Bedingte Wahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses A unter der Bedingung, dass ein Ereignis B bereits vorher eingetreten ist. Es wird geschrieben als , der senkrechte Strich ist als "unter der Voraussetzung" zu lesen und wie folgt zu verstehen: Wenn man das Ereignis B voraussetzt, ist die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis A , es handelt sich also nicht um eine (logische) Bedingung für A.
Beispiele
Junge oder Mädchen
Eine Mutter hat zwei Kinder und wird nach dem Geschlecht der Kinder gefragt. Fall 1 ist zu Vergleichszwecken und hat keine bedingte Wahrscheinlichkeit.
- Fall 1: Wenn das erste Kind ein Mädchen ist, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch das zweite Kind ein Mädchen ist? Die Antwort ist 1:2.
- Fall 2: Wenn eines der Kinder ein Mädchen ist, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch das andere Kind ein Mädchen ist? Die Antwort ist 1:3.
Das zunächst überraschende Ergebnis läßt sich mit folgender Tabelle bestimmen. Die ersten beiden Spalten zeigen, welche Möglichkeiten es bei zwei Kindern gibt: Das erstgeborene kann ein Junge oder ein Mädchen sein, das zweitgeborene kann ebenfalls ein Junge oder ein Mädchen sein, insgesamt gibt es also vier Kobinationen bei den Geschlechtern.
Spalte 3 zeigt die Möglichkeiten, wenn man -wie in Fall 1- davon ausgeht, dass das erste Kind ein Mädchen sein muss - die Zeilen 1 und 2 sind dann nicht möglich.
Spalte 4 zeigt die Möglichkeiten, wenn man -wie in Fall 2- davon ausgeht, dass wenigstens eines der beiden Kinder ein Mädchen ist.
1. Kind 2. Kind Lösung zu Fall 1:
Zweites Kind ist...Lösung für Fall 2:
Anderes Kind ist...1 Junge Junge (geht nicht) (geht nicht) 2 Junge Mädchen (geht nicht) Junge 3 Mädchen Junge Junge Junge 4 Mädchen Mädchen Mädchen Mädchen
Einfaches abzählen zeigt, dass in Fall 1 eine von zwei Möglichkeiten auf ein Mädchen, aber in Fall 2 nur eine von drei Möglichkeiten auf ein Mädchen hinweist.
Beispiel TV Show
Ein bestimmter Typ von Fernseh-Show läßt sich ebenfalls mit bedingten Wahrscheinlichkeiten analysieren. Bei diesem Typ von show wird der Kandidat in der letzten Runde vor drei verschlossene Tore gestellt und soll wählen, welches er öffnen will. Nur hinter einem Tor befindet sich ein Gewinn. Nach der Wahl versucht der Moderator, den Kandidaten von seiner Wahl abzubringen, damit der ein anderes Tor wählt. Der Kandidat weigert sich und der Moderator läßt eines der anderen Tore öffnen. Soll sich der Kandidat jetzt seine Wahl ändern? Die Antwort ist eindeutig Ja. Zum Beweis sollen die Voraussetzungen noch einmal zusammengefasst werden:
- Der Moderator wird eines der drei Tore öffnen
- Der Moderator wird keinesfalls das Tor öffnen, welches der Kandidat ausgewählt hat
- Der Moderator wird kein Tor öffnen, hinter dem sich ein Gewinn befindet.
Die folgende Tabelle zeigt die Wahrscheinlichkeiten unter der Voraussetzung, dass der Kandidat Tor 1 gewählt hat und spielt die Möglichkeiten durch, bei denen der Gewinn mal hinter Tor 1, 2 oder 3 liegt. Die farblich hinterlegten Felder zeigen, welche Tore der Moderator nicht öffnen kann:
Tor 1
GewähltTor 2 Tor 3 1 Gewinn Niete Niete 2 Niete Gewinn Niete 3 Niete Niete Gewinn
Wenn der Gewinn hinter Tor 1 liegt, kann der Moderator Tor 2 oder 3 öffnen, wenn der Kadidat seine Entscheidung ändert, hat er verloren. Wenn der Gewinn hinter Tor 2 oder hinter Tor 3 liegt, kann der Moderator nur eines der drei Tore öffnen und der Kandidat gewinnt, wenn er seine Wahl ändert. Da der Kandidat nicht weiß, hinter welchem Tor der Gewinn liegt, ist es in 2 von 3 Fällen günstiger, wenn der Kandidat seine Wahl ändert, sobald der Moderator ein Tor geöffnet hat. Die Strategie muss also lauten: Die Auswahl des Tores immer ändern.
Weitere Beispiele
- Beispielsweise ist die bedingte Wahrscheinlichkeit P(„die Erde ist nass“|„es regnet“) (die Erde ist nass, wenn es regnet) meist groß, denn unter der Voraussetzung, dass es zu einem Zeitpunkt regnet, sollte man erwarten, dass die Erde nass wird. Bedingte Wahrscheinlichkeit fragt also nach, wie wahrscheinlich ein Ereignis ist, wenn ich ein anderes bereits kenne. In unserem Beispiel weiß ich, dass es regnet und frage mich, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Erde nass ist. Offensichtlich unterscheidet sich die bedingte Wahrscheinlichkeit von der unbedingten.
- Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der französisch spricht, ein Franzose ist, ist weder gleich groß der Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der ein Franzose ist, auch französisch spricht, noch ergänzen sich beide Wahrscheinlichkeiten auf 100%.
Zwei Variablen
Wenn A und B abhängige Ereignisse sind, und P(B) > 0 ist, dann gilt
Es ist
die Verbundwahrscheinlichkeit, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass A und B gemeinsam auftreten. Die Verbundwahrscheinlichkeit wird teilweise auch einfach P(A,B) geschrieben. Es gilt durch Umformen natürlich auch:
Wenn A und B jedoch unabhängig sind, dann gilt
n Variablen
Man betrachte dazu den multivariaten Fall mit mehr als zwei Zufallsereignissen:
Verallgemeinert man den obigen Ausdruck für zwei Variablen erhält man den allgemeinen Multiplikationssatz der Wahrscheinlichkeiten:
Besonders anschaulich ist hier das Rechnen mit einem Entscheidungsbaum, da hier das Diagramm gleichsam "mitrechnet": die Daten sind leicht einzusetzen, und man wird sequentiell an den richtigen Rechengang heran geführt.
Beispiele findet man im Artikel Bayes-Theorem.
Siehe auch
Fehler 1. Art,Fehler 2. Art, Absolute Häufigkeit,Irrtumswahrscheinlichkeit, Verbundentropie, Kausalbeziehung, Schnittmenge, DNA-Test, Zahlenanalphabetismus, Sensitivität, Falsch positiv, Positiver prädiktiver Wert, Bayessches Netzwerk, Bayes-Filter,Ziegenproblem, Umtauschparadoxon
Weblinks
- Der Trugschluß des Ermittlers Spektrum der Wissenschaft Juli 1997 ("Mathematische Unterhaltungen")
- http://www.sencer.de/index.php?p=9&more=1
- http://www.fernuni-hagen.de/www2bonsai/WTHEORIE/ds/node6.html