Corps Masovia Königsberg zu Potsdam
Das Corps Masovia ist eine an der Universität Potsdam akkreditierte farbentragende und pflichtschlagende Studentenverbindung. Das Corps gehört dem Kösener SC-Verband (KSCV) an und ist mit den Rechten eines Seniorenconvents ausgestattet.

Band und Wahlspruch
Die Corpsbrüder („Masuren“) tragen seit 1830 das hellblau-weiß-feuerrote Band mit silberner Perkussion zur hellblauen Mütze.
Der Wahlspruch des Corps ist: „Virtus contemnit mortem“.
Geschichte
Masovia wurde Ostern 1823 als Vereinigung und 1827 als Kränzchen von Studenten aus Masuren an der Albertina (Königsberg) gegründet. In der sog. Allgemeinheit der Studentenschaft wurden sie von jeher als oppositionell, von den Universitätsbehörden als halsstarrig empfunden. Sieben Masuren konstituierten im Juli 1829 die Landsmannschaft Masovia mit den Farben hellblau-weiß-feuerrot. Sieben Mitglieder dieser Masovia III stifteten am 14. Juni 1830 die heutige Masovia, der 69 Angehörige der Vorverbindungen beitraten. Da ihr das „belebende Element der Fuchswelt“ fehlte, bat die im Ermland verwurzelte Corpslandsmannschaft Baltia I am 23. Nov. 1840 Masovia, ihre 48 Angehörigen zu übernehmen. Mit dem SC zu Königsberg schloß sich Masovia 1865 dem KSCV an. Am 15. Juli 1876 verließ das Corps den SC und damit den KSCV, kehrte aber am 18. Juli 1880 als „äußerst starker Bund“ (Schindelmeiser) zurück. Wie die Königsberger Zeitungen 1930 zum 100. Stiftungsfest schrieben, war Masovia eine hoch angesehene und zugleich volkstümliche Studentenverbindung in Königsberg (Preußen). Sie war in Ostpreußen tief verwurzelt und blieb dem weltenfernen Masuren eng verbunden:
„Masuren war mit Abstand das rückständigste Gebiet Ostpreußens. Wie die litauische Bevölkerung im Nordosten der Provinz waren die Masuren ein ethnisches Überbleibsel aus vornationaler Zeit. Polnische Sprache, preußischer Königspatriotismus und evangelische Konfession bildeten in Masuren eine Symbiose, die charakteristisch war für den multiethnischen vornationalen Status Preußens. Bis zur Reichsgründung von 1871 wurde diese Sonderheit respektiert und vor allem von den masurischen Pfarrern gepflegt, z. B. von Friedrich Czygan, Christoph Coelestin Mrongovius und [dem Masuren] Gustav Gisevius. Nachträglich erhob die polnische Masurenpropaganda und –forschung beide zu "Aktivisten im Kampf für das Polentum Masurens". Ihnen zu Ehren wurde nach 1945 Sensburg in Mragowo und Lötzen in Gizycko umbenannt.“ (Kossert 2001). Gisevius ist damit wohl der einzige Corpsstudent, nach dem eine Stadt benannt worden ist.
„Das masurische Selbstbewußtsein zeigte sich jedoch nicht nur im polnischen Mehrheitsmilieu, sondern erfaßte auch die lokale Elite, die durch Schule und Studium deutsch geprägt war und auf Deutsch miteinander verkehrte. Sichtbarer Ausdruck ihres Heimatstolzes war die studentische Verbindung Masovia, die in den vierziger [sic!] Jahren an der Albertina entstand. Mit deren Farben blau-weiß-rot erfolgte später die regionale Identifizierung vieler Masuren mit ihrer Heimat. Ein Mitglied der Königsberger Masovia, der Gymnasiallehrer Friedrich August Dewischeit (1805-1884), komponierte 1855 das Masurenlied „Wild flutet der See“, das sich zur inoffiziellen Hymne Masurens entwickeln sollte. Der Reichssender Königsberg verwendete die Melodie ab 1930 als Pausenzeichen.“ (Kossert 2001)
Als schon damals älteste Königsberger Korporation musste Masovia 1935 wie alle Corps unter dem Druck des Nationalsozialismus suspendieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Geschichte des Corps vom Ringen um eine Zukunftsperspektive gekennzeichnet. Mit dem befreundeten Corps Palaiomarchia gründete Masovia im Januar 1950 einen gemeinsamen CC in Kiel. Es entstand das Corps Palaiomarchia-Masovia.
Boris Meissner folgte im November 1993 der Einladung, auf einer Königsberg-Kneipe in Kiel über die Perspektiven Ostmitteleuropas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der deutschen Einigung zu sprechen. Seine große Rede war wohl der Anstoß für die Rückbesinnung auf Masovias Erbe und Identität. Als sich herausstellte, dass es sich 1950 nicht um eine Rekonstitution gehandelt hatte und die Suspension von 1935 fortbestand, rekonstituierten zwölf alte Königsberger Masuren das Corps an seinem 167. Stiftungstag, am 14. Juni 1997.
Masovia wurde vom SC zu Kiel am 8. Februar 2000 als viertes Corps aufgenommen. Der Kösener Congress (oKC) desselben Jahres bestätigte den Beschluss und erklärte das Kieler Corps antragsgemäß als eine Neustiftung von 1950, die keinen Anspruch auf Masovias Tradition und Erbe erhebt. Masovia entging dem Schicksal der drei anderen Königsberger Corps (Baltia, Hansea und Littuania), beim oKC 2001 zu erlöschen.
Im Oktober 2000 beschloss Masovia, ihren Sitz von Kiel nach Potsdam zu verlegen. Nach 66 Jahren Suspension wurde im Cecilienhof der aktive Betrieb am 20. Januar 2001 (300 Jahre nach Preußens Erhebung zum Königreich) eröffnet. Zum ersten Mal in seiner Geschichte stellte das Corps Masovia 2005/06 den Vorort (die Leitung) des KSCV.
Heute ist Masovia das einzige Königsberger Corps.
Angehörige der Masovia
In Ostpreußen trugen viele Pfarrer, Verwaltungsbeamte, Lehrer und Ärzte das Masurenband. Jüdische Mitglieder und vier katholische Priester zeigen die (ungebrochene) innere Freiheit des Corps. Da „alle Masuren gleich“ sind, hatte das Corps nie das Statut einer Ehrenmitgliedschaft
Für das Preußische Abgeordnetenhaus brachte Masovia dreizehn Mitglieder hervor, einen Konservativen und zwölf Liberale: Karl Claussen für Rastenburg-Gerdauen-Friedland, Franz Goerig für Osterode-Neidenburg, Paul Hensel und Ferdinand Leopold Krieger für Goldap-Stallupönen-Darkehmen, Julius Larz für Wehlau-Labiau, Robert Reinbacher und Ludwig Schadebrodt für Neidenburg-Osterode, Hermann Schumann für Sensburg-Ortelsburg und Julius Ebhardt, Orlando Gortzitza, Robert Reuter, Konrad Kob und Wilhelm Stobbe für Lyck-Oletzko-Johannisburg.
Landräte waren Otto Gisevius (Allenstein), Oskar v. Dreßler (41 Jahre in Heiligenbeil), Herbert Neumann (Pr. Eylau), Paul Josupeit (Labiau), Gustav Dodillet (Insterburg), Erich Stockmann (Niederung), Julius Frenzel (Marggrabowa/Oletzko), Waldemar Krossa (Ragnit), Robert Reuter (Johannisburg), Eugen Drewello (Lyck) und Herbert Kleine (Rosenberg/Westpreußen). Zu den Bürgermeistern zählten Hermann Michow (Finsterwalde) und Wilhelm Kuhr (Burg bei Magdeburg, Berlin-Pankow), zu den Ehrenbürgern Otto Czygan (Ortelsburg), Johannes Poschmann (Wormditt), Georg Maeckelburg (Treuburg und Gotha), Karl Bogdan (Lauenburg in Pommern) und Theodor Tolki (Neidenburg).
Im Ersten Weltkrieg fielen 42 Masuren.
In den Zweiten Weltkrieg zogen 130 Angehörige des Corps, von denen 73 als Soldaten oder Zivilisten um ihr Leben kamen.
Auszeichnungen
- Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern[1]
- Artur Behrendt
- Max Bombe
- Ernst Mann
- Ernst Neumann
- Günther Schierholt
- Erich Skrodzki.
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes
- Oberst Erich Bloedorn
- Major Horst Ademeit (mit Eichenlaub)
- Hauptmann Dr. iur. Helmut Schreiber-Volkening
- Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes
- Werner Linnemeyer
- Großes Verdienstkreuz des Bundesverdienstordens
- Rolf Grabower
- Erich Haslinger
- Alfred Prang
- Heinz Schimmelpfennig
- Konrad Schmidt-Torner
- Hellmut Trute
- Hans-Georg Sachs (mit Stern und Schulterband).
Bekannte Masuren
- Klaus Addicks, Professor für Anatomie in Köln
- Wilhelm Brindlinger Bürgermeister von Memel
- Karl Brinkmann, Zweiter Bürgermeister von Königsberg
- Ludwig August Clericus, Heraldiker und Illustrator (Das Illustrirte Liederbuch der Albertina)
- Carl Contag, Oberbürgermeister und Ehrenbürger von Nordhausen, Mitglied des Preußischen Herrenhauses
- Gustav Dodillet, M.d.R.
- Rüdiger Döhler, Arzt und Studentenhistoriker
- Rolf Grabower, Steuerrechtler, 1942-1945 in Theresienstadt)
- Ferdinand Gregorovius, Journalist und Historiker, Ehrenbürger von Rom
- Erich Haslinger, Unternehmer
- Jürgen Herrlein, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Statutenkommission des KSCV
- Paul Hensel, 1919/20 Vorkämpfer für den Verbleib Masurens in Ostpreussen, M.d.R. für Johannisburg
- Otto Hesse, Professor für Mathematik in Heidelberg
- Erich Hossenfelder, Gesandter in Abessinien
- Graf Karl v. Lehndorff-Steinort, Mitglied des Preußischen Herrenhauses
- Fritz Milkau, Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek
- Bernhard Pawelcik, Erster Bürgermeister und Ehrenbürger von Marienburg
- Hans Pfundtner Staatssekretär im Reichsinnenministerium, Ehrenbürger von von Garmisch-Partenkirchen und Gumbinnen
- Eldor Pohl, Bürgermeister und Ehrenbürger von Tilsit
- Alfred Prang, Ministerialdirektor im Reichsverkehrsministerium
- Alexander Rauchfuss, Professor für HNO in Saarbrücken
- Friedrich Julius Richelot, Professor für Mathematik in Königsberg
- Otto Rosencrantz, Regierungspräsident in Gumbinnen (bis 1933), Ehrenbürger von Insterburg
- Hans-Georg Sachs, Staatssekretär im Auswärtigen Amt
- Wilhelm von Saltzwedel, Regierungspräsident in Danzig
- Otto Saro, M.d.R.
- Fritz Schellong, Professor für Innere Medizin in Prag und Münster/Westfalen
- Otto Schellong, Arzt und Ethnologe
- Reinhold Schmidt, Führer der Deutschen in Philadelphia (Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs)
- Erich Skrodzki, Ministerialdirektor beim Rechnungshof des Deutschen Reiches
- Paul Treibe, Ministerialdirektor im Reichsverkehrsministerium
- Paul Trint, Oberstaatsanwalt in Elbing, KZ-Häftling, Landgerichtsdirektor in Berlin
- Arthur Zimmermann, Staatssekretär des Äußeren
Verhältniscorps
Masovia steht in Kartellbeziehungen zu den Corps Palatia-Guestphalia in Freiburg/Br. und Guestfalia in Greifswald. Befreundete Corps sind Palaiomarchia in Halle, Lusatia in Leipzig, Austria in Frankfurt am Main, Isaria in München, Onoldia in Erlangen und Teutonia Marburg. Aufgrund der Struktur seiner Verhältnisse zu anderen Corps wird das Corps Masovia zum "Blauen Kreis" innerhalb des Kösener Senioren-Convents-Verbands gezählt.
Bilder der Masovia
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Masovias Kneipe im alten Bellevue
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Das erste Corpshaus in Kneiphof am neuen Pregel
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Das zweite Corpshaus am alten Pregel
Zitate
Dem Eigendünkel der Unfehlbarkeit haben wir zu keiner Zeit gefröhnt, dem Hochmut und Dummstolz nie gehuldigt ... Mut und Festigkeit, Tatkraft und begeisterter, mächtiger Aufschwung für alles Hohe und Ideale macht den wahren Corpsstudenten aus, der keinen Menschen mehr verachtet als den Kriecher und Streber.
Karl Heinrich (1835-1904) [2]
Wir haben den alten, schönen Grundsatz, daß der aktive C.C. in allen Dingen oberste Instanz ist und die Alten Herren nur zu raten haben, unverwässert aufrechterhalten und ich bin der Meinung, daß wir an diesem Grundsatz nicht rütteln lassen sollten. Je größer die Verantwortung des aktiven Corpsburschen ist, umso besser für seine Charakterbildung.
Richard v. Schaewen (1869-1952) [3]
Literatur
- Das fünfzigjährige Stiftungsfest des Corps Masovia am 13., 14., 15., 16. und 17. Juni 1880. Königsberg 1880 (Digitalisat und download bei Wikimedia)
- Siegfried Schindelmeiser: Die Albertina und ihre Studenten 1544 bis WS 1850/51 und Die Geschichte des Corps Baltia II zu Königsberg/Pr. 7 Hefte, München 1970-1986
- Rüdiger Döhler (Hg.): Corps Masovia. Die 175jährige Geschichte von Königsbergs ältester und Potsdams erster Korporation im 21. Jahrhundert. aventinus edition (Meidenbauer), München 2005, ISBN 3-00-016108-2
- Rüdiger Döhler: Der Seniorenconvent zu Königsberg. Ostpreußen und seine Corps vor dem Untergang. Kap. 1 und 2. In: Einst und Jetzt, Bd. 52 (2007), S. 147–176; Kap. 3 bis 7. In: Einst und Jetzt, Bd. 54 (2009), S. 219-288.
- Andreas Kossert: Masuren. Ostpreußens vergessener Süden. Berlin 2001
- Emil Popp: Zur Geschichte des Königsberger Studententums. Holzner, Würzburg 1955 (Neuausgabe: WJK, Hilden 2004, ISBN 3-933892-52-X)
- Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens. 7. Aufl..Würzburg 1987
- Thomas Thamm: Korporationsstudententum in Königsberg/Preußen 1918 bis 1945. Historia academica, Bd. 34, 1995 (Schriftenreihe der Studentengeschichtlichen Vereinigung des Coburger Conventes)
- Helmut R. Niedorf: Die Farben der Masuren, in: Heimatbote 1999 der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, S. 144-151
- Kurt U. Bertrams (Hg.): Als Student in Königsberg. Erinnerungen bekannter Korporierter. Hilden 2006.
- Corpsstudenten bauen Brücken am Pregel. Masovia kehrt zu ihren Ursprüngen zurück. Preußische Allgemeine Zeitung, Nr. 21, 23. Mai 2009, S. 14 f.