Brutreaktor

Atomreaktor, der auch weiteres Spalt-Material erzeugt
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Ein Brutreaktor ist ein Atomreaktor, der nicht nur der Energieerzeugung, sondern auch zur Erzeugung weiteren spaltbaren Materials dient.

Natururan enthält zu 99,3% das nicht spaltbare Isotop 238U und nur zu 0,7% das spaltbare Isotop 235U. Für den Betrieb herkömmlicher Kernspaltungsreaktoren muss diese Menge 235U vor Herstellung der Brennelemente technisch sehr aufwändig auf etwa 3-4% angereichert werden. Beim Schnellen Brüter wird 238U durch Neutroneneinfang zunächst in 239U umgewandelt, das dann durch zwei Betazerfälle in spaltbares 239Pu zerfällt. Dadurch erzeugt der Reaktor selbst das nötige Spaltmaterial, allerdings in ausreichender Menge nur in einem Reaktor, der ohne Moderator arbeitet. Die hier vorherrschenden schnellen Neutronen haben dem Schnellen Brüter seinen Namen gegeben. Zur Kühlung der Spaltstäbe verwendet man Natrium.

Es gibt ebenfalls noch den Thorium-Hochtemperaturreaktor, der 232Th als Ausgangspunkt der Reaktionskette verwendet und daraus 233U erzeugt. Die vorherrschende Bauform ist in diesem Fall der Kugelhaufenreaktor.

Derzeit werden Brutreaktoren in den USA, Russland, Frankreich und Japan betrieben. In Deutschland wurde am Niederrhein bei Kalkar ein Schneller Brüter gebaut. Nach zahlreichen Protesten und dem Reaktorunfall bei Tschernobyl (1986) kam es nie zu einer kommerziellen Stromerzeugung. Das offizielle Aus des Schnellen Brüters bei Kalkar kam am 21. März 1991, noch bevor dieser überhaupt fertiggestellt war.

Brutreaktoren

Beispiele für Brutreaktoren:

Diese Reaktortechnik sollte auch in Deutschland zum Einsatz kommen, der so genannte „schnelle Brüter“ in Kalkar wurde jedoch im Jahr 1991 noch in der Testphase gestoppt. Die größten Entwicklungsfortschritte auf diesem Gebiet wurden, wie bereits angesprochen, in Japan, aber auch durch die Entwicklung des französischen Brutreaktors „Superphoenix“ gemacht. Auch andere Staaten wie beispielsweise Russland, England oder einige Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion betreiben Produktions- oder Versuchsreaktoren. Aufgrund der extrem hohen Kerntemperatur wird die Brutreaktortechnik auch zur Gewinnung von Prozesswärme, beispielsweise für die Entsalzung von Meerwasser eingesetzt.

Schneller Brüter

Aufbau der Reaktors

Der Reaktorkern besteht aus vielen Edelstahlröhren, die einen zylindrischen Brennstoffkern von 3 m Höhe und einem Durchmesser von 5 m bilden. Dabei ist der Reaktorkern eines Brutreaktors aufgeteilt in eine Spalt- und eine Brutzone.

Kühlung

Die Brutreaktortechnik basiert in einigen Bereichen auf den Grundlagen der Leichtwasserreaktortechnik, hat jedoch einige wesentliche Unterschiede. So verwenden Brutreaktoren genau wie Leichtwasserreaktoren Uran-235 oder Plutonium-239 als Kernbrennstoff. Im Gegensatz zu diesen wird aber meistens mit flüssigem Natrium gekühlt.

Der Schmelzpunkt von Natrium liegt bei 98 °C und die Siedetemperatur bei 883 °C. Die Kerntemperatur eines Brutreaktors liegt bei ca. 500 °C. Durch die hohe Spanne zwischen Schmelz- und Siedetemperatur ist es möglicht, die bei den Kernreaktionen innerhalb des Brutreaktors auftretenden extrem hohen Temperaturen optimal abzuführen. Ein weiterer Vorteil des Natriums besteht darin, dass es keine neutronenmoderierenden Eigenschaften besitzt. Diese würden es für die Verwendung als Kühlmittel in einem Brutreaktor untauglich machen, da dieser Reaktortyp mit schnellen, also unmoderierten Neutronen betrieben wird. Die Verwendung von Natrium birgt jedoch auch Risiken und technische Probleme. Natrium ist hochreaktiv und greift Rohrsysteme stark an. Weiter reagiert es sehr heftig mit Wasser, wodurch es bei einer Leckage zu weiteren Störfallen kommen kann.

Eine Verwendung von Leichtwasser mit seinen neutronenmoderierenden Eigenschaften als Kühlmittel kommt bei diesem Reaktortyp nicht in Frage.

Spaltzone

In der Spaltzone des Reaktors stellt sich bei Verwendung schneller Neutronen (daher der Name „schneller Brüter“) das Problem, dass schnelle Neutronen mit wesentlich geringerer Wahrscheinlichkeit als moderierte Neutronen neue Kernspaltungen auslösen. Dieser Tatsache hat man bei der Entwicklung der Brütertechnologie Rechnung getragen, indem man die Spaltstoffkonzentration in der Spaltzone erhöht hat. Diese enthält ein Gemisch aus 15-20% Plutonium- und 80-85% Uranoxid als Spaltstoff. Durch die hohe Spaltstoffkonzentration kommt es zu einer sehr hohen Leistung pro Volumeneinheit, wodurch sich die hohen abzuführenden Temperaturen, welche eine Verwendung von Natrium als Kühlmittel notwendig machen, erklären.

Brutzone

Die Brutzone, auch „Brüterdecke“ genannt, ist ringförmig um die Spaltzone herum angeordnet. Sie erstreckt sich auch über die oberen und unteren Bereiche der Brennelemente der Spaltzone. Die Brutzone umgibt vollständig die Spaltzone, was aufgrund der für die Brutreaktion benötigten freien Neutronen aus der Spaltzone auch erforderlich ist. Die oberen und unteren Teile eines Brennelements der Spaltzone sind nicht wie der mittlere Teil, sondern mit Uran-238 als Brutstoff gefüllt. Bei jeder Kernspaltung des verwendeten Kernbrennstoffs entstehen dabei durchschnittlich 2,8 freie Neutronen. Dabei wird in der Spaltzone ein Neutron für die Auslösung der nächsten Kernspaltung verwendet, 0,5 Neutronen gehen durchschnittlich in der Reaktorkonstruktion verloren und 1,3 Neutronen stehen danach in der Brutzone zum Erbrüten von Plutonium-239 aus Uran-238 zur Verfügung. Beim Brutvorgang wandelt sich demnach das nicht spaltbare U-238 durch die Aufnahme eines Neutrons in den Atomkern zunächst in das künstliche Uranisotop Uran-239 um. Im Weiteren wandelt sich das Uran-239 mit der Kernladungszahl 92 durch die Umwandlung eines Neutrons in ein Proton in das Element Neptunium (Np)-239 mit der Kernladungszahl 93 um. Zuletzt entsteht durch einen weiteren Beta-Zerfall das Element Plutonium (Pu)-239 mit einer Kernladungszahl von 94. Bei der Brutreaktion entstehen also zwei zusätzliche Protonen in Folge eines Beta-Zerfalls. Dabei wandelt sich ein Neutron in ein Proton und ein Beta-Teilchen um.

Beta-Zerfall

Beim Beta-Zerfall handelt es sich um verschiedene Arten des radioaktiven Zerfalls. Allgemein unterscheidet man zwei Arten, nämlich den Beta(-)-Zerfall und den Beta(+)-Zerfall. Beim Beta(-)-Zerfall wandelt sich ein Neutron in ein Proton um, dabei werden ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino freigesetzt. Der Beta(-)-Zerfall tritt vor allem bei Atomkernen mit Neutronenüberschuss auf, wie dies beim Uran (U)-239 der Fall ist. Dagegen wandelt sich beim Beta(+)-Zerfall ein Proton in ein Neutron um, wobei ein Positron (Antielektron) und ein Elektroneutrino frei werden. Der Beta(+)-Zerfall lässt sich vor allem bei Atomkernen mit Protonenüberschuss beobachten. Beim Beta-Zerfall ist allerdings ein Energiedefekt augenscheinlich, der den Energie- und Drehspin-Erhaltungssätzen widerspricht. Die Abgabe von Elektronen bei Betazerfallsprozessen scheint so statt zu finden, das Energie, Impuls und Drehspin in der Summe nicht mehr gleich zu bleiben scheinen.

Neutrinos

Aus diesem Grund hat man Anfang der 30er Jahre nach einer neuen Art von Teilchen gesucht, die in ihrer Charakteristik in der Lage wären, diesen Energiedefekt zu erklären. Das Ergebnis dieser Überlegungen waren die zunächst noch hypothetisch angenommenen und im Vorangegangenen bereits erwähnten Neutrinos. Diese, heute wissenschaftlich nachgewiesenen, elektrisch neutralen Elementarteilchen haben, anders als die ebenfalls elektrisch neutralen Neutronen eine wesentlich geringere Masse, die möglicherweise sogar gegen Null geht. Auch unterliegen diese Neutrinos nicht der starken Wechselwirkung. weshalb sie auch nicht von Kernkräften beeinflusst werden und somit kaum Interaktionen mit anderen Elementarteilchen eingehen. Aufgrund dessen sind sie auch nur schwer zu lokalisieren und haben ebenso keinerlei Einfluss auf die nuklearen Prozesse innerhalb kerntechnischer Systeme. Ihre Existenz erklärt jedoch den bei nuklearen Brutprozessen auftretenden Energiedefekt und liefert damit die wissenschaftliche Grundlage für die ansonsten nicht zu erklärenden Energieverluste während des Brutvorgangs. Beim Brutprozess entsteht, auf Grundlage des nuklearen Prozesse innerhalb der Brutzone des Reaktors mehr spaltbares Material, als der Reaktor in der Spaltzone zur Aufrechterhaltung seiner Leistung benötigt. Daher ist es mittels der Brutreaktortechnologie möglich, die begrenzten Reserven an Uranerz besser auszunutzen, indem die nicht verwendbaren Anteile des Uranerzes in Form von U-238 in eine nutzbare Form überführt werden.

Störanfälligkeit

Die Brütertechnologie wird von einigen Staaten in Großanlagen eingesetzt. Wegen zahlreicher Störfälle wurden mehrere Brüter ganz oder für mehrere Jahre abgeschaltet. Die extrem hohen Kühlmitteltemperaturen führen in einigen Anlagen dazu, dass es zu Undichtigkeiten in den Kühlsystemen kommt, wobei es zu einer sofortigen Abschaltung durch dass Einfahren der Regelstäbe in den Reaktorkern kommt. Nach bekanntem Muster kommt es dadurch zur Reduktion der Anzahl freier Neutronen im Reaktorkern und dadurch zum Erliegen der Kernreaktion.

Energiegewinnung

Bei Normalbetrieb gibt der primäre Natriumkühlkreis seine Wärme über einen Wärmetauscher an einen Sekundärnatriumkühlkreis ab. Dieser befindet sich außerhalb des radioaktiven Bereichs des Reaktors und ist räumlich von diesem durch den Reaktorbehälter getrennt. In diesem Sekundärnatriumkühlkreis wird Mittels eines Dampferzeugers Wasserdampf produziert, der den Turbinen zugeleitet und dort in Drehenergie umgewandelt wird. Die zur Verfügung stehende Drehenergie wird zum Antrieb eines Generators verwendet, der die Drehenergie in elektrische Energie umwandelt. Der aus dem Dampferzeuger austretende Schwachdampf wird in einem Kondensator wieder verflüssigt und dem Dampferzeugerkreislauf zugeleitet. Über einen Außenkühlkreis entsorgt der Kondensator die dem Schwachdampf entzogene Wärme entweder durch ein Fließgewässer, in welches die Wärme eingeleitet wird, oder über einen Kühlturm.

Kritik

Aufgrund der hohen Temperaturen und des zur Vermeidung der Verstrahlung des Kühlmittels notwendigen niedrigen Neutronenquerschnitts des Kühlmittels wird flüssiges Natrium zur Kühlung verwendet. Im Betrieb ist der Einsatz des Natriums potenziell problematisch. Natrium brennt spontan, sobald es mit Luft in Berührung kommt. Ein kleines Leck im Kühlkreislauf des Reaktors hätte sofort einen Brand zur Folge. Daneben ist ein Natriumbrand nicht leicht unter Kontrolle zu bringen, da Natrium mit Wasser heftig reagiert und dabei zudem noch -- ebenfalls höchst brennbares -- Wasserstoffgas entsteht. Heutige Feuerwehrtechnik ist bei einem Brand von mehr als einigen hundert Kilogramm Natrium im wesentlichen machtlos -- große Brutreaktoren benötigen aber mehrere Tonnen Natrium.

Ein weiterer Kritikpunkt am Schnellen Brüter ist, dass beim Betrieb eines Brutreaktors waffenfähiges Plutonium hergestellt wird. Somit kann der Betreiber eines Brutreaktors zum potentiellen Versorger einer Atommacht werden. Selbst wenn der betreibende Staat selbst keinen Atomwaffenbau beabsichtigt, kann dies zu starkem politischen Druck seitens anderer Staaten führen. Des weiteren ist Strom aus Schnellen Brütern um ein Vielfaches teurer als der aus anderen Kernkraftwerken.