrische Energie für Deutschland zur Verfügung stehen, was den Druck vom Neubau fossil gefeuerter Kraftwerke nehmen würde und Zeit zum Ausbau der erneuerbaren Energien schafft. Zwar könnten mitteleuropäische Länder durch bestehende Leitungen eine gewisse Menge an sauberem Strom aus dem Süden importieren, aber der Aufbau von verlustarmen HGÜ-Leitungen ist dringend nötig. Da Planung, Genehmigung und Bau von Überlandtrassen viele Jahre in Anspruch nehmen können, muss schnellstmöglich mit den ersten Studien begonnen werden.[22]
Über diese direkten Unterstützungen hinaus schlägt TREC die Realisierung von zwei großen humanitären Projekten vor, welche die Kostensenkung bei solarthermischen Kraftwerken beschleunigen würden und zugleich drängende soziale und politische Probleme entschärfen könnten. Erste Machbarkeitsuntersuchungen zeigen die technische Realisierbarkeit dieser Projekte, jedoch benötigen sie politische und finanzielle Unterstützung:
- Gaza Solar Power & Water Project: Der Bau von solarthermischen Kraftwerken (insgesamt etwa ein GW) für die Erzeugung von Trinkwasser und Strom. Die Anlagen könnten, als Teil eines internationalen Wiederaufbauprogramms für Gaza, auf ägyptischem Gebiet angesiedelt werden und zwei bis drei Millionen Menschen im Gazastreifen durch Strom- und Wasserleitungen versorgen. Dieses Projekt könnte einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen sowie zur politischen Entspannung in der Gaza-Region leisten, indem es Konflikte um Trinkwasser vermindert und die Grundlage für eine gesunde ökonomische Entwicklung schafft. Die Gesamtinvestitionen würden sich auf etwa fünf Milliarden Euro belaufen.[23][24]
- Sana'a Solar Water Project: Hier geht es um eine auf Solarenergie gestützte Meerwasserentsalzung am Roten Meer und den Bau einer Pipeline in die Hauptstadt des Jemen (Sana'a), deren Trinkwasserreserven in etwa 15 Jahren erschöpft sind. Dieses Projekt würde ein drohendes humanitäres Desaster und soziale Unruhen im Jemen abwenden sowie zur Rettung eines Weltkulturerbes beitragen. Da die alternative Umsiedlung von zwei Millionen Menschen etwa 30 Milliarden Euro kosten würde, wäre die Investition von fünf Milliarden Euro in solarthermische Kraftwerke und in eine Pipeline auch eine weitaus wirtschaftlichere Lösung.[25][26]
Das TRANS-CSP-Szenario des DLR zeigt einen gangbaren Weg. Die Länder der EU-MENA-Region haben zusammen mehr als genügend Potential zu einem kompletten Wechsel des Strom- und Verkehrssektors auf erneuerbare Energien. Bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts könnten die MENA-Länder ihre Wüsten zu ergiebigen Quellen sauberer Energie ausbauen und die ihnen durch fossile Brennstoffe gesetzten Grenzen des Wachstums überwinden. Gleichzeitig könnten sie den Ländern Europas sauberen Strom verkaufen, damit diese ihre Treibhausgas-Emissionen aus der Stromerzeugung schneller senken und gleichzeitig aus der Kernkraft aussteigen können – und das bei langfristig sinkenden Stromkosten.[2][3]
Kritik
Das Großprojekt wird kontrovers diskutiert und hat neben zahlreichen Befürwortern auch Kritiker. Einige Kritiker argumentieren, dass der Import von Strom mit einem politischen Risiko behaftet sei, sobald der Anteil einen gewissen Prozentsatz übersteige. Die Energieversorgung eines Staates aus externen Quellen berge die Gefahr politischer Abhängigkeit und – im Fall von Konflikten – Erpressbarkeit. Ferner würden die HGÜ-Verbindungen mögliche Ziele für Terroristen darstellen.
Dem entgegnen Befürworter, mit einem Anteil von 17 % an Solarstrom-Importen in einem europäischen Netz mit 65 % heimischen erneuerbaren Energien und einer entsprechenden Reserve an Gaskraftwerken zum Ausgleich der Regelleistung, wie es die TRANS-CSP-Studie in ihrem Szenario untersucht habe, könne man selbst den gleichzeitigen Ausfall aller HGÜ-Verbindungen zwischen MENA und Europa bis zu deren Wiederinstandsetzung oder einer politischen Lösung kompensieren. Eine Unterbrechung der Stromexporte werde somit eher dem eigenen Land schaden – durch den Verlust von Einkünften aus dem Stromexport, von Vertrauen zukünftiger Investoren und von Arbeitsplätzen. Des Weiteren sei Europa schon heute teilweise von Energieimporten aus politisch nicht vollends stabilen Gebieten abhängig, wie der russisch-ukrainische Gasstreit im Winter 2008/2009 gezeigt habe. Im Hinblick auf potenzielle terroristische Anschläge müsse berücksichtigt werden, dass auch konventionelle Kraftwerke hiergegen nicht sicher seien und insbesondere Atomkraftwerke dabei ein Risiko beinhalteten, welches weit über einen Energieengpass hinaus gehe.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer und weitere Energieexperten der von ihm geleiteten Vereinigung Eurosolar meinen, dass der Stromtransport zu teuer werden würde und dass neue Monopole entstehen würden.[27][28][29][30]
Einige afrikanische und europäische Energieexperten sind der Ansicht, dass ein Stromexport in großem Stil die Entwicklung dezentraler Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windräder in den afrikanischen Staaten verhindern und somit eine nachhaltige Entwicklung stören würde.[31]
Der Bundesverband Solarwirtschaft meint, dass durch den Ausbau der Regenerativen Energien bis 2020 bereits 50% des Bedarfs in Deutschland gedeckt würden, u.a. weil sich die Photovoltaik derzeit stark entwickle. Somit könnte der Zweck für DESERTEC dann nicht mehr bestehen.[32]
Einige wenige Kritiker ziehen Parallelen zum Atlantropa-Projekt von 1928, das Europa und Afrika mit riesigen Staudammbauten verbinden wollte.[33][34] Dabei ging es allerdings um ein monumentales Projekt im zweistelligen Gigawattbereich, das einen Eingriff in die Natur von bisher unbekanntem Ausmaß verursacht hätte, nicht um mehrere kleinere Anlagen, wie sie TREC vorschlägt.
Die deutsch-schweizerische Wochenzeitung WOZ schreibt, im Szenario der TRANS-CSP-Studie werde 2050 in MENA nur die Hälfte des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden.[35] Laut der Studie sind es jedoch über 85 %; die übrigen 15 % an Gaskraftwerken dienen zur Spitzenlast und als Reservekapazität.
Auszeichnungen
Am 15. November 2008 wurde das Desertec-Konzept zweifach mit dem Utopia-Award ausgezeichnet. Hierbei erfolgten die Auszeichnungen in der Kategorie Ideen mit dem Jury- und dem Publikumspreis. Laut Jury wird durch das Desertec-Konzept gezeigt, dass „(…) es möglich ist, kurzfristig mit einem Investitionspaket und Infrastrukturprogramm Europa beispielhaft für die Welt energetisch fit für die Zukunft zu machen. Neben den ökonomischen Vorteilen für Europa wäre dies ein elementarer Beitrag zur Erreichung der zwingenden Klimaschutzziele der nächsten Jahre, ebenso wie für die Verringerung von nuklearen Potenzialen, und der Armutsbekämpfung weltweit.“[36]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b TREC Homepage (The whole contents of this website are licensed under the Creative Commons Attribution ShareAlike 2.5 License.) Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „TREC“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ a b c d e f g h i j Description in the Summary of the TRANS-CSP Study Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „TRANS-CSP Summary“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ a b c d e f g h i j Researched in the TRANS-CSP Study
- ↑ a b ARD W-Wie-Wissen Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „HGÜ Verluste“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ TREC Members website
- ↑ Zur Genehmigung eingereichte Satzung
- ↑ Vergleiche Quelle (Einzelnachweise) der Artikel Globale Erwärmung, Peak Oil und Vierter Sachstandsbericht des IPCC
- ↑ MED-CSP Study, Numerical data, Ecobalance, Summary
- ↑ TRANS-CSP Study, Numerical data, Summary
- ↑ AQUA-CSP Study
- ↑ Diese Länder unterzeichneten eine Absichtserklärung für den Export von sauberer elektrischer Energie. Beleg für das Beispiel Marokko
- ↑ a b Gesammelte Nachrichtenmeldungen zum Solarplan der Union für das Mittelmeer
- ↑ a b Description in the Summary of the MED-CSP Study Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „MED-CSP Summary“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ a b Researched in the MED-CSP Study Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „MED-CSP Study“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Report of Greenpeace: Concentrated Solar Thermal Power - Now!
- ↑ Memorandum about the potential of solar power plants
- ↑ Liste der HGÜ-Anlagen List of HVDC projects.
- ↑ SEGS website
- ↑ Description in the report "Concentrating Solar Power Now" by the German Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety (BMU)
- ↑ Capacity, Costs & Space: Main indicators of the total EU-MENA High Voltage Direct Current (HVDC) interconnection and Concentrating Solar Power (CSP) plants from 2020 – 2050 according to the TRANS-CSP scenario. Source: www.TRECers.net
- ↑ Sigmar Gabriel, German Federal Minister for the Environment, mentions the CSP projects in MENA, calls the idea of the Desertec Concept as "ground-breaking" and campaigns for it in his opening speech to the Ministerial Conference under the German Presidency of the EU (at PDF Page 5 & 6), 19. April 2007
- ↑ a b c d Part of a White Book that will be presented in November 2007 to the EU Parliament. Downloadable main chapters already peer reviewed by Leading Authors of the IPCC-Reports
- ↑ Gaza Project proposal conducted by several institutes
- ↑ German Parliamentary State Secretary of the Federal Ministery for the Environment (BMU) Michael Müller mentioned TREC his speech to the European Conference "Integrating Environment, Development and Conflict Prevention" in a very complaisant way and campaigns for TREC's "Gaza Solar Water & Power Project" (in Part III), 29. März 2007
- ↑ Sana'a Project proposal conducted by several institutes
- ↑ Yemen Times, 28. Juni 2006, Water expert: Desalination or displacement for Sana’a residents
- ↑ Windgeneratoren und Speicher sollen Stromversorgung sichern, Interview mit Herrmann Scheer, VDI Nachrichten 9. November 2007
- ↑ Irm Pontenagel: Sonnenstrom aus der Sahara, Solarzeitalter 1/2007, März 2007
- ↑ Fabio Longo: Sahara-Strom gefährdet Erzeuger in der Region, Interview auf HNA online, 18. März 2007
- ↑ Ein Luftschloss auf Sand gebaut, Eurosolar, 11. März 2009
- ↑ Dokumentation der Tagung „Globale Solarwirtschaft: Eine Chance für Afrika?“, Ev. Akademie Loccum 26.-28. Mai 2003
- ↑ http://www.stern.de/wissenschaft/natur/:Desertec-Startschuss-W%FCstenstrom-Projekt/706083.html
- ↑ Franz Fuchs: Grüner Gigantismus, USW/Uni Graz 4. Oktober 2007
- ↑ Günther Kraft: Hightech statt Öko, SoZ Februar 2004
- ↑ Jutta Blume: "Ein Platz an der Sonne", WOZ 28. Februar 2008
- ↑ Utopia Stiftung: "Ein guter Abend: Die Preisverleihung"
Literatur
- Desertec RedPaper. Abgerufen am 24. Juli 2009 (2. Auflage der Zusammenfassung des Konzepts, arabisch, deutsch, englisch und französisch).
- Desertec/Club of Rome Weißbuch. 28. November 2007, abgerufen am 24. Juli 2009 (wurde am 28. November 2007 im Europaparlament präsentiert).
- AQUA-CSP über das Potential von CSP zur Meerwasserentsalzung. 2007, abgerufen am 24. Juli 2009 (Studie des DLR für das BMU).
- TRANS-CSP über einen interkontinentalen Stromtransfer. 2006, abgerufen am 24. Juli 2009 (Studie des DLR für das BMU).
- MED-CSP über die Solarstromgewinnung und den Transfer. 2005, abgerufen am 24. Juli 2009 (Studie des DLR für das BMU).
- Peter Hennicke, Nikolaus Supersberger: Krisenfaktor Öl. Abrüsten mit neuer Energie. oekom, München 2006. ISBN 3-86581-060-8
- Toralf Staud, Nick Reimer: Wir Klimaretter - So ist die Wende noch zu schaffen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. ISBN 3-462-03908-3
Weblinks
- Website von Desertec (englisch)
- Häufig gestellte Fragen unter anderem zur Ausbeutung Afrikas und zur Abhängigkeit Europas (englisch)
- TREC-UK (englisch)
- The Club of Rome (englisch)
- Der Mann mit dem roten Quadrat, Brandeins-Artikel zum Thema, 2/2008
- News zu Desertec