Glaube (Religion)
Glaube ist die subjektive, durch besondere Gründe gefestigte Vorstellung, bzw. das ganze Vorstellungssystem eines Menschen.
Für Immanuel Kant ist Glaube das "Für-wahr-Halten aus subjektiv zureichendem bei objektiv unzureichendem Grund".
Zwei Bedeutungsebenen
Alltagsgebrauch
Glaube beschreibt im Alltagssprachgebrauch die im Rahmen von Unsicherheit festgestellte Erwartung bezüglich irgendwelcher Tatsachen oder Zusammenhänge. Etwa: "Ich glaube, dass morgen die Sonne scheinen wird".
Religion
Glaube im religiösen Sinne beschreibt die mit persönlicher Gewissheit ausgestattete Vorstellung oder ein ganzes Vorstellungssystem bezüglich aller die direkte Erfahrung überschreitenden Zusammenhänge. Derartiger Glaube wird meist in Gruppen gleichgesinnter Gläubiger mehr oder weniger organisiert kultiviert. Gegenstand sind gerade solche Fragen, die zugleich für den Einzelnen oder die Gruppe existentiell bedeutsam und ansonsten nicht wissbar sind: Existenz vor Beginn der Menschheit, generelle Außerexistenzfragen, Leben nach dem Tod, innerweltliche Beschaffenheit (Mikrokosmos), Sinnfragen.
Soweit damit lange Tradition und große Anhängerzahl verbunden ist, wird das Gesamtglaubenssystem als Religion und die zugehörigen menschlich-weltlichen Organisationen als Kirchen bezeichnet. Die Gewissheitsgründe des Glaubens untersucht die Analysis fidei.
Implikationen des Glaubens
Kurz gesagt hat der Begriff Glaube nicht nur im religiösen Sinne 3 Eigenschaften:
1. etwas für richtig und wahr halten
Carl Friedrich von Weizsäcker meint dazu in "Zeit und Wissen":
- Glaube ist kein intellektueller Akt, sondern eine Weise zu leben. An etwas glauben heißt, sich in jeder Lage so zu verhalten, wie man sich verhalten muß, wenn es das, woran man glaubt, wirklich gibt. Das Fürwahrhalten ist nur die der Reflexion zugängliche intellektuelle Spitze des glaubenden Verhaltens. Um es in einem Gleichnis auszudrücken: Der Fußballspieler muß den Ball ab und zu einem anderen Spieler seiner Mannschaft zuspielen. Das ist nur sinnvoll, wenn er damit rechnen kann, daß der Partner den Ball übernimmt und gegebenenfalls zurückspielt. Gewißheit hierfür gibt es nicht, denn der andere könnte durch den Gegner gehindert sein oder den Ball verfehlen. Trotzdem muß man ihm zuspielen. Dies mit dem Gegenüber trotz der Ungewißheit rechnende Zuspielen und Zurückerwarten des Balls ist Glauben...
- Es wäre wiederum ein aus der Reflexion stammendes Mißverständnis, wenn man versuchen wollte, nun einen "berechtigten Glaubensinhalt" zu formulieren. Könnte man die "Berechtigung" eines Glaubensinhaltes erweisen, so würde man wohl besser von Wissen reden.
2. etwas für wertvoll halten
- Ich habe versucht, einige Weisen des Glaubens zu beschreiben. Ich habe nicht versucht, über ihren Wert zu argumentieren, denn das kann man nur, indem man selbst glaubt, also nicht von einem Ort jenseits der in jedem bewußten Glauben liegenden Entscheidung. (C.F. von Weizsäcker, Zeit und Wissen)
3. sich jemandem oder einer Lehre anvertrauen
Aber: Buddha lehrte: Wenn Deine Einsicht meiner Lehre widerspricht, musst du Deiner Einsicht folgen. Jesus Christus sprach: Wer Gottes Willen tut, wird erfahren, ob meine Lehre von Gott ist (Joh. 7,17)
Etymologie
Das Wort "glauben" ist die Übersetzung des griechischen "pisteuein" mit vergleichbarem Wortsinn. Im Judentum dagegen wird meist die Vokabel "aman" verwendet: Sich an etwas festmachen. Ursprünglich gemeint war also nicht das unbestimmte "ich weiß nicht", sondern im Gegenteil: "ich verlasse mich auf, ich binde meine Existenz an". Es geht also zentral nicht um einen Gegenpol zum Wissen, sondern um Vertrauen, Gehorsam und Lebensübergabe. (Vergleiche: Geloben.)
Glaube erklärt durch die hebräische Grammatik. Diese Vokabel "aman" mit der Schreibung "Aleph-Mem-Nun" wird nur in der Stammesmodifikation des "Hifil" (Aussprache "hä´ämin") im Deutschen mit dem Wort "glauben" übersetzt. Diese Stammesmodifikation drückt im allgemeinen einen kausativen Aspekt der Grundbedeutung aus. Die Grundbedeutung der Buchstabenfolge (Wurzel) "Aleph-Mem-Nun", die auch im ursprünglich hebräischen Wort Amen erscheint, ist "fest" oder "unerschütterlich", die Bedeutung im Hifil ist also "jemanden fest sein lassen" oder "jemanden sich als fest und unerschütterlich beweisen lassen". Und dies ist genau der Glaube, den sowohl das alte als auch das neue Testament meint.
Dem Glauben zugrunde liegt eine Anlage des Menschen, sich an etwas festzumachen, an einer Hoffnung, einem (Welt- oder Menschen- oder Gottes-)bild. Ohne diese Grundausrichtung wäre ein Mensch haltlos und nicht überlebensfähig.
Unabhängig davon ist, woran speziell sich ein Mensch festmacht. Hier können rein innerweltliche Dinge (z. B. die eigene Kraft, das Volk/eine Gemeinschaft oder Beziehung, die Familie) das Objekt des Glaubens bieten oder auch Lebensstrategien, Weltprinzipien bis hin zum Glauben an über- oder außerweltliche Kräfte und Personen (Götter oder Gott).
- ...Glauben heißt angeblich nicht wissen,...doch Wissen ist auch nicht mehr, als das zu glauben, was jemand weiß....
- Auch wer sich tief auf den Zweifel eingelassen und vielleicht sogar die Verzweiflung erfahren hat, findet sich schließlich, wenn er weiterlebt, derselben Welt gegenüber, die ihm als natürlichem Menschen gegeben war. Er wird nun an vielen Stellen Vorsicht und relativen Zweifel gelernt haben, vielleicht ist ihm der schwebende Charakter aller Erkenntnis deutlich geworden, die Möglichkeit, alles anzuzweifeln. Aber indem er lebt, läßt er die Welt gelten. ... Man kann dies kaum deutlicher sagen als Faust in dem Augenblick, in dem er aus der Verzweiflung zurückkehrt: >Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder.< Die Träne ist das Wirkliche, das er schlicht gelten läßt, und mit ihr die Welt, denn weinen heißt leben.
- Wer überhaupt aus der wirklichen Verzweiflung zurückkehrt, wird dabei wohl immer eine Erfahrung des Bereichs gemacht haben, den man den religiösen nennt. Die Möglichkeit des Weiterlebens wird für ihn meist mit dieser Erfahrung zusammenhängen. Sein weiteres Leben wird also ein Verhalten sein, das mit der Wirklichkeit, die sich ihm in dieser Erfahrung gezeigt hat, in der Weise des Glaubens rechnet, auch wenn diese Wirklichkeit sich nicht oder nicht mehr unmittelbar zeigt. Der religiöse Glaube, wo er echt ist, ist also in besonderer Weise nicht ein bloßes Fürwahrhalten, sondern eine Art des Lebens. Es ist aber nicht ein bloßes Geltenlassen eines sich ohnehin Zeigenden, sondern ein aktives ständiges Ansprechen oder Anrufen eines sich nicht ohne weiteres Zeigenden.
Carl Friedrich von Weizsäcker, Zeit und Wissen
Glaube und Wissen
Lange Zeit nahm man an, dass gerechtfertigter wahrer Glaube Wissen sei (GWG-Behauptung). Gettier gab dazu Gegenbeispiele an, die zeigten, das zum Wissen gerechtfertigter Wahrer Glaube nicht ausreicht (Gettier-Problem).
Zitate
- Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (1. Kor. 13,13 zitiert nach der Lutherbibel 1984. Auf diesem Text basieren verschiedene kirchliche Kunstwerke.)
- Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. (Hebräer 11,1 zitiert nach der Bibelübersetzung Martin Luthers, überarbeitet 1984)
- Glaube denen, die die Wahrheit suchen und zweifle an denen, die sie gefunden haben. André Gide
- Wo Glaube ist, ist Hoffnung, und wo Hoffnung ist, geschehen Wunder. (Werbespruch für eine Gesichtscreme gegen Falten)
- Der Glaube kann Berge versetzen. (Alte Volksweisheit)
Literatur
- Tom Bisset: Warum? jemand nicht mehr glauben kann, Bielefeld, 2005, ISBN 3-89397-971-9 (PDF-Download)
- Arthur Ernest Wilder-Smith: Wer denkt, muss glauben, Bielefeld, ISBN 3-89397-798-8
Siehe auch
Weblinks
- Die christliche Hilfe zum Glauben
- Religion, Glauben und Lebenswege - sehr umfangreiche und neutrale Informationsseite
- Glauben oder Wissen? (Aus Sicht der katholischen Kirche)
- Psychologie, Religion & Glauben
- Aktuelle Literatur zum Thema Glaube
- Links zu Glaube und Religion
- "katholisch"-atheistisches Diskussionsforum mit z.Zt. 2700 regen Mitgliedern
- Die Standardseite für Christen im Internet