Die Henle-Koch-Postulate bezeichnen die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen einem Parasiten und dem entsprechenden Wirt, die mit Hilfe dieser Postulate experimentell überprüft und abgegrenzt werden kann. Der Name der Postulate ergibt sich aus den Arbeiten des Anatomen und Pathologen Jakob Henle (1809-1885) und dem Arzt und Mikrobiologen Robert Koch (1843-1910).
Historische Ableitung
Die Anforderungen der Postulate lassen sich auf die Arbeit "Von den Miasmen und Contagien und von den miasmatisch-contagiösen Krakheiten" von Henle im Jahre 1840 zurückführen. Hier formulierte er die Vermutung, daß parasitäre Kleinstlebewesen die Ursache von Infektionen seien, was er aber noch nicht direkt beweisen konnte. Robert Koch, der bei Henle in Göttingen studiert hatte, hat diese Postulate nicht in dieser Form in einer Arbeit notiert. Eine Zusammenstellung bestimmter Kriterien bei einer Infektion gab Koch 1882 in einem Aufsatz über Tuberkulose an. Friedrich Loeffler, ein Schüler von Koch, gab 1883 ähnliche Kriterien für die Postulate an. Schon 1877 hatte der Bakteriologe Edwin Klebs ähnliche Bestimmungen formuliert.
Auf dem 10. Internationalen Medizinischen Kongress von 1890 in Berlin sprach Koch "Über bakteriologische Forschung":
"Wenn es sich nun aber nachweisen ließe:
- erstens, daß der Parasit in jedem einzelnen Falle der betreffenden Krankheit anzutreffen ist, und zwar unter Verhältnissen, welche den pathologischen Veränderungen und dem klinischen Verlauf der Kranheit entsprechen;
- zweitens, daß er bei keiner anderen Krankheit als zufälliger und nicht pathogener Schmarotzer vorkommt; und
- drittens, daß er von dem Körper vollkommen isoliert und in Reinkulturen hinreichend oft umgezüchtet, imstande ist, von neuem die Krankheit zu erzeugen;
dann konnte er nicht mehr zufälliges Akzidens der Krankheit sein, sondern es ließ sich in jedem Falle kein anderes Verhältnis mehr zwischen Parasit und Krankheit denken, als daß der Parasit Ursache der Krankheit ist."
Heute werden diese Postulate nicht mehr in dieser strikten Form gefordert.
Moderne Form der Postulate
Das erste Postulat betrifft den regelmäßigen, z.B. mikroskopischen Nachweis des Erregers in den Produkten der betreffenden Krankheit. Das zweite Postulat behandelt die Reinzüchtung des Erregers außerhalb des erkrankten Organismus. Das dritte Postulat bestimmt den Nachweis der pathogenen Eigenschaften des reingezüchteten Erregers. Ein heute ergänztes viertes formuliertes Postulat rechnet auch noch den Nachweis immunologischer Erreger-Wirt-Beziehungen dazu.
Erstes Postulat
Das Auffinden des natürlichen Standorts der obligat pathogene Erreger entspricht dem ersten Postulat. Jeder Erreger besitzt ein bestimmtes Wirtsspektrum bzw. eine bestimmte Gewebe- oder Organaffinität. Pathogene Eigenschaften des Erregers und die Empfindlichkeit des Wirts verhalten sich rezibrok zueinander. So bedingt eins das andere und umgekehrt. Die beste Form der gegenseitigen Anpassung ist die Symbiose, das Zusammenleben von Erreger und Wirt mit gegenseitigem Nutzen. Beispielsweise sind Menschen, die Typhusbakterien ausscheiden, gegen die eigenen Keime, die für nichtimmune Personen hochgefährlich sind, immun. Verschiedene Übertragungsmechanismen gewährleisten die Weiterverbreitung bestimmter Erreger, wenn der Wirt und mit ihm der "Standort" stirbt oder wenn die Parasiten der Wirtsabwehr erliegen. Andere Übertragungsmechanismen sind an das weitere Existenz des Standorts gebunden.
Zweites Postulat
Die Erfüllung des zweiten Postulats stellt besondere Anforderungen an die Arbeit des Nährbodens für die Züchtungsbedingungen. Es sollen die natürlichen Umweltbedigungen des Erregers simuliert und dessen pathogene Eigenschaften erhalten bleiben.
Drittes Posulat
Das dritte Postulat beruht auf dem Nacheis der pathogenen Eigenschaften des Erregers. Die gesuchten Merkmale müssen mit Labormethoden quantitativ überprüfbar sein. Das Haften und Eindringen, die Vermehrungskraft und Pathogenität sind Eigenschaften, die von der Virulenzm d.h. der Anzahl der notwendigen Erreger, und der Immunität, der Wirtsabwehr abhängig sind. Im Tierversuch wird entweder die Eindringungs- und Vermehrungspotenz der Erreger und bzw. oder deren Pathogenität gemessen. Fehlt die pathogene Wirkung im Tier oder sind die Faktoren derselben im Tierversuch andere als beim Menschen, so ist der Vergleich zwischen der experimentellen Infektikon und der des Menschen zweifelhaft.
Ergänzung: viertes Postulat
Das ergäntende vierte Postulat behandelt die immunologische Erreger-Wirt-Beziehung. Hier wird der Krankheitserreger in bezug auf die Fähigkeit definiert, nach dem Eindringen und der Vermehrung das System der weißen Blutzellen (Leukozyten) des Wirtes zur Bildung von Antikörpern zu stimulieren. Antikörper sind Einweißmoleküle, die durch eine Neusynthese und Freigabe in die Körperflüssigkeiten gegen den ursächlichen Erreger gebildet werden oder schon vorhanden sind. Aufgrund ihrer spezifischen Struktur sind sie fähig, die pathogene Potenz des Erregers, seine Vermehrungskraft bzw. seine Pathogenität, nach der Bindung an den Krankheitserreger oder dessen pathogene Ausscheidungen zu reduzieren bzw. zu neutralisieren. Das Vorhandensein solcher Antikörpermoleküle sind zugleich ein wichtiger Hinweis auf ablaufende oder abgelaufene Kontakte zwischen den Geweben des Wirts und den Krankheitserregern.
Insbesondere ist das Steigerung bzw. die Senkung der meßbaren Antikörperwirkungen im Blut des Wirts eine Erkennunsghilfe, wenn die Erreger nicht oder schwierig zu züchten sind, wenn Schutzimpfungen geplant und der Erfolg derselben bestimmt werden sollen oder wenn der Stand der Abwehrbereitschaft und somit die Verbreitung des Erregers in der Bevölkerung untersucht werden sollen.