Slowakischer Nationalaufstand
Als Slowakischer Nationalaufstand oder Aufstand von 1944 wird die am 29. August 1944 begonnene und am 27. Oktober mit einer Niederlage endende Erhebung politischer und militärischer Kräfte gegen die als Vasall des Deutschen Reiches angesehene Regierung unter dem Prälaten Dr. Jozef Tiso bezeichnet. Ursprünglich als rein nationaler Aufstand für eine freie Slowakei gedacht, wurde er von der tschechischen Exilregierung in London mit russischer Zustimmung zu einem tschechoslowakischen Aufstand umfunktioniert. Von einem „slowakischen“ Aufstand zu sprechen galt bis 1989 nicht nur als politisch inkorrekt, sondern wurde sogar bestraft. Erst 1993 erhielt die Slowakei die 1945 verlorene Eigenstaatlichkeit zurück.
Historischer Hintergrund
Das gesamte Staatsgebiet der Slowakei war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Teil des Königreichs Ungarn innerhalb der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Pressburg, ungarisch Pozsony, war in der Zeit der Türkenherrschaft Haupt- und Krönungsstadt Ungarns und das, was später als Slowakei bezeichnet wurde, hieß Oberungarn und reichte südlich der Karpatenpässe weit nach Osten; unter Einschluss ruthenisch-ukrainischer Gebiete bis nach Chust. Bereits zu Zeiten der Habsburgermonarchie gab es in intellektuellen Kreisen den Gedanken, zusammen mit den Tschechen auf föderaler Grundlage einen slawischen Staat zu gründen.[1] Im Pittsburgher Abkommen vom 30. Mai 1918, zwischen der starken Gruppe in die USA exilierter Slowaken und dem exilierten Vertreter der Tschechen T. G. Masaryk wurde den Slowaken Souveränität im Rahme eines gemeinsamen, Tschechoslowakei genannten Staates versprochen. Ende Oktober 1918 wurde der Slowakische Nationalrat auf Basis dieser Zusage gegründet. Die Mächte der Entente genehmigten die Gründung eines neuen Staates aus der Erbmasse der untergegangenen Monarchie, der sich bis 1920 einrichtete. Dabei gab man dem späteren Präsidenten Beneš Gehör, der eine zweite Schweiz unter Einschluss deutscher, ungarischer, slowakischer und ukrainischer, durchaus kopfstarker Minderheiten – selbstverständlich mit allen Rechten – zu schaffen versprach. Seine Vorstellung war aber mehr die einer Tschechoslowakei, als Grundpfeiler eines slawischen Reiches, das von der Ostsee bis zur Adria reichen sollte. Die noch 1919 an die Minderheiten gegebenen Versprechungen wurden nach Unterzeichnung der Pariser Vorortverträge[2] nicht eingehalten. Der tschechische Bevölkerungsteil, insbesondere die Einwohner Böhmens und auch Mährens, fühlte sich als Staatsvolk, das auch „die Schalthebel der Macht“ für sich beanspruchte und nicht gewillt war, den Slowaken eine wie auch immer geartete Autonomie zuzugestehen. Eine wachsende, aber lange latent bleibende Unzufriedenheit unter den Minderheiten wurde erst durch das Deutsche Reich und die Nationalsozialisten offengelegt. Antitschechische Stimmungen wurde gefördert (Sudetendeutsche Partei), auch in der Slowakei (Hlinka-Bewegung) und in Ungarn, das seinen Anspruch auf Gebiete nördlich der Donau und die Karpatho-Ukraine nie aufgegeben hatte. Das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 nahm der Tschechoslowakei zwar nur deutsch wie ungarisch besiedelte Randgebiete, verwandelte sie aber bereits in einen föderalen Rumpfstaat. Erst im März 1939 wurde dieser Status von Deutschland unter militärischem Druck aufgehoben und die Slowaken wurden Schutzstaat des Deutschen Reiches. Dieser erste slowakische Staat, der stark an nationalsozialistischen Grundsätzen ausgerichtetet war, musste sofort Gebiete mit starker ungarischer Besiedlung in der Ostslowakei, im Süden entlang der Donau, ferner die Karpatho-Ukraine an Ungarn abtreten. Dennoch hatte man sich weiterer ungarischer Ansprüche zu erwehren, die sogar von Kriegshandlungen begleitet waren. Erst auf Geheiß des Deutschen Reiches wurden sie beendet. Ungarn verzichtete darauf, sich weitere Teile der Südslowakei und des ehemaligen Oberungarn einzuverleiben.
Ungeachtet der politischen und auch militärischen (Einsatz slowakischer Verbände an der Ostfront) Verstrickung in den wenige Monate nach der Staatsgründung beginnenden Zweiten Weltkrieg wollte man in Pressburg diesen endlich erworbenen eigenen Staat der Slowaken – mit immer noch starken deutschen und ungarischen Minderheiten – unter Einsatz aller Mittel auch behalten. Deutschland unterstützte anfänglich dieses Bestreben und half beim Aufbau slowakischer Streitkräfte.
Zeitgeschichtlicher Aspekt
Mit Fortdauer des Krieges, von dem die Slowakei bisher auf ihrem Territorium verschont geblieben war, gab es Tendenzen unter Studenten, wie Arbeitern, nach Abschütteln der deutschen Vormundschaft nochmals den Versuch zu machen, in einer erneuerten Tschechoslowakei gleichberechtigter und vor allem autonomer Partner zu sein. Das geeignete Mittel sahen konservative slowakische Kreise in einer Befreiung vom Hlinka-Regime unter Präsident Tiso und bei Wiedererstehen der ČSR in einer die Autonomie garantierenden liberalen Regierung in Pressburg. Die im Untergrund existierende kommunistische Partei, zu der auch der deutschstämmige Karol Šmidke (Karl Schmidke) gehörte, sah die Eigenstaatlichkeit – möglicherweise gutgläubig – nur in einer künftigen Anlehnung an die Sowjetunion. Bestätigt wurde sie darin durch im Jahre 1943 in Moskau getroffene Übereinkünfte des tschechischen Ex-Präsidenten Beneš mit der Sowjetregierung, die einzuhalten aber offenbar von deren Seite nie beabsichtigt war. Kommunistische, sozialdemokratische und konservative Strömungen einigten sich im April 1943 auf die Bildung eines slowakischen Nationalrates, dem Militärs und Politiker angehörten. Aufgabe des Nationalrates war die Vorbereitung eines Nationalaufstandes aller slowakischen Kräfte. Dass dabei auch den Interessen der tschechischen Exilregierung gedient wurde, nahmen die Anführer in Kauf. Zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt, von gelungener innerer Organisation des Vorhabens, der politisch-militärischen Lage an den Staatsgrenzen und nicht zuletzt der mit einem Hilfeversprechen gepaarten Zustimmung der Sowjetunion, sollten im Rücken der in Mittel- und Südpolen in schwere Abwehrkämpfe verwickelten deutschen Truppen durch das aus zwei gut ausgerüsteten Divisionen bestehende 1. slowakische Armeekorps die Karpatenpässe für die Rote Armee geöffnet werden, damit diese durch eine keinen Widerstand bietende Slowakei bis Pressburg und das von dort nur 30 km entfernte Wien, aber auch nach Innerungarn und weiter nach Slowenien und Kroatien durchstoßen konnte. Die Planer im Nationalrat erhoffte sich durch diese Vorleistung, die Slowakei vor Kämpfen und Kriegsschäden zu bewahren, den Lebensstandard einer Oase im darbenden Mitteleuropa aufrecht zu erhalten und im „Aufstand für die Tschechoslowakei“[3] bei deren Wiederherstellung als Dank endlich eine gesicherte Autonomie zu erhalten.
Die Vorbereitung
Im Juli 1943 wurde der zeitweise emigrierte Karol Šmidke aus Moskau über Polen in die Slowakei delegiert, um die Kommunisten und andere oppositionelle Gruppen darauf auszurichten, dass nach der zu erwartenden deutschen Niederlage zwar die Tschechoslowakei wieder zu errichten sein werde, aber nun als Zusammenschluss zweier autonomer Landesteile, nämlich des böhmisch-mährischen Tschechien einerseits, der Slowakei andererseits und das Ganze unter sowjetischer Oberhoheit. Ende 1943 war der Einigungsprozess so weit fortgeschritten, dass in Anlehnung an das, was es schon einmal 1919 gegeben hatte, unter strengster Geheimhaltung der Slowakischer Nationalrat gegründet werden konnte, der aber militärischer Unterstützung bedurfte. Da im Umfeld des Verteidigungsministeriums wenig Neigung bestand, mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten, verließ man sich auf einen ausgebildeten Generalstäbler ungarischer Abstammung, den Oberstleutnant Ján Golian. Für die ihm anvertraute schwierige Aufgabe war er der tschechoslowakischen Exilregierung in London unterstellt, also Präsident Beneš, dessen militärischem Berater General Rudolf Viest und General Ingr, dem Verteidigungsminister. London ernannte Golian im März 1943 zum Chef des Stabes der slowakischen Landstreitkräfte, die unter dem Befehl des als deutschfreundlich bekannten Generals Turanec standen. In seiner neuen Funktion durfte Golian Banská Bystrica zur militärischen Zentrale machen, gleichzeiig neutralisierte er General Turanec. Obwohl im Widerspruch zu diesem Auftrag, nahm er im April 1943 auch den Auftrag des Slowakischen Nationalrates an, den militärischen Widerstand in und für die Slowakei zu organisieren. In dieser Funktion war auf Deutschland und dessen der Slowakei zum Glück zugeneigten Gesandten Ludin zu achten, weiter auf den bis zum Beginn des Aufstands taktierenden Verteidigungsminister General Ferdinand Čatloš. Militärisch zu integrieren waren auch bereits bestehende kommunistische Partisanenverbände, deren eigenmächtige Aktionen deutsches Misstrauen bedingten und damit seine Planung störten. Es gab Gründe zu der Befürchtung, dass die Deutschen die Angriffe auf ihre durch die Slowakei verlaufenden Versorgungswege nicht lange hinnehmen, sondern mit einem „sichernden“ militärischen Einsatz beantworten würden. In der Ostslowakei hatten sie bereits seit Anfang 1944 Bewegungsrechte erhalten. Immerhin gelang es Golian, erhebliche Geldmittel unter Vorwänden nach Banská Bystrica zu leiten, Vorräte an Waffen und Munition und natürlich auch an Nahrungsmitteln in der Region einzulagern und sich nicht zuletzt – die Geheimhaltung begrenzte das – der Mitwirkung möglichst vieler regulärer Truppenteile zu versichern. Der für seine Pläne wichtigste war dabei das südlich des Duklapasses zwischen Košice (ung. Kassa, dt. Kaschau) und Prešov (ung. Éperjes, dt. Preschau) einquartierte 1. Armeekorps mit seinen zwei Divisionen.
Der Aufstand
Beginn
Der Slowakische Nationalaufstand (Slovenské národné povstanie, SNP) gegen das dem nationalsozialistischen Deutschland ergebene Tiso-Regime begann am 29. August 1944. Anders als der Warschauer Aufstand (ab 1. August 1944) war der slowakische Nationalaufstand nicht nur von Kräften im Inneren, sondern auch von außen, nämlich seitens der Sowjetunion, als wichtiger Schachzug im Kriegsverlauf geplant. Schon Monate vor Beginn des Aufstandes gab es von Moskau gesteuerte Partisanenverbände in der Ost- und Mittelslowakei. Nach dem von Oberstleutnant, später Brigadegeneral Ján Golian, „Stabschef der Landstreitkräfte“ in Banská Bystrica, zusammen mit dem deutschstämmigen Anführer der illegalen Kommunistischen Partei, Karol Šmidke (geborener Schmidke), dessen Parteifreund Ladislaw Novomesky und Dr. Gustáv Husák ausgearbeiteten Konzept sollten sich die Partisanen bis zur Ausrufung des Aufstandes ruhig verhalten und die Deutschen nicht reizen, sondern erst dann, zusammen mit von der slowakischen Regierung abgefallenen starken Truppenteilen, insbesondere den beiden Divisionen des gut ausgerüsteten 1. Armeekorps, mithelfen, die Slowakei, in der es - entgegen seit Mitte August ausgestreuten Behauptungen - keine deutschen Kampfeinheiten gab, vom nationalsozialistischen Einfluss zu befreien. Der geglückte Abfall Rumäniens „in letzter Minute“ und der Sturz der Regierung Antonescu in Bukarest gab dafür ein Beispiel und schadete zugleich den Planungen von Jan Golian. Die sahen unverändert vor, auch unter dem Einfluss von Karol Šmidke, dass das 1. Armeekorps die Gebirgspässe von Südwesten her für die Rote Armee öffnen sollte, wenn nötig auch gegen deutschen Widerstand. Unzeitig ausgelöst wurde der Aufstand jedoch durch einen unerwarteten Zwischenfall. Die aus Rumänien ausgewiesene deutsche Militärmission wurde auf der Bahnfahrt nach Deutschland am 27. August 1944 aufgehalten und ungeachtet des ihr zustehenden diplomatischen Status am Morgen des 28. in sv. Martin unter ungeklärt gebliebenen Umständen auf einem Kasernenhof erschossen. Der Vorgang wurde rasch bekannt und löste eine Strafexpedition der Deutschen aus, die von Nordwesten her SS-Einheiten der Kampfgruppe v. Ohlen aus dem Protektorat in die Mittelslowakei einrücken ließen. Der Verteidigungsminister General Čatloš wurde von seiner Regierung, angeblich Präsident Tiso selbst, genötigt, am 29. August noch mit einem Aufruf das Kommende legal erscheinen zu lassen. Er beschuldigte die Partisanen den slowakischen Staat vernichten zu wollen und rief alle Bürger auf, sich den in dieser Stunde zu Hilfe eilenden deutschen Kräften an die Seite zu stellen. Der militärische Oberbefehl wurde gleichzeitig an General Turanec übergeben. Dem Aufruf aus Pressburg konnte seitens des Nationalrates nur mit sofortiger Ausrufung des Nationalaufstands begegnet werden - Tage früher als in der Planung vorgesehen. Im nachdrücklichen Gegensatz zum Aufruf des Generals Čatloš erklärte Golian am selben 29. August, es herrsche Krieg zwischen dem Deutschen Reich und der Slowakei und alle Kämpfer unter seinem Befehl gehörten ab sofort der tschechoslowakischen Armee an, Partisanen eingeschlossen. Zunächst war für ihn wichtig, welche Zusagen Karol Šmidke von seinem geheimen Flug nach Moskau mitbringen werde. Der seit Tagen Erwartete kam erst am 4. September zurück - und nur mit Versprechungen. Man hoffte dennoch, in jedem Falle die Ost- und Mittelslowakei zu halten, bis die russische Unterstützung kam, doch deutscherseits sah man den drohenden Verlust dort gelegener Gebiete mit starkem deutschem Bevölkerungsanteil, die zudem als Rückhalt für die zu verteidigenden Karpatenpässe dienten. Das deutsche Oberkommando musste mit einem Gesamtplan auf diese Bedrohung im Rücken der in Polen kämpfenden Truppen unmittelbar reagieren, eine Strafexpedition mit dem Ziel Sv. Martin und Turiectal genügte nun nicht mehr.
Verlauf in den ersten Wochen
Der vom 1. slowakischen Armeekorps ausgehenden Bedrohung der Karpatensüdseite war sich die Wehrmachtsführung sehr wohl bewusst. Sie setzte unverzüglich die 108. Infanteriedivision aus dem Raum Košice/Kássá/Kaschau nach Norden in Marsch und traf auf zwei führungslose und verwirrte Divisionen, die sich nahezu kampflos entwaffnen ließen. Nur 2000 von 24.000 Mann schlugen sich zu den Aufständischen durch. Die deutsche 1. Panzerarmee, obwohl in schwere Abwehrkämpfe im Raume Tarnow-Dębica verwickelt, löste ihre einzige Armeereserve, ein starkes Regiment, aus der Front und brachte es südlich Nowy Sącz mit Lastkraftwagen über die slowakische Grenze bis Kežmarok/Käsmark, das die Aufständischen gerade einzunehmen im Begriff waren. Nach leichten bis mittelschweren Gefechten wurde die gesamte Zips in wenigen Tagen wieder „befreit“, die Aufständischen in zum Teil heftigeren Kämpfen in Richtung Brezno nad Hronom/Bries am Gran zurückgedrängt. Im Raum Žilina/Sillein und in der Talenge von Strečno und im Waagtal (Váh) verzeichneten die Aufständischen kurzzeitig Erfolge, sie sprengten Brücken und einen Tunnel, doch deutsche Eisenbahnpioniere setzten die betroffenen Strecken rasch wieder instand.
Grund der deutschen Erfolge war, dass es den Deutschen gelang, in kürzester Zeit fünf Kampfgruppen (Schäfer, Schill, Tatra, v. Ohlen und das Sturmregiment der 1. Panzerarmee), einige davon mit starken Anteilen gut ausgerüsteter SS-Verbände gegen die Aufständischen einzusetzen. Bis Mitte September besetzten deutsche Einheiten alle wichtigen Städte und Bahnknotenpunkte rund um das Aufstandszentrum in Banská Bystrica/Neusohl. Lediglich nordöstlich von Brezno/Bries hielt sich eine verbissene Verteidigung, man wollte nahe dem Duklapass sein und hoffte auf einen russischen Durchbruch und Vereinigung mit Sowjetverbänden. Die Rote Armee stieß indessen am Duklapass, wie auch an den anderen Pässen, auf die deutsche 1. Panzerarmee. Wegen der Niederlage des 1. slowakischen Armeekorps waren die Pässe nicht freigekämpft, das deutsche OKW hatte die eingesetzten Verbände noch verstärkt, um einen Durchbruch zum Aufstandsgebiet zu verhindern. Insgesamt stellte die Wehrmacht fünf Divisionen und zwei Kampfgruppen gegen den zu erwartenden sowjetischen Angriff auf die Pässe bereit. Bis Ende Oktober 1944 gelang es der Roten Armee daher bei größtem Einsatz an Menschen und Material lediglich, die deutsche Verteidigung vom Vorfeld auf die Höhen zurückzudrängen, der angestrebte Durchbruch war abgewehrt worden, die Aufständischen konnten keine Hilfe erwarten.
Der militärische Zusammenbruch
Eine Vorentscheidung, die das Ende erkennen ließ, war der Zerfall des als Grundlage aller Pläne angesehenen 1. Armeekorps. Daran änderte auch nichts, dass die slowakischen Soldaten nebst den Partisanenverbänden von Golian am 29. August sowohl zu Kämpfern für eine freie Slowakei aufgerufen als auch zu solchen einer tschechoslowakischen Armee erklärt wurden und man mit Mobilmachungsbefehl vom 5. September die kämpfenden Verbände zu verstärken trachtete. Das Nitratal wurde den Aufständischen abgenommen und mit der Wiedergewinnung von Vrútky und Žilina/Sillein durch deutsche Einheiten bestand wieder eine Bahnverbindung zwischen der Ostslowakei und Pressburg. Bis zum Beginn des Oktober wurde am Hron/Gran die Schutzstellung der Aufständischen für ihr Zentrum in Banská Bystrica vom Südwesten her durchbrochen. Nur wenige Tage später gelang von Nordwesten mit der Eroberung von Kremnica/Kremnitz ein weiterer Einbruch in den Verteidigungsring. Das Ende zeichnete sich ab, allein im Nordosten wurden noch einige Zeit die Stellungen bei Telgárt gehalten, auf der Lagekarte sah der Frontverlauf wie eine zum Duklapass ausgestreckte Hand aus. Am 21. Oktober fiel Telgárt, die Front wurde aufgerissen, Brezno und Zvolen wurden gegen geringen Widerstand eingenommen. Ein Aufruf des Oberbefehlshabers General Ingr, aus London gefunkt, die Stellungen um jeden Preis zu halten, half nicht mehr Die Niederlagen beruhten nicht allein auf der Unterlegenheit in Ausrüstung und Material. Sowjetische Flugzeuge brachten zwar allnächtlich Waffen, Munition und Medikamente, überführten auch bis zum 20. Oktober eine „2. Tschechoslowakische Luftlandebrigade“ in das Aufstandsgebiet, aber die Mengen waren unzulänglich. Das sich ausbreitende Gefühl der unvermeidlichen Niederlage schwächte auch die Moral der noch im Kampf eingesetzten Verbände, führte dazu, dass sie sich in den ihnen zugewiesenen Verteidigungsabschnitten einfach auflösten, nach Hause oder in die deutsche Gefangenschaft gingen, oder sich – einem verfälschten Aufruf des Generals Viest folgend – den Partisanen anschlossen. Das Gefühl der Sinnlosigkeit des Aufstandes hatte schon in dessen ersten Tagen dazu geführt, dass deutsche Verbände die Westslowakei in kurzer Zeit besetzten. Die starken Garnisonen Bratislava/Pressburg und Nitra/Neutra ergaben sich sogar kampflos.
Zentrum des Aufstandes blieb bis zum Tag vor seiner Einnahme im Zuge einer am 17. Oktober von Ungarn ausgegangenen deutschen Offensive Banská Bystrica/Neusohl. Am 27. Oktober 1944 ergab sich Banská Bystrica und die dort bis zuletzt kämpfenden Aufständischen wurden inhaftiert, desertierten oder liefen zu den Partisanen über, die den Widerstand bis zum Kriegsende fortführten. Das slowakische Oberkommando war am 26. noch nach Donovaly ausgewichen, von dort wurde am 28. Oktober durch Generalleutnant Viest, letzter Befehlshaber der Aufständischen, die Weisung an die „1. Tschechoslowakische Armee“ ausgegeben, den regulären Widerstand einzustellen und als Partisanen weiterzukämpfen.[4] Am 30. Oktober erklärte Staatspräsident Tiso den Aufstand mit einer Ansprache im „befreiten Neusohl“ für niedergeschlagen.
Rudolf Viest entkam, zusammen mit dem noch zum Brigadegeneral beförderten Jan Golian, noch einmal. Am 3. November wurden beide gefangen genommen, nach Bratislava/Pressburg gebracht, vom deutschen Befehlshaber, dem SS-General Höfle verhört, danach verliert sich ihr Weg, es ist nicht einmal erwiesen, ob sie von der Gestapo oder vom (sowjetischen) NKWD ermordet wurden. Bei der Verfolgung der versprengten Aufständischen kamen neben Wehrmachtseinheiten auch die SS-Truppe Heimatschutz, die aus rekrutierten Volksdeutschen bestand, und die Hlinka-Gardisten zum Einsatz. Mit gefangenen Partisanen wurde wenig glimpflich umgegangen. Dörfer wie Nemecká, Kalište und Telgárt wurden wegen Beteiligung und Unterstützung des Aufstandes niedergebrannt, die Männer in Konzentrationslager gebracht oder an Ort und Stelle erschossen. Reste der Partisanenverbände hielten sich in Bergwäldern bis zum Durchbruch der Sowjetarmee am Duklapass, der erst Anfang Januar gelang. Am 26. März wurde Banská Bystrica, in das einige Monate lang sogar wieder friedlich anmutendes Leben eingezogen war, erneut befreit und am 4. April endete die erste slowakische Republik mit dem Einzug der Sowjets in Bratislava/Pressburg.
Nachbetrachtung
Der Aufstand mit vermutlich bis zu 10.000 Opfern, davon 4150 Angehörige der slowakischen Armee,[5] von der kommunistischen Geschichtsschreibung ausgeschmückt und glorifiziert, wird inzwischen objektiver beurteilt, besonders hinsichtlich der in jenen Monaten sich als Freiheitskämpfer ausgebender Partisanen, die aber oft nur Räuberbanden waren und in karpatendeutschen Gebieten auch so auftraten.
Im Abstand zweier Generationen werden nicht allein die damaligen Akteure, sondern wird vieles aus jener Zeit neu bewertet. Der Nationalrat unter Brigadegeneral Jan Golian und seinem spät dazu bestimmten Vorgesetzten Generalleutnant Rudolf Viest wird heute wenigstens dahingehend gewürdigt, dass er eine freie Slowakei anstrebte und – sofern die Umstände dies nicht erlaubten, wenigstens eine autonome Slowakei in einer föderalen Tschechoslowakei, aber in keiner unter sowjetischem Einfluss. Ein Denkmal in Banská Bystrica erinnert an national denkende Männer und die, die ihnen auf einem von Anfang an sehr riskanten Weg Gefolgschaft leisteten.
Der Nationalaufstand scheiterte letztlich ebenso wie der Warschauer Aufstand, nur wurde dieser von den dort lebenden Menschen getragen, ungeachtet des Ausbleibens möglicher sowjetischer Unterstützung. Der Nationalaufstand wurde von der Bevölkerung, ja sogar Teilen der Armee nicht getragen. Es gab auch nicht die von verschiedenen Seiten instrumentalisierte Deutschenfeindlichkeit. Man war an ein verträgliches Miteinander seit 1939 gewöhnt und wollte dies und die ungeachtet des Krieges außerhalb der Landesgrenzen gute Versorgungslage nicht den Ideen irgendwelcher Herren vom Generalstab preisgeben, zumal man deren Motive nicht kannte und selbst wenn, nicht verstand.
Streng betrachtet war der Nationalaufstand dem des 20. Juli 1944 in Deutschland sehr ähnlich, ein Putsch ranghoher Militärs mit anzuerkennenden Motiven, nämlich, nach der vorhersehbaren Niederlage Deutschlands und dem damit verbundenen Ende der faschistischen Regierung Tiso, eine Slowakei in Freiheit und weitgehender Unabhängigkeit zu bewahren. Gegenüber der siegreichen Sowjetunion war dies von Beginn eine Illusion, der auch der kommunistische Führer Karel Šmidke erlag. Erst die große Wende der Jahre 1989/90 und die sich daraus ergebende Separation der Slowakei von Tschechien erfüllten das, was sich die Aufständischen 1944 vorgestellt hatten.
Herangezogene und vertiefende Literatur
- Jan Gebhart, Ján Simovcek: Partisanen in der Tschechoslowakei 1941–1945, Berlin 1989.
- Gustav Husák: Der slowakische Nationalaufstand, Berlin 1972.
- Dietmar Beetz: Weißer Tod am Chabanec. Verlag Neues Leben, Berlin 1979.
- Viliam Plevza: Der Slowakische Nationalaufstand – Beginn der nationalen und demokratischen Revolution in der Tschechoslowakei. In: Studia historica slovaca; 14, 1985, S. 15–70.
- Jan Rychlík: Slovenské národné povstanie v správach chorvátskeho diplomata. In: Historicky časopis; 54, 20062, S. 315–352.
- Klaus Schönherr: Die Niederschlagung des slowakischen Aufstandes im Kontext der deutschen militärischen Operationen, Herbst 1944. In: Bohemia; 42, 20011, S. 39–61, ISSN 0523-8587.
- Wolfgang Venohr: „Aufstand für die Tschoslowakei. Der slowakische Freiheitskampf von 1944“, Christian Wegner Verlag, Hamburg 1969, ohne ISBN
- Wolfgang Venohr: Aufstand in der Tatra. Der Kampf um die Slowakei 1939–44. Königstein/Ts. 1979.
- František Fajtl: Als erste in der Heimat, Berlin 1979.
- „Der Grosse Brockhaus“, 20. Auflage 1996, Brockhaus Verlag, Wiesbaden und Leipzig
- Microsoft Encarta Enzyclopädie Professional 2003, "Slowakei"
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Microsoft Encarta Enzyclopädie Professional 2003
- ↑ die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in den Jahren 1919/1920 geschlossenen, das Deutsche Reich, Österreich und Ungarn betreffenden Friedens-Verträge von Versailles, Saint Germain, Trianon, sowie Neuilly für Bulgarien und Sèvres für das Osmanische Reich
- ↑ Wolfgng. Venohrs Buchtitel, s.a.aO.
- ↑ Wolfgang Venohr, „Aufstand für die Tschechoslowakei“, s.a.a.O., S 272
- ↑ Siehe W. Venohr, „Aufstand für die Tschechoslowakei“, a.a.O., S. 276